Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 33 KR 1138/10 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 31/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Für die Prüfung des Gerichts nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG gelten dieselben Grundsätze wie für die entsprechende Entscheidung der Verwaltung nach § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG.
2. Wie bei der Einstweiligen Anordnung steht auch bei der Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 SGG die Prüfungsintensität der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides mit der Intensität der drohenden Rechtsverletzung in einer Wechselbeziehung.
3. Zur abhängigen Beschäftigung eines Familienhelfers.
2. Wie bei der Einstweiligen Anordnung steht auch bei der Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 SGG die Prüfungsintensität der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides mit der Intensität der drohenden Rechtsverletzung in einer Wechselbeziehung.
3. Zur abhängigen Beschäftigung eines Familienhelfers.
Der Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 3. Januar 2011 wird aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 3. August 2010 wird bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides angeordnet. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten beider Instanzen. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 283.402,14 EUR festgesetzt. &8195;
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bei-tragsbescheid der Antragsgegnerin vom 3. August 2010.
Der Antragsteller ist als gemeinnütziger Verein im Bereich der Jugendhilfe tätig. Er hat nach den Angaben im angefochtenen Bescheid mit dem örtlichen Träger der Jugend¬hilfe, dem Kreis H. L., eine Vereinbarung nach § 77 des Achten Sozialgesetzbuches (SGB VIII) über Leistungen nach diesem Gesetz getroffen. Diese Leistungen, insbesondere die im Rahmen der so genannten Familienhilfe, erbringt der Antragsteller durch hauptamtliche Fachkräfte und Honorarkräfte. Die Entgeltvereinbarung unterscheidet nach den Angaben im Bescheid zwischen hauptamtlichen Fachkräften (pro Fachleistungsstunde 40,10 EUR Entgelt) und Honorarkräften (pro Fachleistungsstunde 36,08 EUR Entgelt). Der Verein zahlt den Honorarkräften einheitlich 27,05 EUR pro Fachleistungsstunde. Er hat mit diesen so genannte Honorarverträge, jeweils befristet, geschlossen; soweit den Verwaltungs- und Gerichtsakten zu entnehmen mit unterschiedlichem Inhalt.
Die Antragsgegnerin führte vom 1. September 2009 bis 1. März 2010 an fünf Tagen eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 des Vierten Sozialgesetzbuches (SGB IV) mit dem Prüfzeitraum 2005 bis 31. August 2009 durch. Nach vorheriger Anhörung forderte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 3. August 2010 den Antragsteller zur Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 850.206,43 EUR auf und begründete diese Forderung damit, dass die Honorarkräfte als abhängig Beschäftigte der Sozialversicherungspflicht unterlägen hätten. Die Regelungen in den Honorarverträgen zeigten eine Eingliederung in die betriebliche Organisation des Antragstellers. Die zu erfüllenden Aufgaben seien klar geregelt. Dass den Familienhelfern ein gewisses Maß an Gestaltungsfreiheit eingeräumt worden sei, lasse sich mit dem Aufgabengebiet erklären. Es fehle ein unternehmerisches Risiko, da den Honorarkräften ein regelmäßiges Arbeitsentgelt für die Betreuung gezahlt werde. In den während der Prüfung vorgelegten Unterlagen sowie Aussagen befragter Honorarkräfte habe kein anderer Aufgaben¬bereich als der eines sozialpädagogischen Familienhelfers festgestellt werden können. Der Bescheid enthält in der Anlage eine Aufstellung der betroffenen Einzugsstellen und Honorarkräfte und die Aufteilung der nachgeforderten Beiträge auf die Honorarkräfte.
Gegen den Bescheid legte der Antragsteller Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung führte er aus, eine Betriebsprüfung im Jahre 2006 für den Prüfungszeitraum 2004 bis 2007 sei ohne Beanstandungen geblieben. Die Honorarkräfte seien nicht als abhängig Beschäftigte anzusehen, da ihnen das wesentliche Merkmal einer abhängigen Beschäftigung, nämlich die Weisungsgebundenheit, fehle. Hinzuweisen sei darauf, dass die Honorarverträge mit den Honorarkräften inhaltlich unterschiedlich ausgestaltet seien. Die pauschale Feststellung über verbindliche Teilnahmen an Fortbildung, regelmäßigen Gesprächstreffen und Supervision seien unzutreffend. Im Übrigen führe ein regelmäßiges Gesprächstreffen nicht zur Weisungsgebundenheit, sondern diene lediglich der Qualitätssicherung. Hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort seien die Honorar¬kräfte frei und könnten sie selbständig bestimmen. Die Tätigkeitsbereiche der einzelnen Honorarkräfte seien unterschiedlich ausgestaltet, sodass der Begriff "Familienhelfer" keinesfalls auf alle Honorarkräfte anzuwenden sei. Eine entsprechende Differenzierung sei jedoch in dem Bescheid nicht vorgenommen worden. Die Beauftragung erfolge jeweils projektbezogen unter Berücksichtigung der jeweiligen Aufgabenstellung und Qualifikation der zur Verfügung stehenden Honorarkräfte. Unzutreffend sei auch die Feststellung, dass die Honorarkräfte die Dienste nicht unmittelbar dem öffentlichen Träger der Jugendhilfe anbieten könnten sowie die Ausführungen, dass be¬reits vor der Hilfekonferenz die Honorarkraft festgestanden habe, die für die Übernahme des Auftrages in Betracht komme. Der Antragsteller sei kurzfristig nicht in der Lage, den geforderten Betrag aus dem vorhandenen Barvermögen oder durch andere liquide Mittel sicherzustellen und wäre daher gezwungen, gegebenenfalls ein Insolvenzverfahren zu beantragen.
Die Antragsgegnerin hat die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt, da die Voraussetzungen dafür, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides oder eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte, nicht vorlägen.
