L 5 KR 157/13 B

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 23 KR 24/13 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 157/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Für die erstmalige endgültige Beitragsfestsetzung eines freiwillig Versicherten, bei dem zunächst der Beitrag vorläufig festgesetzt wurde, ist der entsprechende Einkommensteuerbescheid unabhängig von seiner Bekanntgabe maßgebend.
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozial- gerichts Schleswig vom 5. Juli 2013 aufgehoben. Der Antrag des Antragstellers wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Rahmen eines Eilverfahrens die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen einen Beitragsbescheid der Antragsgegnerin.

Der Antragsteller ist seit dem 5. Februar 2010 als Selbstständiger bei der Antragsgegnerin freiwillig kranken- und pflegeversichert. Mit Bescheid vom 31. März 2010 setzte die Antragsgegnerin die von dem Antragsteller monatlich zu zahlenden Krankenversicherungsbeiträge auf 274,02 EUR und die Pflegeversicherungsbeiträge auf 37,37 EUR fest. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass der Betrag zunächst unter Vorbehalt anhand der von dem Antragsteller angegebenen Einkünfte ermittelt worden sei (§ 32 SGB X). Eine endgültige Berechnung erfolge auf der Grundlage der im ersten Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Einkünfte. Je nach Höhe des ursprünglich angesetzten Betrages könne sich demnach eine Beitragserstattung oder nachforderung ergeben. Es werde daher darum gebeten, der Antragsgegnerin den Einkommensteuerbescheid unmittelbar nach Erhalt zuzusenden. Dies gelte auch dann, wenn zu diesem Zeitpunkt der Antragsteller nicht mehr selbstständig tätig oder freiwillig versichert sei. In 2011 erhöhte die Antragsgegnerin den von dem Antragsteller für seine freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlenden Gesamtbetrag auf 625,55 EUR/Monat. Zum April 2012 senkte die Antragsgegnerin den zu leistenden Gesamtbetrag auf monatlich 331,73 EUR aufgrund einer telefonischen Mitteilung des Antragstellers, dass sein Einkommen in 2011 wesentlich niedriger gewesen sei als im Jahr 2010.

Am 1. August 2012 erließ das F Nordfriesland gegenüber dem Antragsteller den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010. Danach hatte er Einkünfte in Höhe von 80.235,00 EUR erzielt. Den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 erließ das F Nordfriesland gegenüber dem Antragsteller am 10. Dezember 2012 mit Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 22.426,00 EUR. Unter Hinweis auf den beigefügten Einkommensteuerbescheid 2011 legte der Antragsteller der Antragsgegnerin am 12. Februar 2013 eine "Einkommenserklärung" vor. Die Antragsgegnerin bat daraufhin unter dem 15. Februar 2013 das F Nordfriesland um Angaben zum Einkommen des Antragstellers für das Jahr 2010. Auf dem entsprechenden Formblatt erhielt die Antragsgegnerin am 22. Februar 2013 vom F Nordfriesland die Angaben, dass mit dem Steuerbescheid vom 1. August 2012 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 85.358,00 EUR erzielt worden seien. Von dem Antragsteller forderte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 12. März 2013 den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010. Mit Bescheid vom 23. April 2013 setzte die Antragsgegnerin unter Hinweis auf die Steuerauskunft die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 5. Februar 2010 neu fest und forderte für den Zeitraum bis 31. März 2013 Beiträge in Höhe von 7.291,32 EUR nach. Die Beiträge ab März 2013 setzte sie in diesem Bescheid auf monatlich insgesamt 342,61 EUR fest. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein. Er habe seine Beiträge bisher immer korrekt anhand der Festsetzungsbescheide gezahlt. Von daher verstehe er den Nachzahlungsbetrag nicht und könne diesen auch nicht bezahlen. Ihm sei nicht mitgeteilt worden, dass der Beitrag anhand des Einkommens für 2010 berechnet und nachgefordert werde, solange kein Einkommensteuerbescheid vorliege. Er sei vielmehr der Auffassung, 2.574,57 EUR zu viel gezahlt zu haben. Die Steuererklärung für 2010 habe er bereits im Oktober 2011 beim F eingereicht. Der Steuerbescheid sei erst im August 2012 erstellt worden. Die Steuererklärung für das Jahr 2011 habe er bereits im Juli 2012 eingereicht, der Steuerbescheid sei im Dezember 2012 erstellt worden. Sobald ihm die Steuerbescheide vorgelegen hätten, habe er diese per Post übersandt. Dass diese nicht angekommen sein sollten, könne er sich nicht vorstellen. Er bitte um Prüfung und Herabsetzung der viel zu hoch festgesetzten Beiträge für die Jahre 2011 und 2012.

