S 3 P 90/09 ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Halle (Saale) (SAN)
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 3 P 90/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegner werden im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens verpflich-tet, die Veröffentlichung – im Internet oder in sonstiger Weise – der Ergebnisse der Qualitätsprüfung (Transparenzbericht) vom 7./8. Sep-tember 2009 über die Einrichtung der vollstationären Dauerpflege der Antragstellerin und dessen Freigabe an Dritte zum Zwecke der Veröf-fentlichung zu unterlassen. Die Antragstellerin ist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Haupt-sacheverfahrens nicht verpflichtet, die Zusammenfassung der Ergeb-nisse der Qualitätsprüfung vom 7./8. September 2009 in der Pflegeein-richtung auszuhängen. Die Antragsgegner haben der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Das in A-Stadt-R. gelegene Alten- und Pflegeheim "Pflegen und Wohnen am Park – P. B." der Antragstellerin ist eine gemäß § 72 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) durch Versorgungsvertrag zugelassene Pflegeinrichtung. Am 7. und 8. September 2009 führten die Antragsgegner durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Sachsen-Anhalt (MDK) eine Qualitätsprüfung nach den §§ 114 ff SGB XI bei der Einrichtung durch.

Nach der Durchführung der Qualitätsprüfung wurde von den zuständigen Mitarbeitern des MDK (zwei Pflegefachkräfte und eine Pflegefachkraft als TQM-Auditor) der Prüfbericht nach §§ 114 ff. SGB XI vom 15. September 2009 erstellt. Der Prüfauftrag war erfolgt als Anlassprüfung (Beschwerde Pflegebedürftige, Angehörige u.ä.). In der Pflegeeinrichtung sind 110 vorgehaltene Plätze, wobei zum Zeitpunkt der Prüfung 102 Plätze belegt waren.

Mit dem Anhörungsschreiben der Antragsgegner vom 18. September 2009 erfolgte eine schriftliche Anhörung der Antragstellerin zu den im Prüfbericht gegebenen Empfehlungen und die Antragsgegner wiesen darauf hin, dass die Verbände der Pflegekassen aufgrund dieser Ergebnisse Maßnahmen gemäß § 115 Abs. 2 und Abs. 3 SGB XI in Erwägung ziehen können.

Mit dem Schreiben vom 19. Oktober 2009 rügte die Antragstellerin Angaben im dem Prüfbericht sowie einige Schritte und Abläufe – in verfahrenstechnischer Hinsicht - bei der Durchführung der Qualitätsprüfung, und die Antragstellerin bat um Klärung zum Umgang mit den vom MDK im Rahmen der Qualitätsprüfung festgestellten Ergebnis-sen.

Mit dem Schreiben vom 27. Oktober 2007 teilten die Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass für die Antragstellerin die Möglichkeit der Stellungnahme bestehe (in einem Umfang von 3000 Zeichen) innerhalb von 28 Tagen nach Vorliegen des Transparenz-berichtes. Es bestehe im Rahmen der Stellungnahme die Gelegenheit zu ergänzen, welche Maßnahmen bereits ergriffen wurden oder kurz- oder langfristig geplant sind. Die Stellungnahme (Kommentar) werde dann zusammen mit dem Prüfbericht veröf-fentlicht. Es sollte jedoch nicht die Plattform für Grundsatzdiskussionen über das Prüfverfahren sein.

Mit dem Schreiben vom 16. November 2009 forderte die Antragstellerin die Antrags-gegner auf rechtsverbindlich zu erklären, dass sie keinen Transparenzbericht gemäß § 115 Abs. 1 a SGB XI auf der Basis der Qualitätsprüfung vom 7./8. September 2009 veröffentlichen werden, weder im Internet, noch auf sonstige Weise.

Mit dem Schreiben vom 24. November 2009 lehnten die Antragsgegner dies ab. Es bestehe keine Rechtsgrundlage für diese Begehren.

Die Antragstellerin beantragt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes:

1a Festzustellen, dass der Widerspruch der Antragstellerin am 16. No-vember 2009 gegen die Veröffentlichung der Ergebnisse der Quali-tätsprüfung vom 7./8. September 2009 der Pflegeeinrichtung Pflege und Wohnen am Park "P. B." der Antragstellerin gemäß dem Be-scheid der Antragsgegnerin vom 27. Oktober 2009 aufschiebende Wirkung hat,

1 b hilfsweise, den Antragsgegnern aufzugeben, es bis zum rechtskräfti-gen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu unterlassen, die Ergeb-nisse der Qualitätsprüfung vom 7./8. September 2009 der Pflegeein-richtung Pflege und Wohnen am Park "P. B." der Antragstellerin im In-ternet und/oder in sonstiger Weise zu veröffentlichen.

2 Festzustellen, dass die Antragstellerin bis zum rechtskräftigen Ab-schluss des Hauptsacheverfahrens nicht verpflichtet ist, die Zusam-menfassung der Ergebnisse der Qualitätsprüfung vom 7./8. Septem-ber 2009 der Pflegeeinrichtung Pflege und Wohnen am Park "P. B." in der Pflegeeinrichtung auszuhängen.