Der Antragsteller hat am 15. Dezember 2010 beim Sozialgericht Lübeck die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Wider-spruchs beantragt und zur Begründung ergänzend vorgetragen: Wegen der sehr hohen Zahlungsverpflichtung bei Vollzug des Beitragsbescheides sei die Insolvenz zu befürchten. Dazu legt der An¬tragsteller eine eidesstattliche Versicherung seines Geschäftsführers Herrn P. W. vor, nach der die finanziellen Mittel des Vereins nicht ausreichten, die angeblichen Verbindlichkeiten zu decken und er gezwungen wäre, Insolvenzantrag zu stellen. Im Übrigen sei der Bescheid rechtswidrig. Die Teilnahme an den Hilfekonferenzen sei jeweils selbständig und unabhängig von der Mitwirkung des Antragstellers erfolgt. Eine Kontrolle der Honorarkräfte durch den Antragsteller habe nur in dem grundsätzlich zu fordernden Rahmen stattgefunden, eine aufsichtsähnliche Tätigkeit habe es zu keinem Zeitpunkt gegeben. Wie den vorgelegten Musterhonorarverträgen zu entnehmen sei, seien die Honorarkräfte keinem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterworfen worden. Eine solche Weisung habe auch nicht stattgefunden. In dem angefochtenen Bescheid werde auf Handlungsrichtlinien verwiesen, ohne näher darzustellen, um welche Handlungsrichtlinien es sich dabei handeln solle. Die Parteien der Honorarverträge seien, wie sich deren Inhalt entnehmen lasse, davon ausgegangen, dass eine Beitragspflicht zur Sozialversicherung aufgrund selbständiger Tätigkeit nicht bestanden habe. Dem komme ein hohes Gewicht zu, wie das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil vom 9. Juni 2010 (5 AZR 332/09) entschieden habe. Unzutreffend sei die Feststellung der Antragsgegnerin im Hinblick auf Frau K. F. schon deshalb, weil nur ihr Ehemann als Honorarkraft für den Antragsteller tätig gewesen sei.
Die Antragsgegnerin hat die Zurückweisung des Antrags beantragt und verweist zur Begründung auf den Inhalt des Beschei¬des vom 3. August 2010. Hilfsweise beantragt sie, dem Antrag lediglich befristet bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens mit der Auflage der Verzinsung in Höhe von 4 v. H. stattzugeben.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 3. Januar 2011 den Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Nach den Abgrenzungskriterien könne nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, ob ein Beschäftigungsverhältnis oder eine selbstständige Tätigkeit vorgelegen habe. Die Tätigkeiten wiesen nämlich Merkmale beider Formen in erheblichem Umfange auf. Gegebenenfalls seien in einem nachfolgenden Hauptsachever-fahren weitere Ermittlungen zu der tatsächlichen Umsetzung der Honorarverträge vorzunehmen. Da die Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur dann erfüllt seien, wenn der Erfolg des Rechtsbe-helfs wahrscheinlicher sei, als ein Misserfolg, führe diese Sachlage nicht zu der beantragten Anordnung. Diese Anordnung komme auch nicht wegen einer unbilligen Härte in Betracht. Die pauschale Behauptung, die geforderte Summe nicht zahlen zu können, ohne dass Zahlungsschwierigkeiten aufträten, reiche insoweit nicht aus, eine solche unbillige Härte zu belegen. Eine ungerechtfertigte Besserstellung desjenigen müsse ausgeschlossen werden, der Beiträge schuldhaft nicht abführe, wenn diese sich bei einer Nachforderung auf eine drohende Insolvenz berufen könnten.
Gegen den ihm am 5. Januar 2011 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, eingegangen beim Sozialgericht Lübeck am 7. Februar 2011, einem Montag. Zur Begründung wiederholt er seinen bisherigen Vortrag, dass keinerlei Wei¬sungsrecht eines Arbeitgebers ausgeübt worden und das eine vorherige Betriebsprüfung der Antragsgegnerin ohne Beanstandungen geblieben sei. Fahrkosten, Versicherungen usw. seien nicht erstattet worden, wie bei Selbstständigen üblich. Im Rahmen der zwischenzeitlich mit den beteiligten Krankenkassen geführten Korrespondenz wegen einer möglichen Stundungsvereinbarung habe der Antragsteller festge¬stellt, dass die betroffenen Krankenkassen in mehreren Fällen keinerlei Kenntnis von der vorhergehenden Betriebsprüfung gehabt hätten, es seinen Forderungen auf Zahlung von Beiträgen dort nicht einmal aktenkundig. Augenscheinlich sei es bei der Betriebsprüfung zu größeren Unregelmäßigkeiten gekommen. So habe etwa die IKK Nord mitgeteilt, dass Frau B. Wa. kein Mitglied der Krankenkasse sei.
Die Antragsgegnerin erwidert: Betriebsprüfungen kämen keine Entlastung des Arbeitgebers dergestalt zu, dass er mit weiteren Beitragsforderungen nicht zu rechnen habe. Für die abhängige Beschäftigung spreche hier die Arbeit auf der Basis eines zuvor erstellten Hilfeplanes, die vertraglich festgelegten Arbeitszeiten, die Erledigung konkret beschriebener und vorgegebener Aufgaben und die umfassende Berichts- und Dokumentationspflicht. Im Übrigen hätten die Familienhelfer weder Kapital noch Sachmittel mit dem Verlustrisiko eingesetzt. Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte habe der Antragsteller nicht belegt. Allein eine unsubstantiierte Behauptung der Insolvenz bei Vollziehung der Beitragsforderung reiche nicht aus.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet. Nach Auffassung des Senats sind die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs erfüllt.