Unter dem 16. Mai 2013 wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass sie für 2010 aufgrund der Steuerauskunft die Höchstbeiträge festgesetzt habe. Diese seien dann bis zur Vorlage des Steuerbescheides 2011 zu erheben gewesen. Da ihr dieser Steuerbescheid am 12. Februar 2013 vorgelegt worden sei, habe eine Neuberechnung nach dem Mindestsatz für Selbstständige erst ab 1. März 2013 erfolgen können. Andere Nachweise als die Einkommensteuerbescheide stünden der Beitragsbemessung für Selbstständige nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht zur Verfügung. Der Antragsteller blieb bei seiner Auffassung, dass der hohe Beitrag für 2010 zwar berechtigt sei, aber ab 1. Januar 2011 der Mindestbeitrag gelte.

Der Antragsteller hat am 17. Juni 2013 beim Sozialgericht Schleswig Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 23. April 2013 "in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2013" erhoben und gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides vom 23. April 2013 beantragt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen seine bisherige Auffassung wiederholt und ergänzend vorgetragen: Die Antragsgegnerin habe sich eigenmächtig am 22. Februar 2013 den Steuerbescheid für 2010 beim F eingeholt. Dem Antragsteller selbst hätten zu diesem Zeitpunkt trotz zeitiger Einkommensteuererklärungen die Steuerbescheide von 2010 bis 2012 noch nicht vorgelegen. Allein die Berücksichtigung des Steuerbescheides 2010 auch für die nachfolgenden Jahre sei rechtswidrig. Die Antragsgegnerin könne bei ihrer vorläufigen Festsetzung für jedes Jahr auch die aktuelle Gewinn- und Verlustrechnung berücksichtigen und nach Erhalt des Steuerbescheides entsprechende Korrekturen vornehmen. Auf die gerichtliche Verfügung vom 18. Juni 2013 hat der Antragsteller eidesstattlich versichert, dass Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erhebliche wirtschaftliche Schäden für ihn bedeuteten. Er wäre nicht mehr in der Lage, auch andere Gläubiger zu bedienen. Dazu hat der Antragsteller Kontoauszüge des Kontos von Frau G S -D und eine Einnahmen-Überschuss¬rechnung für das Jahr 2012 vorgelegt. Weiter hat er erklärt, vom Einkommensteuerbescheid 2011 habe er erst im April 2013 Kenntnis erlangt und diesen dann an das F (gemeint: Antragsgegnerin) weitergeleitet.

Die Antragsgegnerin hat ihre Auffassung im Wesentlichen wiederholt. Weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, die beide vorliegen müssten, läge vor.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 5. Juli 2013 die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage des Antragstellers gegen den Festsetzungsbescheid der Antragsgegnerin vom 23. April 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2013 angeordnet und zur Begründung ausgeführt: Es bestünden gravierende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Zwar sei der Antragsgegnerin zuzugeben, dass nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur der Nachweis des Einkommens nach § 240 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) nur durch Vorlage des Einkommensteuerbescheides geschehen könne. Durch den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 habe der Antragsteller diesen Nachweis erbracht. Erst danach sei für das Jahr 2010 durch Übersendung des entsprechenden Steuerbescheides durch das F das in diesem Jahr erzielte Einkommen nachgewiesen worden. Zwar habe dies nicht zur Folge, dass die ab Februar 2010 zu zahlenden Beiträge aus dem im Jahr 2011 erzielten Einkommen zu berechnen seien. Umgekehrt stelle die Vorgehensweise der Antragsgegnerin auch keine gesetzeskonforme und praktikable Vorgehensweise dar. Gingen die Einkommensteuerbescheide dem Krankenversicherungsträger im selben Monat zu, seien die Beiträge unter Zugrundelegung dieser jeweiligen Einkommensteuerbescheide abschließend festzusetzen.

