Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Halle (Saale) (SAN)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 11 R 713/12
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Auswirkungen eines anhängigen Pkh-Beschwerdeverfahrens auf das Hauptsacheverfahren
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin streitet mit der Beklagten nur noch über die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ist nicht mehr streitig.
Die 1952 geborene Klägerin beantragte am 11. November 2011 bei der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte holte einen Befundbericht des Hausarztes der Klägerin ein (Dipl.-Med. G., Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 20. Dezember 2011, Seite 3 Gutachtenteil Verwaltungsakte). Außerdem lag der Beklagten ein Gutachten der Agentur für Arbeit H. vom 12. April 2010 vor (Seite 7 Gutachtenteil Verwaltungsakte). Die Beklagte beauftragte Dr. A., Fachärztin für Innere Medizin/Pneumologie, ein Gutachten zum Leistungsvermögen der Klägerin zu erstellen (Gutachten vom 23. Februar 2012, Seite 12 Gutachtenteil Verwaltungsakte). Mit Bescheid vom 8. März 2012 lehnte die Beklagte den Antrag ab (Seite 69 Verwaltungsakte). Ihren am 5. April 2012 erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin unter anderem damit, dass bei ihr eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) mit einem Lungenemphysem vorliege. Eine COPD sei eine schwere, fortschreitende Lungenerkrankung. Sie leide nicht nur bei körperlicher Belastung sondern auch in Ruhephasen unter Atemnot. Sie habe in den letzten Jahren erheblich an Gewicht und Muskelmasse verloren, was mit einem erheblichen Funktionsverlust verbunden sei. Sie sei ständig erschöpft und ihre körperliche Leistungsfähigkeit sei eingeschränkt. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. September 2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück (Seite 84 Verwaltungsakte). Darin führte sie unter anderem aus, dass bei der Klägerin ein Leistungsvermögen für mindestens sechs Stunden täglich für leichte Arbeiten mit weiteren Funktionseinschränkungen vorliege.
Am 25. September 2012 hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht Halle erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Sie sei ständig bei der Fachärztin für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. J. in Behandlung, die eine dauerhafte Belastungseinschränkung des Atmungssystems infolge chronisch asthmatischer Lungenfunktionsstörung mit zusätzlicher Lungenüberblähung diagnostiziert habe. Sie sei nicht erwerbsfähig, da ihr eine Erwerbstätigkeit von mindestens sechs Stunden täglich nicht zuzumuten sei. Dass die behandelnden Ärzte sie, die Klägerin, nicht arbeitsunfähig geschrieben hätten, sei nicht relevant, da sie seit Jahren durchweg arbeitslos und Bezieherin von SGB II-Leistungen sei.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 8. März 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2012 zu verurteilen, der Klägerin ab 1. Dezember 2011 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie sieht sich nicht veranlasst, die Beurteilung der gegebenen Sach- und Rechtslage zu Gunsten der Klägerin abzuändern.
Das Gericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin eingeholt (Dipl.-Med. G., vom 9. Dezember 2012, Seite 29 Gerichtsakte; Dr. J., vom 13. Dezember 2012, Seite 33 Gerichtsakte).
Mit Bescheid vom 14. Dezember 2012 hat die Beklagte der Klägerin eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation bewilligt. Diese hat die Klägerin noch nicht angetreten, da sie, nach Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, aus persönlichen Gründen eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme wünsche. Mit Beschluss vom 31. Januar 2013 hat das Gericht den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Gegen den Beschluss hat die Klägerin Beschwerde bei dem Landessozialgericht eingelegt, über die noch nicht entschieden worden ist.
Wegen des Inhalts der Befundberichte und des Gutachtens von Dr. A. wird auf die angegebenen Seiten der Verwaltungs- und Gerichtsakte verwiesen. Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 54 Abs. 1 und 4 SGG als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässige Klage ist nicht begründet.
Das Gericht ist auch nicht dadurch an einer Entscheidung gehindert, dass über die von der Klägerin eingelegte Beschwerde gegen den ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss vom 31. Januar 2013 noch nicht entschieden worden ist (andere Ansicht für den Fall, dass durch Gerichtsbescheid entschieden worden ist: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 6. Oktober 2008, L 6 B 15/08 U, dokumentiert in juris).