Der gegen den Beitragsbescheid vom 3. August 2010 eingelegte Widerspruch hat nach § 86 Abs. 2 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) keine aufschiebende Wirkung, da in dem Bescheid über die Versicherungspflicht und die Anforderung von Beiträgen entschieden worden ist und ein Antrag des Antragstellers auf Aussetzung der Vollziehung gemäß § 86a Abs. 3 SGG von der Antragsgegnerin abgelehnt wurde. Für die Prüfung des Gerichts nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG gelten dieselben Grundsätze wie für die entsprechende Entscheidung der Verwaltung (vgl. etwa Beschluss des Senats vom 20. September 2010 – L 5 KR 149/10 B ER -; Keller in Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG-Kommen¬tar, § 86b Rz. 12b). Nach § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG soll eine Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Inter¬essen gebotene Härte zur Folge hätte. Ebenso wie bei der einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG (dort Anord¬nungsanspruch und Anordnungsgrund), steht auch bei der An-ordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 SGG die Prüfungsintensität der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides mit der Intensität der drohenden Rechtsverletzung in einer Wechselbeziehung dergestalt, dass bei einer hohen Intensität der Rechtsverletzung sich die Anforderungen an die Prüfung der Erfolgsaussicht der Hauptsache verringern. Das gilt insbesondere, wenn durch die sofortige Vollziehung vollendete Tatsachen, also irreparable Zu¬stände geschaffen würden, da der Hauptsacherechtsschutz ohne aufschiebende Wirkung allein durch die Dauer des Verfahrens hinfällig würde (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilver¬fahren, 2. Aufl. 2008, Rz. 193, 196 m. w. N. auch aus der Rechtsprechung des BVerfG).
Der Antragsteller behauptet, dass er bei einer Vollstreckung der Beitragsforderungen mangels vorhandener ausreichender Mittel des Vereins gezwungen wäre, einen Insolvenzantrag zu stellen. Zwar vermag der Senat diese Behauptung aufgrund fehlender Kenntnisse der finanziellen Mittel des Antragstellers nicht nachzuprüfen. Er sieht sich allerdings auch nicht im Rahmen des Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz dazu in der Lage, da hier umfassende Untersuchungen der finanziellen Lage des Antragstellers notwendig wären. Auf der anderen Seite berücksichtigt der Senat, dass es sich mit der eingeforderten Beitragssumme von 850.000,00 EUR um einen so hohen Betrag handelt, dass schon aufgrund der Höhe dieser Summe von erheblichen Zahlungsschwierigkeiten des Antragstellers auszugehen ist. Darüber hinaus liegt dem Senat die eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers des Antragstellers vor, wonach bei einer Vollstreckung der Antragsteller gezwungen wäre, Insolvenzantrag zu stellen. Dies wird von der Antragsgegnerin auch nicht substantiiert bestritten.
Unter Berücksichtigung dieser hohen Intensität der drohenden Rechtsverletzung bewertet der Senat die Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Beitragsbescheides derart, dass sie ausreichend sind, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu begründen. Diese Zweifel finden ihre Grundlage zunächst in der auch vom Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss angesprochenen Notwendigkeit weiterer Ermittlungen zu den tatsächlichen Verhältnissen, in denen die Honorarkräfte Tätigkeiten für den Antragsteller ausgeübt haben. So ist den Verwaltungsakten der Antragsgegnerin nicht zu entnehmen, dass eine umfassende Befragung der Honorarkräfte erfolgte. Es liegt lediglich eine Aktennotiz über ein Telefonat mit einem Ha. S. und einer E. Ea. sowie mit einer Frau Ka. vor. Über letztere liegen in den Verwaltungsakten an anderer Stelle auch Feststellungen der für Frau Ka. zuständigen Krankenkasse vor. Vor dem Hintergrund, dass hier jedoch eine Vielzahl von Familienhelfern auf der Grundlage des Beitragsbescheides betroffen sind und überdies die in den Akten enthaltenen Feststellungen nur teilweise Einblicke in deren Tätigkeit zulassen, sieht der Senat die bisherigen Ermittlungen nicht als ausreichend an. So ist den bisherigen Feststellungen das wesentliche Element für die Abgrenzung von selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung nicht zu entnehmen, ob die Honorarkräfte das Recht hatten, auch für dritte Auftraggeber tätig zu sein und dies auch tatsächlich umsetzten. Die von dem Antragsteller im Antragsverfahren vorgelegten Honorarverträge lassen dies nach § 3 zu. Andere Honorarverträge, die sich in den Verwaltungsakten der Antragsgegnerin befinden, enthalten hierüber keine Regelung. Bedeutung hat dieses Merkmal vor dem Hintergrund der sozialgerichtlichen Rechtsprechung zur Abgrenzung der selbständigen Tätigkeit von der abhängigen Beschäftigung und der Fassung des § 7 Abs. 4 SGB IV im Jahre 2002 in Nr. 1. Weiteres Abgrenzungsmerkmal von Bedeutung ist, ob die Honorarkräfte identische Tätigkeiten mit den angestellten Familienhelfern verrichteten, wie sich insbesondere aus § 7 Abs. 4 Nr. 5 SGB IV i. d. F. von 2002 ergibt. Auch der genaue Inhalt der so genannten Handlungsrichtlinien, auf die der Beitragsbescheid Bezug nimmt, ist für die Abgrenzung von Bedeutung. Gleiches gilt für den Inhalt der Vereinbarung des Antragstellers mit dem zuständigen Träger der Jugendhilfe. Soweit die Antragsgegnerin auf die bei den Honorarkräfte vorliegenden Merkmale der vertraglich festgelegten Arbeitszeiten und die konkret beschriebenen und vorgegebenen zu erledigenden Aufgaben hinweist, vermag der Senat den vorliegenden Unterlagen, und insbesondere den Honorarverträgen, solche Vereinbarungen nicht zu entnehmen.
