L 4 KA 11/10

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 14 KA 52/06
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 11/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 10. De¬zember 2008 wird zurückgewiesen. 2. Die Klägerin trägt ¾ und die Beklagte trägt ¼ der Kosten des gesamten Verfahrens. 3. Die Revision wird zugelassen. &8195;

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Honorars der Klägerin für das Quartal II/2005.

Die Klägerin nimmt als Ärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde in L an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Sie macht im Berufungsverfahren allein geltend, dass der der Honorarberechnung zu Grunde liegende Honorarverteilungsmaßstab mit den gesetzlichen Vorgaben nicht zu vereinbaren sei, weil die Honorarbegrenzung auf der Grundlage von Individualbudgets anstelle von Regelleistungsvolumina erfolge.

Der Berechnung der Vergütung der Klägerin für das Quartal II/2005 legte die Beklagte in dem Honorarbescheid vom 12. Oktober 2005 ein individuelles Punktzahlvolumen von 524.578,6 Punkten für den Bereich der Primärkassen und von 224.785,6 Punkten für den Bereich der Ersatzkassen zugrunde. Innerhalb dieses Budgets erfolgte die Vergütung nach Punktwerten von 3,8943 Cent (Primärkassen) bzw. 4,5 Cent (Ersatzkassen). Die über die Punktzahlgrenzen hinaus erbrachten Leistungen (314.340,8 Punkte) wurden mit einem Punktwert von 0,05 Cent (Primärkassen) bzw. 0,891 Cent (Ersatzkassen) vergütet.

Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2006 zurück.

Zur Begründung der dagegen erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass die dem Honorarbescheid zu Grunde liegenden Bestimmungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs 2000plus (EBM 2000plus) sowie des Honorarverteilungsvertrags (HVV) der Beklagten unter verschiedenen – im Berufungsverfahren nicht mehr streitgegenständlichen – Gesichtspunkten (u.a. Vergütung nach sog. Komplexziffern im EBM 2000plus, Wachstumsregelung im HVV) rechtswidrig seien.

