Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Gotha (FST)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
14
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 14 SO 1833/08
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 08.02.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2008 verpflichtet, über den Antrag des Klägers, die Fahrtkosten für Besuchsfahrten im Rahmen des elterlichen Umgangsrecht zu seiner in K. bei ihrer Mutter lebenden Tochter J. zu übernehmen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Aufwendungen des Klägers zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Übernahme der Umgangskosten bezüglich seiner bei ihrer Mutter in K. lebenden Tochter. Der Kläger bezieht Leistungen nach dem SGB II. Nach seinen Angaben lebt seine Tochter bei ihrer Mutter in K. Eine Umgangsrechtsregelung besteht nicht. Der Kläger kann, wann immer er will, seine Tochter besuchen. Zum Besuch in K. sei es bislang wegen der fehlenden Mittel nicht gekommen. Ein Besuch fände nur statt, wenn sich die Tochter bei den Großeltern mütterlicherseits in W. aufhalte. Der Kläger und seine Tochter hätten sich mindestens einmal pro Jahr gesehen und hielten sonst telefonisch Kontakt. Um den Kontakt zu intensivieren, sei ein Besuch zu Weihnachten in K. geplant. Die Fahrtkosten betrügen mindestens 118,- EUR (Dauerspezial der DB) oder 135,- EUR (Sparpreis 25 der DB). Dem Kläger wurden Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 613,87 EUR bewilligt. Der Kläger beantragte am 05.12.2007 bei der Arbeitsgemeinschaft im Jobcenter ARGE SGB II in Erfurt (ARGE) Fahrtkosten zum Besuch der Tochter in K. in der Zeit vom 20.03.2008 bis 05.04.2008 in Höhe von 170,- EUR zu bewilligen. Dies lehnte die ARGE mit Bescheid vom 27.12.2007 und Widerspruchsbescheid vom 07.05.2008 ab. Unter dem 27.12.2007 leitete die ARGE den Antrag an die Beklagte weiter. Mit Bescheid vom 08.02.2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Sie sei nicht zuständig. Aus § 73 SGB XII sei kein Anspruch herzuleiten. Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 06.03.2008 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, dass er Leistungen entsprechend seinem Antrag begehre. Er begehre den Umgang mit seiner Tochter und verwies auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.03.2008 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Ein Anspruch bestehe nach § 73 SGB XII nicht. Unter dem 15.04.2008 erhob der Kläger beim Sozialgericht Gotha Klage. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger verfüge nicht über die finanziellen Mittel, um sein Umgangsrecht wahrnehmen zu können. Er habe aus Art. 6 GG einen Anspruch auf Herstellung des Umgangsrechts mit seiner 11jährigen Tochter. Ein Anspruch bestehe auch für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II nach § 73 SGB XII.
Er beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.02.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2008 zu verpflichten, die Fahrtkosten des Klägers für regelmäßige Fahrten von E. nach K. zur Ausübung des Umgangsrechts mit der in K. lebenden Tochter J. zu übernehmen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Es bestehe kein Anspruch des Klägers, da ein Anspruch für Bezieher von Leistungen nach SGB II nicht auf § 73 SGB XII gestützt werden könne. Leistungen für die Ausübung des Umgangsrechts seien in den pauschalierten Leistungen nach dem SGB II enthalten. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der als Verpflichtungsklage im Sinne einer Bescheidungsklage auszulegende Antrag gegen die Beklagte ist zulässig. Der Bescheidungsantrag hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger kann nach § 39 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch (SGB I) beanspruchen, dass die Beklagte über das Begehren des Klägers gemäß § 73 des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII) nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet. Rechtsgrundlage dieses Anspruchs ist § 73 SGB XII. Die Anwendbarkeit von § 73 SGB XII ist nicht durch § 2 Abs. 1 SGB XII ausgeschlossen. Bei Bestehen einer atypischen Bedarfslage können Ansprüche nach § 73 SGB XII auch für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II bestehen (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7 b AS 14/06 R). Ein Ausschluss von § 73 SGB XII für SGB II-Leistungsempfänger führe zu einer Benachteiligung dieses Personenkreises gegenüber den Empfängern von Sozialhilfeleistungen (BSG, a. a. O. m. w. N.). Insbesondere unter Berücksichtigung der Elterngrundrechte aus Art. 6 Abs. 1 u. 2 Satz 1 aus GG ist eine Anwendung des § 73 SGB XII in Ergänzung der Leistungen nach dem SGB II erforderlich (BSG, a. a. O.). Ein Anspruch nach §§ 20 ff. SGB II ist ausgeschlossen. Die Regelungen dort sind abschließend.
