Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 KR 171/16
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme nach CI-Implantat.
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 10. August 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. März 2016 verurteilt, dem Kläger eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die ihm entstandenen notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung zu erstatten.
Tatbestand:
Streitgegenständlich ist die Gewährung einer stationären Rehabilitation (Reha).
Der 1945 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er erhielt im Juni 2012 ein Cochlea-Implantat links und im August 2014 ein Cochlea-Implantat rechts.
Mit Schreiben des Universitätsklinikums C-Stadt vom 26.05.2015, bei der Beklagten eingegangen am 10.06.2015, wurde für den Kläger die Gewährung einer stationären Reha-Maßnahme beantragt. Es seien regelmäßige Anpassungen der Sprachprozessoren sowie ein intensives logopädisches Training und Eigentraining durch den Kläger erfolgt, dennoch bestehe weiterer Verbesserungsbedarf zur Optimierung des Sprachverstehens, daher werde die Durchführung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme, z.B. in N., empfohlen. Nachgereicht worden ist am 19.06.2015 ein Formblattantrag des Klägers, in dem angegeben wird, die Reha-Maßnahme werde beantragt, um ein besseres Sprachverständnis zu erreichen, bessere Tinnitusbewältigung und Erleichterung der Bandscheibenbeschwerden. Am 15.07.2015 wurde eine ärztliche Verordnung der Hausärztin vom 13.07.2015 nachgereicht unter Beifügung umfangreicher Arztbriefe zu den Diagnosen: Chronisch-degeneratives LWS-Syndrom, Chondrocalcinose (rechtes Knie), Schwerhörigkeit beidseits bei Zustand nach Implantation Cochlea. Die dringende Reha-Notwendigkeit ergebe sich aus dem immensen Leidensdruck des Patienten bei Angaben der rehabilitationsrelevanten Schädigungen: Zustand nach Gehörsturz, Zustand nach Cochlea-Implantat wegen Schwerhörigkeit, Gleichgewichtsorgan beschädigt, Lumbalgie, Probleme beim Bücken, Heben, Tragen, Senk-Spreizfuß.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 07.08.2015 ein, wonach eine stationäre CI-Rehabilitation bei postlingual ertaubten Erwachsenen nur in sehr seltenen Fällen notwendig sei. Zunächst seien alle ambulanten Möglichkeiten auszuschöpfen. In diesem Fall sei zu allererst eine logopädische Behandlung anzusetzen, gegebenenfalls seien weitere Maßnahmen, z.B. psychologische Mitbetreuung etc. einzuleiten. Die Ausschöpfung dieser Maßnahmen könne nicht nachgewiesen werden. Vorrangig vor einer stationären Therapie sei auch eine ambulante Reha-Maßnahme. Eine sozialmedizinische Indikation zu einer stationären Reha-Maß-nahme bestehe nicht.
Mit Bescheid vom 10.08.2015 lehnte die Beklagte den Antrag unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des MDK ab.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 18.08.2015 Widerspruch, bei der Beklagten eingegangen am 19.08.2015. Nach Kenntnis des Klägers würden bei allen großen CI-Kliniken die Patienten zur Nachsorge in einer Reha-Abteilung stationär aufgenommen, dort sei die logopädische Behandlung und die mehrmalige Anpassung der Prozessoren gewährleistet. Nachgereicht worden ist ein Attest des Universitätsklinikums C-Stadt vom 25.11.2015: Der Kläger sei nach mehreren Hörstürzen beidseits ertaubt. Am 12.06.2012 habe der Kläger ein Cochlea-Implantat links, am 14.08.2014 ein Cochlea-Implantat rechts erhalten. Nach Erstanpassung des Audioprozessors sei ein intensives logopädisches Hörtraining und regelmäßige Feineinstellung beider Implantate erfolgt. Im Verlauf der Anpassungen sei es auf der rechten Seite bei insgesamt auch subjektiv sehr gutem Sprachverstehen zu anhaltenden Muskelzuckungen am Kinn rechts beim Tragen des Prozessors gekommen, daher hätten die Einstellungen entsprechend verändert werden müssen, mit negativen Auswirkungen auf das Sprachverstehen. Aktuell gebe der Kläger noch deutliche Probleme beim Verstehen von Stimmen mit bestimmten Frequenzbereichen an. Die Überprüfung zeige folgende Ergebnisse:
Aufblähkurve: beidseits seitengetrennt zwischen 30 und 40 dB Sprachtest im Freifeld in Ruhe: rechts 85 % bei 65 dB, links 65 % bei 65 dB, zusammen 70 % bei 65 dB OLSA mit CI links: 50 %-Schwelle bei 3,5 dB OLSA mit CI beidseits: 50 %-Schwelle bei 0,9 dB
Im Fall des Klägers werde eine stationäre Rehabilitation ausdrücklich befürwortet, um die Einstellung und gegenseitige Abstimmung der Prozessoren engmaschig zu optimieren. Gerade bei der Anpassung bilateral implantierter Patienten könne eine mehrmals tägliche oder zumindest tägliche Einstellung das Ergebnis deutlich verbessern, dies sei im ambulanten Setting nicht in diesem Maße zu bewerkstelligen. Auch von der multimodalen Therapie eines neu aufgetretenen Tinnitus, der den Kläger in zunehmendem Maße belaste und auch durch das Implantat nicht vollständig verschwinde, könne der Patient deutlich profitieren.
