Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 2 U 7/08
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 8 U 5/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Für die Anerkennung als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung ist u.a. Voraussetzung, dass diese von der Autorität der Geschäftsleitung getragen wird. Dazu ist erforderlich, dass das Interesse der Betriebsleitung deutlich wird, dass möglichst alle Betriebsangehörigen bzw. alle, an die sich die Veranstaltung wendet, daran teilnehmen sollen.
2. Nehmen an einer Veranstaltung nur ca. 7 % der eingeladenen Betriebsangehörigen teil, spricht das gegen die Annahme einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung.
2. Nehmen an einer Veranstaltung nur ca. 7 % der eingeladenen Betriebsangehörigen teil, spricht das gegen die Annahme einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 30. November 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.
Der am -. - 1971 geborene Kläger war bei der "K Pharma + Veterinär Produkte GmbH" (K ) in Kiel beschäftigt, als er sich während eines Fußballturniers in L am 2. Juni 2007 einen Bruch des Schienbeinkopfes zuzog. Mit Unfallanzeige vom 18. Juni 2007 teilte die K der Beklagten mit, dass es sich um einen B -Konzern internes Turnier gehandelt habe und der Zweck der Veranstaltung in dem Kennenlernen der Mitarbeiter anderer Abteilungen bestanden habe. Das Turnier sei als Familientag mit weiteren Attraktionen ausgestaltet gewesen. Platzmiete und weitere Zuschüsse seien durch B übernommen worden. Die K sei mit 22 Spielern und zehn weiteren Personen vertreten gewesen. Die Kosten für Startgeld, Busfahrt und die Hälfte der Kosten für die Unterkunft seien von der K gezahlt worden. Telefonisch ermittelte die Beklagte, dass es eine Aufforderung bzw. einen ausdrücklichen Wunsch der Firmenleitung, dass alle Beschäftigten an der Veranstaltung hätten teilnehmen sollen, nicht gegeben habe.
Mit Bescheid vom 24. Juli 2007 lehnte die Beklagte Ansprüche des Klägers auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund des Unfalls vom 2. Juni 2007 ab mit der Begründung, die Veranstaltung vom 2. Juni 2007 sei nicht im Rahmen der Unfallversicherung versichert gewesen. Dagegen legte der Kläger am 31. Juli 2007 Widerspruch ein. Im Laufe des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte weitere Informationen der "B HealthCare" (B ) und von K ein. Daraus ergab sich, dass die Veranstaltung allen Konzernangehörigen und auch den Familienangehörigen offen gestanden habe. Es seien ca. 800 Teilnehmer und 12 Mannschaften à 15 Spieler dabei gewesen. Die Veranstaltung habe dazu gedient, die Kommunikation untereinander zu verbessern. Es seien fünf leitende Mitarbeiter bzw. Mitglieder des Managements anwesend gewesen. Die Stammbelegschaft bei K habe 429 Mitglieder betragen. Teilgenommen hätten von diesen 33 Personen, davon 18 Fußballspieler. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Der Kläger hat am 16. Januar 2008 Klage erhoben. Er hat vorgetragen, bei dem Fußballturnier habe es sich nicht um einen Wettkampf, sondern um sportliche Betätigung gehandelt. Die K sei eine 100%ige Tochter der B und die Veranstaltung habe dem Kennenlernen der Mitarbeiter in den einzelnen Betriebsteilen der B gedient. Die Anerkennung als Gemeinschaftsveranstaltung sei nicht von der Anzahl der Teilnehmer aus dem jeweiligen Betrieb abhängig. Im Übrigen habe er der Kläger an dem Fußballturnier im Rahmen der Betriebssportgruppe von K teilgenommen. Die Einladung zu der Veranstaltung sei durch Aushang, der für alle im Betrieb arbeitenden Personen gut einsehbar gewesen sei, erfolgt. Aus der Einladung sei ersichtlich gewesen, dass jeder habe teilnehmen können und es ein umfangreiches Rahmenprogramm gäbe.
Der Kläger hat beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Juli 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2007 festzustellen, dass der Kläger durch die am 2. Juni 2007 während eines Fußballspieles erlittenen Verletzungen im rechten Bein (Bruch des Schienbeinkopfes) einen Arbeitsunfall im Sinne des Siebten Buches Sozialgesetzbuch erlitten hat.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, das Fußballturnier sei nicht versichert gewesen. Der Kläger habe daran auf eigenen Wunsch und aus privatem Interesse teilgenommen. Das Fußballturnier sei nicht im Rahmen des Betriebssports der K erfolgt, denn betrieblicher Fußball werde nicht regelmäßig betrieben. Auch die Mindestbeteiligung von 20 % der Betriebsangehörigen sei nicht erreicht. Mit 33 Personen hätten lediglich 7,7 % der Stammbelegschaft von K an der Veranstaltung teilgenommen.
Das Sozialgericht hat mit Verfügung vom 22. September 2010 weitere Informationen von B und K eingeholt. B teilte unter dem 7. Oktober 2010 mit, dass es keinerlei Absprachen unter den Unternehmensleitungen der Tochtergesellschaften und des Mutterkonzerns über eine Teilnahme der Führungsspitze gegeben habe. Die Führung der K sei nicht ausdrücklich eingeladen worden. Die Unterzeichnende (Dr. M. L. B. , Leitung S Center L ) sei jedoch gebeten worden, die Siegerehrung vorzunehmen, was sie auch getan habe.