Aus Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes ergibt sich, dass es auch dem nicht sorgeberechtigten Elternteil im Fall seiner wirtschaftlichen Bedürftigkeit aus staatlichen Mitteln ermöglicht werden muss, sein Umgangsrecht auszuüben (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 25.10.1994, Az.: 1 BvR 1197/93). Dementsprechend war unter der Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) anerkannt, dass die Kosten des Umgangsrechts zu den persönlichen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören, für die über die Regelsätze für den laufenden Lebensunterhalt hinaus einmalige oder laufende Leistungen zu erbringen waren (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 12.11.2007, Az. L 8 SO90/07 ER, vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 22.8.1995, Az.: 5 C 15/94; Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.12.1994, Az.: 24 A 3424/93; Beschluss vom 10.10.2002, Az.: 12 E 658/00) Da es wegen der verfassungsrechtlichen Relevanz des Umgangsrechts – zum einen - außer Frage steht, dass der Staat auch nach der Ablösung des BSHG durch SGB II und XII die Ausübung des Umgangsrecht im Rahmen der ihm obliegenden Sicherung des Existenzminimums gewährleisten muss, und da – zum anderen - wie oben ausgeführt das Konzept des SGB II einer Leistungsgewährung nach jenem Gesetz prinzipiell entgegensteht, schließt sich das erkennende Gericht der Auffassung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 7.11.2006, Az.: b 7b AS 14/06 R; vgl. auch Thüringer LSG, Beschluss vom 12.11.2007, Az. L 8 SO90/07 ER, LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.10.2006, S 12 AS 4596/06 ER) an, wegen der besonderen Schwierigkeit, den Umgang mit dem eigenen Kind, das mit dem sorgeberechtigten Elternteil in einen entfernt liegenden Wohnort verzogen ist, über längere Zeit aufrecht zu erhalten, eine atypische Bedarfslage anzunehmen, die die Anwendung des § 73 SGB XII rechtfertigt. In diesem Rahmen ermöglicht § 73 SGB XII die Übernahme der Fahrtkosten, die der nicht sorgeberechtigte Elternteil aufwendet, um das Umgangsrecht wahrzunehmen.
Wie bereits von der Rechtsprechung geklärt ist, stehen die in § 1684 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geregelten Rechte und Pflichten des Umgangs der Eltern mit dem Kind unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes - GG - (vgl. BVerfG NJW 1995, 1342 ff; NJW 2002, 1863 f.). Diesem Anspruch von Verfassungsrang ist auch im Bereich der Sozialhilfe Rechnung zu tragen; schon mit Blick auf die verfassungsrechtliche Relevanz des Umgangsrechts ist auch hier zu beachten, dass die Erhaltung der Eltern-Kind-Beziehung mittels Ausübung des Besuchsrechts im Einzelfall nicht unzumutbar erschwert oder faktisch vereitelt werden darf. Zu berücksichtigen ist insoweit ferner, dass der berechtigte Elternteil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Unterhaltsrecht die mit der Wahrnehmung des Umgangsrechts verbundenen Aufwendungen grundsätzlich selbst zu tragen hat und sie regelmäßig weder auf das unterhaltsberechtigte Kind noch den unterhaltsberechtigten Ehegatten abwälzen kann (vgl. BGH NJW 1984, 2826 ff.; NJW 1995, 717 ff.; NJW 2005, 1493 ff.; zur Zuordnung der Kosten neuerdings a.A. Theurer FamRZ 2004, 1619 ff.); dabei werden im Übrigen unterhaltsrechtlich zu den Umgangskosten nicht nur die Fahrtkosten, sondern auch die sonstigen mit den Kontakten verbundenen angemessenen Aufwendungen, also beispielsweise auch die Übernachtungs- und Verpflegungskosten, gerechnet (vgl. BGH NJW 2005 a.a.O.). Dementsprechend hatten auch die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter der Geltung des BSHG die in Ausübung des Umgangsrechts dem Elternteil entstehenden Kosten nicht dem Bedarf des Kindes, sondern als Teil des notwendigen Lebensunterhalts im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 BSHG dem Bedarf des Umgangsberechtigten zugeordnet, wobei zu den Umgangskosten nicht nur die Fahrtkosten des Elternteils, sondern auch der Mehrbedarf für die Versorgung des Kindes gezählt wurden (vgl. BVerwG FamRZ 1996, 105 f.; Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Dezember 1994 - 24 A 3424/93 - (im Orientierungssatz veröffentlicht in JURIS); Verwaltungsgericht Schleswig NJW 2003, 79 f.). Nach der Rechtsprechung des BVerwG waren die bei der Wahrnehmung des Umgangsrechts entstehenden Kosten als atypischer, nicht bei allen Haushaltsvorständen bzw. Alleinstehenden gleichermaßen bestehender Bedarf zu werten, für welchen - nach den Umständen des Einzelfalls - einmalige Leistungen nach § 21 Abs. 1 BSHG oder besondere Leistungen nach § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG in Betracht kamen (vgl. auch ThürLSG, Beschluss vom 15.06.2005, - L 7 AS 261/05 ER. In der Rechtsprechung ist mittlerweile auch geklärt, dass die anfallenden notwendigen Kosten eines Hilfeempfängers für den Besuch seiner Kinder auch unter der Geltung des SGB XII nicht