S 9 AS 286/06 Ko

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 AS 286/06 Ko
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12.09.2006 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Höhe der von der Erinnerungsgegnerin (Eg) dem Erinnerungsführer (Ef) zu erstattenden außergerichtlichen Kosten einer Untätigkeitsklage.

Am 12.04.2006 erhob der Bevollmächtigte des Ef unter Vorlage einer Vollmacht und gleichzeitiger Einreichung einer ausführlichen Begründung Untätigkeitsklage gegen die Eg. Diese wies mit Schriftsatz vom 02.05.2006 darauf hin, dass unter dem gleichen Datum über den Widerspruch des Ef entschieden worden sei. Auf Anfrage des Gerichts erklärte der Bevollmächtigte des Ef darauf hin die Klage für erledigt. Mit Beschluss vom 22.06.2006 entschied die Vorsitzende der 9. Kammer, dass die Eg die außergerichtlichen Kosten des Ef zu tragen habe.

Mit (korrigierter) Kostennote vom 04.08.2006 bezifferte der Bevollmächtigte des Ef seine Gebühren wie folgt:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 250,00 EUR
Erledigungsgebühr Nr. 1005 VV RVG 280,00 EUR
Post- und Telekomunikationsauslagen Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 550,00 EUR
16 % USt Nr. 7008 VV RVG 88,00 EUR
Endsumme 638,00 EUR

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12.09.2006 setzte die Urkundsbeamtin abweichend davon und der Rechtsauffassung der Eg folgend die zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf 168,20 EUR fest. Sie legte dabei eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG von 125,00 EUR, die Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG von 20,00 EUR zugrunde, woraus sie den unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuer (Nr. 7008 VV RVG) vorstehenden Gesamtbetrag errechnete. Eine Erledigungsgebühr hielt sie nicht für erstattungsfähig.

Hiergegen hat die Ef Erinnerung eingelegt. Die Ausführungen im Kostenfestsetzungsbeschluss zum Anfall und zur Höhe der Gebühren seien unrichtig. Es handele sich um eine Angelegenheit von durchschnittlicher Bedeutung, durchschnittlicher rechtlicher Schwierigkeit und durchschnittlichem Umfang. Durch eine Besprechung mit dem Ef und die Mitteilung an das Gericht habe der Bevollmächtigte auch an der Erledigung mitgewirkt, weshalb eindeutig eine Erledigungsgebühr angefallen sei.

Die Kostenbeamtin half der Erinenrung nicht ab und legte sie dem Kostenrichter zur Entscheidung vor.

II.

Das Gericht ist zur Entscheidung befugt (§ 197 Abs. 2 Sozial- gerichtsgesetz - SGG -). Die rechtzeitig eingelegte Erinnerung ist zulässig. Sie erweist sich jedoch als unbegründet.

Über die Kostentragung dem Grunde nach hat die 9. Kammer mit bestandskräftigem Beschluss vom 22. Juni 2006 entschieden, dass die Eg die außergerichtlichen Kosten des Ef zu tragen hat.

Streitig geblieben sind Anfall und Höhe der Gebühren. Prüfungsmaßstab zur Bestimmung der Gebührenhöhe ist bei Rahmengebühren, wie sie im Sozialgerichtsprozess von gemäß § 183 SGG kostenprivilegierten Klägern anfallen, § 14 RVG. Danach bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu erstatten, ist die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