Die Beklagte holte ein weiteres sozialmedizinisches Gutachten des MDK vom 12.01.2016 ein. Dieser führt aus, das Ergebnis der OLSA sei irrelevant für die Einschätzung der Sprachverständigung unter Störschallbedingungen, da die Testreihen nicht zur Simulierung von Störschallbedingungen im täglichen sozialen Leben geeignet seien. Unabhängig vom Ergebnis könne gesagt werden, dass der Kläger bereits mit dem CI links ein ordentliches Sprachverständnis erreiche. Eine weitere technisch-audiologische Anpassung des CI rechts sei nicht Aufgabe einer Reha-Klinik sondern der implantierenden Uni-Klinik. Nach entsprechender optimalisierter Einstellung sei das weitere Üben durch Heilmitteltherapie notwendig, diese sollte sinnvollerweise im örtlichen CI-Zentrum erfolgen, wo in Ein- bis Dreitagesphasen eine intensive Therapie erfolgen könne, die wesentlich sinnvoller sei, als eine stationäre Rehabilitation, wo ca. 30 Therapieeinheiten an 15 Arbeitstagen durchgeführt würden. Letzteres sei nicht sinnvoll, sinnvoller sei vielmehr die Verteilung der Therapieeinheiten über einen Zeitraum von ein bis drei Jahren mit zwischenzeitlich weiterer Förderung durch Heilmitteltherapie und Übungen in häuslicher Umgebung. Eine Indikation für eine stationäre CI-Reha gebe es in der Regel nur bei Patienten, die aufgrund einer Multimorbidität bzw. erheblicher relevanter Schwindelerkrankungen oder einer extremen Sehbehinderung nicht in der Lage seien, ambulante Heilmitteltherapien oder eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme durchzuführen.
Nach erneuter Anhörung vom 18.01.2016 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 10.08.2015 mit Widerspruchsbescheid vom 09.03.2016 als unbegründet zurück. Nur wenn ambulante Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen am Wohnort nicht ausreichten, nicht durchführbar seien oder ohne Erfolg durchgeführt worden seien, könnten bei medizinischer Notwendigkeit ambulante Vorsorgekuren oder Reha-Maßnahmen in Betracht kommen. Stationäre Vorsorge- und Reha-Maßnahmen seien nur und erst dann indiziert, wenn ambulante Vorsorge- und Reha-Maßnahmen nicht ausreichend seien. Diese seien ausgeschlossen, solange die Therapiemöglichkeiten der vorhergehenden Stufen nicht ausgeschöpft seien. Dies sei hier nicht der Fall.
Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 21.03.2016 erhobene, am 05.04.2016 beim Sozialgericht Augsburg eingegangene Klage. Zur Begründung wird ausgeführt, das rechte Ohr des Klägers sei am 14.08.2014 mit einem Cochlea-Implantat versehen worden. Anschließend seien 50 logopädische Sitzungen erfolgt für das rechte und linke Ohr mit unbefriedigendem Hör-Ergebnis. 2016 seien weitere logopädische Sitzungen verschrieben worden. Nach den Heilmittelrichtlinien in der Logopädie sei für den Regelfall eine Verordnungsmenge von 50 Sitzungen vorgesehen. Bei weiterhin unzureichendem Hör-Ergebnis sei eine stationäre Reha-Maßnahme zu gewähren, in deren Rahmen auch eine Neueinstellung des Prozessors möglich wäre. Nachgereicht worden ist ein Attest zur Vorstellung des Klägers bei einer Diplom-Psychologin, wonach von psychischer Seite kein Behandlungsbedarf festzustellen sei.
Das Gericht hat einen aktuellen Befundbericht des Universitätsklinikums C-Stadt vom 26.07.2016 angefordert, in dem als Diagnosen angegeben werden: An Taubheit grenzende Hörminderung/Taubheit beidseits, Zustand nach Cochlea-Implantation links und rechts, bilaterale Vestibulopathie. Die beidseitige Hörminderung habe sich langfristig im Verlauf kontinuierlich verschlechtert, das Sprachverstehen habe sich durch die Implantate deutlich verbessert und sei mit Implantaten stabil geblieben. Die beklagten Beschwerden - Probleme beim Sprachverstehen in einem bestimmten Frequenzbereich - ließen sich durch die vorhandenen Testmaterialien nur unzureichend verifizieren. Verordnet und durchgeführt worden seien logopädisches Hörtraining, Eigentraining und regelmäßige Anpassungen des Sprachprozessors. Die ambulanten Möglichkeiten seien mittlerweile ausgeschöpft. Eine weitere Verbesserung des Sprachverstehens insbesondere in Gruppen und schwierigen Hörsituationen, wie z.B. am Telefon, sei aus medizinischer Sicht nur im Rahmen einer stationären Reha-Maßnahme möglich, die aus medizinischer Sicht auch notwendig sei. Ein positives Reha-Ergebnis sei zu erwarten, insbesondere das Sprachverstehen in komplexen Hörsituationen sollte verbessert werden können. Bei nebenbefundlich bestehender bilateraler Vestibulopathie sei auch hier eine intensive Therapie im Rahmen einer spezialisierten stationären Rehabilitation möglich und eine Verbesserung des Gleichgewichts zu erwarten. Vorgelegt worden ist eine tabellarische Darstellung der durch das Universitätsklinikum veranlassten Maßnahmen, insbesondere auch der CI-Anpassungen.