bereits typischerweise durch den Regelsatz (§ 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII) abgedeckt sind. Vorliegend kann eine atypische Bedarfslage angenommen werden, die grundsätzlich die Anwendung des § 73 SGB XII (Hilfe in sonstigen Lebenslagen) rechtfertigt. Erforderlich ist nur das Vorliegen einer besonderen Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist und dadurch eine Aufgabe von besonderem Gewicht darstellt. Eine derartige Bedarfslage ist in der mit der Trennung der Eltern verbundenen besonderen Schwierigkeit der Aufrechterhaltung des Umgangs der Kinder mit dem nicht sorgeberechtigten Elternteil bei unterschiedlichen, voneinander entfernt liegenden Wohnorten zu sehen (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006, Az.: B 7 b AS 14/06 R, Thüringer LSG, Beschluss vom 12.11.2007, Az. L 8 SO90/07 ER). Bei Vorliegen einer solchen Bedarfslage steht es nicht im Ermessen der Beklagten, die beantragten Leistungen grundsätzlich zu versagen, das "Ob" der Leistungsbewilligung zu verneinen (Adolph in Linhart/Adolph, Kommentar zum SGB II, SGB XII, 2. Ordner, § 73 Rdnr. 18). Die Hilfe muss jedoch den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Daraus folgt, dass auch im Rahmen des § 73 SGB XII nur Leistungen gewährt werden können, die sich in das System der Sozialhilfe einordnen lassen, insbesondere nicht mit ihren allgemeinen Prinzipien kollidieren (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 12.11.2007, Az. L 8 SO90/07 ER, Schellhorn in Schellhorn/Hohm, Kommentar zum Sozialgesetzbuch XII, 17. A., § 73 Rdnr. 5). Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage nach dem "Ob" der Leistungsbewilligung für die Übernahme von Kosten des Umgangsrechts des nicht sorgeberechtigten Elternteils mit seiner Entscheidung vom 25. Oktober 1994 (Az.: 1 BvR 1197/93) beantwortet. Hiernach muss die Ausübung des Umgangsrechts durch den nicht sorgeberechtigten Elternteil im Falle seiner Sozialhilfebedürftigkeit dem Grunde nach mit Mitteln der Sozialhilfe ermöglicht werden. D.h., dass dem Kläger grundsätzlich ein Anspruch auf Herstellung des Umgangsrechts zusteht. Jedoch besteht dieser Anspruch nicht unumschränkt. Denn dieser Anspruch darf, wie dargelegt, nicht mit den weiteren Prinzipien der Sozialhilfe kollidieren. D.h., dass die Herstellung des Umgangsrechts den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen muss. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die räumliche Entfernung zu der Familie/Kindern sehr groß ist und die Herstellung des Umgangsrechts mit erheblichen Kosten für die öffentliche Hand verbunden ist. Soweit das Bundessozialgericht in der zitierten Entscheidung davon spricht, dass auch hinsichtlich des Umgangsrechtes mit den Kindern über § 73 SGB XII keine unbeschränkte Sozialisierung von Scheidungsfolgekosten möglich sei, bezieht sich das in dieser Entscheidung darauf, ob Kosten notwendigerweise in der Person des das Umgangsrecht wahrnehmenden Elternteiles entstehen oder nicht vielmehr zu vermeiden wären, weil beispielsweise im beschriebenen Fall die Kinder ein Alter erreicht hatten, in denen sie ihren Vater auch ohne dessen Begleitung hätten besuchen können. Allerdings hat auch das Bundesverfassungsgericht in seiner zitierten Entscheidung schon darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der Art und Weise der Ermöglichung des Umgangsrechtes dann eine einschränkende Betrachtung gerechtfertigt sein kann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Umgangsrecht missbräuchlich in Anspruch genommen wird, (vgl. ThürLSG, Beschluss vom 12.11.2007, L 8 SO 90/07 ER). Das Bundessozialgericht hat in der angegebenen Entscheidung weiter ausgeführt, dass bei der Ermessensleistung nach § 73 SGB XII zu beachten sei, ob bzw. inwieweit die geltend gemachten Fahrtkosten überhaupt notwendigerweise anfielen. Dies gelte insbesondere für die Fahrtkosten, die dem Umgangsberechtigten selbst entstehen, um die Kinder abzuholen. Dabei würden sich die Fahrtkosten in dem vom BSG zu entscheidenden Fall in einem Bereich bewegen, der den Einsatz öffentlicher Mittel noch rechtfertige. Etwas anderes würde jedoch bei außergewöhnlich hohen Kosten gelten. Auch hinsichtlich des Umgangsrechts mit den Kindern sei über § 73 SGB XII keine unbeschränkte Sozialisierung von Scheidungsfolgenkosten möglich. Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen steht dem Kläger ein Anspruch auf Herstellung des Umgangsrechts mit seiner Tochter in K. zu.
Voraussetzung für die Anwendung des § 73 SGB XII auf Bezieher von SGB II-Leistungen ist, wie dargelegt, eine atypische Bedarfslage. Eine derartige Bedarfslage kann mit den mit der Scheidung der Eltern verbundenen besonderen Schwierigkeiten der Aufrechterhaltung des Umgangs der Kinder mit dem nicht sorgeberechtigten Elternteil bei unterschiedlichen, von einander entfernt liegenden Wohnorten begründet werden (BSG, a. a. O., m. w. N.). Dieser Tatbestand liegt hier vor.