3. den Antragsgegnern durch Hängebeschluss aufzugeben, bis zur ab-schließenden Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz keine Voll-ziehungsmaßnahmen im Sinne der Anträge 1 und 2 durchzuführen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Anträge der Antragstellerin auf einstweiligen Rechtsschutz zurück-zuweisen.

Zur Begründung führen die Antragsgegner aus, es sei ein Anspruch der Antragstellerin, von den Antragsgegnern den Verzicht auf die Veröffentlichung des die Einrichtung der Antragstellerin betreffenden Transparenzberichts zu verlangen, nicht ersichtlich. Die Landesverbände der Pflegkassen stellen sicher, dass die von den Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität, insbesondere hinsichtlich der Ergebnis- und Lebensqualität, für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen verständlich, übersicht-lich und vergleichbar sowohl im Internet als auch in anderer geeigneter Form kostenfrei veröffentlicht werden. Auch seien die von der Antragstellerin behaupteten Fehler des MDK bei der Prüfung selbst nicht nachvollziehbar. Es sei zudem nicht zu erwarten, dass aufgrund einer Veröffentlichung des Transparenzberichts eine Existenzgefähr-dung bei der Antragstellerin eintritt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegner.

II.

Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialge-richtsgesetz (SGG) statthaft. Danach kann das Gericht der Hauptsache eine einstweili-ge Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Der Antrag ist auch begründet. Gem. § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Absatzes 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile erscheint.

Voraussetzung ist das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungs-grundes. Das Begehren muss materiell begründet erscheinen (Anordnungsanspruch). Ferner bedarf es einer besonderen Eilbedürftigkeit der Durchsetzung des Begehrens bzw. anders nicht wieder rückgängig zu machender Nachteile (Anordnungsgrund).

Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft gemacht worden sein. Erforderlich ist der Nachweis der überwiegenden Wahrscheinlichkeit. Die Antrag-stellerin weist zutreffend darauf hin, dass – sofern das Hauptsacheverfahren nicht abgeschlossen ist – aufgrund der Veröffentlichung des Prüfberichts für die Antragstel-lerin das Risiko eines "negativen Bildes" in der Öffentlichkeit besteht.

Der Antrag hat Aussicht auf Erfolg, wenn ein sogenannter Anordnungsanspruch und ein sogenannter Anordnungsgrund vorliegen. Für eine vorläufige Entscheidung müssen gewichtige Gründe vorliegen; dies ist der sogenannte Anordnungsgrund. Er liegt vor, wenn dem Antragsteller wesentliche, insbesondere irreversible Nachteile drohen, die für ihn ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar machen und die Regelung zur Verhinderung dieser unzumutbaren Nachteile durch eine Anordnung nötig erscheint. Sinn und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzver-fahrens liegen in der Sicherung der Entscheidungsfähigkeit und der prozessualen Lage, um eine endgültige Rechtsverwirklichung im Hauptsacheverfahren zu ermögli-chen.

Die Kammer hält es für geboten, die Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu verpflich-tet, die Veröffentlichung – im Internet oder in sonstiger Weise – der Ergebnisse der Qualitätsprüfung (Transparenzbericht) vom 7./8. September 2009 über die Einrichtung der vollstationären Dauerpflege der Antragstellerin und dessen Freigabe an Dritte zum Zwecke der Veröffentlichung zu unterlassen.

Der Grund liegt darin, dass der Antragstellerin eine auch bei einem gerichtlichen Erfolg nicht oder nur schwer reversible Rechtsbeeinträchtigung droht, wenn bereits während des noch nicht rechtskräftigen Verfahrens die streitigen Prüfergebnisse veröffentlicht werden würden. Es ist nicht auszuschließen, dass durch eine Veröffentlichung der Ergebnisse der Qualitätsprüfung (Transparenzbericht) vom 7./8. September 2009 über die Einrichtung der vollstationären Dauerpflege im Internett potentielle Empfänger von Pflegeleistungen ihre Entscheidung, welches Angebot sie in Anspruch nehmen wollen, auch nach den Ergebnissen des Prüfberichts ausrichten.

Die nachteilige Wirkung der Antragsstellerin als betroffener Wettbewerber wiegt schwerer, als das Informationsinteresse der Öffentlichkeit, ohne dass die Rechtmäßig-keit der Prüfergebnisse gerichtlich überprüft werden konnte. Dies würde dem Gebot eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG) widersprechen.

Zur Vermeidung einer nicht oder nur schwer wieder gutzumachenden Rechtsbeein-trächtigung ist es notwendig, dass die Veröffentlichung – im Internet oder in sonstiger Weise – der Ergebnisse der Qualitätsprüfung (Transparenzbericht) vom 7./8. Septem-ber 2009 über die Einrichtung der vollstationären Dauerpflege der Antragstellerin und dessen Freigabe an Dritte zum Zwecke der Veröffentlichung bis zur rechtskräftigen Entscheidung unterbleibt. Zudem ist die Antragstellerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht verpflichtet, die Zusammenfassung der Ergebnisse der Qualitätsprüfung vom 7./8. September 2009 in der Pflegeeinrichtung auszuhängen.

Nach alldem hatte der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz Erfolg.

Die Kostengrundentscheidung beruht auf §§ 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG), 155 Absätze 1 und 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Festsetzung des Streit-werts beruht auf §§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, 25 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtskraft
Aus
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