Die behandelnde Logopädin des Klägers hat auf gerichtliche Anforderung Befundbericht vom 25.08.2016 vorgelegt. Die Behandlung des Klägers erfolge seit Oktober 2014. Von Oktober 2014 bis Mai 2015 hätten eine Diagnostikstunde und 30 Therapieeinheiten ein- bis zweimal wöchentlich stattgefunden. Weitere 20 Therapieeinheiten hätten von Oktober 2015 bis März 2016 stattgefunden. Eine neue Heilmittelverordnung sei im Juni 2016 begonnen worden mit bisher acht Therapieeinheiten. Zu Beginn der logopädischen Therapie habe der Patient keine spezifischen Beschwerden geäußert. Nach beidseitiger CI-Versorgung habe bereits von Anfang an ein relativ gutes Sprachverstehen bestanden. Der Kläger habe im Zeitraum von vier Jahren eine sehr gute Hör- und Kommunikationstaktik entwickeln können, die jedoch sehr stark abhängig von der Örtlichkeit und der Anzahl der Gesprächspartner sei. Starke Hintergrundgeräusche und viele durcheinander sprechende Menschen erschwerten sein neues Hören. Rechts höre sich noch Vieles unnatürlich an. Das Sprachverstehen sei rechts eingeschränkter, Telefonieren finde hauptsächlich links statt. Aufgrund Muskelzuckungen habe die Einstellung verändert werden müssen, was sich negativ auf das Sprachverstehen rechts ausgewirkt habe. Gerade im Bereich von höheren Frequenzen zeige sich ein weniger sicheres Sprachverstehen sowie beim Verstehen ähnlich klingender Laute. Eine Verbesserung habe durch die Therapien erreicht werden können, es sei jedoch nicht zu einem aus logopädischer Sicht zufriedenstellenden Ergebnis gekommen, vielmehr zu einer Stagnation auf der rechten Seite, so dass ein Ungleichgewicht bestehe, das den Patienten sehr belaste. Aus diesem Grund werde aus logopädischer Sicht eine stationäre Reha-Maßnahme befürwortet, um die Einstellung und gegenseitige Abstimmung der Prozessoren engmaschig zu optimieren. Erfahrungsgemäß könne gerade bei der Anpassung bilateral implantierter Patienten durch die tägliche Einstellung das Ergebnis deutlich verbessert werden. Zudem würde sich eine Reha-Maßnahme positiv auf die Psyche des Klägers auswirken sowie auf orthopädische Probleme des Patienten.
Die Beklagte hat hierzu ein erneutes sozialmedizinisches Gutachten des MDK vom 01.12.2016 vorgelegt, der ausführt, die bisherige logopädische Beübung sei im Rahmen der Gesamtverordnungsmenge des Regelfalls erfolgt, selbstverständlich sei aber bei entsprechender Diagnostik und Begründung eine darüber hinausgehende Verordnung außerhalb des Regelfalls möglich. Natürlich sei aufgrund der Muskelmitbewegungen im Bereich des rechten Kinns die Verstärkungsleistung durch den Sprachprozessor und das CI begrenzt. Dies werde sich aber auch nicht durch eine stationäre Reha-Maßnahme innerhalb von drei Wochen bessern lassen. Außerdem erreiche der Kläger auch unter diesen Einschränkungen bereits ein Sprachverstehen, das ihn in die Lage versetze, offen zu kommunizieren. Eine engmaschige Optimierung und Einstellung der Prozessoren sei selbstverständlich auch in einem ambulanten Setting durch die implantierende Klinik möglich. Hierzu bedürfe es keiner stationären Reha-Maßnahme. Ein psychologischer Behandlungsbedarf sei von der Psychotherapeutin verneint worden. Es sei weder nachgewiesen, dass die ambulante logopädische Beübung ausgeschöpft sei, noch dass eine entsprechende Einstellung und Synchronisierung beider Sprachprozessoren nur durch eine stationäre Reha-Maßnahme erzielt werden könne. Vielmehr wäre es mit einer dreiwöchigen Reha-Maßnahme keineswegs getan, sondern es wären auch dann noch zusätzliche ambulante logopädische Sitzungen notwendig. Gerade z.B. das Telefonieren könne in logopädischer Beübung und durch Eigenübung optimiert werden. Die Einschränkungen durch die Vestibulopathie seien nicht durch entsprechende Befunde belegt, auch werde Reha-Fähigkeit angegeben, so dass die Erkrankung nicht sehr ausgeprägt sein könne. Das beschriebene Einsilbenverstehen zeige bereits hervorragende Werte für einen CI-Patienten, dass hier begründete Aussicht auf eine weitere Verbesserung bestehe, sei infrage zu stellen.