Der Umstand, dass noch erhebliche Ermittlungen hinsichtlich der hier streitigen Tätigkeit der Honorarkräfte vorzunehmen ist, zu denen etwa auch ihre Qualifikation gehört, führt bereits dazu, dass Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides begründet sind. Darüber hinaus sieht der Senat auch erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides unter Berücksichtigung der aktuellen sozialgerichtlichen Rechtsprechung zu den Familienhelfern begründet. So haben zuletzt das Bayerische Landessozialgericht mit Urteil vom 21. Mai 2010 (L 4 KR 68/08) und das Landessozialgericht Berlin-Bran¬denburg am 22. September 2010 (L 9 KR 232/07) entschieden, dass Familienhelfer nach dem SGB VIII als freie Mitarbeiter tätig sein können und es in den jeweils zu entscheidenden Fällen auch waren. Nach den Urteilsgründen handelt es sich, soweit beurteilbar, um zumindest ähnliche Sachverhalte. Auch dort wurde die Tätigkeit als Familienhelfer durch fest angestellte Fachkräfte und freie Mitarbeiter, die im Rahmen befristeter Honorarverträge tätig waren, verrichtet. Allerdings waren diese Familienhelfer Mitarbeiter der jeweiligen Träger der Jugendhilfe, was allerdings nach Auffassung des Senats grundsätzlich keine andere Bewertung zulässt. Ebenso wie im vorliegenden Fall bestand für diese Honorarkräfte eine Berichtspflicht. Dem Urteil des LSG Berlin-Brandenburg lag überdies ein Sachverhalt zugrunde, nach dem der dortige Kläger, anders als hier, Urlaubsabgeltung und Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung zahlte. Nach Auffassung des Bayerischen LSG, der der Senat nach summarischer Prüfung zustimmt, enthielten die Honorarverträge nur wenig Anhaltspunkte für ein abhängiges Beschäftigungsver¬hältnis. So ist etwa in § 4 des vom Antragsteller vorgelegten Honorarvertrages aufgeführt, dass der Auftragnehmer die Leistung in eigener Verantwortung ausführt und selbst über Umfang, Ort, Zeit und Art der Unterstützung entscheidet. Die Kosten für den Bürobetrieb, technische Vorrichtungen und Hilfsmittel im Rahmen der Auftragstätigkeit sind nach § 5 vom Auftragnehmer selbst zu tragen. Gleiches gilt für die Fahrkosten. Auch die Haftung für Schäden, wie in § 8 des Honorarvertrages vorgesehen, spricht gegen eine abhängige Beschäftigung. Im Übrigen haben die Parteien des Honorarvertrages in § 10 den Willen bekundet, dass durch den Abschluss des Vertrages kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründet wird. Zwar ist letztere Entscheidung unabhängig vom Willen der Parteien des Vertrages vorzunehmen, da öffentlich-rechtliche Bestimmungen über die Sozialversicherungspflicht zwingendes öffentliches Recht sind. Gleichwohl stellt aber der Wille der Parteien, ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht begründen zu wollen, ein Indiz für die selbständige Tätigkeit dar. Darüber hinaus weist das Bayerische LSG zutreffend darauf hin, dass die von der Antragsgegnerin hervorgehobene Berichtspflicht nicht zwingend für ein Beschäftigungsverhältnis spricht. Diese Berichtspflicht stellt zum einen schon deshalb keine Kontrollmöglichkeit im Rahmen des Weisungsrechts des Arbeitgebers dar, weil sie dem Auftraggeber nicht die jederzeitige Möglichkeit öffnet, die Tätigkeit des Familienhelfers zu überwachen und gegebenenfalls in seine Tätigkeit einzugreifen. Im Übrigen ist es nicht unüblich, dass eindeutig Selbständige, wie z. B. Handwerker, ihrem Auftraggeber gegenüber verpflichtet sind, Dokumentationen zu erstellen, um so den Vergütungsanspruch zu rechtfertigen. Gleiches mag hinsichtlich der Antragstellerin und den Honorarkräften gelten, wenn letztere, ohne dass der Antragsteller das im Einzelnen überprüfen konnte, monatlich die angesetzten Stunden gegenüber dem Antragsteller geltend machten. Im Rahmen der Ermittlungen wird in diesem Zusammenhang auch noch festzustellen sein, ob die Honorarkräfte berechtigt waren, Aufträge abzulehnen und ob dies auch in nennenswerter Zahl geschah.
Gegen die Entscheidung des Bayerischen LSG ist zudem die, vom LSG zugelassene, Revision anhängig (B 12 KR 14/10 R). Das Bundessozialgericht wird also demnächst über die Bewertung von Familienhelfern im Rahmen des § 7 SGB IV entscheiden.
Darüber hinaus hat der Senat am 31. Au¬gust 2005 (L 5 KR 40/04) entschieden, dass eine Be¬treuung von Jugendlichen bei Unterbringung im eigenen Haus eine selbständige Tätigkeit darstellt. Dem Argument der Antragsgegnerin, es fehle mangels Einsatzes von Sachmitteln ein für die selbständige Tätigkeit entsprechendes Unternehmerrisiko, überzeugt nicht. Dienstleistungen wie hier werden häufig ohne Einsatz von Sachmitteln erbracht. Gleichwohl ist es nicht ausgeschlossen, dass diese in einer selbständigen Tätigkeit verrichtet werden.
Insgesamt wirft der angefochtene Beitragsbescheid damit sowohl formalrechtliche als auch materiell-rechtliche Bedenken auf, sodass insbesondere unter Berücksichtigung der Folgen einer möglichen Vollstreckung die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs herzustellen ist. In diese Bewertung hat der Senat auch mit einbezogen, dass diese Feststellung nicht zu einer Risikoverschiebung zu Lasten der Antragsgegnerin dergestalt führt, dass sie ihren Anspruch zu einem späteren Zeitpunkt nur mit erheblichen Schwierigkeiten oder gar nicht wird durchset¬zen können. Vielmehr scheint das Gegenteil der Fall zu sein, da mit der Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Antragsteller in die Lage versetzt wird, für den Fall eines möglichen Verlierens in der Hauptsache ausreichende Mittel für die Nachzahlung der Beiträge bereitzustellen.