Mit Urteil vom 30. November 2010 hat das Sozialgericht Kiel den Bescheid vom 26. Juli 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2007 aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger durch die am 2. Juni 2007 während eines Fußballspieles erlittenen Verletzungen im rechten Bein (Bruch des Schienbeinkopfes) einen Arbeitsunfall im Sinne des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) erlitten habe. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass kein Versicherungsschutz im Rahmen des Betriebssports vorgelegen habe, weil bei der K nicht von einer Betriebssportgruppe auszugehen sei. Es habe jedoch eine, den Versicherungsschutz begründende betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung vorgelegen. Die Veranstaltung habe allen Mitarbeitern des Konzerns und von K offen gestanden. Es habe neben dem Fußballturnier ein umfangreiches Rahmenprogramm gegeben. Zwar sei niemand aus der Leitung von K anwesend gewesen, aber fünf führende Mitarbeiter und Mitglieder der Unternehmensleitung von B. Außerdem sei die Veranstaltung umfangreich von K und B bezuschusst worden. Bei der Teilnahme von knapp 1.000 Personen an der Veranstaltung käme es nicht darauf an, dass von K nur 33 Mitarbeiter anwesend gewesen seien. Das Urteil ist der Beklagten am 10. Januar 2011 zugestellt worden.
Diese hat am 27. Januar 2011 Berufung eingelegt und vorgetragen, die Voraussetzungen für die Anerkennung der Veranstaltung am 2. Juni 2007 als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung lägen nicht vor. Bei der Teilnahme von lediglich 33 Personen von K werde die erforderliche Anzahl an Betriebsmitgliedern, die bei der Veranstaltung teilgenommen hätten, nicht erfüllt. Außerdem habe es keine Veranlassung durch die Betriebsleitung gegeben, an der Veranstaltung teilzunehmen. Zudem habe es keine Absprachen zwischen den Betriebsleitungen der Tochtergesellschaften und der Muttergesellschaft hinsichtlich der Teilnahme von Führungskräften gegeben. Die Führung von K sei auch nicht ausdrücklich eingeladen worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 30. November 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er beruft sich auf das zutreffende Urteil des Sozialgerichts Kiel und trägt vor, neben den Mitgliedern der Betriebssportgruppe von K hätten auch weitere Mitglieder der Belegschaft an der Veranstaltung teilgenommen. Um eine Betriebssportgruppe handele es sich deswegen, weil in der Fußballsaison regelmäßig – nahezu wöchentlich – Spiele mit anderen Betriebssportgruppen stattgefunden hätten.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichts- und Bei-akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Der Unfall des Klägers am 2. Juni 2007 war kein Arbeitsunfall. Der eine Leistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des Unfalls des Klägers ablehnende Bescheid vom 24. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. No-vember 2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er kann daher nicht aufgehoben werden. Vielmehr ist das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 30. November 2010, welches einen Arbeitsunfall annimmt, aufzuheben.
Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII "zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen". Zur Annahme eines Arbeitsunfalls in diesem Sinne ist erforderlich, dass das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und dass diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Es muss eine sachliche Verbindung zu der geschützten Tätigkeit bestehen, ein innerer Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 8. Dezember 1998 B 2 U 37/97 R -; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 25. Feb¬ruar 2008 – L 8 U 73/06 -).
Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis zu erbringen; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können. Es muss also sicher feststehen, dass im Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde.
Der Kläger war als Lagerarbeiter bei K beschäftigt und als solcher gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII bei der Beklagten versichert. Die versicherte Tätigkeit hat er zum Unfallzeitpunkt jedoch nicht ausgeübt.
In sachlichem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und damit unter Versicherungsschutz stehen aber auch betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG kann die Teilnahme von Beschäftigten an Betriebsfesten, Betriebsausflügen oder ähnlichen Gemeinschaftsveranstaltungen dem Unternehmen zugerechnet und der versicherten Tätigkeit gleichgesetzt werden, soweit die betreffende Veranstaltung im Interesse des Unternehmens liegt und wie die eigentliche Arbeitstätigkeit selbst betrieblichen Zwecken dient. Voraussetzung für die Annahme einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung ist, dass die Zusammenkunft der Pflege der Verbundenheit zwischen der Unternehmensleitung und den Beschäftigten sowie der Beschäftigten untereinander dient. Die Veranstaltung muss deshalb grundsätzlich allen Beschäftigten des Unternehmens offenstehen und von der Unternehmensleitung selbst veranstaltet oder zumindest gebilligt oder gefördert und von ihrer Autorität als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung getragen werden, um die für den Versicherungsschutz bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen wesentliche "betriebliche Zielsetzung" – Verbundenheit zwischen Unternehmensleitung und Beschäftigten sowie der Beschäftigten untereinander – zu erfüllen (Hessisches LSG, Urteil vom 15. Juni 2011 – L 6 U 248/08 – m.w.N.; s. auch BSG, Urteil vom 7. Dezember 2004 – B 2 U 47/03 R -, recherchiert bei juris, Rdn. 13). Eine Veranstaltung ist dann von der Autorität der Unternehmensleitung getragen, wenn der Veranstalter dabei nicht nur aus eigenem Antrieb und freier Entschließung, sondern im Einvernehmen mit der Unternehmensleitung oder für diese handelt. Bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen, die in einzelnen organisatorischen Einrichtungen des Unternehmens erfolgen, insbesondere, wenn das Unternehmen über mehrere Betriebsstätten oder Filialen verfügt, genügt es, wenn die Leitung der jeweiligen organisatorischen Einheit als Veranstalter seitens des Unternehmens fungiert (BSG, Urteil vom 7. Dezember 2004 B 2 U 47/03 R -, Rdn. 14). Dabei ist eine Anwesenheit der Unternehmensleitung während der gesamten Veranstaltung nicht erforderlich. Grundsätzlich muss die Unternehmensleitung oder müssen Teile von ihr aber an der Veranstaltung teilnehmen, damit die betriebliche Zielsetzung – Verbun-denheit zwischen Unternehmensleitung und Beschäftigten – erreicht werden kann. Hinsichtlich der betrieblichen Zielsetzung "Verbundenheit der Beschäftigten untereinander" muss eine Veranstaltung nicht nur allen Beschäftigten des Unternehmens offenstehen, sondern es ist auch eine bestimmte Mindestbeteiligung zu fordern, wobei eine feste Grenze oder Relation angesichts der Verschiedenheit der von der gesetzlichen Unfallversicherung umfassten Unternehmen aufgrund ihrer Größe und Struktur nicht festlegbar ist (BSG, Urteil vom 7. Dezember 2004 – B 2 U 47/03 R -, a.a.O., Rdn. 15 f.).