Auf Antrag des Klägers ist ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) des Prof. Dr. D., Professor für Audiologie mit Fachanerkennung medizinische Physik eingeholt worden, das dieser nach Untersuchung des Klägers vom 17.05.2017 am 28.06.2017 erstellt hat. Als Diagnose sei eine funktionelle Taubheit des Klägers beidseits festzustellen. Nach dem Ergebnis des Freiburger Sprachtests in Ruhe sei die Hörbehinderung nicht vollständig ausgeglichen, bei rechts geringerem Sprachverstehen als links. Der Oldenburger Satztest im Störgeräusch zeige stärkere Einschränkungen, besonders deutlich in Hörsituationen mit konkurrierenden Sprechern. Der Tinnitus werde nur in sehr ruhiger Umgebung bemerkt und sei als ausreichend gut kompensiert anzusehen, ebenso eine nachweisbare Einschränkung der Funktion der Gleichgewichtsorgane. Der Sachverständige führt aus, im Vergleich zu anderen CI-Trägern seien beim Kläger etwas stärkere Stimulationsströme erforderlich. Dadurch bestehe die Gefahr der Mitstimulation des Gesichtsnervs, die auf der rechten Seite auch zu beobachten sei. Hier kämen verschiedene Maßnahmen in Betracht. Eine Feinanpassung verschiedener Parameter könne geeignet sein, die Hörempfindung rechts zu verbessern. Auch könne durch weitere Programmeinstellungen das Sprachverstehen rechts optimiert werden. Zwar liege das Sprachverstehen in Ruhe bereits auf hohem Niveau, es bestehe aber weiterhin ein großes Defizit bei der Kommunikation im Störlärm. Aus der Auflistung des Universitätsklinikums C-Stadt ergebe sich, dass die Anpassung und Einstellung der CI-Prozessoren ausreichend oft erfolgt sei. Ebenfalls sei nach Erfahrung des Gutachters die logopädische Beübung in einer in den meisten Fällen ausreichenden Anzahl erfolgt. Da trotz der Beübung, die bereits über den Regelfall hinaus erfolgt sei, keine ausreichende Verbesserung erzielt habe werden können, müsse die ambulante Hörtherapie als ausgeschöpft angesehen werden. Eine weitere Verbesserung sei aber auch für den Kläger als möglich zu erachten. Hier erscheine die Durchführung einer Reha-Maßnahme erforderlich, wobei folgende Therapieziele verfolgt werden sollten:
1. initial ausschließliches Nutzen des rechten Sprachprozessors zur Verbesserung und Fortsetzung der Gewöhnung, gleichzeitig: 2. Feinanpassung des Rechtssprachprozessors zur Abstellung der Co-Stimulation des Gesichtsnervs
3. Feinanpassung beider CI-Prozessoren im Hinblick auf eine möglichst beidohrige Symmetrie der Abbildung der Hörreize 4. Bereitstellung mehrerer Hörprogramme, hier bei Nutzung der Möglichkeiten des adaptiven Beamformers beidseits, Ausprobe des Programms im Störgeräusch- situationen 5. Einzelhörtraining 6. Gruppenhörtraining in Ruhe/Störgeräusch 7. Telefontraining 8. Musiktraining 9.Training im Nutzen technischer Zusatzeinrichtungen 10. Gleichgewichtstraining
Eine ambulante Reha-Einrichtung sei in der Nähe des Wohnortes des Klägers nicht vorhanden. Im Hinblick auf die Vielzahl der möglichst zeitnah parallel durchzuführenden Maßnahmen sei eine ambulante Durchführung bei langen Anfahrtswegen zu entsprechend ausgerichteten CI-Rehabilitationszentren nicht sinnvoll. Nur eine stationäre Rehabilitation an einer hochspezialisierten Einrichtung könne die beschriebenen Arbeitspunkte in einem Zeitraum von drei bis fünf Wochen bewältigen. Die entsprechende Reha-Klinik müsse personell entsprechend ausgestattet sein, um eine engmaschige audiologische Kontrolle mit mehrfachen Nachführungen der Einstellung sowie die weiteren Therapiemaßnahmen zu gewährleisten, da nur so eine Verbesserung der Hörsituation des Klägers erreicht werden könne.
Die Beklagte hat hierzu ein erneutes sozialmedizinisches Gutachten des MDK vom 24.07.2017 vorgelegt. Der MDK führt an, es bestehe zwar durchaus weiterer Therapiebedarf. Die beschriebenen Trainingsmaßnahmen könnten jedoch unabhängig voneinander erfolgen, größtenteils sogar in Eigenregie zuhause. Eine Reha-Maßnahme sei hierfür nicht erforderlich. Auch soweit die Gesamtverordnungsmenge des Regelfalls bereits erreicht sei, könne hier im Einzelfall bei entsprechendem Bedarf und Begründung eine weitere logopädische Beübung erfolgen. Die Feinanpassung der Prozessoren könne von der implantierenden Klinik vorgenommen werden. Die Notwendigkeit ausschließlich einer stationären Reha-Maßnahme liege nicht vor, auch wenn der Versicherte hiervon sicher profitieren könne. Vielmehr werde eine lebenslange Betreuung durch die Klinik, gegebenenfalls auch intermittierend Logopädie erforderlich sein. Bezüglich eines zu erwartenden positiven Reha-Ergebnisses lasse das Gutachten das bereits erreichte Sprachverstehen in Ruhe außer Acht.