Von einer Beiladung der beteiligten Sozialversicherungsträger und Honorarkräfte hat der Senat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Abstand genommen, weil dies aufgrund des Umfangs den Rechtsstreit erheblich verzögern würde und der Eintritt von Rechtsverlusten insoweit nicht ersichtlich ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Bei der Festsetzung des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§§ 197 Abs. 1 Satz 1 SGG, 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz) ist der Senat von der Nachforderung in Höhe von 850.206,43 EUR ausgegangen. Der Streitwert im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird in der Rechtsprechung des Senats (z. B. Beschluss vom 20. September 2010 L 5 KR 142/10 B ER -) regelmäßig mit einem Drittel des im Hauptsacheverfahren streitigen Betrages angenommen.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bei-tragsbescheid der Antragsgegnerin vom 3. August 2010.
Der Antragsteller ist als gemeinnütziger Verein im Bereich der Jugendhilfe tätig. Er hat nach den Angaben im angefochtenen Bescheid mit dem örtlichen Träger der Jugend¬hilfe, dem Kreis H. L., eine Vereinbarung nach § 77 des Achten Sozialgesetzbuches (SGB VIII) über Leistungen nach diesem Gesetz getroffen. Diese Leistungen, insbesondere die im Rahmen der so genannten Familienhilfe, erbringt der Antragsteller durch hauptamtliche Fachkräfte und Honorarkräfte. Die Entgeltvereinbarung unterscheidet nach den Angaben im Bescheid zwischen hauptamtlichen Fachkräften (pro Fachleistungsstunde 40,10 EUR Entgelt) und Honorarkräften (pro Fachleistungsstunde 36,08 EUR Entgelt). Der Verein zahlt den Honorarkräften einheitlich 27,05 EUR pro Fachleistungsstunde. Er hat mit diesen so genannte Honorarverträge, jeweils befristet, geschlossen; soweit den Verwaltungs- und Gerichtsakten zu entnehmen mit unterschiedlichem Inhalt.
Die Antragsgegnerin führte vom 1. September 2009 bis 1. März 2010 an fünf Tagen eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 des Vierten Sozialgesetzbuches (SGB IV) mit dem Prüfzeitraum 2005 bis 31. August 2009 durch. Nach vorheriger Anhörung forderte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 3. August 2010 den Antragsteller zur Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 850.206,43 EUR auf und begründete diese Forderung damit, dass die Honorarkräfte als abhängig Beschäftigte der Sozialversicherungspflicht unterlägen hätten. Die Regelungen in den Honorarverträgen zeigten eine Eingliederung in die betriebliche Organisation des Antragstellers. Die zu erfüllenden Aufgaben seien klar geregelt. Dass den Familienhelfern ein gewisses Maß an Gestaltungsfreiheit eingeräumt worden sei, lasse sich mit dem Aufgabengebiet erklären. Es fehle ein unternehmerisches Risiko, da den Honorarkräften ein regelmäßiges Arbeitsentgelt für die Betreuung gezahlt werde. In den während der Prüfung vorgelegten Unterlagen sowie Aussagen befragter Honorarkräfte habe kein anderer Aufgaben¬bereich als der eines sozialpädagogischen Familienhelfers festgestellt werden können. Der Bescheid enthält in der Anlage eine Aufstellung der betroffenen Einzugsstellen und Honorarkräfte und die Aufteilung der nachgeforderten Beiträge auf die Honorarkräfte.
Gegen den Bescheid legte der Antragsteller Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung führte er aus, eine Betriebsprüfung im Jahre 2006 für den Prüfungszeitraum 2004 bis 2007 sei ohne Beanstandungen geblieben. Die Honorarkräfte seien nicht als abhängig Beschäftigte anzusehen, da ihnen das wesentliche Merkmal einer abhängigen Beschäftigung, nämlich die Weisungsgebundenheit, fehle. Hinzuweisen sei darauf, dass die Honorarverträge mit den Honorarkräften inhaltlich unterschiedlich ausgestaltet seien. Die pauschale Feststellung über verbindliche Teilnahmen an Fortbildung, regelmäßigen Gesprächstreffen und Supervision seien unzutreffend. Im Übrigen führe ein regelmäßiges Gesprächstreffen nicht zur Weisungsgebundenheit, sondern diene lediglich der Qualitätssicherung. Hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort seien die Honorar¬kräfte frei und könnten sie selbständig bestimmen. Die Tätigkeitsbereiche der einzelnen Honorarkräfte seien unterschiedlich ausgestaltet, sodass der Begriff "Familienhelfer" keinesfalls auf alle Honorarkräfte anzuwenden sei. Eine entsprechende Differenzierung sei jedoch in dem Bescheid nicht vorgenommen worden. Die Beauftragung erfolge jeweils projektbezogen unter Berücksichtigung der jeweiligen Aufgabenstellung und Qualifikation der zur Verfügung stehenden Honorarkräfte. Unzutreffend sei auch die Feststellung, dass die Honorarkräfte die Dienste nicht unmittelbar dem öffentlichen Träger der Jugendhilfe anbieten könnten sowie die Ausführungen, dass be¬reits vor der Hilfekonferenz die Honorarkraft festgestanden habe, die für die Übernahme des Auftrages in Betracht komme. Der Antragsteller sei kurzfristig nicht in der Lage, den geforderten Betrag aus dem vorhandenen Barvermögen oder durch andere liquide Mittel sicherzustellen und wäre daher gezwungen, gegebenenfalls ein Insolvenzverfahren zu beantragen.
Die Antragsgegnerin hat die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt, da die Voraussetzungen dafür, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides oder eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte, nicht vorlägen.