Auch eine sportliche Betätigung von Betriebsangehörigen kann der versicherten Tätigkeit gleich zu achten sein, wenn sie dazu bestimmt und geeignet ist, die durch die Tätigkeit bedingte körperliche Belastung auszugleichen, mit einer gewissen Regelmäßigkeit stattfindet und in einem dem Ausgleichszweck entsprechenden Zusammenhang mit der Betriebsarbeit steht. Der Zusammenhang wird in der Regel durch einen im Wesentlichen auf Betriebsangehörige beschränkten Teilnehmerkreis sowie durch die der Betriebsarbeit entsprechende Zeit und Dauer der Übungen begründet. Diese müssen im Rahmen einer unternehmensbezogenen Organisation stattfinden (BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 – B 2 U 38/03 R -, recherchiert bei juris, Rdn. 15). Unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht der Betriebssport allerdings nur, wenn er Ausgleichs- und nicht Wettkampfcharakter hat (Bayerisches LSG, Urteil vom 22. Februar 2011 – L 3 U 445/10 -). Dem Kriterium "Ausgleichs- und nicht Wettkampfcharakter" steht ein gelegentlicher Wettkampf gegen andere Mannschaften nicht entgegen. Hintergrund für die Einbeziehung auch gelegentlicher Wettkämpfe in den Versicherungsschutz ist es, dass dies die Freude am sonstigen Ausgleichssport stärkt. Z. B. bei jährlich einer Teilnahme an einem Pokalturnier sei diese mitversichert (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2005 – B 2 U 29/04 R -; Schleswig-Hol¬steinisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Februar 2012 – L 8 U 26/10).
Nach diesen Grundsätzen kann der Unfall des Klägers anlässlich des Fußballturniers am 2. Juni 2007 nicht als Arbeitsunfall anerkannt werden, denn das Fußballturnier kann nicht als betriebliche Sportveranstaltung bzw. das Treffen der Belegschaften von B einschließlich der Tochtergesellschaften kann nicht als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung angesehen werden.
Die Teilnahme am Fußballturnier erfolgte nicht im Rahmen des Betriebssports, wie seitens des Sozialgerichts zutreffend ausgeführt worden ist. Betriebssport liegt nur dann vor, wenn der Sport regelmäßig stattfindet, Übungszeit und Übungsdauer im Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stehen und der Sport unternehmensbezogen organisiert ist. Wettkämpfe mit anderen Betriebssportgemeinschaften außerhalb der regelmäßigen Übungsstunden sind nicht versichert (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 22. Februar 2011 – L 3 U 445/10, recherchiert bei juris, Rdnr. 20). Gelegentliche Turnierspiele erfüllen das Merkmal des Betriebssports nicht. Ob die vom Kläger vorgetragenen Fußballspiele während der Saison gegen andere Betriebsmannschaften nur gelegentlich Turnierspiele waren oder aber diese Spiele eine gewisse Regelmäßigkeit aufwiesen, die sie als Berufssport qualifizierten, kann hier dahinstehen, denn das Turnier am 2. Juni 2007 fand nicht im Rahmen dieser Spiele statt und stellte auch keine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung dar.
Die Voraussetzungen für eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung sind nicht gegeben. Von der Planung her stand die Veranstaltung am 2. Juni 2007 allen Betriebsangehörigen von B und von K offen. Aufgrund des Rahmenprogramms ist davon auszugehen, dass es nicht nur um ein Fußballturnier ging und damit um einen eng begrenzten Personenkreis, sondern dass auch Nichtspieler/spielerinnen zu diesem Treffen kommen sollten.
Fraglich ist bereits, ob die Veranstaltung seitens der Unternehmensleitung veranstaltet, gefördert, gebilligt oder durchgeführt worden ist. Sowohl B als auch K haben durch die jeweilige Bezuschussung der Veranstaltung eine Förderung und Billigung zwar deutlich gemacht. Dass die Veranstaltung aber von der Autorität der Geschäftsleitung getragen wurde, ist nicht ersichtlich. Neben der Bezuschussung sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Geschäftsleitung von B oder auch nur K zur Organisation beigetragen oder die Teilnahme der Betriebsangehörigen gefördert hätten.