Der Kläger beruft sich auf das Ergebnis der Begutachtung. Voraussetzung eines Anspruchs auf stationäre Rehabilitation sei nicht ausschließlich die Notwendigkeit einer stationären Maßnahme, sondern dass die Maßnahme medizinisch erforderlich sei und der gleiche Zweck nicht durch eine ambulante Behandlung erreicht werden könne.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 10.08.2015 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 09.03.2016 zu verurteilen, dem Kläger eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte beruft sich weiterhin auf die Stellungnahme des MDK.
Wegen des weiteren Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet, der angefochtene Bescheid stellt sich als rechtswidrig dar und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung einer stationären Reha-Maßnahme.
Gemäß § 11 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Gemäß § 40 Abs. 2 SGB V erbringt die Krankenkasse eine stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung nur dann, wenn ambulante Rehabilitationsleistungen nach § 40 Abs. 1 SGB V nicht ausreichen. Ambulante Rehabilitationsleistungen werden wiederum gemäß § 40 Abs. 1 SGB V nur dann erbracht, wenn Maßnahmen der ambulanten Krankenbehandlung nicht ausreichen. Das Gesetz sieht ein Stufensystem vor, Voraussetzung für die nächste Stufe ist, dass die vorherige Stufe nicht ausreicht, um das Leistungsziel zu erreichen. Die mit der Finalität (" ... zu erreichen") verbundene Abwägung und die Individualisierung im Rahmen der Erforderlichkeit erlauben eine flexible Verknüpfung von Normsystemen und Einzelfall. Die Erforderlichkeit einer konkreten Reha-Leistung, insbesondere auch ihr Vorzug gegenüber einer der Art nach vor- oder nachrangigen, ergibt sich aus dem individuellen Reha-Bedarf und dem spezifischen Leistungsangebot und -zweck unter Berücksichtigung angemessener Wünsche des Versicherten (vgl. Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB, Stand 03/16, § 40 SGB V, Rn. 44). Die stationäre Reha-Maßnahme muss aus medizinischen Gründen erforderlich sein, die Erforderlichkeit hängt von den persönlichen Voraussetzungen auf Seiten des Versicherten und von den sachlichen Anforderungen an die Maßnahme ab (vgl. Kasseler-Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 96. Ergänzungslieferung September 2017, § 40 SGB V, Rn. 35). Liegen die Voraussetzungen hinsichtlich § 40 Abs. 2 SGB V vor, so steht der Krankenkasse kein Ermessen bezüglich der Frage zu, ob Leistungen gewährt werden. Dann bestimmt die Krankenkasse gemäß § 40 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz SGB V nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts des Leistungsberechtigten Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen sowie die Reha-Einrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen.
Unter Beachtung dieser Grundsätze hat die Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass der Kläger dem Grunde nach Anspruch auf Gewährung einer solchen stationären Reha-Maßnahme hat. Auch der MDK hat in seiner Stellungnahme vom 24.07.2017 zuletzt zugestanden, dass durchaus weiterer Therapiebedarf des Klägers bestehe, um zumindest eine Verbesserung des Sprachverständnisses im Störschall zu erzielen. Dahinstehen kann, ob hierzu alle erforderlichen Therapiemaßnahmen, wie vom Sachverständigen angegeben, möglichst zeitnah erfolgen müssen, oder wie vom MDK ausgeführt, der Großteil der Übungen ohne engen zeitlichen Zusammenhang und gegebenenfalls sogar in Eigenregie zuhause durchgeführt werden könnte. Denn in jedem Fall sind die Ausführungen des Sachverständigen, wonach die beim Kläger erforderliche weitere Anpassung der Sprachprozessoren und Einstellung der Hörprogramme mit jeweils ausgiebiger Möglichkeit zur Erprobung in verschiedenen alltagsrelevanten Hörsituationen und engmaschiger audiologischer Kontrolle mit mehrfachen Nachführungen der Einstellungen im hier vorliegenden Fall nur im Rahmen einer stationären Reha-Maßnahme erfolgen kann, für das Gericht nachvollziehbar und überzeugend. Dies gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung der glaubhaften Darstellung des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung. Der Kläger hat nachvollziehbar dargestellt, dass die ambulante Einstellung in der implantierenden Uni-Klinik entgegen der Ausführungen des MDK nicht ausreichend ist; zum einen, weil er sich an die Neueinstellung erst gewöhnen müsse, um diese ausreichend beurteilen zu können, was innerhalb der begrenzten Dauer der ambulanten Behandlung nicht möglich sei. Zum anderen auch, weil in dem eingegrenzten Raum während der Behandlung nicht die Nebengeräusche auftreten, mit denen der Kläger in Alltagssituationen konfrontiert ist. Unter Berücksichtigung der beim Kläger vorliegenden zusätzlichen Problematik der Muskelmitbewegungen, die die Einstellung der Prozessoren erschweren, sind die Ausführungen des Klägers durchaus überzeugend, und stehen in Übereinstimmung mit den Darlegungen des Sachverständigen. Auch im Hinblick auf die vom implantierenden C. in der Anlage zum Befundbericht vom 26.07.2016 mitgeteilten zahlreichen Anpassungen mit unbefriedigendem Ergebnis ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts, dass die weitere ambulante Behandlung im Falle des Klägers nicht ausreichend ist, um das zuletzt auch vom MDK zugestandene Therapieziel der notwendigen weiteren Verbesserung des Sprachverständnisses jedenfalls im Störschall in angemessenem Zeitraum zu erreichen und der Kläger hinsichtlich der von ihm bereits geleisteten umfangreichen Bemühungen hierauf nicht weiter verwiesen werden kann. Dass eine weitere Verbesserung des Sprachverstehens, insbesondere auch im Störgeräusch möglich ist, ist von der implantierenden Klinik bestätigt worden, hat der Sachverständige anhand der Testergebnisse nachvollziehbar dargelegt und auch der MDK hat mögliche Verbesserungen zuletzt im sozialmedizinischen Gutachten vom 24.07.2017 grundsätzlich zugestanden.
