L 8 U 39/11

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 20 U 73/08
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 8 U 39/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Tierhalter, der sein Haustier bei dessen Behandlung durch die Tierärztin festhält, um dadurch beruhigend auf es einzuwirken und zu einer möglichst stressfreien Behandlung für das Tier beizutragen, wird nicht "wie ein Beschäftigter" in der Praxis der Tierärztin tätig. Er steht nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn er beim Festhalten von seinem eigenen Tier gebissen wird.
Auf die Berufung der Beklagten und die Berufung des Beigeladenen wird das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 30. Mai 2011 aufgeho- ben und die Klage der Klägerin abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob ein Unfall des Beigeladenen vom 20. Oktober 2006 ein Arbeitsunfall im unfallversicherungsrechtlichen Sinn ist.

Die Klägerin ist Tierärztin und mit ihrem Unternehmen, einer tierärztlichen Praxis, bei der Beklagten versichert. Sie wird vom Beigeladenen in einem Klageverfahren vor dem Landgericht Hamburg (319 O 182/07) zur Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen einer Bisswunde (und deren Folgen) in Anspruch genommen, die der Beigeladene erlitt, als sein Kater C am 20. Oktober 2006 von der Klägerin in deren Tierarztpraxis behandelt wurde. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beigeladene selbst seinen Kater aus der mitgeführten Transportbox nahm und auf den Behandlungstisch setzte, oder ob das durch die Klägerin geschah, desgleichen, auf welche Weise und mit welcher Intensität der Beigeladene seinen Kater während der Behandlung festhielt. Bei der beabsichtigten Blutentnahme aus einem Vorderbein des Katers riss C sich unvermittelt los, drehte sich und biss den Beigeladenen in die rechte Hand.

Die Klägerin bzw. deren Haftpflichtversicherung lehnte eine Entschädigung ab, da aus ihrer Sicht ein Haftungsausschluss nach § 104 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch (SGB VII), vorlag; denn sie hielt das Geschehen für einen Arbeitsunfall.

Nachdem das Landgericht das zivilgerichtliche Klageverfahren gemäß § 108 Abs. 2 SGB VII ausgesetzt hatte, beantragte der Beigeladene, obwohl nach seiner Auffassung die Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin zu richten seien, bei der Beklagten, das Geschehen vom 20. Oktober 2006, das zu der Bisswunde geführt hatte, als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Jenen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21. Mai 2007 im Wesentlichen mit der Begründung ab, der Beigeladene habe eigenwirtschaftlich und daher ohne unfallversicherungsrechtlichen Schutz gehandelt, als er von seinem Kater gebissen worden sei.

Dagegen legte der Beigeladene Widerspruch ein. Auch die Klägerin legte gegen jenen Bescheid Widerspruch ein und begründete ihre Rechtsauffassung damit, dass der Beigeladene seine Katze in Assistenz als Ersatz für die anderweitig beschäftigte Tierarzthelferin gehalten habe.

Mit Bescheid vom 8. Februar 2008, gerichtet an den Beigeladenen – zur Post gegeben am 11. Februar 2008 -, wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, Unfallversicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 SGB VII, also Versicherungsschutz im Rahmen des Tätigwerdens wie eine Tierarzthelferin, wäre dann gegeben, wenn es sich um eine ernstliche, dem Unternehmen dienende Tätigkeit handele, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werde, die zum Unternehmen in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit stünden. Ferner müsse die Verrichtung dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechen und unter solchen Umständen geleistet werden, dass sie einer Tierarzthelferinnentätigkeit ähnlich sei. Dazu sei ein innerer ursächlicher Zusammenhang mit dem Unternehmen erforderlich. Diese Voraussetzungen lägen im Fall des Beigeladenen nicht vor; denn bei der Hilfestellung des Beigeladenen habe es sich zum einen nur um eine unwesentliche Handreichung von lediglich geringer Bedeutung gehandelt; eine solche stehe nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht unter Versicherungsschutz. Zum anderen habe die unfallbringende Tätigkeit nicht dem Unternehmen "Tierarzt" gedient. Der Beigeladene sei vielmehr seinen Verpflichtungen als Tierhalter nachgekommen; denn eine Katze bilde eine Gefahrenquelle und es habe im Interesse des Beigeladenen gelegen, eventuelle Verletzungsgefahren von Dritten abzuwenden. Die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung der Zivilgerichtsbarkeit erstrecke sich lediglich auf das Gebiet des Privatrechts und sei auf die Belange der gesetzlichen Unfallversicherung nicht anwendbar.