Jedenfalls ist hier ein dem Betrieb zuzurechnender Gemeinschaftszweck (Pflege der Verbundenheit zwischen der Unternehmensleitung und den Mitarbeitern sowie den Mitarbeitern untereinander) nicht gegeben. Voraussetzung dafür wäre, dass einerseits die Betriebsführung durch Absprachen dafür hätte sorgen müssen, dass ein gewisser Anteil der Führungskräfte auch der jeweiligen Betriebsteile anwesend ist oder aus der Erfahrung gewährleistet ist, dass eine solche Teilnahme ohne Absprachen erfolgt. Das war hier nicht der Fall. Absprachen hat es nicht gegeben, von der K war keine Leitungskraft anwesend. Lediglich fünf leitende Mitarbeiter sowie Mitglieder des Managements waren anwesend, wobei offenbar nach ihrer eigenen Aussage nur Frau Dr. B auf Anregung bzw. Anfrage der Organisatoren in ihrer Funktion als Leiterin von S Center L anwesend war.
Aber auch das Ziel, die Verbundenheit zwischen den Mitarbeitern untereinander zu fördern, ist hier nicht ersichtlich. Insoweit genügt es nicht, dass eine Teilnahmemöglichkeit nur formal allen Beschäftigten eröffnet wird. Es muss sich um eine echte Gemeinschaftsveranstaltung handeln, an der nach der ihr zugrundeliegenden Zielvorstellung möglichst alle Betriebsangehörigen teilnehmen sollen. Nur dann kann sie das – die Einbeziehung solcher Veranstaltung in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung als Ausnahme allein rechtfertigende – Ziel nachhaltig und effektiv fördern, die Verbundenheit innerhalb der Belegschaft – und zwischen Betriebsleitung und Belegschaft – zu pflegen und damit einen Beitrag für eine Verbesserung des Betriebsklimas und der Leistungsfähigkeit des Betriebs zu erbringen (BSG, Urteil vom 22. August 1955 – 2 RU 49/54 –, BSGE 1, 179, 182; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 25. Februar 2008 – L 8 U 73/06). Das bedeutet, dass der Wunsch der Betriebsleitung deutlich werden muss, dass möglichst alle Betriebsangehörigen an der Veranstaltung teilnehmen. Das gilt sowohl für K als auch für B. Von der Betriebsleitung von B bzw. K sind die Betriebsangehörigen nicht angehalten worden, die Veranstaltung am 2. Juni 2007 zu besuchen. Die Betriebsleitung hatte somit kein Interesse an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung.
Auch die Teilnehmerzahl spricht gegen eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung. Zwar gibt es regelmäßig keine Pflicht zur Teilnahme an einer betrieblichen Veranstaltung. Daher kann auch allein von der Anzahl der Teilnehmer nicht auf den betrieblichen Zweck geschlossen werden. Ein offenbares Missverhältnis zwischen der Zahl der Teilnehmer zur Zahl der eingeladenen Beschäftigten kann allerdings im Einzelfall ein Anzeichen dafür sein, dass keine versicherte betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung vorliegt (BSG, Urteil vom 24. August 1976 – B 8 RU 152/75; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 25. Februar 2008 – L 8 U 73/06). Bei einer Belegschaft von 429 Personen im Juni 2007 stellt die Teilnahme von 33 Personen an der Gesamtveranstaltung einen Prozentsatz von 7,7 % dar. Die Teilnahme von insgesamt knapp 1.000 Personen bei einer – vom Senat ermittelten – Gesamtbelegschaft von B im Sommer 2007 von ca. 13.000 Personen stellt ebenfalls nur einen geringfügigen Prozentsatz dar. Hierin erkennt der Senat ein offenbares Missverhältnis zwischen der Zahl der Teilnehmer zur Zahl der mit der Einladung angesprochenen Beschäftigten, wobei noch zu berücksichtigen ist, dass auch Familienangehörige eingeladen und wohl auch anwesend gewesen sind, so dass die Zahl der Betriebsangehörigen selbst noch geringer gewesen sein dürfte. Dies belegt die nur unzureichende Ausrichtung der Konzeption der Veranstaltung auf eine möglichst umfassende Teilnahme der Betriebsangehörigen und ist daher im vorliegenden Einzelfall als Anzeichen dafür zu werten, dass keine versicherte betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung vorgelegen hat (vgl. Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 25. Februar 2008 – L 8 U 73/06).
Zwar kann Vertrauensschutz im Hinblick auf eine versicherte Betätigung bestehen, wenn Teilnehmer mit einer großen Anzahl von Personen rechnen, aber erst bei Beginn der Veranstaltung festgestellt werden kann, dass lediglich eine sehr geringe Anzahl von Teilnehmern kommt (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Juli 2011 – L 6 U 3857/10, recherchiert bei juris, Rdn. 25). Weiter setzt der Vertrauensschutz voraus, dass der Verletzte aufgrund der Gesamtumstände davon ausgehen konnte, dass es sich entsprechend den sonstigen Voraussetzungen um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung handeln würde. Die alleinige Vorstellung des Verletzten, bei einer bestimmten Veranstaltung unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu stehen, kann nicht zum Versicherungsschutz führen (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Juli 2011 – L 6 U 3857/10; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Februar 2012 – L 8 U 26/10). Derartige Umstände, die den Kläger berechtigter Weise hätten veranlassen können, davon auszugehen, dass er an einer versicherten Tätigkeit teilnimmt, sind nicht ersichtlich.