Die Klägerin hat beantragt,

die mit Bescheid vom 12. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2006 erteilte Honorarabrechnung für das Quartal II/2005 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 10. Dezember 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Gegen das ihr am 12. März 2009 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am selben Tage beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangenen Berufung, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vorträgt: Der der Vergütung zugrunde liegende Honorarverteilungsvertrag der Beklagten verstoße gegen verbindliche Vorgaben des § 87 Abs. 4, Abs. 4a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sowie gegen Vorgaben des dem dazu ergangenen Beschlusses des Bewertungsausschusses in seiner 93. Sitzung am 29. Oktober 2004 (Deutsches Ärzteblatt 2004 A-3129). Danach seien arztgruppenspezifische Regelleistungsvolumina mit festen Punktwerten vorzusehen. Abweichend davon regele der HVV der Beklagten Individualbudgets, die auf die Vergütung historischer Punktzahlmengen der einzelnen Praxen aufsetzten. Abweichend von den genannten Vorgaben enthalte der HVV nicht das Element eines arztgruppenspezifischen Grenzwertes und der HVV sehe auch keine festen Punktwerte vor, sondern lediglich einen Referenzpunktwert, der etwa 4,5 Cent betrage. Auch die Vergütung des das Individualbudget überschreitenden Punktzahlvolumens mit 0,05 Cent entspreche nicht den gesetzgeberischen Vorgaben einer Abstaffelung. Eine Abstaffelung verlange eine Absenkung des Punktwertes in mehreren Schritten. Daher habe der Gesetzgeber auch im Plural formuliert und abgestaffelte Punktwerte vorgegeben. Ferner lege der Begriff "abgestaffelt", der dem alemannischen Wort Staffel (= Treppe) entstamme, nahe, eine mehrstufige Absenkung des Punktwerts vom Referenzpunktwert zum floatenden Punktwert vorzunehmen. Der streitgegenständliche HVV entspreche auch nicht den Übergangsvorschriften nach Nr. III 2.2. des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004. Die genannten Bestimmungen im Beschluss des Bewertungsausschusses seien in gesetzeskonformer Weise so auszulegen, dass auch nach dem 1. April 2005 nur solche Honorarverteilungsregelungen Anwendung finden dürften, die den gesetzlichen Mindestanforderungen in Gestalt arztgruppenspezifischer Grenzwerte mit festen Punktwerten sowie abgestaffelten Punktwerten für Mehrleistungen genügten. Jede andere Auslegung des Beschlusses des Bewertungsausschusses würde gegen höherrangiges Recht verstoßen. Die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide werde ausdrücklich nicht mehr unter den im Klageverfahren geltend gemachten weiteren Gesichtspunkten geltend gemacht, sondern ausschließlich hinsichtlich der in der Berufungsbegründung dargestellten Frage der Rechtmäßigkeit der Fortführung individueller Punktzahlvolumina im HVM und deren Vereinbarkeit mit Vorgaben des Gesetzes und Beschlüssen des (erweiterten) Bewertungsausschusses.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 10. Dezember 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Oktober 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2006 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt zur Begründung vor: Es treffe zu, dass Regelleistungsvolumina, wie sie in § 85 Abs. 4 SGB V beschrieben würden, nicht gebildet worden seien. Dies sei jedoch auch nicht zwingend erforderlich gewesen, weil der Bewertungsausschuss mit Beschluss vom 29. Oktober 2004 unter Teil III. Nr. 2.2 eine Übergangsregelung geschaffen habe, nach der es den Kassenärztlichen Vereinigungen gestattet sei, bisherige Steuerungsinstrumente, deren Auswirkungen mit den Vorgaben des § 85 Abs. 4 SGB V vergleichbar seien, fortzuführen, wenn die Verbände der Krankenkassen auf Landesebene das Einvernehmen hierzu herstellten. Der Bewertungsausschuss habe sich mit diesem Beschluss im Rahmen der ihm zustehenden Gestaltungsfreiheit gehalten. Nicht hinzunehmen sei danach lediglich, wenn sich eine Honorarverteilungsregelung gegenüber der bisherigen von den Vorgaben des § 85 Abs. 4 Satz 6 bis 8 SGB V entferne. Dies sei jedoch nicht der Fall. Bis zum Quartal I/2005 sei eine Honorierung auf der Grundlage von individuellen Punktzahlvolumina vorgenommen worden. Für das hier streitige Quartal II/2005 habe sie sich mit den Krankenkassenverbänden darauf verständigt, dass in Anbetracht der engen Zeitvorgaben und aus Gründen der Rechtssicherheit keine Regelleistungsvolumina eingeführt würden, sondern auf der Grundlage des genannten Beschlusses des Bewertungsausschusses der in dem Quartal I/2005 angewandte Honorarverteilungsmaßstab weitergeführt werde. Zwar hätten sich die Vertragspartner in Vorverhandlungen auf Grundstrukturen für eine Annäherung an die Vorgaben des § 85 Abs. 4 SGB V geeinigt, wegen des Scheiterns der Verhandlungen jedoch das Landesschiedsamt angerufen. Eine Entscheidung des Landesschiedsamtes sei aus zeitlichen Gründen nicht mehr rechtzeitig für das Quartal II/2005 zu erreichen gewesen. Die von der Klägerin beanstandete Honorarverteilungsregelung stehe im Einklang mit den Übergangsbestimmungen des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004, weil die bereits zum 31. März 2005 geltenden Regelungen fortgeführt würden und diese in ihren Auswirkungen mit den gesetzlichen Vorgaben in § 85 Abs. 4 SGB V vergleichbar seien. Die gesetzlich vorgesehenen Regelleistungsvolumina zielten vor allem darauf ab, den Ärzten bis zu einem bestimmten Grenzwert Kalkulationssicherheit hinsichtlich ihrer Praxisumsätze und einkommen zu geben sowie den ökonomischen Anreiz zur übermäßigen Mengenausweitung zu begrenzen. Diese Kalkulationssicherheit sei den Ärzten auch mit den im streitigen Quartal geltenden individuellen Punktzahlvolumina gegeben worden. Zwar variiere der Auszahlungspunktwert in Abhängigkeit von der Menge der abzurechnenden Punkte. Da sich die Punktzahlvolumina allerdings an den früheren Abrechnungsergebnissen der betroffenen Vertragsärzte orientierten, würden diese gewissermaßen festgeschrieben. Der einzelne Vertragsarzt könne davon ausgehen, dass er bei im Wesentlichen unveränderter Abrechnung im budgetierten Bereich ein Honorar erzielen werde, das annähernd seinem Honorar im Basisquartal entspreche. Verbleibende Unsicherheiten bei der Vorhersage des tatsächlichen Abrechnungsergebnisses seien hinzunehmen, zumal sich dieses auch bei der Anwendung von Regelleistungsvolumina nicht exakt hätte prognostizieren lassen. Die Bestimmungen des HVV wirkten auch einer übermäßigen Mengenausweitung entgegen. Leistungen, die über das individuelle Punktzahlvolumen hinausgingen, würden mit einem sehr geringen Punktwert vergütet, sodass im Bereich außerhalb der budgetierten Leistungen kein wirtschaftlicher Anreiz bestanden habe, mehr Leistungen zu erbringen als in den Basisquartalen. Dass derartige Individualbudgets, die nach den Abrechnungsergebnissen der jeweiligen Arztpraxis aus vergangenen Zeiträumen bemessen worden seien, grundsätzlich rechtmäßig seien, hätten die Gerichte in ständiger Rechtsprechung bestätigt. Ab dem Quartal III/2005 sei eine Annäherung an die in § 85 Abs. 4 SGB V normierten Vorgaben vorgenommen worden. Dabei seien die individuellen Punktzahlvolumina zwar im Grundsatz beibehalten worden. Allerdings sei im Kernleistungsbereich nicht mehr ein Zielpunktwert, sondern ein fester Punktwert gezahlt worden.