Gegen jenen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 12. März 2008 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben, das die Klage unter Hinweis auf die örtliche Zuständigkeit an das Sozialgericht Lübeck verwiesen hat.

Die Klägerin hat weiterhin die Auffassung vertreten, der Beigeladene sei gemäß § 2 Abs. 2 SGB VII wie eine nach Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherte Tierarzthelferin tätig geworden und hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 21. Mai 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2008 aufzuheben sowie festzustellen, dass das Unfallereignis vom 20. Oktober 2006 ein von der Beklagten versicherter Arbeitsunfall war.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beigeladene hat ebenfalls beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Sozialgericht hat in der mündlichen Verhandlung am 30. Mai 2011 die Klägerin und den Beigeladenen informatorisch angehört und durch Urteil vom selben Tag den Bescheid der Beklagten vom 21. Mai 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2008 aufgehoben und festgestellt, dass der Unfall des Beigeladenen vom 20. Oktober 2006 – Katzenbiss – ein von der Beklagten zu entschädigender Arbeitsunfall sei. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Unfall sei ein Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII, da er infolge einer versicherten Tätigkeit eingetreten sei. Eine solche liege hier vor, weil der Beigeladene im Sinne eines Versicherten gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, also wie ein Beschäftigter, tätig geworden sei. Er habe sich die Bisswunde zugezogen, als er das Hinterteil seines Katers C mit beiden Händen auf den Behandlungstisch der Klägerin gedrückt habe, während die Klägerin dem Kater in eines seiner Vorderbeine, das sie dazu festgehalten habe, eine Spritze gesetzt habe. Der Kater habe hierbei Schmerzen verspürt und sich erschreckt, habe infolgedessen versucht, sich aus seiner Lage zu befreien und hierzu instinktiv denjenigen gebissen, der sein Hinterteil auf der Behandlungsliege fixiert habe, mithin den Beigeladenen. Durch diese Vorgehensweise habe der Beigeladene eine ernstliche, dem Unternehmen "Betreiben der Tierarztpraxis der Klägerin" zu dienen bestimmte Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert verrichtet, die dem Willen der Klägerin als Unternehmerin entsprochen habe, und die Tätigkeit sei ungeachtet des Beweggrundes des Beigeladenen für den Entschluss, tätig zu werden, unter solchen Umständen tatsächlich geleistet worden, dass sie ihrer Art nach sonst von einer Person hätte verrichtet werden können, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stünde.

Durch Beschluss vom 24. August 2011 hat das Sozialgericht die Kosten des Klageverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Klägerin und des Beigeladenen der Beklagten auferlegt. Zugleich hat es in jenem Beschluss den Streitwert (endgültig) auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Das Urteil des Sozialgerichts ist der Beklagten am 2. Septem¬ber 2011 zugestellt worden; diese hat am 21. September 2011 Berufung eingelegt. Dem Beigeladenen ist das Urteil am 8. September 2011 zugestellt worden; er hat am 6. Oktober 2011 Berufung eingelegt.

Zur Begründung ihrer Berufung macht die Beklagte im Wesentlichen geltend, das Sozialgericht habe in seinem Urteil lediglich auf die Beweggründe des Handelnden zu dem Entschluss, tätig zu werden, abgestellt; auf diese komme es aber nicht an. Davon zu unterscheiden sei vielmehr die Handlungstendenz des Betroffenen. Versicherungsschutz gemäß § 2 Abs. 2 SGB VII liege nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur vor, wenn neben einer objektiv arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit auch eine Handlungstendenz vorliege, die darauf abziele, dem fremden Unternehmen zu dienen. Die unfallbringende Tätigkeit müsse wesentlich darauf ausgerichtet sein, den Belangen des als unterstützt geltend gemachten Unternehmens zu dienen. Eine solche fremdwirtschaftliche Handlungstendenz sei hier beim Beigeladenen erkennbar nicht gegeben gewesen. Dieser habe seine Katze festgehalten, um seinem Tier eine möglichst stressfreie Behandlung zu ermöglichen. Demnach habe der Beigeladene mit dem Festhalten des Tieres ein eigenes Geschäft besorgt. Insofern liege auch ein vergleichbarer Fall mit dem vor, in dem das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen durch Urteil vom 29. Juni 2011 – L 3 U 11/98 – im Falle des Katzenbisses beim Tierarzt Unfallversicherungsschutz gemäß § 2 Abs. 2 SGB VII abgelehnt habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 30. Mai 2011 aufzuheben und die Klage der Klägerin abzuweisen.