Da es sich bei der auf Richterrecht beruhenden Einbeziehung von Gemeinschaftsveranstaltungen in den Unfallversicherungsschutz um eine eng begrenzte Ausnahme handelt (BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 – B 2 U 16/04 R), hält der Senat nach der somit gebotenen strengen Betrachtung im vorliegenden Fall einen Versicherungsschutz nicht für angezeigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Anhaltspunkte, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
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Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.
Der am -. - 1971 geborene Kläger war bei der "K Pharma + Veterinär Produkte GmbH" (K ) in Kiel beschäftigt, als er sich während eines Fußballturniers in L am 2. Juni 2007 einen Bruch des Schienbeinkopfes zuzog. Mit Unfallanzeige vom 18. Juni 2007 teilte die K der Beklagten mit, dass es sich um einen B -Konzern internes Turnier gehandelt habe und der Zweck der Veranstaltung in dem Kennenlernen der Mitarbeiter anderer Abteilungen bestanden habe. Das Turnier sei als Familientag mit weiteren Attraktionen ausgestaltet gewesen. Platzmiete und weitere Zuschüsse seien durch B übernommen worden. Die K sei mit 22 Spielern und zehn weiteren Personen vertreten gewesen. Die Kosten für Startgeld, Busfahrt und die Hälfte der Kosten für die Unterkunft seien von der K gezahlt worden. Telefonisch ermittelte die Beklagte, dass es eine Aufforderung bzw. einen ausdrücklichen Wunsch der Firmenleitung, dass alle Beschäftigten an der Veranstaltung hätten teilnehmen sollen, nicht gegeben habe.
Mit Bescheid vom 24. Juli 2007 lehnte die Beklagte Ansprüche des Klägers auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund des Unfalls vom 2. Juni 2007 ab mit der Begründung, die Veranstaltung vom 2. Juni 2007 sei nicht im Rahmen der Unfallversicherung versichert gewesen. Dagegen legte der Kläger am 31. Juli 2007 Widerspruch ein. Im Laufe des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte weitere Informationen der "B HealthCare" (B ) und von K ein. Daraus ergab sich, dass die Veranstaltung allen Konzernangehörigen und auch den Familienangehörigen offen gestanden habe. Es seien ca. 800 Teilnehmer und 12 Mannschaften à 15 Spieler dabei gewesen. Die Veranstaltung habe dazu gedient, die Kommunikation untereinander zu verbessern. Es seien fünf leitende Mitarbeiter bzw. Mitglieder des Managements anwesend gewesen. Die Stammbelegschaft bei K habe 429 Mitglieder betragen. Teilgenommen hätten von diesen 33 Personen, davon 18 Fußballspieler. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Der Kläger hat am 16. Januar 2008 Klage erhoben. Er hat vorgetragen, bei dem Fußballturnier habe es sich nicht um einen Wettkampf, sondern um sportliche Betätigung gehandelt. Die K sei eine 100%ige Tochter der B und die Veranstaltung habe dem Kennenlernen der Mitarbeiter in den einzelnen Betriebsteilen der B gedient. Die Anerkennung als Gemeinschaftsveranstaltung sei nicht von der Anzahl der Teilnehmer aus dem jeweiligen Betrieb abhängig. Im Übrigen habe er der Kläger an dem Fußballturnier im Rahmen der Betriebssportgruppe von K teilgenommen. Die Einladung zu der Veranstaltung sei durch Aushang, der für alle im Betrieb arbeitenden Personen gut einsehbar gewesen sei, erfolgt. Aus der Einladung sei ersichtlich gewesen, dass jeder habe teilnehmen können und es ein umfangreiches Rahmenprogramm gäbe.
Der Kläger hat beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Juli 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2007 festzustellen, dass der Kläger durch die am 2. Juni 2007 während eines Fußballspieles erlittenen Verletzungen im rechten Bein (Bruch des Schienbeinkopfes) einen Arbeitsunfall im Sinne des Siebten Buches Sozialgesetzbuch erlitten hat.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, das Fußballturnier sei nicht versichert gewesen. Der Kläger habe daran auf eigenen Wunsch und aus privatem Interesse teilgenommen. Das Fußballturnier sei nicht im Rahmen des Betriebssports der K erfolgt, denn betrieblicher Fußball werde nicht regelmäßig betrieben. Auch die Mindestbeteiligung von 20 % der Betriebsangehörigen sei nicht erreicht. Mit 33 Personen hätten lediglich 7,7 % der Stammbelegschaft von K an der Veranstaltung teilgenommen.
Das Sozialgericht hat mit Verfügung vom 22. September 2010 weitere Informationen von B und K eingeholt. B teilte unter dem 7. Oktober 2010 mit, dass es keinerlei Absprachen unter den Unternehmensleitungen der Tochtergesellschaften und des Mutterkonzerns über eine Teilnahme der Führungsspitze gegeben habe. Die Führung der K sei nicht ausdrücklich eingeladen worden. Die Unterzeichnende (Dr. M. L. B. , Leitung S Center L ) sei jedoch gebeten worden, die Siegerehrung vorzunehmen, was sie auch getan habe.