Im Berufungsverfahren hat die Beklagte den Klaganspruch insoweit anerkannt, als sie sich verpflichtet hat, nach einer Neuregelung der Honorarverteilung in Orientierung an den Vorgaben aus dem Urteil des BSG vom 28. Januar 2009 (Az.: B 6 KA 5/08 R) gegenüber der Klägerin für das Quartal II/2005 einen neuen Honorarbescheid zu erlassen. Dieses Teilanerkenntnis hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 14. September 2009 angenommen.

Die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakte haben dem Senat vorgelegen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Honorarbescheid für das Quartal II/2005 ist nicht zu beanstanden.

Gegenstand des Verfahrens ist nur noch die Frage, ob der Honorarbescheid deshalb rechtswidrig ist, weil die Budgetierung der Vergütung im Widerspruch zu gesetzlichen Vorgaben oder zu Vorgaben aus Beschlüssen des (erweiterten) Bewertungsausschusses durch Individualbudgets anstelle von arztgruppenbezogenen Regelleistungsvolumina erfolgt ist. Die Klägerin hat den Klagegegenstand im Berufungsverfahren ausdrücklich in dieser Weise beschränkt. Dass sich die Klägerin im Widerspruchsverfahren und auch im erstinstanzlichen Verfahren noch nicht ausdrücklich gegen die nun ausschließlich beanstandeten Regelungen gewandt hat, steht der Zulässigkeit der Berufung nicht entgegen, weil eine Beschränkung auf die in der Begründung des Widerspruchs und der Klage angesprochenen Aspekte bis dahin nicht stattgefunden hatte und daher von einem umfassenden Rechtsschutzbegehren auszugehen war (vgl. BSG Urteil von 23. Februar 2005 – B 6 KA 77/03 R, SozR 4-1500 § 92 Nr. 2).

Grundlage des Honoraranspruchs der Klägerin gegenüber der Beklagten ist § 85 Abs. 4 Satz 1 bis 3 SGB V in der seit dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes (GMG) vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2190). Danach verteilt die Kassenärztliche Vereinigung die von den Krankenkassen entrichtete Gesamtvergütung nach Maßgabe eines mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich zu vereinbarenden Verteilungsmaßstabs. Nach § 85 Abs. 4 Satz 6 SGB V hat der Verteilungsmaßstab Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes vorzusehen. Anstelle der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Sollvorschrift sieht § 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V vor, dass insbesondere arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen sind, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina). Für den Fall der Überschreitung der Grenzwerte ist vorzusehen, dass die den Grenzwert überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten vergütet wird (Satz 8).