Der Beigeladene stützt sich zur Begründung seiner Berufung im Wesentlichen auf das, was er selbst in der Verhandlung vor dem Sozialgericht bereits erklärt hat: Auch dort habe er bereits ein "Festhalten" des Tieres im Sinne eines finalen Fixierens, final im Hinblick auf die durchzuführende Behandlung, in Abrede gestellt. Er habe auch andere Tätigkeiten, die geeignet gewesen wären, die Belange des Unternehmens zu stützen, nicht ausgeführt. So habe nicht er, sondern insbesondere die Klägerin selbst den Kater aus dem Korb geholt. Zudem habe er selbst – der Beigeladene – schon deshalb das Tier nicht "fachgerecht" festhalten können, weil er diesbezügliche Kenntnisse überhaupt nicht besitze. Insoweit seien die Ausführungen in der Berufungsbegründung der Beklagten in vollem Umfang zutreffend. Bei seinem – des Beigeladenen – Tätigwerden habe es sich einerseits um eine unwesentliche Handreichung gehandelt, andererseits habe eine fremdwirtschaftliche Handlungstendenz nicht vorgelegen, so dass die Voraussetzungen einer "Wie-Beschäfti¬gung" insgesamt nicht vorlägen.

Der Beigeladene beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 30. Mai 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht habe zutreffend eine Wie-Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VII angenommen; denn es habe eine fremdwirtschaftliche Handlungstendenz und kein eigenes Geschäft des Beigeladenen gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen; diese sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen der Beklagten und des Beigeladenen sind zulässig und begründet; denn der Beigeladene stand nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, als er am 20. Ok-tober 2006 von seinem Kater in die Hand gebissen wurde, als dieser von der Klägerin tierärztlich behandelt wurde. Das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 30. Mai 2011, durch das die ablehnenden Bescheide der Beklagten aufgehoben worden sind und zugleich festgestellt worden ist, dass der Unfall des Beigeladenen vom 20. Oktober 2006 – Katzenbiss – ein von der Beklagten zu entschädigender Arbeitsunfall sei, ist daher aufzuheben und die Klage der Klägerin abzuweisen.

Ausgangspunkt der Berufungsverfahren ist zunächst der von der Beklagten gegen den Beigeladenen erlassene ablehnende Bescheid vom 21. Mai 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2008, durch den die Beklagte die Anerkennung des Unfallereignisses vom 20. Oktober 2006 als Arbeitsunfall nach dem gesetzlichen Unfallversicherungsrecht abgelehnt hat. Die Prozessführungsbefugnis der Klägerin dagegen ergibt sich aus § 109 SGB VII, wonach anstatt des Berechtigten (hier: des Beigeladenen) auch Personen, deren Haftung nach den §§ 104 bis 107 SGB VII – auf vorsätzliches Handeln – beschränkt ist, Feststellungen nach § 108 SGB VII beantragen oder das entsprechende Verfahren nach dem Sozialgerichtsgesetz (SGG) betreiben können, wenn Versicherte, ihre Angehörigen oder Hinterbliebene Schadensersatzforderungen gegen sie erheben. Diese Voraussetzungen liegen hier vor; denn der Beigeladene nimmt die Klägerin wegen der Geschehnisse bei der tierärztlichen Behandlung am Unfalltag auf Schadensersatz in Anspruch. Insofern ist gemäß § 108 Abs. 1 SGB VII u. a. maßgebend, ob ein Versicherungsfall i. S. v. §§ 7, 8 SGB VII vorliegt. Das ist hier nicht der Fall.

Der Biss des Katers in die Hand des Beigeladenen, des Tierhalters, war aber – wie die Beklagte schon in den angegriffenen Bescheiden zutreffend festgestellt hat und wie auch der Beigeladene zu Recht geltend macht – kein Arbeitsunfall.

Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Bei der hier zum Unfall führenden Tätigkeit des Beigeladenen – Festhalten seines Katers während der tierärztlichen Behandlung – stand diese nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung; insbesondere bestand kein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII. Nach dieser Vorschrift sind Personen versichert, die wie nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherte tätig werden. Hierdurch soll aus sozialpolitischen und rechtssystematischen Gründen der Versicherungsschutz auf Tätigkeiten erstreckt werden, die zwar nicht sämtliche Merkmale eines Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnisses aufweisen, in ihrer Grundstruktur aber einer abhängigen Beschäftigung ähneln, indem eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht wird, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. Urteil vom 31. Mai 2005 – B 2 U 35/04 R = SozR 4 2700 § 2 Nr. 5; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteile vom 17. Mai 2006 – L 8 U 3/05 – und vom 20. Juni 2012 – L 8 U 55/10; Franke in: Becker u. a., Sozialgesetzbuch VII, Lehr- und Praxiskommentar, 3. Aufl., § 2 Rn. 211).

Allerdings wird nicht jede Tätigkeit, die einem fremden Unternehmen objektiv nützlich und ihrer Art nach sonst üblicherweise dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich ist, beschäftigtenähnlich verrichtet. Vielmehr kommt der mit dem – objektiv arbeitnehmerähnlichen – Verhalten verbundenen Handlungstendenz, die vom bloßen Motiv für das Tätigwerden zu unterscheiden ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 5. März 2002 – B 2 U 9/01 R -, recherchiert bei juris), eine ausschlaggebende Bedeutung zu (vgl. Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 21. Juni 2006 – L 8 U 9/06 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. April 2008 – L 17 U 52/07 -; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. Juni 2006 L 2 U 57/04 -). Verfolgt eine Person mit einem Verhalten, das ansonsten einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnelt, in Wirklichkeit wesentlich eigene Angelegenheiten, ist sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung und somit nicht wie im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern wie ein Unternehmer eigenwirtschaftlich tätig und steht daher auch nicht nach § 2 Abs. 2 SGB VII wie ein nach Abs. 1 Nr. 1 dieser Vorschrift Tätiger unter Versicherungsschutz (BSG, Urteil vom 5. Juli 2005 – B 2 U 22/04 R, recherchiert bei juris). Dient eine Tätigkeit sowohl eigenen Belangen als auch fremden Zwecken, so sind objektiv erbrachte Leistungen und subjektive Handlungstendenzen ihrer Intensität nach jeweils gegeneinander abzuwägen. Auf die von der Handlungstendenz abzugrenzenden Beweggründe, die eine Person veranlasst haben, eine bestimmte versicherte Tätigkeit auszuüben, kommt es für den Versicherungsschutz nicht an. Maßgeblich ist, dass die Handlungstendenz des Handelnden fremdwirtschaftlich auf die Belange des Unternehmens gerichtet ist. Dies ist allerdings nur dann zu verneinen, wenn im Wesentlichen Eigenangelegenheiten verfolgt werden (Franke, a.a.O., § 2, Rdn. 213). Es kommt also nicht darauf an, dass die Tätigkeit auch eigenen Interessen nützt. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob sie vorwiegend im eigenen Interesse vorgenommen wird, dann liegt keine versicherte Tätigkeit vor, oder ob das Interesse dahin geht, fremden Interessen zu dienen, dann ist diese Tätigkeit versichert (Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteile vom 10. November 2009 – L 8 U 71/08 – und vom 20. Juni 2012 – L 8 U 55/10 -).

Ungeachtet der zwischen den Beteiligten streitigen Frage, ob es sich bei der Hilfeleistung durch den Beigeladenen angesichts der kurzen zeitlichen Dauer wie auch des relativ überschaubaren Umfangs des Tätigwerdens überhaupt um eine Handreichung von wirtschaftlichem Wert gehandelt hat, die dem Unternehmen der Klägerin gedient haben könnte, ist hier jedenfalls im Hinblick auf die Handlungstendenz des Beigeladenen eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit zu verneinen. Als der Beigeladene seinen Kater während der tierärztlichen Behandlung festgehalten hat, ist er seinen Pflichten als Tierhalter nachgegangen und hat eine seinen eigenen Zwecken dienende und damit unternehmerähnliche Tätigkeit durchgeführt.