Soweit nach unwidersprochenem Vortrag des Klägers und des Sachverständigen eine ambulante Reha-Einrichtung, in der die erforderlichen Therapiemaßnahmen angeboten werden, nicht in einem örtlichen Umkreis, der vom Kläger zumutbar und in einem die Durchführung der erforderlichen Maßnahmen sinnvoll ermöglichenden Zeitrahmen erreicht werden könnten, vorhanden ist, insbesondere auch der MDK und die Beklagte auch auf das Vorbringen des Klägers und des Sachverständigen eine konkrete ambulante Reha-Einrichtung nicht genannt haben, liegen zur Überzeugung des Gerichts die Voraussetzungen für die Gewährung einer im hier vorliegenden Einzelfall zur Überzeugung des Gerichts notwendigen stationären Reha-Maßnahme vor.
Die Beklagte war daher antragsgemäß zu verurteilen.
Die Kostentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die ihm entstandenen notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung zu erstatten.
Tatbestand:
Streitgegenständlich ist die Gewährung einer stationären Rehabilitation (Reha).
Der 1945 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er erhielt im Juni 2012 ein Cochlea-Implantat links und im August 2014 ein Cochlea-Implantat rechts.
Mit Schreiben des Universitätsklinikums C-Stadt vom 26.05.2015, bei der Beklagten eingegangen am 10.06.2015, wurde für den Kläger die Gewährung einer stationären Reha-Maßnahme beantragt. Es seien regelmäßige Anpassungen der Sprachprozessoren sowie ein intensives logopädisches Training und Eigentraining durch den Kläger erfolgt, dennoch bestehe weiterer Verbesserungsbedarf zur Optimierung des Sprachverstehens, daher werde die Durchführung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme, z.B. in N., empfohlen. Nachgereicht worden ist am 19.06.2015 ein Formblattantrag des Klägers, in dem angegeben wird, die Reha-Maßnahme werde beantragt, um ein besseres Sprachverständnis zu erreichen, bessere Tinnitusbewältigung und Erleichterung der Bandscheibenbeschwerden. Am 15.07.2015 wurde eine ärztliche Verordnung der Hausärztin vom 13.07.2015 nachgereicht unter Beifügung umfangreicher Arztbriefe zu den Diagnosen: Chronisch-degeneratives LWS-Syndrom, Chondrocalcinose (rechtes Knie), Schwerhörigkeit beidseits bei Zustand nach Implantation Cochlea. Die dringende Reha-Notwendigkeit ergebe sich aus dem immensen Leidensdruck des Patienten bei Angaben der rehabilitationsrelevanten Schädigungen: Zustand nach Gehörsturz, Zustand nach Cochlea-Implantat wegen Schwerhörigkeit, Gleichgewichtsorgan beschädigt, Lumbalgie, Probleme beim Bücken, Heben, Tragen, Senk-Spreizfuß.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 07.08.2015 ein, wonach eine stationäre CI-Rehabilitation bei postlingual ertaubten Erwachsenen nur in sehr seltenen Fällen notwendig sei. Zunächst seien alle ambulanten Möglichkeiten auszuschöpfen. In diesem Fall sei zu allererst eine logopädische Behandlung anzusetzen, gegebenenfalls seien weitere Maßnahmen, z.B. psychologische Mitbetreuung etc. einzuleiten. Die Ausschöpfung dieser Maßnahmen könne nicht nachgewiesen werden. Vorrangig vor einer stationären Therapie sei auch eine ambulante Reha-Maßnahme. Eine sozialmedizinische Indikation zu einer stationären Reha-Maß-nahme bestehe nicht.