Das Prozesskostenhilfeverfahren ist ein nichtstreitiges parteieinseitiges Antragsverfahren des PKH-Antragstellers bei Gericht, in dem über die Gewährung staatlicher Hilfe entschieden wird (Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- Verfahrenskostenhilfe Beratungshilfe, 6. Auflage, Rn. 152). Eine für den Hauptprozess verbindliche Vorentscheidung zur Sache fällt im Bewilligungsverfahren nicht (Liegl in Poller/Teubel, Gesamtes Kostenhilferecht, § 118, Rn. 4). Es ist vielmehr ein zu dem Hauptsacheverfahren selbstständiges Verfahren und unterbricht dieses bereits rechtshängige Verfahren in der Hauptsache nicht (BVerfG, Beschluss vom 30. Juli 2009, 1 BvR 2662/06, Rn. 31, dokumentiert in juris). Die Erledigung des Prozesskostenhilfeverfahrens darf grundsätzlich nicht zu einer Verzögerung des Hauptsacheprozesses führen (a. a. O.).
Daher ist nicht nachvollziehbar, dass es einen Verfahrensmangel darstellen soll, "wenn ein Gericht einem Rechtsuchenden (bewusst) die Möglichkeit abschneidet, seine Entscheidung (ablehnender Prozesskostenhilfebeschluss) nach § 172 Abs. 2 Nr. 3 SGG durch das Rechtsmittelgericht überprüfen zu lassen, bevor über die Sache, für deren Durchführung PKH begehrt wird, entschieden ist" (so aber LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 6. Oktober 2008, L 6 B 15/08 U, dokumentiert in juris, Rn. 27). Damit wird das Prozesskostenhilfeverfahren mit dem Hauptsacheverfahren in einer Art und Weise verbunden, die bei Beachtung der Rechtsprechung des BVerfG nicht überzeugen kann. Folgte man nämlich der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt, führte dies zu einer faktischen Unterbrechung des Hauptsacheverfahrens.
Ebenfalls überzeugt nicht, dass eine Entscheidung in der Hauptsache vor der Entscheidung über die PKH-Beschwerde ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG darstellen soll (LSG Sachsen-Anhalt, a. a. O.).
Das grundrechtsgleiche Recht auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht in seine Erwägungen miteinbezogen wird (BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 2012, 1 BvR 1263/11, dokumentiert in juris, Rn. 21). Dagegen soll verstoßen werden, wenn es dem Rechtssuchenden nicht möglich ist, das Hauptsacheverfahren durch aus der PKH-Beschwerdeentscheidung abgeleiteten weiteren Sachvortrag zu seinen Gunsten zu beeinflussen (LSG Sachsen-Anhalt, a. a. O.). Hier wird unterstellt, dass auch zukünftiger, noch nicht erfolgter, nach weiterem Erkenntnisgewinn der Beteiligten aber hypothetisch möglicher Sachvortrag nach Art. 103 Abs. 1 GG zu berücksichtigen wäre. Dann könnte das Gericht jedoch nie entscheiden, da immer noch weiteres Vorbringen möglich ist. Art. 103 Abs. 1 Satz 1 GG kann nur in Hinsicht auf in Vergangenheit nicht berücksichtigten Beteiligtenvortrag, nicht jedoch auf in der Zukunft möglichen, es sei den, eine gesetzte Frist wird nicht abgewartet bzw. ist zu kurz, verletzt sein.
Die Klägerin wird auch nicht dadurch in ihrem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil ihr kein Prozessbevollmächtigter beigeordnet worden ist. Generell ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint (z. B. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 2012, 2 BvR 820/11, dokumentiert in juris, Rn. 10). Damit ist auch hinzunehmen, dass dem PKH-Antragsteller, wenn die PKH-Bewilligung abgelehnt wird, kein Rechtsanwalt beizuordnen ist. Ein Anwaltszwang besteht vor den Sozialgerichten ohnehin nicht. Im Übrigen war die Klägerin im vorliegenden Fall durchweg anwaltlich vertreten, so dass der Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz nicht beeinträchtigt war (BVerfG, Beschluss vom 4. April 2010, 1 BvR 362/10, dokumentiert in juris, Orientierungssatz 3b.).