Ein derartiger Fall liegt hier vor. Die anwaltliche Gebührenbestimmung war unbillig. Gegenstand des Klageverfahrens war eine Untätigkeitsklage im Sinne von § 88 SGG. Ziel einer solchen Untätigkeitsklage ist ausschließlich der Erlass eines beantragten Bescheides bzw. Widerspruchsbescheides, materiell-rechtliche Fragen haben unberücksichtigt zu bleiben. Die Einreichung einer solchen Klage ist von deutlich unterdurchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, da sie nur die Kenntnis der entsprechenden Vorschrift sowie die darin aufgeführte Frist voraussetzt. Es handelt sich also um eine anwaltliche Tätigkeit der einfachsten Art. Weit unterdurchschnittlich - gemessen etwa an Streitverfahren aus den Rechtsgebieten der gesetzlichen Rentenversicherung oder gesetzlichen Unfallversicherung - war auch der Umfang der Tätigkeit des Bevollmächtigten des Ef, wie die Gerichtsakte belegt. Sie hat sich in der Klageerhebung verbunden mit einer insbesondere auch den Sachverhalt darstellenden Klagebegründung, der Übersendung der Vollmacht sowie der Erledigt- erklärung erschöpft. Dass daneben auch noch eine oder mehrere Besprechungen mit dem Mandanten anfielen bleibt nicht unberücksichtigt. Die Dauer des Verfahrens war mit ca. zwei Monaten Laufzeit außerordentlich kurz.

Mit Blick auf den Ef ist angesichts seiner schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse zwar davon auszugehen, dass die streitgegenständliche Frage, also die baldige Herbeiführung einer Widerspruchsentscheidung für ihn jedenfalls durchschnittliche Bedeutung hatte. Das Gericht verkennt nicht die Relevanz des Leistungsbezugs für den Ef und seine Familie. Kostenrechtlich kommt es hierauf aber nicht an. Denn Gegenstand des Verfahrens war nicht eine Sachentscheidung über das "ob" und ggf. die Höhe eines Anspruchs, sondern ausschließlich eine behördliche Untätigkeit, die mit Hilfe des Gerichts beendet werden sollte. Dieser als durchschnittlich zu gewichtende Umstand wird gebührenrechtlich gewichtig durch die als Leistungsbezieher nach dem SGB II zweifelsfrei dokumentierten unterdurchschnittlichen Vermögensverhältnisse des Ef kompensiert.

Aus alldem ergibt sich, dass für das Betreiben des Geschäfts nur ein geringfügiger anwaltlicher Aufwand vonnöten war und auch praktiziert wurde. Auch unter Einbeziehung der Belange des Ef ist deshalb die von der Kostenbeamtin hierfür nach Nr. 3102 der VV RVG als angemessen angenommene Gebühr von 125,00 EUR (entsprechend 50 v.H. der Mittelgebühr) rechtlich nicht zu beanstanden.

Mit dieser Bewertung der Untätigkeitsklage im Rahmen von § 14 RVG, Nr. 3102 VV RVG setzt die für Kostenangelegenheiten zuständige Kammer des Sozialgerichts Augsburg die hierzu ergangene bisherige Rechtsprechung fort (vgl. S 4 AL 850/04 Ko; S 9 AS 221/05 Ko). Diese steht im Einklang mit der Rechtsprechung sämtlicher Kostenrichter der Bayer. Sozialgerichtsbarkeit.

Der Kostenfestsetzungsbeschluss ist auch nicht insofern zu beanstanden, als er eine Erledigungsgebühr nicht festsetzt. Nach Nr. 1005 VV RVG entsteht bei einer Einigung oder Erledigung in sozialgerichtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen eine Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Gleiches gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilwise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsaktes erledigt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Sinn und Zweck der Einigungsgebühr ist die Honorierung der besonderen anwaltlichen Tätigkeit mit dem Ziel einer Erledigung der Sache ohne geichtliche Entscheidung (Gerold/Schmidt/v. Eichen u.a. RVG, Kommentar, 17. Auflage, S. 842). Dafür genügt weder die Erhebung einer Untätigkeitsklage noch die bloße Anzeige der Verfahrenserledigung nach Erfolgseintritt (hier: Erlass des Widerspruchsbescheides). Es sind ab Einreichung der Untätigkeitsklage keine Aktivitäten oder (besondere) Mitwirkungshandlungen des Bevollmächtigten des Ef ersichtlich, welchen der (baldige) Erlass des begehrten Widerspruchsbescheides geschuldet wäre.

Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass der Kostenfestsetzungsbeschluss weder dem Grunde noch der Höhe nach rechtlich zu beanstanden ist.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei. Er ist endgültig (§ 197 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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