Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AS 572/07 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Der Beigeladene wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig ab 1. August 2007 Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu bewilligen.
II. Der Beigeladene trägt die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
III. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Gründe:
I.
Der am 1983 geborene Antragsteller (As) stellte am 26.02.2007 bei dem Beigeladenen einen Antrag auf Eingliederungshilfe in Form von Übernahme der Therapiekosten für eine Drogenentwöhnungsmaßnahme bei TiP-Therapie im P ... Zum Zeitpunkt der Antragstellung befand sich der As in der JVA E. und hatte damals die Möglichkeit, einen Antrag auf Therapie statt Strafe zu stellen. Am 27.03.2007 kam der Beigeladene zu dem Ergebnis, dass der As zu dem Personenkreis der seelisch nicht nur vorübergehend wesentlich behinderten Menschen zähle. Aus ärztlicher Sicht werde die Maßnahme daher befürwortet. Mit Bescheid vom 30.04.2007 bewilligte daraufhin der Beigeladene ab 26.04.2007 bis vorerst 25.08.2007 die Kosten des betreuten Einzelwohnens durch den Prop e.V. - Therapie im P ... Mit weiterem Bescheid vom 16.07.2007 verlängerte der Beigeladene seine Kostenzusage für die Therapie im P. bis zum 29.02.2008.
Am 02.05.2007 stellte der As bei der Antragsgegnerin (Ag) einen Antrag auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 04.06.2007 lehnte die Ag den Antrag ab. Es läge ein Ausschlussgrund nach § 7 Abs. 4 SGB II vor. Die Therapie stehe weiterhin in direktem Zusammenhang mit dem Strafvollzug des As und sei Voraussetzung für dessen Beendigung. Die Möglichkeit einer vorzeitigen freiwilligen Beendigung sei damit stark eingeschränkt. Der As stehe aufgrund der therapeutischen Unterbringung der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung. Die Tätigkeit bei der Therapiefamilie sei eher unter therapeutischen Gesichtspunkten zu sehen und nicht als Tätigkeit im Sinn einer Erwerbstätigkeit unter den Bedingungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Hiergegen hat der As am 15.06.2007 Widerspruch bei der Ag eingelegt.
Am 18.06.2007 hat er durch seinen Bevollmächtigten bei dem Sozialgericht Augsburg einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Mit Schreiben vom 26.06.2007 hat die Ag hierzu Stellung genommen. Der As werde ganzheitlich betreut. Während der ersten drei Monate unterliege er gar einer Kontaktsperre. Er könne seinen Tagesablauf nicht frei bestimmen und habe sich für die Dauer der Therapie auf dem zugeteilten Hof aufzuhalten. Dies alles seien typische Merkmale eines stationären Aufenthalts und keiner ambulanten Maßnahme. Während seiner Therapie könne der As nicht für sofortige Eingliederungsmaßnahmen der Ag zur Verfügung stehen. Nach Sinn und Zweck des SGB II sei dies aber erforderlich, um Leistungen nach dem Gesetz zu erhalten.