Die Beklagte hat am 29. März 2005 mit den Krankenkassenverbänden auf Landesebene vereinbart, den im Quartal I/2005 geltenden Honorarverteilungsmaßstab im Wesentlichen unverändert auch im Quartal II/2005 anzuwenden, nachdem Verhandlungen über eine Neuregelung nicht erfolgreich gewesen waren. Damit wurden die in Schleswig-Holstein mit der Aufhebung der Regelungen zum Praxisbudget im EBM seit dem 1. Juli 2003 geltenden Regelungen zur Honorarbegrenzung mittels Individualbudgets fortgeführt. Die Individualbudgets gelten für die meisten Arztgruppen – einschließlich der Ärzte für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (vgl. § 12.3.3.b HVM) – und für den ganz überwiegenden Teil der Leistungen (Ausnahmen gelten u.a. für Leistungen des organisierten Notdienstes und Wegegebühren, vgl. § 12.3.1. HVM). Für die erstmalige Bildung der Budgets wird im Grundsatz das praxisindividuelle Honorar aus den Jahren 2001 und 2002 herangezogen. Für Leistungen innerhalb des Budgets wird zwar kein Punktwert festgeschrieben, aber angestrebt (sog. Zielpunktwert). Dazu wurde die Punktzahl aller Praxen bei Einführung der Budgetierung so begrenzt, dass unter Zugrundelegung des im Bemessungszeitraum (2001, 2002) erzielten Honorars eine Vergütung mit 4,5 Cent hätte erfolgen können. Dieser Zielpunktwert ist aber vielfach nicht erreicht worden. Zu einer Absenkung des angestrebten Punktwerts können z.B. eine steigende Zahl von Ärzten oder Ärzte, die ihr Budget steigern, oder positiv entschiedene Härtefallanträge führen (vgl. im Einzelnen Ennenbach, Der neue HVM – Ein nur durchwachsenes Ergebnis!, Nordlicht 2004 S. 18). Die das Individualbudget überschreitenden Mehrleistungen werden mit 0.05 Cent bis maximal 1 Cent vergütet. Die Weiterentwicklung der Individualbudgets richtet sich nach dem Maß der Über- oder Unterschreitung dieses Budgets im entsprechenden Quartal des Vorjahres und dem Abrechnungsverhalten der anderen Ärzte der gleichen Fachgruppe (zu den Einzelheiten bzgl. der Weiterentwicklung vgl. das Urteil des Senats vom 22. Januar 2008 – L 4 KA 15/07, GesR 2008, 359). Der der Vergütung der Klägerin im streitgegenständlichen Quartal zu Grunde liegende HVV regelt danach weder arztgruppenspezifische Grenzwerte noch feste Punktwerte. Die Ermittlung des Punktwertes erfolgte ohne einen Bezug auf arztgruppeneinheitliche Festlegungen wie z.B. arztgruppenspezifische Fallpunktzahlen. Allein die Tatsache, dass Arztgruppen einem gemeinsamen Honorarkontingent zugeordnet sind, ändert daran nichts (BSG Urteil vom 17. März 2010 – B 6 KA 43/08 R, BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 54). Der im HVV geregelte Zielpunktwert, der auch unterschritten werden kann – und hier für den Bereich der Primärkassen auch unterschritten worden ist – stellt keinen festen Punktwert i.S.d. § 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V dar. Bei dem Begriff "fester Punktwert" ist kein Spielraum denkbar (BSG, Urteil vom 17. März 2010, a.a.O.) und dem festen Punktwert kommt im vorliegenden Zusammenhang besondere Bedeutung zu (BSG Urteil vom 18. August 2010 – B 6 KA 27/09 R). Dass die an ein Regelleistungsvolumen zu stellenden Anforderungen nicht erfüllt werden, wird auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen.