Es besteht ein besonderer Bedarf für die Aufrechterhaltung des Umgangs des Klägers mit seiner in K. lebenden Tochter. Das Umgangsrecht kann nur dann gesichert werden, wenn der Kläger seine Tochter in K.entsprechend der Vereinbarung der Eltern, dass der Kläger seine Tochter jederzeit besuchen kann, besucht.
Aus diesen Gründen besteht ein Anspruch des Klägers darauf, die nachgewiesenen und günstigsten Fahrtkosten zum Besuch seiner Tochter in K. zu erhalten.
Auch die weiteren Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 73 SGB XII liegen vor. Insbesondere hat der Kläger unbestritten dargelegt, dass ihm keine weiteren finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, um die Fahrtkosten für die Sicherung des Umgangsrechtes mit seiner in K. lebenden Tochter aufzubringen. Ausweislich seiner Angaben verfügt er lediglich über finanzielle Mittel in Form von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Weiteres Einkommen sowie Vermögen hat er nach seinen Angaben nicht. Die Kammer hat keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Angaben nicht zutreffen. Der Kläger hat in der Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse ausreichend glaubhaft gemacht.
Der Kläger hat auch glaubhaft dargelegt, dass er das Umgangsrecht seit der Trennung der Eltern ausgeübt hat. Dieses Umgangsrecht hat er allerdings mangels genügender finanzieller Mittel bisher nur in W. ausgeübt, wenn sich seine Tochter bei den Großeltern mütterlicherseits aufgehalten hat. Er hat dargelegt, dass er bisher nicht in der Lage war und ist, die Fahrtkosten nach K. zu finanzieren. Er lebt von Arbeitslosengeld II. Ein Missbrauch ist nicht zu erkennen. Der Kläger hat aber nicht unbedingt einen Anspruch auf eine Leistungsgewährung als Zuschuss. Die beantragten Geldleistungen können nach § 73 Satz 2 SGB XII als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden. Ob der Leistungsträger eine nach Satz 1 der Vorschrift zu gewährende Geldleistung als Beihilfe oder als Darlehen erbringt, liegt hierbei in seinem freien Ermessen, vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 12.11.2007, Az. L 8 SO90/07 ER. Dem schließt sich die Kammer an. Im Rahmen der Ermessensentscheidung, die die Beklagte nach alledem gemäß § 73 SGB XII noch zu treffen hat, sind von ihr grundsätzlich nur die Kosten für die jeweils preisgünstigste zumutbare Fahrgelegenheit zugrunde zu legen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.10.2006, Az.: L 7 AS 4806/06 ER-B). Ein Kostenvorschuss bzw. eine Kostenerstattung kommt selbstverständlich nur insoweit in Betracht, als der Kläger nachweist, dass er zu den von ihm angegebenen Terminen nicht nur tatsächlich zum Wohnort seiner Tochter gefahren ist, sondern dass diese Fahrten auch wirklich zu Besuchszwecken, und nicht vorrangig zwecks Wahrnehmung von Gerichts- oder Gutachterterminen oder aus anderen Gründen vorgenommen wurden. Durch die vom Gericht eingeholte Auskunft vom Kläger sind bisher jedenfalls nur Besuchstermine im fraglichen Zeitraum nachgewiesen, die in W. stattfanden, ohne dass Fahrtkosten entstanden sind. Bei der Ausübung ihres Ermessens wird die Beigeladene schließlich auch zu berücksichtigen haben, dass § 73 SGB XII eine Leistungsgewährung nur insoweit vorsieht, als der Einsatz öffentlicher Mittel gerechtfertigt ist. Hieraus dürfte sich auch eine gewisse, wenn auch nur geringe Selbstbeteiligung des Klägers an den Fahrtkosten herleiten lassen, bei der die Wahrnehmung des Umgangsrechts noch nicht als unzumutbar erscheint. Auch ist zu berücksichtigen, dass das Umgangsrecht nicht unbeschränkt sozialisiert werden kann. Bei der großen Entfernung zwischen dem Wohnort des Klägers und dem der Tochter wird das Umgangsrecht nicht wöchentlich oder monatlich hergestellt werden können nach § 73 SGB XII, sondern es wird sich, wie der Kläger selbst vorgetragen hat, auf bestimmte Feiertage (wie Ostern und Weihnachten) und Teile der Schulferien beschränken müssen. Soweit die Beklagte Fahrtkosten als Darlehen bewilligen will, hat sie in ihre Ermessenentscheidung miteinzubeziehen, ob der Kläger aufgrund seiner finanziellen Situation in der Lage ist bzw. sein wird, das Darlehen, ohne dass sein Existenzminimum tangiert wird, in zumutbarer Zeit zurückzahlen kann bzw. durch die Darlehensgewährung die Wahrnehmung des Umgangsrechts nicht unzumutbar wird. Im Übrigen, soweit der Antrag unbedingt auf