Mit Urteil vom 30. November 2010 hat das Sozialgericht Kiel den Bescheid vom 26. Juli 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2007 aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger durch die am 2. Juni 2007 während eines Fußballspieles erlittenen Verletzungen im rechten Bein (Bruch des Schienbeinkopfes) einen Arbeitsunfall im Sinne des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) erlitten habe. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass kein Versicherungsschutz im Rahmen des Betriebssports vorgelegen habe, weil bei der K nicht von einer Betriebssportgruppe auszugehen sei. Es habe jedoch eine, den Versicherungsschutz begründende betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung vorgelegen. Die Veranstaltung habe allen Mitarbeitern des Konzerns und von K offen gestanden. Es habe neben dem Fußballturnier ein umfangreiches Rahmenprogramm gegeben. Zwar sei niemand aus der Leitung von K anwesend gewesen, aber fünf führende Mitarbeiter und Mitglieder der Unternehmensleitung von B. Außerdem sei die Veranstaltung umfangreich von K und B bezuschusst worden. Bei der Teilnahme von knapp 1.000 Personen an der Veranstaltung käme es nicht darauf an, dass von K nur 33 Mitarbeiter anwesend gewesen seien. Das Urteil ist der Beklagten am 10. Januar 2011 zugestellt worden.
Diese hat am 27. Januar 2011 Berufung eingelegt und vorgetragen, die Voraussetzungen für die Anerkennung der Veranstaltung am 2. Juni 2007 als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung lägen nicht vor. Bei der Teilnahme von lediglich 33 Personen von K werde die erforderliche Anzahl an Betriebsmitgliedern, die bei der Veranstaltung teilgenommen hätten, nicht erfüllt. Außerdem habe es keine Veranlassung durch die Betriebsleitung gegeben, an der Veranstaltung teilzunehmen. Zudem habe es keine Absprachen zwischen den Betriebsleitungen der Tochtergesellschaften und der Muttergesellschaft hinsichtlich der Teilnahme von Führungskräften gegeben. Die Führung von K sei auch nicht ausdrücklich eingeladen worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 30. November 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er beruft sich auf das zutreffende Urteil des Sozialgerichts Kiel und trägt vor, neben den Mitgliedern der Betriebssportgruppe von K hätten auch weitere Mitglieder der Belegschaft an der Veranstaltung teilgenommen. Um eine Betriebssportgruppe handele es sich deswegen, weil in der Fußballsaison regelmäßig – nahezu wöchentlich – Spiele mit anderen Betriebssportgruppen stattgefunden hätten.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichts- und Bei-akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Der Unfall des Klägers am 2. Juni 2007 war kein Arbeitsunfall. Der eine Leistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des Unfalls des Klägers ablehnende Bescheid vom 24. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. No-vember 2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er kann daher nicht aufgehoben werden. Vielmehr ist das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 30. November 2010, welches einen Arbeitsunfall annimmt, aufzuheben.
Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII "zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen". Zur Annahme eines Arbeitsunfalls in diesem Sinne ist erforderlich, dass das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und dass diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Es muss eine sachliche Verbindung zu der geschützten Tätigkeit bestehen, ein innerer Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 8. Dezember 1998 B 2 U 37/97 R -; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 25. Feb¬ruar 2008 – L 8 U 73/06 -).
Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis zu erbringen; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können. Es muss also sicher feststehen, dass im Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde.
Der Kläger war als Lagerarbeiter bei K beschäftigt und als solcher gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII bei der Beklagten versichert. Die versicherte Tätigkeit hat er zum Unfallzeitpunkt jedoch nicht ausgeübt.
In sachlichem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und damit unter Versicherungsschutz stehen aber auch betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG kann die Teilnahme von Beschäftigten an Betriebsfesten, Betriebsausflügen oder ähnlichen Gemeinschaftsveranstaltungen dem Unternehmen zugerechnet und der versicherten Tätigkeit gleichgesetzt werden, soweit die betreffende Veranstaltung im Interesse des Unternehmens liegt und wie die eigentliche Arbeitstätigkeit selbst betrieblichen Zwecken dient. Voraussetzung für die Annahme einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung ist, dass die Zusammenkunft der Pflege der Verbundenheit zwischen der Unternehmensleitung und den Beschäftigten sowie der Beschäftigten untereinander dient. Die Veranstaltung muss deshalb grundsätzlich allen Beschäftigten des Unternehmens offenstehen und von der Unternehmensleitung selbst veranstaltet oder zumindest gebilligt oder gefördert und von ihrer Autorität als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung getragen werden, um die für den Versicherungsschutz bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen wesentliche "betriebliche Zielsetzung" – Verbundenheit zwischen Unternehmensleitung und Beschäftigten sowie der Beschäftigten untereinander – zu erfüllen (Hessisches LSG, Urteil vom 15. Juni 2011 – L 6 U 248/08 – m.w.N.; s. auch BSG, Urteil vom 7. Dezember 2004 – B 2 U 47/03 R -, recherchiert bei juris, Rdn. 13). Eine Veranstaltung ist dann von der Autorität der Unternehmensleitung getragen, wenn der Veranstalter dabei nicht nur aus eigenem Antrieb und freier Entschließung, sondern im Einvernehmen mit der Unternehmensleitung oder für diese handelt. Bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen, die in einzelnen organisatorischen Einrichtungen des Unternehmens erfolgen, insbesondere, wenn das Unternehmen über mehrere Betriebsstätten oder Filialen verfügt, genügt es, wenn die Leitung der jeweiligen organisatorischen Einheit als Veranstalter seitens des Unternehmens fungiert (BSG, Urteil vom 7. Dezember 2004 B 2 U 47/03 R -, Rdn. 14). Dabei ist eine Anwesenheit der Unternehmensleitung während der gesamten Veranstaltung nicht erforderlich. Grundsätzlich muss die Unternehmensleitung oder müssen Teile von ihr aber an der Veranstaltung teilnehmen, damit die betriebliche Zielsetzung – Verbun-denheit zwischen Unternehmensleitung und Beschäftigten – erreicht werden kann. Hinsichtlich der betrieblichen Zielsetzung "Verbundenheit der Beschäftigten untereinander" muss eine Veranstaltung nicht nur allen Beschäftigten des Unternehmens offenstehen, sondern es ist auch eine bestimmte Mindestbeteiligung zu fordern, wobei eine feste Grenze oder Relation angesichts der Verschiedenheit der von der gesetzlichen Unfallversicherung umfassten Unternehmen aufgrund ihrer Größe und Struktur nicht festlegbar ist (BSG, Urteil vom 7. Dezember 2004 – B 2 U 47/03 R -, a.a.O., Rdn. 15 f.).