Gleichwohl steht der HVV nach Auffassung des Senats in dem hier allein streitgegenständlichen Quartal II/2005 im Einklang mit höherrangigem Recht: Mit der Neufassung des § 85 Abs. 4a Satz 1 SGB V durch das GMG vom 14. November 2003 war dem Bewertungsausschuss die Aufgabe übertragen worden, bis zum 29. Februar 2004 die erforderlichen Vorgaben u.a. für die Einführung der Regelleistungsvolumina zu treffen. Diese enge zeitliche Vorgabe konnte – aus Sicht des Senats nachvollziehbar – nicht eingehalten werden. Der Bewertungsausschuss empfahl daher in seiner 88. Sitzung den Partnern der Honorarverteilungsverträge, die bis dahin geltenden Regelungen bis zum 30. September 2004 fortzuführen. Mit Beschluss vom 13. Mai 2004 (89. Sitzung, Deutsches Ärzteblatt 2004 S. A-2553) verschob der Bewertungsausschuss den Umsetzungstermin auf den 1. Januar 2005 und schließlich mit Beschluss vom 29. Oktober 2004 (93. Sitzung, Deutsches Ärzteblatt 2004 S. A-3129) auf den 1. April 2005 und damit bis zur Einführung des EBM 2000plus. Der Beschluss des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 enthielt erstmals konkrete Vorgaben für die Bildung von Regelleistungsvolumina. Unter Teil III. Nr. 2.2 sieht der Beschluss außerdem folgende (später verlängerte) Übergangsregelung für die Zeit bis zum 31. Dezember 2005 vor:

"Sofern in einer Kassenärztlichen Vereinigung zum 31. März 2005 bereits Steuerungsinstrumente vorhanden sind, die in ihren Auswirkungen mit der gesetzlichen Regelung in § 85 Abs. 4 SGB V vergleichbar sind, können diese bis zum 31. Dezember 2005 fortgeführt werden, wenn die Verbände der Krankenkassen auf Landesebene das Einvernehmen hierzu herstellen."

Der durch den Bewertungsausschuss empfohlene Aufschub der Umsetzung bis zum 1. April 2005 ist in der Rechtsprechung soweit ersichtlich nicht beanstandet worden, ohne dass dies näher begründet worden wäre. Auch bezogen auf den in Schleswig-Holstein geltenden Honorarverteilungsmaßstab hat das BSG die Begrenzung der Vergütung auf der Grundlage von Individualbudgets unter Zugrundelegung des ab dem 1. Januar 2004 geltenden Rechts im Grundsatz als rechtmäßig angesehen (vgl. BSG Urteile vom 28. Januar 2009, B 6 KA 4/08 R und B 6 KA 5/08 R, SozR 4-2500 § 85 Nr. 45, m.w.N.). Der Senat geht ferner mit der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 17. März 2010, a.a.O.) davon aus, dass auch die für die Zeit vom 1. April bis zum 31. Dezember 2005 geschaffene Übergangsregelung mit den gesetzlichen Vorgaben des § 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V vereinbar ist. Die Ermächtigung des Bewertungsausschusses zur Schaffung einer solchen Übergangsregelung folgt aus § 85 Abs. 4a Satz 1 letzter Halbsatz SGB V. Bei der Konkretisierung des Inhalts der gesetzlichen Vorgaben aus § 85 Abs. 4 Satz 6 bis 8 SGB V hat der Bewertungsausschuss einen Gestaltungsspielraum. Das Maß an Gestaltungsfreiheit des Bewertungsausschusses wird auch von der der Ermächtigungsnorm zu Grunde liegenden Zielsetzung beeinflusst. Sinn der Ermächtigung des Bewertungsausschusses nach § 85 Abs. 4a Satz 1 letzter Halbsatz SGB V ist es, dass der Bewertungsausschuss den Weg zur Anpassung der unterschiedlichen Honorarverteilungsregelungen in den verschiedenen kassenärztlichen Bezirken an die Vorgaben des § 85 Abs. 4 Satz 6 bis 8 SGB V vorzeichnet (BSG Urteil vom 17.3.2010, a.a.O.). Bei der Auslegung der Vorschrift können Gründe der Verwaltungspraktikabilität nicht unberücksichtigt bleiben. Die sofortige, übergangslose Einführung von Regelleistungsvolumina wäre mit dem Interesse der Ärzte an der Kontinuität und Verlässlichkeit der Honorierung kaum zu vereinbaren.