Hierfür sprechen bereits die diesbezüglichen Angaben des Beigeladenen selbst, der im erstinstanzlichen wie auch im Berufungsverfahren nachdrücklich darauf hingewiesen hat, er habe seinen Kater im Sinne eines beruhigenden Drückens – so wie auch bei früheren Behandlungen bei der Klägerin - festgehalten. Eine "fachgerechte Fixierung", wie sie möglicherweise von einer Tierarzthelferin vorgenommen worden wäre, sei für ihn schon deshalb nicht in Betracht gekommen, weil er gar nicht wisse, wie eine Katze "fachgerecht" mit einer Hand im Nacken und mit der anderen Hand am Hinterteil festgehalten werde. Er – der Beigeladene – habe sich schlichtweg bemüht, das Tier zu beruhigen. Diese Tätigkeit sei eine instinktive, aus der besonderen Zuneigung zu seinem Kater resultierende Handlung gewesen. Diese Angaben wie auch die Eigenschaft als Tierhalter im Sinne von § 833 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) stellen hinreichend nachvollziehbare bzw. objektive Anknüpfungspunkte für eine eigenwirtschaftliche Handlungstendenz dar. Die tiergerechte Haltung, Pflege und Betreuung – gerade auch in Ausnahmesituationen, wie sie ein Tierarztbesuch in der Regel für Haustiere darstellen – zählen zum Kernbereich der Aufgaben eines Tierhalters. Eine möglichst komplikationslose und stressfreie tierärztliche Behandlung seines Tieres liegt daher unzweifelhaft in seinem unmittelbaren Interesse; eindeutig im Vordergrund steht damit die eigenwirtschaftliche Handlungstendenz. Angesichts dessen ist eine ggf. erforderliche Aufgabenerfüllung für den Tierarzt nur als ein (insoweit unerheblicher) Nebenzweck für die Mithilfe einzuordnen (so auch Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 29. Juni 2011 – L 3 U 11/98 – unter Hinweis auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Frage der Handlungstendenz, recherchiert bei juris). Damit stellt sich das Festhalten des Katers am Unfalltag objektiv als eine dem eigenen Unternehmen des Beigeladenen (Haltung und Pflege seines Haustiers) dienende Verrichtung dar; die Handlungstendenz des Beigeladenen war eindeutig darauf ausgerichtet, möglichst kurzfristig eine Besserung des besorgniserregenden Gesundheitszustands des Katers zu ermöglichen.

Diese rechtliche Einordnung wird auch nicht dadurch erschüttert, dass in einigen zivil- bzw. arbeitsgerichtlichen Entscheidungen ein Tierhalter, der Aufgaben bei der tierärztlichen Versorgung seines Tieres übernimmt, als ein "Wie-Beschäf¬tigter" im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII eingestuft und das Haftungsprivileg des § 104 Abs. 1 SGB VII zu Gunsten des Tierarztes herangezogen wird (OLG Oldenburg, Urteil vom 11. Dezember 2001 – 12 U 105/01 -; Amtsgericht Lichtenberg, Urteil vom 19. März 2009 – 14 C 29/08 -; Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 14. Juli 2009 – 13 Sa 2141/08 -, jeweils recherchiert bei juris). Denn in jenen Entscheidungen ist – genau wie im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts Lübeck – die Frage der Handlungstendenz, der nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – wie oben dargestellt – eine zentrale Bedeutung bei der Prüfung zukommt, ob die Voraussetzungen für eine "Wie-Beschäftigung" im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII erfüllt sind, überhaupt nicht angesprochen und auch nicht geprüft worden.

Die Kostenentscheidung zu Lasten der Klägerin, die sich als Unternehmerin auf eine Haftungsbeschränkung nach den §§ 104 ff. SGB VII beruft und daher am sozialgerichtlichen Verfahren nicht als Versicherte oder Leistungsempfängerin im Sinne von § 183 Satz 1 SGG beteiligt ist (so auch Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 29. Juni 2011 – L 3 U 11/08 , recherchiert bei juris), folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), wobei der Senat die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, der mit seiner Berufung einen eigenständigen Antrag gestellt hat, als erstattungsfähig ansieht. Bei der Kostenentscheidung ist lediglich auf das Berufungsverfahren abzustellen; denn die Kostenentscheidung des Sozialgerichts, die nicht im Urteil vom 30. Mai 2011, sondern in einem gesonderten Beschluss am 24. August 2011 zu Lasten der Beklagten getroffen worden ist, hat die Beklagte nicht angefochten.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG durch den Senat zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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