Mit Beschluss vom 23.07.2007 hat das Sozialgericht Augsburg den Bezirk Oberpfalz - Sozialverwaltung - zu dem Verfahren beigeladen. Mit Schreiben vom 26.07.2007 hat der Beigeladene vorgetragen, dass sich der As seit 26.04.2007 auf seine Kosten gemäß § 54 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 Abs. 2 Nr. 6 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) im ambulanten betreuten Einzelwohnen der Prop e.V. befinde. Der Beigeladene sei für diese Maßnahme gemäß § 98 Abs. 5 SGB XII örtlich zuständig, weil der As vor Beginn der Maßnahme und dem vorausgegangenen JVA-Aufenthalt zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt in P. im Landkreis N. in der Oberpfalz im Bereich des Beigeladenen hatte. Das Therapieangebot richte sich an junge drogenabhängige Männer und Frauen im Alter von 16 bis 45 Jahren. Der Schwerpunkt der Betreuung liege neben der Drogen- bzw. Alkoholtherapie bei der Vermittlung der Klienten in den ersten Arbeitsmarkt. Die Tätigkeiten der Klienten könnten u. a. Stallarbeiten, die Mithilfe der Bewirtschaftung von Grün- und Ackerflächen, Landschaftspflege, Tierpflege, Gartenarbeit und die Mithilfe im Haushalt umfassen. Der Tagesablauf des As werde durch die Arbeit auf dem Bauernhof bestimmt. Für einen reibungslosen und ordnungsgemäßen Arbeitsablauf seien alle auf dem Hof existierenden Regeln und Abläufe durch den As einzuhalten. Der As lebe auf einem Bauernhof mit einer Familie zusammen und habe dort ein eigenes Zimmer. Der Umfang der Tätigkeiten betrage in der Regel über 60 Wochenstunden. Er erledige alle Arbeiten selbständig und zur vollsten Zufriedenheit der Gastfamilie. Als Gegenleistung für die Arbeitsleistung gewähre der Landwirt freie Kost und Logis. Der Landwirt erhalte selbst keine Zahlung von TiP. Die fehlende Möglichkeit des Eintritts in ein außerhalb des Hofes liegendes Arbeitsverhältnis führe nicht dazu, dass es sich um eine stationäre Einrichtung handle. Nach Auffassung des Beigeladenen erfüllle die Therapie auf dem Bauernhof nicht die Voraussetzungen des § 13 SGB XII. Insoweit werde auch auf einen Beschluss des BayVGH vom 07.11.1994 (Az: M 15 E 94.4850) und auf einen Beschluss des SG München vom 09.02.2007 (Az: S 22 AS 4/07 ER) verwiesen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakten und der Gerichtsakten im Übrigen Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist gegenüber der Ag unbegründet, jedoch gegenüber dem Beigeladenen begründet.
Rechtsgrundlage für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist hier § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Eine Regelungsanordnung setzt sowohl einen Anordnungsgrund (Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung) als auch einen Anordnungsanspruch (materielles Recht, für das einstweiliger Rechtsschutz geltend gemacht wird) voraus. Sowohl der Anordnungsgrund als auch der Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 86 b Rdz 30). Vorliegend hat der As sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch gegenüber dem Beigeladenen glaubhaft gemacht. Dagegen fehlt es an einem Anordnungsanspruch gegenüber der Ag.
Der Anordnungsgrund ergibt sich daraus, dass der As derzeit ohne eigene finanzielle Mittel eine Drogenentwöhnungstherapie auf einem Bauernhof durchführt. Er erhält auf dem Hof zwar freie Kost und Logis. Für den weiteren gewöhnlichen Lebensunterhalt muss er jedoch selbst aufkommen. Insbesondere muss er Kleidung, Kosmetika, Briefpapier und Porto selbst finanzieren. Wegen der hierfür fehlenden Mittel ist der Lebensunterhalt des As derzeit nicht gesichert.
Der As hat jedoch keinen materiellen Leistungsanspruch gegenüber der Ag. Zu Recht hat die Ag für den As einen Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 SGB II in der ab dem 01.08.2006 geltenden Fassung angenommen. Danach erhält Leistungen nach dem SGB II nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist. Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 SGB II erhält abweichend davon Leistungen, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist. Der Einrichtungsbegriff des § 7 Abs. 4 SGB II ist im Gesetz selbst nicht definiert. Hilfsweise wird daher in der Rechtsprechung und auch in der Literatur auf § 13 Abs. 1 Satz 2 SGB XII zurückgegriffen. Danach sind vollstationäre Einrichtungen alle Einrichtungen, in denen Leistungsberechtigte sowohl Unterkunft und Verpflegung als auch sonstige Hilfen erhalten (vgl. Schumacher in Oestreicher, SGB II, § 7, Rz 27, der hier auch ausdrücklich Einrichtungen der Sozialhilfe für Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderungen nennt). Diese Voraussetzungen liegen bei dem As vor. Des Weiteren ist nach Auffassung des Gerichts beim Begriff der