Im Übrigen geht der Senat davon aus, dass der Gesetzgeber mit der recht kurzfristigen Änderung des § 85 Abs. 4 SGB V und der zwingenden Einführung von Regelleistungsvolumina durch das GMG keinen ggfs. über einen längeren Zeitraum bestehenden Zustand herbeiführen wollte, in dem es an einer klaren rechtlichen Grundlage für die Honorierung der Ärzte fehlte. Die Regelleistungsvolumina sind erst mit dem GMG vom 14. November 2003 verbindlich eingeführt worden und die Voraussetzungen für die Umsetzung in HVV auf Landesebene sind frühestens mit dem Beschluss des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 geschaffen worden. Da der Honorarverteilungsmaßstab seit der Änderung des § 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V durch das GMG vom 14. November 2003 nicht mehr einseitig durch die Kassenärztlichen Vereinigungen festgelegt werden kann, sondern mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen zu vereinbaren ist, erscheint es naheliegend, dass die für die Einführung von Regelleistungsvolumina erforderlichen grundlegenden Änderungen nicht in jedem Fall bereits zum 2. Quartal des Jahres 2005 erreicht werden konnten. Unter diesen Umständen erscheint die durch den Bewertungsausschuss geschaffene Übergangsregelung aus Sicht des Senats im Interesse der Gewährleistung eines verlässlichen, funktionsfähigen Vergütungssystems geboten.

An die Vorgaben aus der Übergangsregelung (Beschluss des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004) sind die Vertragspartner des HVV gebunden (BSG Urteil vom 17. März 2010, a.a.O.). Die Rechtmäßigkeit des HVV setzt daher voraus, dass der HVV in dem hier streitgegenständlichen Quartal den Vorgaben aus der o.g. Übergangsregelung entspricht (BSG Urteil vom 18. August 2010 – B 6 KA 27/09 R, m.w.N.). Die in der Übergangsregelung zugelassene Fortführung vorhandener Steuerungsinstrumente erfordert, dass die Zahl der Änderungen im HVV begrenzt ist (vgl. BSG Urteil vom 18. August 2010, a.a.O.; BSG Urteil vom 3.Februar 2010 – B 6 KA 31/08 R, BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 53) und dass Änderungen jedenfalls nicht von der Zielrichtung der Realisierung von Regelleistungsvolumina wegführen (BSG Urteil vom 17. März 2010, a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind hier zweifellos erfüllt, weil die im Wesentlichen unveränderte Fortführung des im Quartal I/2005 geltenden HVV für das Quartal II/2005 vereinbart worden ist.

Schwieriger zu beurteilen ist die Frage, ob die Steuerungsinstrumente aus dem HVV 2005, die fortgeführt worden sind, "in ihren Auswirkungen mit der gesetzlichen Regelung in § 85 Abs. 4 SGB V vergleichbar sind". Die Frage, welche Anforderungen an die Vergleichbarkeit zu stellen sind, wird in der Rechtsprechung bisher nicht einheitlich beantwortet. Das BSG ist in Entscheidungen vom 3. Februar 2010 (B 6 KA 30/09 R; B 6 KA 31/08 R, BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 53) und vom 18. August 2010 (B 6 KA 16/09 R, B 6 KA 25/09 R, B 6 KA 26/09 R, B 6 KA 27/09 R, B 6 KA 28/09 R) davon ausgegangen, dass praxisindividuelle Punktzahl-Obergrenzen kein Steuerungsinstrument darstellen, das in seinen Auswirkungen mit den Vorgaben des § 85 Abs. 4 SGB V vergleichbar ist. Diese Auffassung hat auch das LSG Nordrhein-Westfalen in einer Entscheidung vom 8. September 2010 (L 11 KA 60/07) vertreten und zur Begründung ausgeführt, dass die in der Übergangsregelung geforderte vergleichbare Wirkung nicht bereits gegeben sei, wenn die Ziele der Steuerungsinstrumente übereinstimmten. Deshalb genüge es nicht, dass sowohl mit den Individualbudgets als auch mit Regelleistungsvolumina der Zweck verfolgt werde, dem einzelnen Arzt bis zu einem bestimmten Grenzwert Kalkulationssicherheit zu geben und außerdem die ökonomischen Anreize zur Mengenausweitung zu begrenzen. Erforderlich sei darüber hinaus ein vergleichbarer Wirkungsmechanismus.