Es trifft nicht zu, dass Sinn und Zweck des PKH-Beschwerdeverfahrens ist, dass der Rechtssuchende das Hauptsacheverfahren durch weiteren Sachvortrag beeinflussen kann (so aber LSG Sachsen-Anhalt, a. a. O., Rn. 27). Die Gewährung von Prozesskostenhilfe dient einer aus Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG folgenden weitgehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (z. B. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 2012, 2 BvR 820/11, dokumentiert in juris, Rn. 10). Aufgabe des Prozesskostenhilfeverfahrens ist es hingegen nicht, dem Antragsteller eine weitere Überprüfungsinstanz seines rechtlichen Vorbringens zu eröffnen. Dies würde eine Benachteiligung desjenigen Klägers darstellen, der keinen Prozesskostenhilfeanspruch hat. Dieser kann sein Klagevorbringen im Prozesskostenhilfeverfahren (zum Erfordernis einer substantiierten Darstellung des Streitverhältnisses im PKH-Verfahren siehe BVerfG, Beschluss vom 14. April 2010, 1 BvR 362/10, dokumentiert in juris, Rn. 15) nicht durch eine PKH-Beschwerde überprüfen lassen.
Im Übrigen kann der Klägerin, sollte das Beschwerdegericht die Erfolgsaussichten anders bewerten als das Sozialgericht, rückwirkend für das sozialgerichtliche Verfahren Prozesskostenhilfe gewährt werden, da maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten im Rahmen der Prüfung des Anspruchs auf Prozesskostenhilfe der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags in der ersten Instanz ist (z. B. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 19. März 2009, L 7 AS 64/09 PKH, Leitsatz; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Juni 2011, L 25 AS 211/10 B PKH, 2. Orientierungssatz; Beschluss vom 28. Juni 2011, L 25 AS 438/09 B PKH, 1. Orientierungssatz; Beschluss vom 18. April 2012, L 27 P 37/11 B PKH, Rn. 3; OVG Lüneburg, Beschluss vom 23. Januar 2013, 2 PA 387/12, Rn. 7,8; anderer Ansicht z. B. Landesozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. Oktober 2011, L 19 AS 779/11 B, Orientierungssatz; alle dokumentiert in juris). Somit besteht auch hier nicht das Erfordernis, die Entscheidung des Beschwerdegerichts abzuwarten, da andernfalls eine PKH-Bewilligung nach abweisendem Urteil nicht mehr möglich wäre.
Der Bescheid der Beklagten vom 8. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, da sie keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung hat.
Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie unter anderem voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie unter anderem teilweise erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist erwerbsgemindert nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der Anspruch auf eine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung besteht nicht, da die Klägerin noch in der Lage ist, sechs Stunden und mehr täglich zumindest leichte Tätigkeiten zu verrichten.
Das Leistungsvermögen steht für das Gericht aufgrund des im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachtens von Dr. A., Fachärztin für Innere Medizin/Pneumologie, vom 23. Februar 2012 fest. Diese schätzte ein, dass die Klägerin noch in der Lage ist, sechs Stunden und mehr am Tag leichte körperliche Tätigkeiten zu verrichten, wobei die Exposition gegenüber Kaltluft sowie Rauchen und Gasen gemieden werden muss.
Die Klägerin leidet an einer COPD (chronisch obstruktive Lungenkrankheit). Nach der sozialmedizinischen Literatur orientiert sich bei einer COPD die Leistungsbeurteilung an der Schwere der objektivierten Lungenfunktionseinschränkungen unter Berücksichtigung des individuellen Krankheitsverlaufes. Beschwerden wie Dyspnoe, Husten und Auswurf sollten immer im Kontext mit den Funktionsbefunden bewertet werden. Ein einzelner Funktionswert reicht zur Leistungsbeurteilung nicht aus. Eine schlüssige Leistungsbeurteilung setzt darüber hinaus die Prüfung der einzelnen Funktionsbefunde auf ihre Plausibilität voraus. Zur Beurteilung der körperlichen Leistungsfähigkeit sollte grundsätzlich der Gasaustausch unter Belastung einbezogen werden (Leitlinien für die sozialmedizinische Begutachtung, Leistungsfähigkeit bei chronisch obstruktive Lungenkrankheit (COPD) und Asthma bronchiale, Stand Januar 2010, Deutsche Rentenversicherung, S. 35, abrufbar unter www.deutsche-rentenversicherung.de, Pfad: Angebote für spezielle Zielgruppen ) Sozialmedizin und Forschung ) Sozialmedizin ) Sozialmedizinische Begutachtung ) Leitlinien zur Begutachtung). Bei einer COPD können leichte körperliche Arbeiten zugemutet werden bei einer ergometrischen Belastbarkeit von 50 bis 75 Watt, einer mittelgradigen Funktionsstörung der Einsekundenkapazität zwischen 50 und 70 % vom Soll, einer relativen Einsekundenkapazität von 40 bis 70 % bzw. einer Resistance von 0,5 bis 1,0 kPa/l s (Leitlinien S. 36).
Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze überzeugt das Ergebnis des Gutachtens.