stationären Einrichtung im Sinn von § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II zudem auf Sinn und Zweck des Leistungssystems des SGB II abzustellen. Dies ergibt sich insbesondere aus § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 SGB II. Sinn und Zweck des Leistungssystems des SGB II ist nämlich, die Hilfebedürftigen durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu befähigen, unabhängig von Leistungen der Grundsicherung zu leben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II). Primäres Ziel ist damit, den Hilfebedürftigen in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Im Hinblick darauf hat der Gesetzgeber sodann auch die Hilfebedürftigen vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II ausgenommen, die tatsächlich 15 Stunden pro Woche einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen. Insoweit ist nämlich durch die tatsächliche Erwerbstätigkeit die "fiktive" Erwerbsunfähigkeit im Sinn des § 8 Abs. 1 SGB II, von der der § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II bei einer stationären Unterbringung ausgeht, widerlegt. Entscheidend ist daher letztendlich auch, ob die vom As durchgeführte Therapie auf dem Bauernhof deshalb als vollstationäre Einrichtung im Sinn des § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II zu verstehen ist, weil der As durch diese aufgrund des gesamten Konzepts quasi erwerbsunfähig im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB II wird, und zwar deshalb, weil er wegen der Konzeption der Einrichtung einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht nachgehen kann. Gerade dies ist jedoch der Fall. Zum einen erhält der As nicht nur Kost und Unterkunft auf dem Bauernhof, sondern gleichzeitig erhält er Hilfen in Form eines das gesamte Leben des As bestimmenden Therapiekonzepts, um seine Drogenabhängigkeit zu überwinden. Diesem Therapiekonzept ist der As auch unterworfen. Zwar kann er grundsätzlich sich den Regeln auf dem Bauernhof entziehen und auch die angebotenen Therapiemaßnahmen in Form von Arbeit und Therapiegesprächen nicht annehmen. Damit gefährdet er jedoch die Aussetzung der Verbüßung seiner Freiheitsstrafe. Unter diesem Druck führt der As daher eben gerade nicht ein völlig selbstbestimmtes Leben, sondern vielmehr hat er sich dem Prop e.V. entwickeltem Entwöhnungskonzept durch Arbeit auf dem Bauernhof zu unterwerfen. Die Gesamtverantwortung über seine Lebensgestaltung unterliegt daher derzeit dem Maßnahmeträger - Prop e.V. Um diese Maßnahme nicht zu gefährden, ist es dem As auch nicht möglich, nebenher eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von 15 Stunden pro Woche aufzunehmen. Dies wird bestätigt durch die Stellungnahme des Prop e.V. vom 25.07.2007 gegenüber dem Beigeladenen. Insgesamt steht daher der As aufgrund seiner seelischen Beeinträchtigungen und der damit verbundenen notwendigen Drogenentwöhnungstherapie dem Maßnahmekatalog des SGB II nicht zur Verfügung, sodass er entsprechend der Bestimmung des § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II als erwerbsunfähig im Sinn von § 8 Abs. 1 SGB II anzusehen ist. Entgegen dem Vortrag des Beigeladenen handelt es sich bei der Therapieform des As auch nicht um eine Eingliederungsmaßnahme in den ersten Arbeitsmarkt. Vielmehr ist Rechtsgrundlage für die Bewilligung der Kostenübernahme der Therapie § 54 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX. Damit handelt es sich gerade nicht um eine berufliche Reha-Maßnahme, sondern vielmehr um Maßnahme zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (sog. soziale Rehabilitation). Für eine berufliche Reha-Maßnahme wäre nämlich § 54 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit den §§ 33 und 41 SGB IX einschlägig gewesen. Es geht damit bei der durchgeführten Therapie gerade nicht in erster Linie darum, den As unmittelbar in das Arbeitsleben wieder einzugliedern. Vielmehr geht es zunächst darum, den As wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Hierfür sind jedoch die Leistungen des SGB II grundsätzlich nicht vorgesehen. Überzeugend ist auch nicht die Argumentation, es handle sich um eine ambulante Maßnahme. Vielmehr lebt der As auf dem Bauernhof der Therapiefamilie und darf diesen auch nicht verlassen. Somit lebt der As nicht in seiner eigenen Wohnung. Vielmehr gleicht die Unterbringung auf dem Bauernhof einer Therapieeinrichtungsstätte mit angegliedertem "Wohnheim".
Weil also der As wegen des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II als erwerbsunfähig im Sinn von § 8 SGB II anzusehen ist, kommen allein Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII in Betracht. Hierfür ist der Beigeladene auch grundsätzlich sachlich zuständig.