Bewilligung als Zuschuss gestellt war, war die Klage aus den vorgenannten Gründen abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Aufwendungen des Klägers zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Übernahme der Umgangskosten bezüglich seiner bei ihrer Mutter in K. lebenden Tochter. Der Kläger bezieht Leistungen nach dem SGB II. Nach seinen Angaben lebt seine Tochter bei ihrer Mutter in K. Eine Umgangsrechtsregelung besteht nicht. Der Kläger kann, wann immer er will, seine Tochter besuchen. Zum Besuch in K. sei es bislang wegen der fehlenden Mittel nicht gekommen. Ein Besuch fände nur statt, wenn sich die Tochter bei den Großeltern mütterlicherseits in W. aufhalte. Der Kläger und seine Tochter hätten sich mindestens einmal pro Jahr gesehen und hielten sonst telefonisch Kontakt. Um den Kontakt zu intensivieren, sei ein Besuch zu Weihnachten in K. geplant. Die Fahrtkosten betrügen mindestens 118,- EUR (Dauerspezial der DB) oder 135,- EUR (Sparpreis 25 der DB). Dem Kläger wurden Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 613,87 EUR bewilligt. Der Kläger beantragte am 05.12.2007 bei der Arbeitsgemeinschaft im Jobcenter ARGE SGB II in Erfurt (ARGE) Fahrtkosten zum Besuch der Tochter in K. in der Zeit vom 20.03.2008 bis 05.04.2008 in Höhe von 170,- EUR zu bewilligen. Dies lehnte die ARGE mit Bescheid vom 27.12.2007 und Widerspruchsbescheid vom 07.05.2008 ab. Unter dem 27.12.2007 leitete die ARGE den Antrag an die Beklagte weiter. Mit Bescheid vom 08.02.2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Sie sei nicht zuständig. Aus § 73 SGB XII sei kein Anspruch herzuleiten. Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 06.03.2008 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, dass er Leistungen entsprechend seinem Antrag begehre. Er begehre den Umgang mit seiner Tochter und verwies auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.03.2008 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Ein Anspruch bestehe nach § 73 SGB XII nicht. Unter dem 15.04.2008 erhob der Kläger beim Sozialgericht Gotha Klage. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger verfüge nicht über die finanziellen Mittel, um sein Umgangsrecht wahrnehmen zu können. Er habe aus Art. 6 GG einen Anspruch auf Herstellung des Umgangsrechts mit seiner 11jährigen Tochter. Ein Anspruch bestehe auch für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II nach § 73 SGB XII.
Er beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.02.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2008 zu verpflichten, die Fahrtkosten des Klägers für regelmäßige Fahrten von E. nach K. zur Ausübung des Umgangsrechts mit der in K. lebenden Tochter J. zu übernehmen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Es bestehe kein Anspruch des Klägers, da ein Anspruch für Bezieher von Leistungen nach SGB II nicht auf § 73 SGB XII gestützt werden könne. Leistungen für die Ausübung des Umgangsrechts seien in den pauschalierten Leistungen nach dem SGB II enthalten. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der als Verpflichtungsklage im Sinne einer Bescheidungsklage auszulegende Antrag gegen die Beklagte ist zulässig. Der Bescheidungsantrag hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger kann nach § 39 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch (SGB I) beanspruchen, dass die Beklagte über das Begehren des Klägers gemäß § 73 des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII) nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet. Rechtsgrundlage dieses Anspruchs ist § 73 SGB XII. Die Anwendbarkeit von § 73 SGB XII ist nicht durch § 2 Abs. 1 SGB XII ausgeschlossen. Bei Bestehen einer atypischen Bedarfslage können Ansprüche nach § 73 SGB XII auch für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II bestehen (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7 b AS 14/06 R). Ein Ausschluss von § 73 SGB XII für SGB II-Leistungsempfänger führe zu einer Benachteiligung dieses Personenkreises gegenüber den Empfängern von Sozialhilfeleistungen (BSG, a. a. O. m. w. N.). Insbesondere unter Berücksichtigung der Elterngrundrechte aus Art. 6 Abs. 1 u. 2 Satz 1 aus GG ist eine Anwendung des § 73 SGB XII in Ergänzung der Leistungen nach dem SGB II erforderlich (BSG, a. a. O.). Ein Anspruch nach §§ 20 ff. SGB II ist ausgeschlossen. Die Regelungen dort sind abschließend.