Auch eine sportliche Betätigung von Betriebsangehörigen kann der versicherten Tätigkeit gleich zu achten sein, wenn sie dazu bestimmt und geeignet ist, die durch die Tätigkeit bedingte körperliche Belastung auszugleichen, mit einer gewissen Regelmäßigkeit stattfindet und in einem dem Ausgleichszweck entsprechenden Zusammenhang mit der Betriebsarbeit steht. Der Zusammenhang wird in der Regel durch einen im Wesentlichen auf Betriebsangehörige beschränkten Teilnehmerkreis sowie durch die der Betriebsarbeit entsprechende Zeit und Dauer der Übungen begründet. Diese müssen im Rahmen einer unternehmensbezogenen Organisation stattfinden (BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 – B 2 U 38/03 R -, recherchiert bei juris, Rdn. 15). Unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht der Betriebssport allerdings nur, wenn er Ausgleichs- und nicht Wettkampfcharakter hat (Bayerisches LSG, Urteil vom 22. Februar 2011 – L 3 U 445/10 -). Dem Kriterium "Ausgleichs- und nicht Wettkampfcharakter" steht ein gelegentlicher Wettkampf gegen andere Mannschaften nicht entgegen. Hintergrund für die Einbeziehung auch gelegentlicher Wettkämpfe in den Versicherungsschutz ist es, dass dies die Freude am sonstigen Ausgleichssport stärkt. Z. B. bei jährlich einer Teilnahme an einem Pokalturnier sei diese mitversichert (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2005 – B 2 U 29/04 R -; Schleswig-Hol¬steinisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Februar 2012 – L 8 U 26/10).
Nach diesen Grundsätzen kann der Unfall des Klägers anlässlich des Fußballturniers am 2. Juni 2007 nicht als Arbeitsunfall anerkannt werden, denn das Fußballturnier kann nicht als betriebliche Sportveranstaltung bzw. das Treffen der Belegschaften von B einschließlich der Tochtergesellschaften kann nicht als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung angesehen werden.
Die Teilnahme am Fußballturnier erfolgte nicht im Rahmen des Betriebssports, wie seitens des Sozialgerichts zutreffend ausgeführt worden ist. Betriebssport liegt nur dann vor, wenn der Sport regelmäßig stattfindet, Übungszeit und Übungsdauer im Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stehen und der Sport unternehmensbezogen organisiert ist. Wettkämpfe mit anderen Betriebssportgemeinschaften außerhalb der regelmäßigen Übungsstunden sind nicht versichert (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 22. Februar 2011 – L 3 U 445/10, recherchiert bei juris, Rdnr. 20). Gelegentliche Turnierspiele erfüllen das Merkmal des Betriebssports nicht. Ob die vom Kläger vorgetragenen Fußballspiele während der Saison gegen andere Betriebsmannschaften nur gelegentlich Turnierspiele waren oder aber diese Spiele eine gewisse Regelmäßigkeit aufwiesen, die sie als Berufssport qualifizierten, kann hier dahinstehen, denn das Turnier am 2. Juni 2007 fand nicht im Rahmen dieser Spiele statt und stellte auch keine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung dar.
Die Voraussetzungen für eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung sind nicht gegeben. Von der Planung her stand die Veranstaltung am 2. Juni 2007 allen Betriebsangehörigen von B und von K offen. Aufgrund des Rahmenprogramms ist davon auszugehen, dass es nicht nur um ein Fußballturnier ging und damit um einen eng begrenzten Personenkreis, sondern dass auch Nichtspieler/spielerinnen zu diesem Treffen kommen sollten.
Fraglich ist bereits, ob die Veranstaltung seitens der Unternehmensleitung veranstaltet, gefördert, gebilligt oder durchgeführt worden ist. Sowohl B als auch K haben durch die jeweilige Bezuschussung der Veranstaltung eine Förderung und Billigung zwar deutlich gemacht. Dass die Veranstaltung aber von der Autorität der Geschäftsleitung getragen wurde, ist nicht ersichtlich. Neben der Bezuschussung sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Geschäftsleitung von B oder auch nur K zur Organisation beigetragen oder die Teilnahme der Betriebsangehörigen gefördert hätten.