Insgesamt war daher der Beigeladene im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII in gesetzlicher Höhe an den As zu erbringen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
II. Der Beigeladene trägt die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
III. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Gründe:
I.
Der am 1983 geborene Antragsteller (As) stellte am 26.02.2007 bei dem Beigeladenen einen Antrag auf Eingliederungshilfe in Form von Übernahme der Therapiekosten für eine Drogenentwöhnungsmaßnahme bei TiP-Therapie im P ... Zum Zeitpunkt der Antragstellung befand sich der As in der JVA E. und hatte damals die Möglichkeit, einen Antrag auf Therapie statt Strafe zu stellen. Am 27.03.2007 kam der Beigeladene zu dem Ergebnis, dass der As zu dem Personenkreis der seelisch nicht nur vorübergehend wesentlich behinderten Menschen zähle. Aus ärztlicher Sicht werde die Maßnahme daher befürwortet. Mit Bescheid vom 30.04.2007 bewilligte daraufhin der Beigeladene ab 26.04.2007 bis vorerst 25.08.2007 die Kosten des betreuten Einzelwohnens durch den Prop e.V. - Therapie im P ... Mit weiterem Bescheid vom 16.07.2007 verlängerte der Beigeladene seine Kostenzusage für die Therapie im P. bis zum 29.02.2008.
Am 02.05.2007 stellte der As bei der Antragsgegnerin (Ag) einen Antrag auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 04.06.2007 lehnte die Ag den Antrag ab. Es läge ein Ausschlussgrund nach § 7 Abs. 4 SGB II vor. Die Therapie stehe weiterhin in direktem Zusammenhang mit dem Strafvollzug des As und sei Voraussetzung für dessen Beendigung. Die Möglichkeit einer vorzeitigen freiwilligen Beendigung sei damit stark eingeschränkt. Der As stehe aufgrund der therapeutischen Unterbringung der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung. Die Tätigkeit bei der Therapiefamilie sei eher unter therapeutischen Gesichtspunkten zu sehen und nicht als Tätigkeit im Sinn einer Erwerbstätigkeit unter den Bedingungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Hiergegen hat der As am 15.06.2007 Widerspruch bei der Ag eingelegt.
Am 18.06.2007 hat er durch seinen Bevollmächtigten bei dem Sozialgericht Augsburg einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Mit Schreiben vom 26.06.2007 hat die Ag hierzu Stellung genommen. Der As werde ganzheitlich betreut. Während der ersten drei Monate unterliege er gar einer Kontaktsperre. Er könne seinen Tagesablauf nicht frei bestimmen und habe sich für die Dauer der Therapie auf dem zugeteilten Hof aufzuhalten. Dies alles seien typische Merkmale eines stationären Aufenthalts und keiner ambulanten Maßnahme. Während seiner Therapie könne der As nicht für sofortige Eingliederungsmaßnahmen der Ag zur Verfügung stehen. Nach Sinn und Zweck des SGB II sei dies aber erforderlich, um Leistungen nach dem Gesetz zu erhalten.