Aus Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes ergibt sich, dass es auch dem nicht sorgeberechtigten Elternteil im Fall seiner wirtschaftlichen Bedürftigkeit aus staatlichen Mitteln ermöglicht werden muss, sein Umgangsrecht auszuüben (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 25.10.1994, Az.: 1 BvR 1197/93). Dementsprechend war unter der Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) anerkannt, dass die Kosten des Umgangsrechts zu den persönlichen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören, für die über die Regelsätze für den laufenden Lebensunterhalt hinaus einmalige oder laufende Leistungen zu erbringen waren (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 12.11.2007, Az. L 8 SO90/07 ER, vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 22.8.1995, Az.: 5 C 15/94; Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.12.1994, Az.: 24 A 3424/93; Beschluss vom 10.10.2002, Az.: 12 E 658/00) Da es wegen der verfassungsrechtlichen Relevanz des Umgangsrechts – zum einen - außer Frage steht, dass der Staat auch nach der Ablösung des BSHG durch SGB II und XII die Ausübung des Umgangsrecht im Rahmen der ihm obliegenden Sicherung des Existenzminimums gewährleisten muss, und da – zum anderen - wie oben ausgeführt das Konzept des SGB II einer Leistungsgewährung nach jenem Gesetz prinzipiell entgegensteht, schließt sich das erkennende Gericht der Auffassung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 7.11.2006, Az.: b 7b AS 14/06 R; vgl. auch Thüringer LSG, Beschluss vom 12.11.2007, Az. L 8 SO90/07 ER, LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.10.2006, S 12 AS 4596/06 ER) an, wegen der besonderen Schwierigkeit, den Umgang mit dem eigenen Kind, das mit dem sorgeberechtigten Elternteil in einen entfernt liegenden Wohnort verzogen ist, über längere Zeit aufrecht zu erhalten, eine atypische Bedarfslage anzunehmen, die die Anwendung des § 73 SGB XII rechtfertigt. In diesem Rahmen ermöglicht § 73 SGB XII die Übernahme der Fahrtkosten, die der nicht sorgeberechtigte Elternteil aufwendet, um das Umgangsrecht wahrzunehmen.
Wie bereits von der Rechtsprechung geklärt ist, stehen die in § 1684 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geregelten Rechte und Pflichten des Umgangs der Eltern mit dem Kind unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes - GG - (vgl. BVerfG NJW 1995, 1342 ff; NJW 2002, 1863 f.). Diesem Anspruch von Verfassungsrang ist auch im Bereich der Sozialhilfe Rechnung zu tragen; schon mit Blick auf die verfassungsrechtliche Relevanz des Umgangsrechts ist auch hier zu beachten, dass die Erhaltung der Eltern-Kind-Beziehung mittels Ausübung des Besuchsrechts im Einzelfall nicht unzumutbar erschwert oder faktisch vereitelt werden darf. Zu berücksichtigen ist insoweit ferner, dass der berechtigte Elternteil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Unterhaltsrecht die mit der Wahrnehmung des Umgangsrechts verbundenen Aufwendungen grundsätzlich selbst zu tragen hat und sie regelmäßig weder auf das unterhaltsberechtigte Kind noch den unterhaltsberechtigten Ehegatten abwälzen kann (vgl. BGH NJW 1984, 2826 ff.; NJW 1995, 717 ff.; NJW 2005, 1493 ff.; zur Zuordnung der Kosten neuerdings a.A. Theurer FamRZ 2004, 1619 ff.); dabei werden im Übrigen unterhaltsrechtlich zu den Umgangskosten nicht nur die Fahrtkosten, sondern auch die sonstigen mit den Kontakten verbundenen angemessenen Aufwendungen, also beispielsweise auch die Übernachtungs- und Verpflegungskosten, gerechnet (vgl. BGH NJW 2005 a.a.O.). Dementsprechend hatten auch die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter der Geltung des BSHG die in Ausübung des Umgangsrechts dem Elternteil entstehenden Kosten nicht dem Bedarf des Kindes, sondern als Teil des notwendigen Lebensunterhalts im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 BSHG dem Bedarf des Umgangsberechtigten zugeordnet, wobei zu den Umgangskosten nicht nur die Fahrtkosten des Elternteils, sondern auch der Mehrbedarf für die Versorgung des Kindes gezählt wurden (vgl. BVerwG FamRZ 1996, 105 f.; Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Dezember 1994 - 24 A 3424/93 - (im Orientierungssatz veröffentlicht in JURIS); Verwaltungsgericht Schleswig NJW 2003, 79 f.). Nach der Rechtsprechung des BVerwG waren die bei der Wahrnehmung des Umgangsrechts entstehenden Kosten als atypischer, nicht bei allen Haushaltsvorständen bzw. Alleinstehenden gleichermaßen bestehender Bedarf zu werten, für welchen - nach den Umständen des Einzelfalls - einmalige Leistungen nach § 21 Abs. 1 BSHG oder besondere Leistungen nach § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG in Betracht kamen (vgl. auch ThürLSG, Beschluss vom 15.06.2005, - L 7 AS 261/05 ER. In der Rechtsprechung ist mittlerweile auch geklärt, dass die anfallenden notwendigen Kosten eines Hilfeempfängers für den Besuch seiner Kinder auch unter der Geltung des SGB XII nicht