Die Klägerin äußerte gegenüber der Gutachterin, nur bei Belastung unter einer Kurzatmigkeit (Dyspnoe) zu leiden. Drei- bis fünfmal täglich benutzt sie ihr Notfallspray. Husten und Auswurf bestünden nur gering.
Die Klägerin ist von der Gutachterin umfassend pneumologisch untersucht worden. Es wurde unter anderem eine Bodyplethysmografie (Bestimmung einer Volumen-, Fluss- oder Druckmessgröße durch Aufzeichnung einer Volumenänderung) durchgeführt. Diese liefert verlässlichere Ergebnisse als eine Spirometrie (Messung einer Volumenänderung infolge von Atembewegungen des Patienten), da diese nicht mitarbeitsabhängig ist (Leitlinien S. 20). Außerdem wurde, wie in den Leitlinien gefordert, eine Belastungserprobung mit einer Blutgasanalyse (Ergooxytensiometrie) durchgeführt.
Bei der Ergooxytensiometrie konnte die Klägerin 5 Minuten lang bei 60 Watt belastet werden. Abbruchgrund war eine muskuläre Erschöpfung sowie die Angabe einer deutlichen Kurzatmigkeit durch die Klägerin. Die Gutachterin schätzte ein, dass die geringe Belastbarkeit vordergründig auf einen Konditionsmangel der Klägerin beruhe. Elektrokardiografisch fanden sich keine Auffälligkeiten, signifikante ST-Streckenveränderungen zeigten sich nicht (beides mögliche Hinweise auf eine Fehlfunktion des Herzens). Bei der Bodyplethysmografie konnte eine Einsekundenkapazität von 54 % des Sollwertes bzw. nach Gabe eines bronchienerweiternden Medikamentes von 64 % des Sollwertes gemessen werden. Die relative Einsekundenkapazität lag bei 64 % bzw. nach Gabe des Mittels bei 71 %. Der Atemwegswiderstand (Resistance) betrug zwar vor Gabe des bronchienerweiternden Mittels 1,03 kPa/l s und lag damit gering über dem oben angegebenen Korridor, nach der Gabe des Mittels konnte jedoch sogar ein Wert von unter 0,50 kPa/l s (0,43 kPa/l s) erreicht werden. Dieser Wert würde bei einer Belastbarkeit für mittelschwere Tätigkeiten zu Grunde gelegt (Leitlinien S. 35).
Da die Klägerin selber angegeben hat, bei Belastung unter einer Kurzatmigkeit zu leiden, ist nachvollziehbar, dass nicht belastende leichte Tätigkeiten, z. B. Sortiertätigkeiten im Sitzen, noch verrichtet werden können. Insoweit sind die Selbstangaben der Klägerin mit dem gefundenen Ergebnis vereinbar. Auch eine 5malige Nutzung des Notfallsprays würde sie nicht daran hindern.
Die im Klageverfahren angeschriebenen Ärzte der Klägerin haben keine Befundverschlechterung mitgeteilt. Die behandelnde Pneumologin Dr. J. hat im Juli 2012 eine Einsekundenkapazität von 61 % des Sollwertes, eine relative Einsekundenkapazität von 57 % und einen Atemwegswiderstand von 0,62 kPa/l s gemessen. Diese Werte lassen ebenfalls den Schluss auf eine leichte Tätigkeit zu. Eine bei der Klägerin bestehende Fettstoffwechselstörung wird durch den Hausarzt Dipl.-Med. G. mit lipidsenkenden Mitteln behandelt.
Die Gewährung der Rehabilitationsmaßnahme führt auch nicht dazu, dass an der Leistungseinschätzung zu zweifeln ist. Dr. A. hatte, unabhängig von der Leistungseinschätzung, eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme zur Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit empfohlen. Insbesondere der Umstand, dass die Klägerin nach wie vor raucht (nach eigenen Angaben bei der Gutachterin 5 Zigaretten am Tag) und im Rahmen einer Rehabilitation auch ein Nichtrauchertraining durchgeführt werden kann (Leitlinien S. 36), legt eine Rehabilitation nahe. Eine Nikotinkarenz ist unabdingbar für eine weitere Verbesserung des Leistungsbildes. Außerdem können bei der Rehabilitation die medikamentöse Behandlung verbessert, bessere Inhalationstechniken erlernt, Krankheitsbewältigungsstrategien vermittelt und mit körperlichem Training die Leistungsfähigkeit verbessert werden (Leitlinien S. 36). Dies ist wiederum nützlich in Hinsicht auf den von der Gutachterin festgestellten Konditionsmangel der Klägerin.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Klägerin streitet mit der Beklagten nur noch über die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ist nicht mehr streitig.