Dieser einschränkenden Auslegung der durch den erweiterten Bewertungsausschuss getroffenen Übergangsregelung schließt sich der Senat nicht an, weil sie dazu führen würde, dass ein Anwendungsbereich der – auch nach Auffassung des BSG (Urteil vom 17. März 2010, a.a.O.) unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität kaum verzichtbaren - Übergangsregelung nicht mehr erkennbar wäre: Wenn Kassenärztliche Vereinigungen Regelleistungsvolumina bereits vor dem Quartal II/2005 eingeführt haben, waren sie auf die Inanspruchnahme der Übergangsregelung in der Regel nicht angewiesen. Kassenärztliche Vereinigungen, wie die Beklagte – und wohl die Mehrheit der Kassenärztlichen Vereinigungen – , die die Budgetierung bis zum Quartal I/2005 auf der Grundlage von Individualbudgets durchgeführt haben, müssten ihren HVV erheblich ändern, um eine Budgetierung einzuführen, die wesentliche Elemente der Regelleistungsvolumina enthält. Eine solche umfassende Umgestaltung des HVV wäre jedoch nicht von der Übergangsvorschrift gedeckt, weil das Kriterium der Fortführung nicht erfüllt wäre; eine konzeptionelle Neuordnung des HVV mit zahlreichen Änderungen kann eindeutig nicht mehr als Fortführung i.S.d. Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 angesehen werden (vgl. BSG, Urteil vom 17. März 2010). Eine Kassenärztliche Vereinigung, die vor dem Quartal II/2005 eine Honorarbegrenzung nach Individualbudgets durchgeführt hat, hat daher nur die Möglichkeit, diese Form der Budgetierung weitgehend unverändert fortzuführen, wenn sie von der Übergangsregelung Gebrauch machen möchte, weil z.B. – wie vorliegend - die erforderliche Einigung mit den Verbänden der Krankenkassen nicht zeitnah erzielt werden kann und ein langwieriges Schiedsverfahren erforderlich wird. Nach der Rechtsprechung jedenfalls des LSG Nordrhein-Westfalen aus der o.g. Entscheidung vom 8. September 2010 wäre jedoch auch dies mit der Übergangsregelung nicht zu vereinbaren, weil es sich bei der Fortführung von Individualbudgets nicht um die Fortführung vergleichbarer Steuerungsinstrumente handeln würde.

Der Senat geht jedoch nicht davon aus, dass der Bewertungsausschuss mit Beschluss vom 29. Oktober 2004 eine Übergangsregelung ohne erkennbaren praktischen Anwendungsbereich schaffen wollte. Dies würde auch im Widerspruch zu den überzeugenden Ausführungen aus dem Urteil des BSG vom 17. März 2010 (a.a.O.) stehen, nach denen der Verzicht auf eine Übergangregelung, die eine allmähliche Anpassung an die Vorgaben des § 85 SGB V genügen lässt, aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität problematisch wäre. Aus Sicht des Senats spricht dies dafür, besonders zu Beginn des Übergangszeitraums im Quartal II/2005 keine hohen Anforderungen an die Vergleichbarkeit der Auswirkungen der fortgeführten Steuerungsinstrumente mit denen von Regelleistungsvolumina zu stellen.