Gegen den ihr am 10. Juli 2013 zugestellten Beschluss richtet sich die am 6. August 2013 beim Sozialgericht Schleswig eingegangene Beschwerde der Antragsgegnerin. Darin geht sie von der Unzulässigkeit der Anfechtungsklage mangels Widerspruchsbescheides aus. Zudem bestünde kein Anordnungsanspruch, weil die Anfechtungsklage auch unbegründet sei. § 7 Abs. 7 Satz 5 der "Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler" bestimme für die erstmalige Beitragsfestsetzung, dass die einstweilig festgesetzten Beiträge für die Vergangenheit auf der Grundlage des ersten Einkommensteuerbescheides zu korrigieren seien, sobald dieser vorliege. Der erste Einkommensteuerbescheid sei vorliegend der für das Jahr 2010 gewesen. Nach dieser Rechtsgrundlage komme es auf den Zugang des jeweiligen Einkommensteuerbescheides nicht an. Dieser Zugang sei erst bei Veränderung der Bemessung maßgebend. Andernfalls bestünde die Gefahr von Manipulationen. Das habe hier der Antragsteller offensichtlich versucht, indem er den Einkommensteuerbescheid für 2010 nach Erhalt nicht vorgelegt habe, sondern lediglich den Einkommensteuerbescheid für 2011. Der Antragsteller habe einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Sein Vortrag in der eidesstattlichen Versicherung sei widersprüchlich hinsichtlich des Erhalts der Einkommensteuerbescheide.

Der Antragsteller hat erwidert, das einstweilige Anordnungsverfahren setze nicht notwendig die Anhängigkeit einer Klage voraus, mithin komme es auch nicht auf die Frage an, ob eine Anfechtungsklage unzulässig oder/und unbegründet sei. Seine eidesstattliche Versicherung sei nicht falsch. Ihm seien die Einkommensteuerbescheide erst im April 2013 übersandt worden und damit auch nach Erhalt der eigenmächtig eingeholten Steuerauskunft.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers liegen nicht vor. Aus diesem Grund ist der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 5. Juli 2013 aufzuheben und der Antrag des Antragstellers abzulehnen.

Nach § 86a Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) soll in den Fällen des Abs. 2 Nr. 1 die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Zwar richten sich die Voraussetzungen für die Herstellung der aufschiebenden Wirkung an die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder die über den Widerspruch zu entscheiden hat. Sie finden jedoch nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung auch auf die gerichtliche Entscheidung Anwendung (vgl. etwa den Beschluss des Senats vom 20. April 2012 L 5 KR 9/12 B ER). Damit kommt es im einstweiligen Rechtsschutz, der auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gerichtet ist, anders als bei § 86b Abs. 2 SGG nicht auf das Vorliegen von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch an, sondern vielmehr auf die oben angeführten gleichwohl ähnlichen Elemente "ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes" oder "unbillige Härte". Anders als im Rahmen des § 86b Abs. 2 SGG, der sich auf Vornahmesachen bezieht, reicht danach im Rahmen der Anfechtungssachen für die Begründetheit des einstweiligen Rechtsschutzes aus, wenn eines dieser beiden Elemente vorliegt. Das verdeutlicht deren Verknüpfung durch das Wort "oder". Gleichwohl vertritt der beschließende Senat die Auffassung, dass eine Eilbedürftigkeit stets vorliegen muss.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen nach ganz überwiegender Auffassung dann, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg. Hinsichtlich des dabei notwendigen Überzeugungsgrades bezüglich der zu klärenden Rechtsfragen ist dabei zu beachten, dass es nach Sinn und Zweck des Eilverfahrens grundsätzlich nicht Aufgabe der Gerichte sein kann, schon in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine umfassende rechtliche Prüfung der Hauptsache vorzunehmen; denn damit würde die Effektivität dieses Verfahrens und damit das gerichtliche Rechtsschutzinteresse insgesamt geschwächt. Dies gilt insbesondere bei einer unzureichenden Tatsachengrundlage oder bei schwierigen Rechtsfragen, bei denen eine abschließende rechtliche Prüfung in einem Eilverfahren gar nicht möglich ist. Bei der Entscheidung ist zu beachten, dass der Sofortvollzug, wie aus § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG ersichtlich, den Regelfall darstellt, die aufschiebende Wirkung bei Entscheidungen über – wie hier – die Beitragspflicht die Ausnahme. Vor diesem Hintergrund und der im Eilverfahren vorzunehmenden Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug und dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers ist der beschließende Senat der Auffassung, dass bei der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung der Erfolg des Rechtsbehelfs hier nicht wahrscheinlicher ist als der Misserfolg.