Der Antragsteller hat am 15. Dezember 2010 beim Sozialgericht Lübeck die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Wider-spruchs beantragt und zur Begründung ergänzend vorgetragen: Wegen der sehr hohen Zahlungsverpflichtung bei Vollzug des Beitragsbescheides sei die Insolvenz zu befürchten. Dazu legt der An¬tragsteller eine eidesstattliche Versicherung seines Geschäftsführers Herrn P. W. vor, nach der die finanziellen Mittel des Vereins nicht ausreichten, die angeblichen Verbindlichkeiten zu decken und er gezwungen wäre, Insolvenzantrag zu stellen. Im Übrigen sei der Bescheid rechtswidrig. Die Teilnahme an den Hilfekonferenzen sei jeweils selbständig und unabhängig von der Mitwirkung des Antragstellers erfolgt. Eine Kontrolle der Honorarkräfte durch den Antragsteller habe nur in dem grundsätzlich zu fordernden Rahmen stattgefunden, eine aufsichtsähnliche Tätigkeit habe es zu keinem Zeitpunkt gegeben. Wie den vorgelegten Musterhonorarverträgen zu entnehmen sei, seien die Honorarkräfte keinem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterworfen worden. Eine solche Weisung habe auch nicht stattgefunden. In dem angefochtenen Bescheid werde auf Handlungsrichtlinien verwiesen, ohne näher darzustellen, um welche Handlungsrichtlinien es sich dabei handeln solle. Die Parteien der Honorarverträge seien, wie sich deren Inhalt entnehmen lasse, davon ausgegangen, dass eine Beitragspflicht zur Sozialversicherung aufgrund selbständiger Tätigkeit nicht bestanden habe. Dem komme ein hohes Gewicht zu, wie das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil vom 9. Juni 2010 (5 AZR 332/09) entschieden habe. Unzutreffend sei die Feststellung der Antragsgegnerin im Hinblick auf Frau K. F. schon deshalb, weil nur ihr Ehemann als Honorarkraft für den Antragsteller tätig gewesen sei.
Die Antragsgegnerin hat die Zurückweisung des Antrags beantragt und verweist zur Begründung auf den Inhalt des Beschei¬des vom 3. August 2010. Hilfsweise beantragt sie, dem Antrag lediglich befristet bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens mit der Auflage der Verzinsung in Höhe von 4 v. H. stattzugeben.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 3. Januar 2011 den Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Nach den Abgrenzungskriterien könne nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, ob ein Beschäftigungsverhältnis oder eine selbstständige Tätigkeit vorgelegen habe. Die Tätigkeiten wiesen nämlich Merkmale beider Formen in erheblichem Umfange auf. Gegebenenfalls seien in einem nachfolgenden Hauptsachever-fahren weitere Ermittlungen zu der tatsächlichen Umsetzung der Honorarverträge vorzunehmen. Da die Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur dann erfüllt seien, wenn der Erfolg des Rechtsbe-helfs wahrscheinlicher sei, als ein Misserfolg, führe diese Sachlage nicht zu der beantragten Anordnung. Diese Anordnung komme auch nicht wegen einer unbilligen Härte in Betracht. Die pauschale Behauptung, die geforderte Summe nicht zahlen zu können, ohne dass Zahlungsschwierigkeiten aufträten, reiche insoweit nicht aus, eine solche unbillige Härte zu belegen. Eine ungerechtfertigte Besserstellung desjenigen müsse ausgeschlossen werden, der Beiträge schuldhaft nicht abführe, wenn diese sich bei einer Nachforderung auf eine drohende Insolvenz berufen könnten.
Gegen den ihm am 5. Januar 2011 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, eingegangen beim Sozialgericht Lübeck am 7. Februar 2011, einem Montag. Zur Begründung wiederholt er seinen bisherigen Vortrag, dass keinerlei Wei¬sungsrecht eines Arbeitgebers ausgeübt worden und das eine vorherige Betriebsprüfung der Antragsgegnerin ohne Beanstandungen geblieben sei. Fahrkosten, Versicherungen usw. seien nicht erstattet worden, wie bei Selbstständigen üblich. Im Rahmen der zwischenzeitlich mit den beteiligten Krankenkassen geführten Korrespondenz wegen einer möglichen Stundungsvereinbarung habe der Antragsteller festge¬stellt, dass die betroffenen Krankenkassen in mehreren Fällen keinerlei Kenntnis von der vorhergehenden Betriebsprüfung gehabt hätten, es seinen Forderungen auf Zahlung von Beiträgen dort nicht einmal aktenkundig. Augenscheinlich sei es bei der Betriebsprüfung zu größeren Unregelmäßigkeiten gekommen. So habe etwa die IKK Nord mitgeteilt, dass Frau B. Wa. kein Mitglied der Krankenkasse sei.
Die Antragsgegnerin erwidert: Betriebsprüfungen kämen keine Entlastung des Arbeitgebers dergestalt zu, dass er mit weiteren Beitragsforderungen nicht zu rechnen habe. Für die abhängige Beschäftigung spreche hier die Arbeit auf der Basis eines zuvor erstellten Hilfeplanes, die vertraglich festgelegten Arbeitszeiten, die Erledigung konkret beschriebener und vorgegebener Aufgaben und die umfassende Berichts- und Dokumentationspflicht. Im Übrigen hätten die Familienhelfer weder Kapital noch Sachmittel mit dem Verlustrisiko eingesetzt. Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte habe der Antragsteller nicht belegt. Allein eine unsubstantiierte Behauptung der Insolvenz bei Vollziehung der Beitragsforderung reiche nicht aus.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet. Nach Auffassung des Senats sind die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs erfüllt.
Der gegen den Beitragsbescheid vom 3. August 2010 eingelegte Widerspruch hat nach § 86 Abs. 2 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) keine aufschiebende Wirkung, da in dem Bescheid über die Versicherungspflicht und die Anforderung von Beiträgen entschieden worden ist und ein Antrag des Antragstellers auf Aussetzung der Vollziehung gemäß § 86a Abs. 3 SGG von der Antragsgegnerin abgelehnt wurde. Für die Prüfung des Gerichts nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG gelten dieselben Grundsätze wie für die entsprechende Entscheidung der Verwaltung (vgl. etwa Beschluss des Senats vom 20. September 2010 – L 5 KR 149/10 B ER -; Keller in Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG-Kommen¬tar, § 86b Rz. 12b). Nach § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG soll eine Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Inter¬essen gebotene Härte zur Folge hätte. Ebenso wie bei der einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG (dort Anord¬nungsanspruch und Anordnungsgrund), steht auch bei der An-ordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 SGG die Prüfungsintensität der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides mit der Intensität der drohenden Rechtsverletzung in einer Wechselbeziehung dergestalt, dass bei einer hohen Intensität der Rechtsverletzung sich die Anforderungen an die Prüfung der Erfolgsaussicht der Hauptsache verringern. Das gilt insbesondere, wenn durch die sofortige Vollziehung vollendete Tatsachen, also irreparable Zu¬stände geschaffen würden, da der Hauptsacherechtsschutz ohne aufschiebende Wirkung allein durch die Dauer des Verfahrens hinfällig würde (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilver¬fahren, 2. Aufl. 2008, Rz. 193, 196 m. w. N. auch aus der Rechtsprechung des BVerfG).