Mit Beschluss vom 23.07.2007 hat das Sozialgericht Augsburg den Bezirk Oberpfalz - Sozialverwaltung - zu dem Verfahren beigeladen. Mit Schreiben vom 26.07.2007 hat der Beigeladene vorgetragen, dass sich der As seit 26.04.2007 auf seine Kosten gemäß § 54 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 Abs. 2 Nr. 6 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) im ambulanten betreuten Einzelwohnen der Prop e.V. befinde. Der Beigeladene sei für diese Maßnahme gemäß § 98 Abs. 5 SGB XII örtlich zuständig, weil der As vor Beginn der Maßnahme und dem vorausgegangenen JVA-Aufenthalt zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt in P. im Landkreis N. in der Oberpfalz im Bereich des Beigeladenen hatte. Das Therapieangebot richte sich an junge drogenabhängige Männer und Frauen im Alter von 16 bis 45 Jahren. Der Schwerpunkt der Betreuung liege neben der Drogen- bzw. Alkoholtherapie bei der Vermittlung der Klienten in den ersten Arbeitsmarkt. Die Tätigkeiten der Klienten könnten u. a. Stallarbeiten, die Mithilfe der Bewirtschaftung von Grün- und Ackerflächen, Landschaftspflege, Tierpflege, Gartenarbeit und die Mithilfe im Haushalt umfassen. Der Tagesablauf des As werde durch die Arbeit auf dem Bauernhof bestimmt. Für einen reibungslosen und ordnungsgemäßen Arbeitsablauf seien alle auf dem Hof existierenden Regeln und Abläufe durch den As einzuhalten. Der As lebe auf einem Bauernhof mit einer Familie zusammen und habe dort ein eigenes Zimmer. Der Umfang der Tätigkeiten betrage in der Regel über 60 Wochenstunden. Er erledige alle Arbeiten selbständig und zur vollsten Zufriedenheit der Gastfamilie. Als Gegenleistung für die Arbeitsleistung gewähre der Landwirt freie Kost und Logis. Der Landwirt erhalte selbst keine Zahlung von TiP. Die fehlende Möglichkeit des Eintritts in ein außerhalb des Hofes liegendes Arbeitsverhältnis führe nicht dazu, dass es sich um eine stationäre Einrichtung handle. Nach Auffassung des Beigeladenen erfüllle die Therapie auf dem Bauernhof nicht die Voraussetzungen des § 13 SGB XII. Insoweit werde auch auf einen Beschluss des BayVGH vom 07.11.1994 (Az: M 15 E 94.4850) und auf einen Beschluss des SG München vom 09.02.2007 (Az: S 22 AS 4/07 ER) verwiesen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakten und der Gerichtsakten im Übrigen Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist gegenüber der Ag unbegründet, jedoch gegenüber dem Beigeladenen begründet.
Rechtsgrundlage für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist hier § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Eine Regelungsanordnung setzt sowohl einen Anordnungsgrund (Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung) als auch einen Anordnungsanspruch (materielles Recht, für das einstweiliger Rechtsschutz geltend gemacht wird) voraus. Sowohl der Anordnungsgrund als auch der Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 86 b Rdz 30). Vorliegend hat der As sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch gegenüber dem Beigeladenen glaubhaft gemacht. Dagegen fehlt es an einem Anordnungsanspruch gegenüber der Ag.
Der Anordnungsgrund ergibt sich daraus, dass der As derzeit ohne eigene finanzielle Mittel eine Drogenentwöhnungstherapie auf einem Bauernhof durchführt. Er erhält auf dem Hof zwar freie Kost und Logis. Für den weiteren gewöhnlichen Lebensunterhalt muss er jedoch selbst aufkommen. Insbesondere muss er Kleidung, Kosmetika, Briefpapier und Porto selbst finanzieren. Wegen der hierfür fehlenden Mittel ist der Lebensunterhalt des As derzeit nicht gesichert.
Der As hat jedoch keinen materiellen Leistungsanspruch gegenüber der Ag. Zu Recht hat die Ag für den As einen Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 SGB II in der ab dem 01.08.2006 geltenden Fassung angenommen. Danach erhält Leistungen nach dem SGB II nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist. Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 SGB II erhält abweichend davon Leistungen, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist. Der Einrichtungsbegriff des § 7 Abs. 4 SGB II ist im Gesetz selbst nicht definiert. Hilfsweise wird daher in der Rechtsprechung und auch in der Literatur auf § 13 Abs. 1 Satz 2 SGB XII zurückgegriffen. Danach sind vollstationäre Einrichtungen alle Einrichtungen, in denen Leistungsberechtigte sowohl Unterkunft und Verpflegung als auch sonstige Hilfen erhalten (vgl. Schumacher in Oestreicher, SGB II, § 7, Rz 27, der hier auch ausdrücklich Einrichtungen der Sozialhilfe für Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderungen nennt). Diese Voraussetzungen liegen bei dem As vor. Des Weiteren ist nach Auffassung des Gerichts beim Begriff der stationären Einrichtung im Sinn von § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II zudem auf Sinn und Zweck des