Die 1952 geborene Klägerin beantragte am 11. November 2011 bei der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte holte einen Befundbericht des Hausarztes der Klägerin ein (Dipl.-Med. G., Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 20. Dezember 2011, Seite 3 Gutachtenteil Verwaltungsakte). Außerdem lag der Beklagten ein Gutachten der Agentur für Arbeit H. vom 12. April 2010 vor (Seite 7 Gutachtenteil Verwaltungsakte). Die Beklagte beauftragte Dr. A., Fachärztin für Innere Medizin/Pneumologie, ein Gutachten zum Leistungsvermögen der Klägerin zu erstellen (Gutachten vom 23. Februar 2012, Seite 12 Gutachtenteil Verwaltungsakte). Mit Bescheid vom 8. März 2012 lehnte die Beklagte den Antrag ab (Seite 69 Verwaltungsakte). Ihren am 5. April 2012 erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin unter anderem damit, dass bei ihr eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) mit einem Lungenemphysem vorliege. Eine COPD sei eine schwere, fortschreitende Lungenerkrankung. Sie leide nicht nur bei körperlicher Belastung sondern auch in Ruhephasen unter Atemnot. Sie habe in den letzten Jahren erheblich an Gewicht und Muskelmasse verloren, was mit einem erheblichen Funktionsverlust verbunden sei. Sie sei ständig erschöpft und ihre körperliche Leistungsfähigkeit sei eingeschränkt. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. September 2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück (Seite 84 Verwaltungsakte). Darin führte sie unter anderem aus, dass bei der Klägerin ein Leistungsvermögen für mindestens sechs Stunden täglich für leichte Arbeiten mit weiteren Funktionseinschränkungen vorliege.
Am 25. September 2012 hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht Halle erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Sie sei ständig bei der Fachärztin für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. J. in Behandlung, die eine dauerhafte Belastungseinschränkung des Atmungssystems infolge chronisch asthmatischer Lungenfunktionsstörung mit zusätzlicher Lungenüberblähung diagnostiziert habe. Sie sei nicht erwerbsfähig, da ihr eine Erwerbstätigkeit von mindestens sechs Stunden täglich nicht zuzumuten sei. Dass die behandelnden Ärzte sie, die Klägerin, nicht arbeitsunfähig geschrieben hätten, sei nicht relevant, da sie seit Jahren durchweg arbeitslos und Bezieherin von SGB II-Leistungen sei.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 8. März 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2012 zu verurteilen, der Klägerin ab 1. Dezember 2011 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie sieht sich nicht veranlasst, die Beurteilung der gegebenen Sach- und Rechtslage zu Gunsten der Klägerin abzuändern.
Das Gericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin eingeholt (Dipl.-Med. G., vom 9. Dezember 2012, Seite 29 Gerichtsakte; Dr. J., vom 13. Dezember 2012, Seite 33 Gerichtsakte).
Mit Bescheid vom 14. Dezember 2012 hat die Beklagte der Klägerin eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation bewilligt. Diese hat die Klägerin noch nicht angetreten, da sie, nach Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, aus persönlichen Gründen eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme wünsche. Mit Beschluss vom 31. Januar 2013 hat das Gericht den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Gegen den Beschluss hat die Klägerin Beschwerde bei dem Landessozialgericht eingelegt, über die noch nicht entschieden worden ist.
Wegen des Inhalts der Befundberichte und des Gutachtens von Dr. A. wird auf die angegebenen Seiten der Verwaltungs- und Gerichtsakte verwiesen. Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 54 Abs. 1 und 4 SGG als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässige Klage ist nicht begründet.
Das Gericht ist auch nicht dadurch an einer Entscheidung gehindert, dass über die von der Klägerin eingelegte Beschwerde gegen den ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss vom 31. Januar 2013 noch nicht entschieden worden ist (andere Ansicht für den Fall, dass durch Gerichtsbescheid entschieden worden ist: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 6. Oktober 2008, L 6 B 15/08 U, dokumentiert in juris).