Der Antragsteller behauptet, dass er bei einer Vollstreckung der Beitragsforderungen mangels vorhandener ausreichender Mittel des Vereins gezwungen wäre, einen Insolvenzantrag zu stellen. Zwar vermag der Senat diese Behauptung aufgrund fehlender Kenntnisse der finanziellen Mittel des Antragstellers nicht nachzuprüfen. Er sieht sich allerdings auch nicht im Rahmen des Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz dazu in der Lage, da hier umfassende Untersuchungen der finanziellen Lage des Antragstellers notwendig wären. Auf der anderen Seite berücksichtigt der Senat, dass es sich mit der eingeforderten Beitragssumme von 850.000,00 EUR um einen so hohen Betrag handelt, dass schon aufgrund der Höhe dieser Summe von erheblichen Zahlungsschwierigkeiten des Antragstellers auszugehen ist. Darüber hinaus liegt dem Senat die eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers des Antragstellers vor, wonach bei einer Vollstreckung der Antragsteller gezwungen wäre, Insolvenzantrag zu stellen. Dies wird von der Antragsgegnerin auch nicht substantiiert bestritten.
Unter Berücksichtigung dieser hohen Intensität der drohenden Rechtsverletzung bewertet der Senat die Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Beitragsbescheides derart, dass sie ausreichend sind, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu begründen. Diese Zweifel finden ihre Grundlage zunächst in der auch vom Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss angesprochenen Notwendigkeit weiterer Ermittlungen zu den tatsächlichen Verhältnissen, in denen die Honorarkräfte Tätigkeiten für den Antragsteller ausgeübt haben. So ist den Verwaltungsakten der Antragsgegnerin nicht zu entnehmen, dass eine umfassende Befragung der Honorarkräfte erfolgte. Es liegt lediglich eine Aktennotiz über ein Telefonat mit einem Ha. S. und einer E. Ea. sowie mit einer Frau Ka. vor. Über letztere liegen in den Verwaltungsakten an anderer Stelle auch Feststellungen der für Frau Ka. zuständigen Krankenkasse vor. Vor dem Hintergrund, dass hier jedoch eine Vielzahl von Familienhelfern auf der Grundlage des Beitragsbescheides betroffen sind und überdies die in den Akten enthaltenen Feststellungen nur teilweise Einblicke in deren Tätigkeit zulassen, sieht der Senat die bisherigen Ermittlungen nicht als ausreichend an. So ist den bisherigen Feststellungen das wesentliche Element für die Abgrenzung von selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung nicht zu entnehmen, ob die Honorarkräfte das Recht hatten, auch für dritte Auftraggeber tätig zu sein und dies auch tatsächlich umsetzten. Die von dem Antragsteller im Antragsverfahren vorgelegten Honorarverträge lassen dies nach § 3 zu. Andere Honorarverträge, die sich in den Verwaltungsakten der Antragsgegnerin befinden, enthalten hierüber keine Regelung. Bedeutung hat dieses Merkmal vor dem Hintergrund der sozialgerichtlichen Rechtsprechung zur Abgrenzung der selbständigen Tätigkeit von der abhängigen Beschäftigung und der Fassung des § 7 Abs. 4 SGB IV im Jahre 2002 in Nr. 1. Weiteres Abgrenzungsmerkmal von Bedeutung ist, ob die Honorarkräfte identische Tätigkeiten mit den angestellten Familienhelfern verrichteten, wie sich insbesondere aus § 7 Abs. 4 Nr. 5 SGB IV i. d. F. von 2002 ergibt. Auch der genaue Inhalt der so genannten Handlungsrichtlinien, auf die der Beitragsbescheid Bezug nimmt, ist für die Abgrenzung von Bedeutung. Gleiches gilt für den Inhalt der Vereinbarung des Antragstellers mit dem zuständigen Träger der Jugendhilfe. Soweit die Antragsgegnerin auf die bei den Honorarkräfte vorliegenden Merkmale der vertraglich festgelegten Arbeitszeiten und die konkret beschriebenen und vorgegebenen zu erledigenden Aufgaben hinweist, vermag der Senat den vorliegenden Unterlagen, und insbesondere den Honorarverträgen, solche Vereinbarungen nicht zu entnehmen.