Der Wortlaut der Übergangsregelung zwingt nicht zu der engen Auslegung aus der genannten Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen. Vergleichbar kann ein Steuerungsinstrument nach Auffassung des Senats auch sein, wenn sich zwar die Wirkungsmechanismen unterscheiden, aber die wesentlichen Ziele übereinstimmen. Davon geht auch das Sozialgericht Hamburg in einem Urteil vom 18. August 2010 (S 3 KA 85/08; ähnlich auch: SG Berlin, Urteile vom 17. November 2010 – S 71 KA 321/07 und S 71 KA 12/09; SG Dresden, Urteil vom 18. November 2010 – S 18 KR 737/06) aus. Die Regelleistungsvolumina zielen darauf, den Ärzten bis zu einem bestimmten Grenzwert Kalkulationssicherheit bezogen auf ihre Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit zu geben (vgl. BSG Urteil vom 17. März 2010, a.a.O., Rz 15). Gleichzeitig wird der ökonomische Anreiz für Mengenausweitungen beschränkt (vgl. BT-Drucks. 15/1525 S. 101). Eben diese Ziele werden auch mit den Individualbudgets erreicht, die die Beklagte im Quartal II/2005 fortgeführt hat. Durch die Orientierung an Abrechnungsergebnissen aus der Vergangenheit ist dem einzelnen Arzt die Höhe seines Budgets in etwa bekannt. Innerhalb des Budgets gelten zwar keine festen Punktwerte, da der Zielpunktwert von 4,5 Cent vielfach nicht erreicht wird. Die Schwankungen werden jedoch durch den oben dargestellten Mechanismus begrenzt, sodass ein relativ stabiler Punktwert besteht. In dem streitgegenständlichen Quartal betrug dieser im Bereich der Primärkassen bei den Ärzten für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde 3,8943 Cent. Im Bereich der Ersatzkassen wurde der Zielpunktwert von 4,5 Cent erreicht. Auch für andere Arztgruppen, die der Budgetierung unterliegen, galten im Quartal II/2005 Punktwerte in vergleichbarer Größenordnung. Durch die sehr geringe Honorierung der das Budget überschreitenden Mehrleistungen mit Punktwerten von 0,05 bis 1 Cent wird ökonomischen Anreizen zur Steigerung der Punktzahlen wirksam entgegengewirkt.

Unter Berücksichtigung auch der Zielsetzung der vom Bewertungsausschuss geschaffenen Übergangsvorschrift geht der Senat davon aus, dass die Beklagte mit der im Wesentlichen unveränderten Fortführung dieser Regelung im Quartal II/2005 ein Steuerungsinstrument angewandt hat, das in seinen Auswirkungen mit den in § 85 Abs. 4 Satz 6 bis 8 SGB V vorgesehenen Regelleistungsvolumina vergleichbar ist und das deshalb mit den Vorgaben aus dem – seinerseits rechtmäßigen Beschluss des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 zu vereinbaren ist.

Anders als die Klägerin ist der Senat nicht der Auffassung, dass die in § 85 Abs. 4 Satz 8 SGB V (in der seit dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung des GMG vom 14. November 2003) vorgeschriebene Abstaffelung der Vergütung in mehreren Stufen zu erfolgen hat. Für das vorliegende Verfahren kommt es darauf jedoch nicht an, weil sich die Beklagte auch insoweit auf die Übergangsregelung in dem o.g. Beschluss des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 beziehen kann. Die Abstaffelung in mehreren Stufen kann jedenfalls nicht als Kernbestandteil einer Vergütung nach Regelleistungsvolumina mit der Folge angesehen werden, dass eine davon abweichende Budgetierung nicht wenigstens "in ihren Auswirkungen mit der gesetzlichen Regelung in § 85 Abs. 4 SGB V vergleichbar" wäre.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und berücksichtigt, dass die Beklagte den Anspruch des Klägers im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG zur Rechtswidrigkeit der Wachstumsregelung im Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten (BSG Urteile vom 28. Januar 2009, B 6 KA 4/08 R und B 6 KA 5/08 R, SozR 4-2500 § 85 Nr. 45) teilweise anerkannt hat.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zukommt. Die nicht allein für die Rechtmäßigkeit des in Schleswig-Holstein geltenden HVV bedeutsame Frage, welche Anforderungen an die Vergleichbarkeit der Auswirkungen einer fortzuführenden Budgetierung mit den Vorgaben aus § 85 Abs. 4 Satz 6 bis 8 SGB V gerade in der Phase unmittelbar nach Inkrafttreten der Übergangsregelung aus dem Beschluss des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 zu stellen sind, ist nach Auffassung des Senats auch nach den Entscheidungen des BSG vom 18. August 2010 (B 6 KA 27/09 R, u.a.) nicht vollständig geklärt.

I
Rechtskraft
Aus
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