Das Prozesskostenhilfeverfahren ist ein nichtstreitiges parteieinseitiges Antragsverfahren des PKH-Antragstellers bei Gericht, in dem über die Gewährung staatlicher Hilfe entschieden wird (Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- Verfahrenskostenhilfe Beratungshilfe, 6. Auflage, Rn. 152). Eine für den Hauptprozess verbindliche Vorentscheidung zur Sache fällt im Bewilligungsverfahren nicht (Liegl in Poller/Teubel, Gesamtes Kostenhilferecht, § 118, Rn. 4). Es ist vielmehr ein zu dem Hauptsacheverfahren selbstständiges Verfahren und unterbricht dieses bereits rechtshängige Verfahren in der Hauptsache nicht (BVerfG, Beschluss vom 30. Juli 2009, 1 BvR 2662/06, Rn. 31, dokumentiert in juris). Die Erledigung des Prozesskostenhilfeverfahrens darf grundsätzlich nicht zu einer Verzögerung des Hauptsacheprozesses führen (a. a. O.).
Daher ist nicht nachvollziehbar, dass es einen Verfahrensmangel darstellen soll, "wenn ein Gericht einem Rechtsuchenden (bewusst) die Möglichkeit abschneidet, seine Entscheidung (ablehnender Prozesskostenhilfebeschluss) nach § 172 Abs. 2 Nr. 3 SGG durch das Rechtsmittelgericht überprüfen zu lassen, bevor über die Sache, für deren Durchführung PKH begehrt wird, entschieden ist" (so aber LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 6. Oktober 2008, L 6 B 15/08 U, dokumentiert in juris, Rn. 27). Damit wird das Prozesskostenhilfeverfahren mit dem Hauptsacheverfahren in einer Art und Weise verbunden, die bei Beachtung der Rechtsprechung des BVerfG nicht überzeugen kann. Folgte man nämlich der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt, führte dies zu einer faktischen Unterbrechung des Hauptsacheverfahrens.
Ebenfalls überzeugt nicht, dass eine Entscheidung in der Hauptsache vor der Entscheidung über die PKH-Beschwerde ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG darstellen soll (LSG Sachsen-Anhalt, a. a. O.).
Das grundrechtsgleiche Recht auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht in seine Erwägungen miteinbezogen wird (BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 2012, 1 BvR 1263/11, dokumentiert in juris, Rn. 21). Dagegen soll verstoßen werden, wenn es dem Rechtssuchenden nicht möglich ist, das Hauptsacheverfahren durch aus der PKH-Beschwerdeentscheidung abgeleiteten weiteren Sachvortrag zu seinen Gunsten zu beeinflussen (LSG Sachsen-Anhalt, a. a. O.). Hier wird unterstellt, dass auch zukünftiger, noch nicht erfolgter, nach weiterem Erkenntnisgewinn der Beteiligten aber hypothetisch möglicher Sachvortrag nach Art. 103 Abs. 1 GG zu berücksichtigen wäre. Dann könnte das Gericht jedoch nie entscheiden, da immer noch weiteres Vorbringen möglich ist. Art. 103 Abs. 1 Satz 1 GG kann nur in Hinsicht auf in Vergangenheit nicht berücksichtigten Beteiligtenvortrag, nicht jedoch auf in der Zukunft möglichen, es sei den, eine gesetzte Frist wird nicht abgewartet bzw. ist zu kurz, verletzt sein.
Die Klägerin wird auch nicht dadurch in ihrem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil ihr kein Prozessbevollmächtigter beigeordnet worden ist. Generell ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint (z. B. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 2012, 2 BvR 820/11, dokumentiert in juris, Rn. 10). Damit ist auch hinzunehmen, dass dem PKH-Antragsteller, wenn die PKH-Bewilligung abgelehnt wird, kein Rechtsanwalt beizuordnen ist. Ein Anwaltszwang besteht vor den Sozialgerichten ohnehin nicht. Im Übrigen war die Klägerin im vorliegenden Fall durchweg anwaltlich vertreten, so dass der Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz nicht beeinträchtigt war (BVerfG, Beschluss vom 4. April 2010, 1 BvR 362/10, dokumentiert in juris, Orientierungssatz 3b.).
Es trifft nicht zu, dass Sinn und Zweck des PKH-Beschwerdeverfahrens ist, dass der Rechtssuchende das Hauptsacheverfahren durch weiteren Sachvortrag beeinflussen kann (so aber LSG Sachsen-Anhalt, a. a. O., Rn. 27). Die Gewährung von Prozesskostenhilfe dient einer aus Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG folgenden weitgehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (z. B. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 2012, 2 BvR 820/11, dokumentiert in juris, Rn. 10). Aufgabe des Prozesskostenhilfeverfahrens ist es hingegen nicht, dem Antragsteller eine weitere Überprüfungsinstanz seines rechtlichen Vorbringens zu eröffnen. Dies würde eine Benachteiligung desjenigen Klägers darstellen, der keinen Prozesskostenhilfeanspruch hat. Dieser kann sein Klagevorbringen im Prozesskostenhilfeverfahren (zum Erfordernis einer substantiierten Darstellung des Streitverhältnisses im PKH-Verfahren siehe BVerfG, Beschluss vom 14. April 2010, 1 BvR 362/10, dokumentiert in juris, Rn. 15) nicht durch eine PKH-Beschwerde überprüfen lassen.