Der Umstand, dass noch erhebliche Ermittlungen hinsichtlich der hier streitigen Tätigkeit der Honorarkräfte vorzunehmen ist, zu denen etwa auch ihre Qualifikation gehört, führt bereits dazu, dass Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides begründet sind. Darüber hinaus sieht der Senat auch erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides unter Berücksichtigung der aktuellen sozialgerichtlichen Rechtsprechung zu den Familienhelfern begründet. So haben zuletzt das Bayerische Landessozialgericht mit Urteil vom 21. Mai 2010 (L 4 KR 68/08) und das Landessozialgericht Berlin-Bran¬denburg am 22. September 2010 (L 9 KR 232/07) entschieden, dass Familienhelfer nach dem SGB VIII als freie Mitarbeiter tätig sein können und es in den jeweils zu entscheidenden Fällen auch waren. Nach den Urteilsgründen handelt es sich, soweit beurteilbar, um zumindest ähnliche Sachverhalte. Auch dort wurde die Tätigkeit als Familienhelfer durch fest angestellte Fachkräfte und freie Mitarbeiter, die im Rahmen befristeter Honorarverträge tätig waren, verrichtet. Allerdings waren diese Familienhelfer Mitarbeiter der jeweiligen Träger der Jugendhilfe, was allerdings nach Auffassung des Senats grundsätzlich keine andere Bewertung zulässt. Ebenso wie im vorliegenden Fall bestand für diese Honorarkräfte eine Berichtspflicht. Dem Urteil des LSG Berlin-Brandenburg lag überdies ein Sachverhalt zugrunde, nach dem der dortige Kläger, anders als hier, Urlaubsabgeltung und Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung zahlte. Nach Auffassung des Bayerischen LSG, der der Senat nach summarischer Prüfung zustimmt, enthielten die Honorarverträge nur wenig Anhaltspunkte für ein abhängiges Beschäftigungsver¬hältnis. So ist etwa in § 4 des vom Antragsteller vorgelegten Honorarvertrages aufgeführt, dass der Auftragnehmer die Leistung in eigener Verantwortung ausführt und selbst über Umfang, Ort, Zeit und Art der Unterstützung entscheidet. Die Kosten für den Bürobetrieb, technische Vorrichtungen und Hilfsmittel im Rahmen der Auftragstätigkeit sind nach § 5 vom Auftragnehmer selbst zu tragen. Gleiches gilt für die Fahrkosten. Auch die Haftung für Schäden, wie in § 8 des Honorarvertrages vorgesehen, spricht gegen eine abhängige Beschäftigung. Im Übrigen haben die Parteien des Honorarvertrages in § 10 den Willen bekundet, dass durch den Abschluss des Vertrages kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründet wird. Zwar ist letztere Entscheidung unabhängig vom Willen der Parteien des Vertrages vorzunehmen, da öffentlich-rechtliche Bestimmungen über die Sozialversicherungspflicht zwingendes öffentliches Recht sind. Gleichwohl stellt aber der Wille der Parteien, ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht begründen zu wollen, ein Indiz für die selbständige Tätigkeit dar. Darüber hinaus weist das Bayerische LSG zutreffend darauf hin, dass die von der Antragsgegnerin hervorgehobene Berichtspflicht nicht zwingend für ein Beschäftigungsverhältnis spricht. Diese Berichtspflicht stellt zum einen schon deshalb keine Kontrollmöglichkeit im Rahmen des Weisungsrechts des Arbeitgebers dar, weil sie dem Auftraggeber nicht die jederzeitige Möglichkeit öffnet, die Tätigkeit des Familienhelfers zu überwachen und gegebenenfalls in seine Tätigkeit einzugreifen. Im Übrigen ist es nicht unüblich, dass eindeutig Selbständige, wie z. B. Handwerker, ihrem Auftraggeber gegenüber verpflichtet sind, Dokumentationen zu erstellen, um so den Vergütungsanspruch zu rechtfertigen. Gleiches mag hinsichtlich der Antragstellerin und den Honorarkräften gelten, wenn letztere, ohne dass der Antragsteller das im Einzelnen überprüfen konnte, monatlich die angesetzten Stunden gegenüber dem Antragsteller geltend machten. Im Rahmen der Ermittlungen wird in diesem Zusammenhang auch noch festzustellen sein, ob die Honorarkräfte berechtigt waren, Aufträge abzulehnen und ob dies auch in nennenswerter Zahl geschah.
Gegen die Entscheidung des Bayerischen LSG ist zudem die, vom LSG zugelassene, Revision anhängig (B 12 KR 14/10 R). Das Bundessozialgericht wird also demnächst über die Bewertung von Familienhelfern im Rahmen des § 7 SGB IV entscheiden.
Darüber hinaus hat der Senat am 31. Au¬gust 2005 (L 5 KR 40/04) entschieden, dass eine Be¬treuung von Jugendlichen bei Unterbringung im eigenen Haus eine selbständige Tätigkeit darstellt. Dem Argument der Antragsgegnerin, es fehle mangels Einsatzes von Sachmitteln ein für die selbständige Tätigkeit entsprechendes Unternehmerrisiko, überzeugt nicht. Dienstleistungen wie hier werden häufig ohne Einsatz von Sachmitteln erbracht. Gleichwohl ist es nicht ausgeschlossen, dass diese in einer selbständigen Tätigkeit verrichtet werden.
Insgesamt wirft der angefochtene Beitragsbescheid damit sowohl formalrechtliche als auch materiell-rechtliche Bedenken auf, sodass insbesondere unter Berücksichtigung der Folgen einer möglichen Vollstreckung die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs herzustellen ist. In diese Bewertung hat der Senat auch mit einbezogen, dass diese Feststellung nicht zu einer Risikoverschiebung zu Lasten der Antragsgegnerin dergestalt führt, dass sie ihren Anspruch zu einem späteren Zeitpunkt nur mit erheblichen Schwierigkeiten oder gar nicht wird durchset¬zen können. Vielmehr scheint das Gegenteil der Fall zu sein, da mit der Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Antragsteller in die Lage versetzt wird, für den Fall eines möglichen Verlierens in der Hauptsache ausreichende Mittel für die Nachzahlung der Beiträge bereitzustellen.
Von einer Beiladung der beteiligten Sozialversicherungsträger und Honorarkräfte hat der Senat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Abstand genommen, weil dies aufgrund des Umfangs den Rechtsstreit erheblich verzögern würde und der Eintritt von Rechtsverlusten insoweit nicht ersichtlich ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Bei der Festsetzung des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§§ 197 Abs. 1 Satz 1 SGG, 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz) ist der Senat von der Nachforderung in Höhe von 850.206,43 EUR ausgegangen. Der Streitwert im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird in der Rechtsprechung des Senats (z. B. Beschluss vom 20. September 2010 L 5 KR 142/10 B ER -) regelmäßig mit einem Drittel des im Hauptsacheverfahren streitigen Betrages angenommen.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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