Jedenfalls ist hier ein dem Betrieb zuzurechnender Gemeinschaftszweck (Pflege der Verbundenheit zwischen der Unternehmensleitung und den Mitarbeitern sowie den Mitarbeitern untereinander) nicht gegeben. Voraussetzung dafür wäre, dass einerseits die Betriebsführung durch Absprachen dafür hätte sorgen müssen, dass ein gewisser Anteil der Führungskräfte auch der jeweiligen Betriebsteile anwesend ist oder aus der Erfahrung gewährleistet ist, dass eine solche Teilnahme ohne Absprachen erfolgt. Das war hier nicht der Fall. Absprachen hat es nicht gegeben, von der K war keine Leitungskraft anwesend. Lediglich fünf leitende Mitarbeiter sowie Mitglieder des Managements waren anwesend, wobei offenbar nach ihrer eigenen Aussage nur Frau Dr. B auf Anregung bzw. Anfrage der Organisatoren in ihrer Funktion als Leiterin von S Center L anwesend war.
Aber auch das Ziel, die Verbundenheit zwischen den Mitarbeitern untereinander zu fördern, ist hier nicht ersichtlich. Insoweit genügt es nicht, dass eine Teilnahmemöglichkeit nur formal allen Beschäftigten eröffnet wird. Es muss sich um eine echte Gemeinschaftsveranstaltung handeln, an der nach der ihr zugrundeliegenden Zielvorstellung möglichst alle Betriebsangehörigen teilnehmen sollen. Nur dann kann sie das – die Einbeziehung solcher Veranstaltung in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung als Ausnahme allein rechtfertigende – Ziel nachhaltig und effektiv fördern, die Verbundenheit innerhalb der Belegschaft – und zwischen Betriebsleitung und Belegschaft – zu pflegen und damit einen Beitrag für eine Verbesserung des Betriebsklimas und der Leistungsfähigkeit des Betriebs zu erbringen (BSG, Urteil vom 22. August 1955 – 2 RU 49/54 –, BSGE 1, 179, 182; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 25. Februar 2008 – L 8 U 73/06). Das bedeutet, dass der Wunsch der Betriebsleitung deutlich werden muss, dass möglichst alle Betriebsangehörigen an der Veranstaltung teilnehmen. Das gilt sowohl für K als auch für B. Von der Betriebsleitung von B bzw. K sind die Betriebsangehörigen nicht angehalten worden, die Veranstaltung am 2. Juni 2007 zu besuchen. Die Betriebsleitung hatte somit kein Interesse an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung.
Auch die Teilnehmerzahl spricht gegen eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung. Zwar gibt es regelmäßig keine Pflicht zur Teilnahme an einer betrieblichen Veranstaltung. Daher kann auch allein von der Anzahl der Teilnehmer nicht auf den betrieblichen Zweck geschlossen werden. Ein offenbares Missverhältnis zwischen der Zahl der Teilnehmer zur Zahl der eingeladenen Beschäftigten kann allerdings im Einzelfall ein Anzeichen dafür sein, dass keine versicherte betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung vorliegt (BSG, Urteil vom 24. August 1976 – B 8 RU 152/75; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 25. Februar 2008 – L 8 U 73/06). Bei einer Belegschaft von 429 Personen im Juni 2007 stellt die Teilnahme von 33 Personen an der Gesamtveranstaltung einen Prozentsatz von 7,7 % dar. Die Teilnahme von insgesamt knapp 1.000 Personen bei einer – vom Senat ermittelten – Gesamtbelegschaft von B im Sommer 2007 von ca. 13.000 Personen stellt ebenfalls nur einen geringfügigen Prozentsatz dar. Hierin erkennt der Senat ein offenbares Missverhältnis zwischen der Zahl der Teilnehmer zur Zahl der mit der Einladung angesprochenen Beschäftigten, wobei noch zu berücksichtigen ist, dass auch Familienangehörige eingeladen und wohl auch anwesend gewesen sind, so dass die Zahl der Betriebsangehörigen selbst noch geringer gewesen sein dürfte. Dies belegt die nur unzureichende Ausrichtung der Konzeption der Veranstaltung auf eine möglichst umfassende Teilnahme der Betriebsangehörigen und ist daher im vorliegenden Einzelfall als Anzeichen dafür zu werten, dass keine versicherte betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung vorgelegen hat (vgl. Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 25. Februar 2008 – L 8 U 73/06).
Zwar kann Vertrauensschutz im Hinblick auf eine versicherte Betätigung bestehen, wenn Teilnehmer mit einer großen Anzahl von Personen rechnen, aber erst bei Beginn der Veranstaltung festgestellt werden kann, dass lediglich eine sehr geringe Anzahl von Teilnehmern kommt (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Juli 2011 – L 6 U 3857/10, recherchiert bei juris, Rdn. 25). Weiter setzt der Vertrauensschutz voraus, dass der Verletzte aufgrund der Gesamtumstände davon ausgehen konnte, dass es sich entsprechend den sonstigen Voraussetzungen um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung handeln würde. Die alleinige Vorstellung des Verletzten, bei einer bestimmten Veranstaltung unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu stehen, kann nicht zum Versicherungsschutz führen (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Juli 2011 – L 6 U 3857/10; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Februar 2012 – L 8 U 26/10). Derartige Umstände, die den Kläger berechtigter Weise hätten veranlassen können, davon auszugehen, dass er an einer versicherten Tätigkeit teilnimmt, sind nicht ersichtlich.
Da es sich bei der auf Richterrecht beruhenden Einbeziehung von Gemeinschaftsveranstaltungen in den Unfallversicherungsschutz um eine eng begrenzte Ausnahme handelt (BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 – B 2 U 16/04 R), hält der Senat nach der somit gebotenen strengen Betrachtung im vorliegenden Fall einen Versicherungsschutz nicht für angezeigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Anhaltspunkte, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
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