Leistungssystems des SGB II abzustellen. Dies ergibt sich insbesondere aus § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 SGB II. Sinn und Zweck des Leistungssystems des SGB II ist nämlich, die Hilfebedürftigen durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu befähigen, unabhängig von Leistungen der Grundsicherung zu leben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II). Primäres Ziel ist damit, den Hilfebedürftigen in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Im Hinblick darauf hat der Gesetzgeber sodann auch die Hilfebedürftigen vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II ausgenommen, die tatsächlich 15 Stunden pro Woche einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen. Insoweit ist nämlich durch die tatsächliche Erwerbstätigkeit die "fiktive" Erwerbsunfähigkeit im Sinn des § 8 Abs. 1 SGB II, von der der § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II bei einer stationären Unterbringung ausgeht, widerlegt. Entscheidend ist daher letztendlich auch, ob die vom As durchgeführte Therapie auf dem Bauernhof deshalb als vollstationäre Einrichtung im Sinn des § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II zu verstehen ist, weil der As durch diese aufgrund des gesamten Konzepts quasi erwerbsunfähig im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB II wird, und zwar deshalb, weil er wegen der Konzeption der Einrichtung einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht nachgehen kann. Gerade dies ist jedoch der Fall. Zum einen erhält der As nicht nur Kost und Unterkunft auf dem Bauernhof, sondern gleichzeitig erhält er Hilfen in Form eines das gesamte Leben des As bestimmenden Therapiekonzepts, um seine Drogenabhängigkeit zu überwinden. Diesem Therapiekonzept ist der As auch unterworfen. Zwar kann er grundsätzlich sich den Regeln auf dem Bauernhof entziehen und auch die angebotenen Therapiemaßnahmen in Form von Arbeit und Therapiegesprächen nicht annehmen. Damit gefährdet er jedoch die Aussetzung der Verbüßung seiner Freiheitsstrafe. Unter diesem Druck führt der As daher eben gerade nicht ein völlig selbstbestimmtes Leben, sondern vielmehr hat er sich dem Prop e.V. entwickeltem Entwöhnungskonzept durch Arbeit auf dem Bauernhof zu unterwerfen. Die Gesamtverantwortung über seine Lebensgestaltung unterliegt daher derzeit dem Maßnahmeträger - Prop e.V. Um diese Maßnahme nicht zu gefährden, ist es dem As auch nicht möglich, nebenher eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von 15 Stunden pro Woche aufzunehmen. Dies wird bestätigt durch die Stellungnahme des Prop e.V. vom 25.07.2007 gegenüber dem Beigeladenen. Insgesamt steht daher der As aufgrund seiner seelischen Beeinträchtigungen und der damit verbundenen notwendigen Drogenentwöhnungstherapie dem Maßnahmekatalog des SGB II nicht zur Verfügung, sodass er entsprechend der Bestimmung des § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II als erwerbsunfähig im Sinn von § 8 Abs. 1 SGB II anzusehen ist. Entgegen dem Vortrag des Beigeladenen handelt es sich bei der Therapieform des As auch nicht um eine Eingliederungsmaßnahme in den ersten Arbeitsmarkt. Vielmehr ist Rechtsgrundlage für die Bewilligung der Kostenübernahme der Therapie § 54 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX. Damit handelt es sich gerade nicht um eine berufliche Reha-Maßnahme, sondern vielmehr um Maßnahme zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (sog. soziale Rehabilitation). Für eine berufliche Reha-Maßnahme wäre nämlich § 54 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit den §§ 33 und 41 SGB IX einschlägig gewesen. Es geht damit bei der durchgeführten Therapie gerade nicht in erster Linie darum, den As unmittelbar in das Arbeitsleben wieder einzugliedern. Vielmehr geht es zunächst darum, den As wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Hierfür sind jedoch die Leistungen des SGB II grundsätzlich nicht vorgesehen. Überzeugend ist auch nicht die Argumentation, es handle sich um eine ambulante Maßnahme. Vielmehr lebt der As auf dem Bauernhof der Therapiefamilie und darf diesen auch nicht verlassen. Somit lebt der As nicht in seiner eigenen Wohnung. Vielmehr gleicht die Unterbringung auf dem Bauernhof einer Therapieeinrichtungsstätte mit angegliedertem "Wohnheim".
Weil also der As wegen des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II als erwerbsunfähig im Sinn von § 8 SGB II anzusehen ist, kommen allein Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII in Betracht. Hierfür ist der Beigeladene auch grundsätzlich sachlich zuständig.
Insgesamt war daher der Beigeladene im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII in gesetzlicher Höhe an den As zu erbringen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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