Unerheblich ist allerdings im Rahmen des hier zu prüfenden einstweiligen Rechtsschutzes die Frage, ob die Anfechtungsklage des Antragstellers unzulässig ist. Dafür spricht zwar der Umstand, dass es sich bei dem Schreiben vom 16. Mai 2013 offensichtlich nicht um einen Widerspruchsbescheid handelt, wie sich aus dessen Inhalt (Stellungnahme zum Widerspruch) und dem erkennbaren Umstand ergibt, dass nicht der Widerspruchsausschuss diese Entscheidung getroffen hat. Auch der Antragsteller bzw. sein zunächst von ihm eingeschalteter Prozessvertreter ging davon aus, indem er mit Schriftsatz vom 23. Mai 2013 die Antragsgegnerin wiederum um Rückäußerung bat. Unerheblich ist dies letztendlich aber für das einstweilige Rechtsschutzverfahren deshalb, weil auch die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs im Rahmen des § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG ganz oder teilweise angeordnet werden kann. Und ein solcher Widerspruch gegen den Beitragsbescheid liegt hier unstreitig vor.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts vermag der Senat allerdings bei der gebotenen summarischen Prüfung eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beitragsbescheides vom 23. April 2013 nicht zu erkennen. Dieser Beitragsbescheid entspricht den gesetzlichen Vorgaben des § 240 SGB V in Verbindung mit den von der Antragsgegnerin zitierten "Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler" vom 27. Ok¬tober 2008. Diese finden ihre Grundlage in § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V, wonach für freiwillige Mitglieder die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankassen geregelt wird. Diese "Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler" sind als untergesetzliche Normen ab 1. Januar 2009 eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung (BSG, Urteil vom 19. Dezember 2012 – B 12 KR 20/11 R). Nach deren § 7 Abs. 7 sind die Voraussetzungen für die Beitragsbemessung nach Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 oder Abs. 5 vom Mitglied nachzuweisen. Das über den letzten Einkommensteuerbescheid festgesetzte Arbeitseinkommen bleibt bis zur Erteilung des nächsten Einkommensteuerbescheides maßgebend. Der neue Einkommensteuerbescheid ist für die Beitragsbemessung ab Beginn des auf die Ausfertigung folgenden Monats heranzuziehen. Legt das Mitglied den Einkommensteuerbescheid später vor und ergebe sich eine günstigere Beitragsbemessung, sind die Verhältnisse erst ab Beginn des auf die Vorlage dieses Einkommensteuerbescheides folgenden Monats zu berücksichtigen. Bei hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen, die eine selbstständige Tätigkeit neu aufnehmen, werden die Beiträge auf Antrag des Mitglieds abweichend von Abs. 3 Satz 1 bis zur Vorlage des ersten Einkommensteuerbescheides einstweilig nach den voraussichtlichen Einnahmen festgesetzt.

Entsprechend dieser Vorschrift ist die Antragsgegnerin vorgegangen. Sie hat zunächst bei dem Antragsteller zu Beginn seiner selbstständigen Tätigkeit seine Beiträge einstweilig nach den voraussichtlichen Einnahmen festgesetzt. Grundsätzlich hätte sie nach § 240 Abs. 4 SGB V den Höchstsatz bereits für 2010 ansetzen müssen. Nach Satz 2 dieser Vorschrift gelten nämlich für freiwillige Mitglieder, die wie der Antragsteller hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind, als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze und erst bei Nachweis niedriger Einnahmen mindestens der vierzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße. Ein solcher Nachweis kann jedoch, worauf auch in dem angefochtenen Beschluss hingewiesen wird, nach der nunmehr eindeutigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vom 2. September 2009 – B 12 KR 21/08 R) erst durch Vorlage eines Einkommensteuerbescheides erbracht werden. In dieser Entscheidung hat das BSG an vorherigen Erwägungen, dass für den Nachweis Gewinn- und Verlustrechnungen und Bilanzen in Betracht kämen, nicht mehr festgehalten. Die in § 7 Abs. 7 Satz 5 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler vorgesehene Möglichkeit der einstweiligen Beitragsfestsetzung, mit der insbesondere Existenzgründern entgegengekommen wird, entspricht der in Rechtsprechung und Literatur vertretenen allgemeinen Auffassung (vgl. etwa Gerlach in Hauck/Noftz, § 240 SGB V Rz. 143).