bereits typischerweise durch den Regelsatz (§ 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII) abgedeckt sind. Vorliegend kann eine atypische Bedarfslage angenommen werden, die grundsätzlich die Anwendung des § 73 SGB XII (Hilfe in sonstigen Lebenslagen) rechtfertigt. Erforderlich ist nur das Vorliegen einer besonderen Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist und dadurch eine Aufgabe von besonderem Gewicht darstellt. Eine derartige Bedarfslage ist in der mit der Trennung der Eltern verbundenen besonderen Schwierigkeit der Aufrechterhaltung des Umgangs der Kinder mit dem nicht sorgeberechtigten Elternteil bei unterschiedlichen, voneinander entfernt liegenden Wohnorten zu sehen (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006, Az.: B 7 b AS 14/06 R, Thüringer LSG, Beschluss vom 12.11.2007, Az. L 8 SO90/07 ER). Bei Vorliegen einer solchen Bedarfslage steht es nicht im Ermessen der Beklagten, die beantragten Leistungen grundsätzlich zu versagen, das "Ob" der Leistungsbewilligung zu verneinen (Adolph in Linhart/Adolph, Kommentar zum SGB II, SGB XII, 2. Ordner, § 73 Rdnr. 18). Die Hilfe muss jedoch den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Daraus folgt, dass auch im Rahmen des § 73 SGB XII nur Leistungen gewährt werden können, die sich in das System der Sozialhilfe einordnen lassen, insbesondere nicht mit ihren allgemeinen Prinzipien kollidieren (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 12.11.2007, Az. L 8 SO90/07 ER, Schellhorn in Schellhorn/Hohm, Kommentar zum Sozialgesetzbuch XII, 17. A., § 73 Rdnr. 5). Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage nach dem "Ob" der Leistungsbewilligung für die Übernahme von Kosten des Umgangsrechts des nicht sorgeberechtigten Elternteils mit seiner Entscheidung vom 25. Oktober 1994 (Az.: 1 BvR 1197/93) beantwortet. Hiernach muss die Ausübung des Umgangsrechts durch den nicht sorgeberechtigten Elternteil im Falle seiner Sozialhilfebedürftigkeit dem Grunde nach mit Mitteln der Sozialhilfe ermöglicht werden. D.h., dass dem Kläger grundsätzlich ein Anspruch auf Herstellung des Umgangsrechts zusteht. Jedoch besteht dieser Anspruch nicht unumschränkt. Denn dieser Anspruch darf, wie dargelegt, nicht mit den weiteren Prinzipien der Sozialhilfe kollidieren. D.h., dass die Herstellung des Umgangsrechts den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen muss. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die räumliche Entfernung zu der Familie/Kindern sehr groß ist und die Herstellung des Umgangsrechts mit erheblichen Kosten für die öffentliche Hand verbunden ist. Soweit das Bundessozialgericht in der zitierten Entscheidung davon spricht, dass auch hinsichtlich des Umgangsrechtes mit den Kindern über § 73 SGB XII keine unbeschränkte Sozialisierung von Scheidungsfolgekosten möglich sei, bezieht sich das in dieser Entscheidung darauf, ob Kosten notwendigerweise in der Person des das Umgangsrecht wahrnehmenden Elternteiles entstehen oder nicht vielmehr zu vermeiden wären, weil beispielsweise im beschriebenen Fall die Kinder ein Alter erreicht hatten, in denen sie ihren Vater auch ohne dessen Begleitung hätten besuchen können. Allerdings hat auch das Bundesverfassungsgericht in seiner zitierten Entscheidung schon darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der Art und Weise der Ermöglichung des Umgangsrechtes dann eine einschränkende Betrachtung gerechtfertigt sein kann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Umgangsrecht missbräuchlich in Anspruch genommen wird, (vgl. ThürLSG, Beschluss vom 12.11.2007, L 8 SO 90/07 ER). Das Bundessozialgericht hat in der angegebenen Entscheidung weiter ausgeführt, dass bei der Ermessensleistung nach § 73 SGB XII zu beachten sei, ob bzw. inwieweit die geltend gemachten Fahrtkosten überhaupt notwendigerweise anfielen. Dies gelte insbesondere für die Fahrtkosten, die dem Umgangsberechtigten selbst entstehen, um die Kinder abzuholen. Dabei würden sich die Fahrtkosten in dem vom BSG zu entscheidenden Fall in einem Bereich bewegen, der den Einsatz öffentlicher Mittel noch rechtfertige. Etwas anderes würde jedoch bei außergewöhnlich hohen Kosten gelten. Auch hinsichtlich des Umgangsrechts mit den Kindern sei über § 73 SGB XII keine unbeschränkte Sozialisierung von Scheidungsfolgenkosten möglich. Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen steht dem Kläger ein Anspruch auf Herstellung des Umgangsrechts mit seiner Tochter in K. zu.
Voraussetzung für die Anwendung des § 73 SGB XII auf Bezieher von SGB II-Leistungen ist, wie dargelegt, eine atypische Bedarfslage. Eine derartige Bedarfslage kann mit den mit der Scheidung der Eltern verbundenen besonderen Schwierigkeiten der Aufrechterhaltung des Umgangs der Kinder mit dem nicht sorgeberechtigten Elternteil bei unterschiedlichen, von einander entfernt liegenden Wohnorten begründet werden (BSG, a. a. O., m. w. N.). Dieser Tatbestand liegt hier vor.
