S 5 EG 17/14

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 EG 17/14
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 7. März 2014 in Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 24. März 2014 wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Tatbestand:


Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Elterngeld bei einer Zwillingsgeburt im Wege der Überprüfung streitig.

Mit Bescheid vom 09.12.2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin für die am 2008 geborenen Zwillinge L. und L. nur einmal Elterngeld im Zeitraum vom 04.09.2008 bis 03.09.2009.

Auf ihren Überprüfungsantrag vom 02.03.2012 lehnte es der Beklagte mit Bescheid vom 07.03.2014 ab, der Klägerin weiteres Elterngeld zu gewähren. Zwar habe das Bundessozialgericht (BSG) mit den Urteilen vom 27.06.2013 entschieden, dass bei Mehrlingsgeburten für jedes Kind Elterngeld zustehe. Sozialleistungen würden aber längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei werde der Zeitpunkt der Rücknahme vom Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Bescheid zurückgenommen werde. Erfolge die Rücknahme auf Antrag, trete bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen seien, anstelle der Rücknahme der Antrag. Der Antrag vom 02.03.2014 wirke daher maximal bis zum 01.01.2010, also ab Beginn des vierten Kalenderjahres vor der Antragstellung, zurück. Der Anspruch auf Elterngeld endete jedoch bereits spätestens am 03.11.2009.

Im nachfolgenden Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, sie habe durch Zufall von ihrem Anspruch auf Elterngeld bei Zwillingsgeburten erfahren. Sie habe vorher nichts mitbekommen. Die Medieninformationen seien an der Klägerin vorbeigegangen. Sie beantrage eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Gleichwohl wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24.03.2014 zurück. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 09.12.2008 sei über den Anspruch auf Elterngeld für die Zwillinge L. und L. rechtsverbindlich entschieden worden. Der erneute Antrag auf Zahlung eines eigenen Elterngeldanspruchs für das Zwillingskind L. sei als Antrag auf Rücknahme eines nicht begünstigenden Verwaltungsaktes zu werten. Eine Rücknahme der getroffenen Entscheidung könne erst ab 01.01.2010 erfolgen. Zu diesem Zeitpunkt seien aber die ersten Lebensmonate des beantragten Zeitraums für den Bezug von Elterngeld bereits abgelaufen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand käme zu keinem anderen Ergebnis, da die zeitliche Begrenzung des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in entsprechender Weise bei der Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu berücksichtigen wäre. Unabhängig davon sei keine besondere Informationspflicht vorgelegen.

Dagegen hat die Klägerin am 24.04.2014 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben und sinngemäß beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 07.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.03.2014 zu verurteilen, der Klägerin weiteres Elterngeld zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Beklagten- und Gerichtsakten Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die gemäß §§ 87, 90, 92 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene Klage zum sachlich und örtlich zuständigen Sozialgericht Augsburg (§§ 8, 51 Abs. 1 Nr. 10, 57 SGG, Art. 9 Satz 1 Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz - BayLErzGG -) ist zwar zulässig.

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid vom 07.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.03.2014 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zutreffend hat es der Beklagte abgelehnt, seine Entscheidung vom 09.12.2008 dahingehend zu korrigieren, dass der Klägerin auch für den zweiten Zwilling Elterngeld zusteht.

Hinsichtlich der Begründung macht sich das Gericht die zutreffenden Ausführungen des Beklagten in den streitbefangenen Bescheiden zu eigen, § 136 Abs. 3 SGG. Ergänzend merkt es Folgendes an:

Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist der Verwaltungsakt - wie hier -, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Allerdings werden nach § 44 Abs. 4 SGB X Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Ob die Behörde den rechtswidrigen Erlass des Bescheides verschuldet hat, ist für die Anwendbarkeit des § 44 Abs. 4 SGB X nicht von Belang (BSG, Urteil vom 11.04.1985, 4b/9a RV 5/84).

Bei der Begrenzung der Leistungserbringung nach § 44 Abs. 4 SGB X handelt es sich nicht um eine Einrede, sondern um eine materiell-rechtliche Einschränkung im Sinne einer Ausschlussfrist, die von den Leistungsträgern und den Gerichten von Amts wegen zu beachten ist (BSG, Urteil vom 23.07.1986, 1 RA 31/85).

Hiervon ausgehend ist an die Klägerin kein weiteres Elterngeld mehr zu erbringen. Diese stellte ihren Überprüfungsantrag erst am 02.03.2014. Damit könnte rückwirkend Elterngeld nur bis zum 01.01.2010 erbracht werden. Der Bezug von Elterngeld ist aber nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) auf die Zeit vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats des Kindes begrenzt. Damit hätte der Klägerin nur bis maximal zum 03.11.2009 Elterngeld bewilligt werden können.

Die Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X ist analog anzuwenden, wenn ein Vorenthalten von Leistungen auf sonstigem hoheitlichen Handeln beruht, insbesondere, wenn Leistungen auf der Grundlage des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nachträglich zu erbringen sind. Dem liegt die Überlegung zu Grunde, dass die Verletzung einer Nebenpflicht nicht weiterreichende Folgen haben kann als die Verletzung der Hauptpflicht, den bestehenden Leistungsanspruch festzustellen und zu erfüllen (BSG, Urteil vom 09.09.1986, 11a RA 28/85). Infolgedessen kann hier offenbleiben, ob der Beklagte eine Beratungspflicht verletzt hat.

Die Klage konnte daher keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge des § 193 SGG abzuweisen.
Rechtskraft
Aus
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