Ihre dann im Anschluss an die Bekanntgabe der Einnahmen mittels der Einkommensteuerbescheide vorgenommene und hier angefochtene Beitragskorrektur entspricht ebenfalls der Rechtslage. § 7 Abs. 7 der "Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler" unterscheidet ausdrücklich zwischen der Erteilung von Einkommensteuerbescheiden und deren Vorlage und dem ersten Einkommensteuerbescheid. Der erste Einkommensteuerbescheid bezieht sich damit offensichtlich auf den Einkommensteuerbescheid, der für das Gründungsjahr des Betriebes bzw. der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit maßgebend ist. Nur durch eine solche unbeeinflussbare Vorgehensweise ist es möglich, Zufallsergebnisse durch verzögerte Einkommensteuererklärungen und unterschiedliche Bekanntgaben von Einkommensteuerbescheiden zu verhindern. Der Einkommensteuerbescheid 2010 war damit für die erstmalige endgültige Beitragsfestsetzung ab 2010 unabhängig von seiner Bekanntgabe maßgebend. Darauf hat die Antraggegnerin im Vorbehalt des Beitragsbescheides vom 31. März 2010 auch hingewiesen. Für die nachfolgende Beitragsbemessung kam es dann hingegen nach § 7 Abs. 7 Satz 2 bis 4 "Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler" auf die Erteilung des nächsten Einkommensteuerbescheides (Satz 2) bzw. hier seine Vorlage bei der Antragsgegnerin (Satz 4) an. Diese Regelung entspricht der gesetzlichen Vorgabe in § 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V. Zudem berücksichtigt sie den in § 240 Abs. 4 SGB V enthaltenen Grundsatz, dass sich Beiträge für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind, ohne entgegenstehenden Nachweis geringerer beitragspflichtiger Einnahmen am dreißigsten Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze bestimmen.

Danach hat die Antragsgegnerin den Beitrag des Antragstellers zutreffend berechnet. Es ist bisher nicht eindeutig aufgeklärt, wann dieser den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010, der sich nicht in den Akten befindet, vom F erhalten hat. Er behauptet in dem Schriftsatz vom 26. Juni 2013 und in der Beschwerdeerwiderung, diesen zusammen mit dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 im April 2010 erhalten zu haben. In der eidesstattlichen Versicherung heißt es dagegen, dass dem Antragsteller der Einkommensteuerbescheid für 2010 zum Zeitpunkt des Beitragsbescheides mit der Nachforderung noch nicht vorlag. April 2013 als Zeitpunkt für den Erhalt des Einkommensteuerbescheid 2011, entspricht nicht dem Akteninhalt. Danach hat der Antragsteller der Antragsgegnerin mit seiner Einkommenserklärung bereits im Februar 2013 den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 auch unter Bezugnahme auf diesen übersandt. Erst als Reaktion auf diese Einkommensteuererklärung hat die Antragsgegnerin bei dem F Nordfriesland Auskunft über die Einkünfte des Antragstellers für das Jahr 2010 eingeholt. Diese hat sie im Übrigen auch nicht, wovon das Sozialgericht offensichtlich ausgeht, in Form des Einkommensteuerbescheides erhalten, sondern in Form einer auf einem Formblatt der Antragsgegnerin enthaltenen Eintragung der entsprechenden Beträge bzw. des Datums des Steuerbescheides. Im Übrigen wird das Sozialgericht im Hauptsacheverfahren ggf. aufzuklären haben, ob der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 nicht zeitnah mit seinem Erlass am 1. August 2012 dem Antragsteller übersandt wurde.

Darüber hinaus vermag der Senat auch keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte durch die Vollziehung des Beitragsbescheides zu erkennen. Diese muss der Antragsteller glaubhaft machen und durch konkrete Angaben belegen. Darauf ist er durch gerichtliche Verfügung vom 18. Juni 2013 auch hingewiesen worden. Diesen Anforderungen entsprechen die dann mit Schriftsatz vom 26. Juni 2013 vorgelegten Unterlagen nicht. Außer der Einnahmen- und Überschussrechnung für das Jahr 2012 und den Kontobelegen wohl seiner Ehefrau lassen diese Unterlagen nicht erkennen, warum die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige Härte bedeutet. Im Übrigen kann der Antragsteller im Rahmen der Vollstreckung Vollstreckungsschutz begehren, Stundung oder Ratenzahlung (§ 76 SGB IV) beantragen. Die Vollziehung eines Beitragsbescheides stellt zudem grundsätzlich keine unbillige Härte im Sinne des § 86a Abs. 2 Satz 2 SGG dar, denn die Beitragslast trifft jeden Beitragspflichtigen, unabhängig von seiner Einkommens- und Vermögenslage (so auch Thüringer LSG, 9. März 2006 - L 6 R 967/05 ER).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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