Im Übrigen kann der Klägerin, sollte das Beschwerdegericht die Erfolgsaussichten anders bewerten als das Sozialgericht, rückwirkend für das sozialgerichtliche Verfahren Prozesskostenhilfe gewährt werden, da maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten im Rahmen der Prüfung des Anspruchs auf Prozesskostenhilfe der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags in der ersten Instanz ist (z. B. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 19. März 2009, L 7 AS 64/09 PKH, Leitsatz; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Juni 2011, L 25 AS 211/10 B PKH, 2. Orientierungssatz; Beschluss vom 28. Juni 2011, L 25 AS 438/09 B PKH, 1. Orientierungssatz; Beschluss vom 18. April 2012, L 27 P 37/11 B PKH, Rn. 3; OVG Lüneburg, Beschluss vom 23. Januar 2013, 2 PA 387/12, Rn. 7,8; anderer Ansicht z. B. Landesozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. Oktober 2011, L 19 AS 779/11 B, Orientierungssatz; alle dokumentiert in juris). Somit besteht auch hier nicht das Erfordernis, die Entscheidung des Beschwerdegerichts abzuwarten, da andernfalls eine PKH-Bewilligung nach abweisendem Urteil nicht mehr möglich wäre.
Der Bescheid der Beklagten vom 8. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, da sie keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung hat.
Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie unter anderem voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie unter anderem teilweise erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist erwerbsgemindert nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der Anspruch auf eine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung besteht nicht, da die Klägerin noch in der Lage ist, sechs Stunden und mehr täglich zumindest leichte Tätigkeiten zu verrichten.
Das Leistungsvermögen steht für das Gericht aufgrund des im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachtens von Dr. A., Fachärztin für Innere Medizin/Pneumologie, vom 23. Februar 2012 fest. Diese schätzte ein, dass die Klägerin noch in der Lage ist, sechs Stunden und mehr am Tag leichte körperliche Tätigkeiten zu verrichten, wobei die Exposition gegenüber Kaltluft sowie Rauchen und Gasen gemieden werden muss.
Die Klägerin leidet an einer COPD (chronisch obstruktive Lungenkrankheit). Nach der sozialmedizinischen Literatur orientiert sich bei einer COPD die Leistungsbeurteilung an der Schwere der objektivierten Lungenfunktionseinschränkungen unter Berücksichtigung des individuellen Krankheitsverlaufes. Beschwerden wie Dyspnoe, Husten und Auswurf sollten immer im Kontext mit den Funktionsbefunden bewertet werden. Ein einzelner Funktionswert reicht zur Leistungsbeurteilung nicht aus. Eine schlüssige Leistungsbeurteilung setzt darüber hinaus die Prüfung der einzelnen Funktionsbefunde auf ihre Plausibilität voraus. Zur Beurteilung der körperlichen Leistungsfähigkeit sollte grundsätzlich der Gasaustausch unter Belastung einbezogen werden (Leitlinien für die sozialmedizinische Begutachtung, Leistungsfähigkeit bei chronisch obstruktive Lungenkrankheit (COPD) und Asthma bronchiale, Stand Januar 2010, Deutsche Rentenversicherung, S. 35, abrufbar unter www.deutsche-rentenversicherung.de, Pfad: Angebote für spezielle Zielgruppen ) Sozialmedizin und Forschung ) Sozialmedizin ) Sozialmedizinische Begutachtung ) Leitlinien zur Begutachtung). Bei einer COPD können leichte körperliche Arbeiten zugemutet werden bei einer ergometrischen Belastbarkeit von 50 bis 75 Watt, einer mittelgradigen Funktionsstörung der Einsekundenkapazität zwischen 50 und 70 % vom Soll, einer relativen Einsekundenkapazität von 40 bis 70 % bzw. einer Resistance von 0,5 bis 1,0 kPa/l s (Leitlinien S. 36).
Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze überzeugt das Ergebnis des Gutachtens.