Es besteht ein besonderer Bedarf für die Aufrechterhaltung des Umgangs des Klägers mit seiner in K. lebenden Tochter. Das Umgangsrecht kann nur dann gesichert werden, wenn der Kläger seine Tochter in K.entsprechend der Vereinbarung der Eltern, dass der Kläger seine Tochter jederzeit besuchen kann, besucht.
Aus diesen Gründen besteht ein Anspruch des Klägers darauf, die nachgewiesenen und günstigsten Fahrtkosten zum Besuch seiner Tochter in K. zu erhalten.
Auch die weiteren Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 73 SGB XII liegen vor. Insbesondere hat der Kläger unbestritten dargelegt, dass ihm keine weiteren finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, um die Fahrtkosten für die Sicherung des Umgangsrechtes mit seiner in K. lebenden Tochter aufzubringen. Ausweislich seiner Angaben verfügt er lediglich über finanzielle Mittel in Form von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Weiteres Einkommen sowie Vermögen hat er nach seinen Angaben nicht. Die Kammer hat keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Angaben nicht zutreffen. Der Kläger hat in der Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse ausreichend glaubhaft gemacht.
Der Kläger hat auch glaubhaft dargelegt, dass er das Umgangsrecht seit der Trennung der Eltern ausgeübt hat. Dieses Umgangsrecht hat er allerdings mangels genügender finanzieller Mittel bisher nur in W. ausgeübt, wenn sich seine Tochter bei den Großeltern mütterlicherseits aufgehalten hat. Er hat dargelegt, dass er bisher nicht in der Lage war und ist, die Fahrtkosten nach K. zu finanzieren. Er lebt von Arbeitslosengeld II. Ein Missbrauch ist nicht zu erkennen. Der Kläger hat aber nicht unbedingt einen Anspruch auf eine Leistungsgewährung als Zuschuss. Die beantragten Geldleistungen können nach § 73 Satz 2 SGB XII als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden. Ob der Leistungsträger eine nach Satz 1 der Vorschrift zu gewährende Geldleistung als Beihilfe oder als Darlehen erbringt, liegt hierbei in seinem freien Ermessen, vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 12.11.2007, Az. L 8 SO90/07 ER. Dem schließt sich die Kammer an. Im Rahmen der Ermessensentscheidung, die die Beklagte nach alledem gemäß § 73 SGB XII noch zu treffen hat, sind von ihr grundsätzlich nur die Kosten für die jeweils preisgünstigste zumutbare Fahrgelegenheit zugrunde zu legen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.10.2006, Az.: L 7 AS 4806/06 ER-B). Ein Kostenvorschuss bzw. eine Kostenerstattung kommt selbstverständlich nur insoweit in Betracht, als der Kläger nachweist, dass er zu den von ihm angegebenen Terminen nicht nur tatsächlich zum Wohnort seiner Tochter gefahren ist, sondern dass diese Fahrten auch wirklich zu Besuchszwecken, und nicht vorrangig zwecks Wahrnehmung von Gerichts- oder Gutachterterminen oder aus anderen Gründen vorgenommen wurden. Durch die vom Gericht eingeholte Auskunft vom Kläger sind bisher jedenfalls nur Besuchstermine im fraglichen Zeitraum nachgewiesen, die in W. stattfanden, ohne dass Fahrtkosten entstanden sind. Bei der Ausübung ihres Ermessens wird die Beigeladene schließlich auch zu berücksichtigen haben, dass § 73 SGB XII eine Leistungsgewährung nur insoweit vorsieht, als der Einsatz öffentlicher Mittel gerechtfertigt ist. Hieraus dürfte sich auch eine gewisse, wenn auch nur geringe Selbstbeteiligung des Klägers an den Fahrtkosten herleiten lassen, bei der die Wahrnehmung des Umgangsrechts noch nicht als unzumutbar erscheint. Auch ist zu berücksichtigen, dass das Umgangsrecht nicht unbeschränkt sozialisiert werden kann. Bei der großen Entfernung zwischen dem Wohnort des Klägers und dem der Tochter wird das Umgangsrecht nicht wöchentlich oder monatlich hergestellt werden können nach § 73 SGB XII, sondern es wird sich, wie der Kläger selbst vorgetragen hat, auf bestimmte Feiertage (wie Ostern und Weihnachten) und Teile der Schulferien beschränken müssen. Soweit die Beklagte Fahrtkosten als Darlehen bewilligen will, hat sie in ihre Ermessenentscheidung miteinzubeziehen, ob der Kläger aufgrund seiner finanziellen Situation in der Lage ist bzw. sein wird, das Darlehen, ohne dass sein Existenzminimum tangiert wird, in zumutbarer Zeit zurückzahlen kann bzw. durch die Darlehensgewährung die Wahrnehmung des Umgangsrechts nicht unzumutbar wird. Im Übrigen, soweit der Antrag unbedingt auf Bewilligung als Zuschuss gestellt war, war die Klage aus den vorgenannten Gründen abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
FST
Saved