Die Klägerin äußerte gegenüber der Gutachterin, nur bei Belastung unter einer Kurzatmigkeit (Dyspnoe) zu leiden. Drei- bis fünfmal täglich benutzt sie ihr Notfallspray. Husten und Auswurf bestünden nur gering.
Die Klägerin ist von der Gutachterin umfassend pneumologisch untersucht worden. Es wurde unter anderem eine Bodyplethysmografie (Bestimmung einer Volumen-, Fluss- oder Druckmessgröße durch Aufzeichnung einer Volumenänderung) durchgeführt. Diese liefert verlässlichere Ergebnisse als eine Spirometrie (Messung einer Volumenänderung infolge von Atembewegungen des Patienten), da diese nicht mitarbeitsabhängig ist (Leitlinien S. 20). Außerdem wurde, wie in den Leitlinien gefordert, eine Belastungserprobung mit einer Blutgasanalyse (Ergooxytensiometrie) durchgeführt.
Bei der Ergooxytensiometrie konnte die Klägerin 5 Minuten lang bei 60 Watt belastet werden. Abbruchgrund war eine muskuläre Erschöpfung sowie die Angabe einer deutlichen Kurzatmigkeit durch die Klägerin. Die Gutachterin schätzte ein, dass die geringe Belastbarkeit vordergründig auf einen Konditionsmangel der Klägerin beruhe. Elektrokardiografisch fanden sich keine Auffälligkeiten, signifikante ST-Streckenveränderungen zeigten sich nicht (beides mögliche Hinweise auf eine Fehlfunktion des Herzens). Bei der Bodyplethysmografie konnte eine Einsekundenkapazität von 54 % des Sollwertes bzw. nach Gabe eines bronchienerweiternden Medikamentes von 64 % des Sollwertes gemessen werden. Die relative Einsekundenkapazität lag bei 64 % bzw. nach Gabe des Mittels bei 71 %. Der Atemwegswiderstand (Resistance) betrug zwar vor Gabe des bronchienerweiternden Mittels 1,03 kPa/l s und lag damit gering über dem oben angegebenen Korridor, nach der Gabe des Mittels konnte jedoch sogar ein Wert von unter 0,50 kPa/l s (0,43 kPa/l s) erreicht werden. Dieser Wert würde bei einer Belastbarkeit für mittelschwere Tätigkeiten zu Grunde gelegt (Leitlinien S. 35).
Da die Klägerin selber angegeben hat, bei Belastung unter einer Kurzatmigkeit zu leiden, ist nachvollziehbar, dass nicht belastende leichte Tätigkeiten, z. B. Sortiertätigkeiten im Sitzen, noch verrichtet werden können. Insoweit sind die Selbstangaben der Klägerin mit dem gefundenen Ergebnis vereinbar. Auch eine 5malige Nutzung des Notfallsprays würde sie nicht daran hindern.
Die im Klageverfahren angeschriebenen Ärzte der Klägerin haben keine Befundverschlechterung mitgeteilt. Die behandelnde Pneumologin Dr. J. hat im Juli 2012 eine Einsekundenkapazität von 61 % des Sollwertes, eine relative Einsekundenkapazität von 57 % und einen Atemwegswiderstand von 0,62 kPa/l s gemessen. Diese Werte lassen ebenfalls den Schluss auf eine leichte Tätigkeit zu. Eine bei der Klägerin bestehende Fettstoffwechselstörung wird durch den Hausarzt Dipl.-Med. G. mit lipidsenkenden Mitteln behandelt.
Die Gewährung der Rehabilitationsmaßnahme führt auch nicht dazu, dass an der Leistungseinschätzung zu zweifeln ist. Dr. A. hatte, unabhängig von der Leistungseinschätzung, eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme zur Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit empfohlen. Insbesondere der Umstand, dass die Klägerin nach wie vor raucht (nach eigenen Angaben bei der Gutachterin 5 Zigaretten am Tag) und im Rahmen einer Rehabilitation auch ein Nichtrauchertraining durchgeführt werden kann (Leitlinien S. 36), legt eine Rehabilitation nahe. Eine Nikotinkarenz ist unabdingbar für eine weitere Verbesserung des Leistungsbildes. Außerdem können bei der Rehabilitation die medikamentöse Behandlung verbessert, bessere Inhalationstechniken erlernt, Krankheitsbewältigungsstrategien vermittelt und mit körperlichem Training die Leistungsfähigkeit verbessert werden (Leitlinien S. 36). Dies ist wiederum nützlich in Hinsicht auf den von der Gutachterin festgestellten Konditionsmangel der Klägerin.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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