Mit Bescheid vom 10.08.2015 lehnte die Beklagte den Antrag unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des MDK ab.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 18.08.2015 Widerspruch, bei der Beklagten eingegangen am 19.08.2015. Nach Kenntnis des Klägers würden bei allen großen CI-Kliniken die Patienten zur Nachsorge in einer Reha-Abteilung stationär aufgenommen, dort sei die logopädische Behandlung und die mehrmalige Anpassung der Prozessoren gewährleistet. Nachgereicht worden ist ein Attest des Universitätsklinikums C-Stadt vom 25.11.2015: Der Kläger sei nach mehreren Hörstürzen beidseits ertaubt. Am 12.06.2012 habe der Kläger ein Cochlea-Implantat links, am 14.08.2014 ein Cochlea-Implantat rechts erhalten. Nach Erstanpassung des Audioprozessors sei ein intensives logopädisches Hörtraining und regelmäßige Feineinstellung beider Implantate erfolgt. Im Verlauf der Anpassungen sei es auf der rechten Seite bei insgesamt auch subjektiv sehr gutem Sprachverstehen zu anhaltenden Muskelzuckungen am Kinn rechts beim Tragen des Prozessors gekommen, daher hätten die Einstellungen entsprechend verändert werden müssen, mit negativen Auswirkungen auf das Sprachverstehen. Aktuell gebe der Kläger noch deutliche Probleme beim Verstehen von Stimmen mit bestimmten Frequenzbereichen an. Die Überprüfung zeige folgende Ergebnisse:
Aufblähkurve: beidseits seitengetrennt zwischen 30 und 40 dB Sprachtest im Freifeld in Ruhe: rechts 85 % bei 65 dB, links 65 % bei 65 dB, zusammen 70 % bei 65 dB OLSA mit CI links: 50 %-Schwelle bei 3,5 dB OLSA mit CI beidseits: 50 %-Schwelle bei 0,9 dB
Im Fall des Klägers werde eine stationäre Rehabilitation ausdrücklich befürwortet, um die Einstellung und gegenseitige Abstimmung der Prozessoren engmaschig zu optimieren. Gerade bei der Anpassung bilateral implantierter Patienten könne eine mehrmals tägliche oder zumindest tägliche Einstellung das Ergebnis deutlich verbessern, dies sei im ambulanten Setting nicht in diesem Maße zu bewerkstelligen. Auch von der multimodalen Therapie eines neu aufgetretenen Tinnitus, der den Kläger in zunehmendem Maße belaste und auch durch das Implantat nicht vollständig verschwinde, könne der Patient deutlich profitieren.
Die Beklagte holte ein weiteres sozialmedizinisches Gutachten des MDK vom 12.01.2016 ein. Dieser führt aus, das Ergebnis der OLSA sei irrelevant für die Einschätzung der Sprachverständigung unter Störschallbedingungen, da die Testreihen nicht zur Simulierung von Störschallbedingungen im täglichen sozialen Leben geeignet seien. Unabhängig vom Ergebnis könne gesagt werden, dass der Kläger bereits mit dem CI links ein ordentliches Sprachverständnis erreiche. Eine weitere technisch-audiologische Anpassung des CI rechts sei nicht Aufgabe einer Reha-Klinik sondern der implantierenden Uni-Klinik. Nach entsprechender optimalisierter Einstellung sei das weitere Üben durch Heilmitteltherapie notwendig, diese sollte sinnvollerweise im örtlichen CI-Zentrum erfolgen, wo in Ein- bis Dreitagesphasen eine intensive Therapie erfolgen könne, die wesentlich sinnvoller sei, als eine stationäre Rehabilitation, wo ca. 30 Therapieeinheiten an 15 Arbeitstagen durchgeführt würden. Letzteres sei nicht sinnvoll, sinnvoller sei vielmehr die Verteilung der Therapieeinheiten über einen Zeitraum von ein bis drei Jahren mit zwischenzeitlich weiterer Förderung durch Heilmitteltherapie und Übungen in häuslicher Umgebung. Eine Indikation für eine stationäre CI-Reha gebe es in der Regel nur bei Patienten, die aufgrund einer Multimorbidität bzw. erheblicher relevanter Schwindelerkrankungen oder einer extremen Sehbehinderung nicht in der Lage seien, ambulante Heilmitteltherapien oder eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme durchzuführen.
Nach erneuter Anhörung vom 18.01.2016 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 10.08.2015 mit Widerspruchsbescheid vom 09.03.2016 als unbegründet zurück. Nur wenn ambulante Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen am Wohnort nicht ausreichten, nicht durchführbar seien oder ohne Erfolg durchgeführt worden seien, könnten bei medizinischer Notwendigkeit ambulante Vorsorgekuren oder Reha-Maßnahmen in Betracht kommen. Stationäre Vorsorge- und Reha-Maßnahmen seien nur und erst dann indiziert, wenn ambulante Vorsorge- und Reha-Maßnahmen nicht ausreichend seien. Diese seien ausgeschlossen, solange die Therapiemöglichkeiten der vorhergehenden Stufen nicht ausgeschöpft seien. Dies sei hier nicht der Fall.
Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 21.03.2016 erhobene, am 05.04.2016 beim Sozialgericht Augsburg eingegangene Klage. Zur Begründung wird ausgeführt, das rechte Ohr des Klägers sei am 14.08.2014 mit einem Cochlea-Implantat versehen worden. Anschließend seien 50 logopädische Sitzungen erfolgt für das rechte und linke Ohr mit unbefriedigendem Hör-Ergebnis. 2016 seien weitere logopädische Sitzungen verschrieben worden. Nach den Heilmittelrichtlinien in der Logopädie sei für den Regelfall eine Verordnungsmenge von 50 Sitzungen vorgesehen. Bei weiterhin unzureichendem Hör-Ergebnis sei eine stationäre Reha-Maßnahme zu gewähren, in deren Rahmen auch eine Neueinstellung des Prozessors möglich wäre. Nachgereicht worden ist ein Attest zur Vorstellung des Klägers bei einer Diplom-Psychologin, wonach von psychischer Seite kein Behandlungsbedarf festzustellen sei.
Das Gericht hat einen aktuellen Befundbericht des Universitätsklinikums C-Stadt vom 26.07.2016 angefordert, in dem als Diagnosen angegeben werden: An Taubheit grenzende Hörminderung/Taubheit beidseits, Zustand nach Cochlea-Implantation links und rechts, bilaterale Vestibulopathie. Die beidseitige Hörminderung habe sich langfristig im Verlauf kontinuierlich verschlechtert, das Sprachverstehen habe sich durch die Implantate deutlich verbessert und sei mit Implantaten stabil geblieben. Die beklagten Beschwerden - Probleme beim Sprachverstehen in einem bestimmten Frequenzbereich - ließen sich durch die vorhandenen Testmaterialien nur unzureichend verifizieren. Verordnet und durchgeführt worden seien logopädisches Hörtraining, Eigentraining und regelmäßige Anpassungen des Sprachprozessors. Die ambulanten Möglichkeiten seien mittlerweile ausgeschöpft. Eine weitere Verbesserung des Sprachverstehens insbesondere in Gruppen und schwierigen Hörsituationen, wie z.B. am Telefon, sei aus medizinischer Sicht nur im Rahmen einer stationären Reha-Maßnahme möglich, die aus medizinischer Sicht auch notwendig sei. Ein positives Reha-Ergebnis sei zu erwarten, insbesondere das Sprachverstehen in komplexen Hörsituationen sollte verbessert werden können. Bei nebenbefundlich bestehender bilateraler Vestibulopathie sei auch hier eine intensive Therapie im Rahmen einer spezialisierten stationären Rehabilitation möglich und eine Verbesserung des Gleichgewichts zu erwarten. Vorgelegt worden ist eine tabellarische Darstellung der durch das Universitätsklinikum veranlassten Maßnahmen, insbesondere auch der CI-Anpassungen.
Die behandelnde Logopädin des Klägers hat auf gerichtliche Anforderung Befundbericht vom 25.08.2016 vorgelegt. Die Behandlung des Klägers erfolge seit Oktober 2014. Von Oktober 2014 bis Mai 2015 hätten eine Diagnostikstunde und 30 Therapieeinheiten ein- bis zweimal wöchentlich stattgefunden. Weitere 20 Therapieeinheiten hätten von Oktober 2015 bis März 2016 stattgefunden. Eine neue Heilmittelverordnung sei im Juni 2016 begonnen worden mit bisher acht Therapieeinheiten. Zu Beginn der logopädischen Therapie habe der Patient keine spezifischen Beschwerden geäußert. Nach beidseitiger CI-Versorgung habe bereits von Anfang an ein relativ gutes Sprachverstehen bestanden. Der Kläger habe im Zeitraum von vier Jahren eine sehr gute Hör- und Kommunikationstaktik entwickeln können, die jedoch sehr stark abhängig von der Örtlichkeit und der Anzahl der Gesprächspartner sei. Starke Hintergrundgeräusche und viele durcheinander sprechende Menschen erschwerten sein neues Hören. Rechts höre sich noch Vieles unnatürlich an. Das Sprachverstehen sei rechts eingeschränkter, Telefonieren finde hauptsächlich links statt. Aufgrund Muskelzuckungen habe die Einstellung verändert werden müssen, was sich negativ auf das Sprachverstehen rechts ausgewirkt habe. Gerade im Bereich von höheren Frequenzen zeige sich ein weniger sicheres Sprachverstehen sowie beim Verstehen ähnlich klingender Laute. Eine Verbesserung habe durch die Therapien erreicht werden können, es sei jedoch nicht zu einem aus logopädischer Sicht zufriedenstellenden Ergebnis gekommen, vielmehr zu einer Stagnation auf der rechten Seite, so dass ein Ungleichgewicht bestehe, das den Patienten sehr belaste. Aus diesem Grund werde aus logopädischer Sicht eine stationäre Reha-Maßnahme befürwortet, um die Einstellung und gegenseitige Abstimmung der Prozessoren engmaschig zu optimieren. Erfahrungsgemäß könne gerade bei der Anpassung bilateral implantierter Patienten durch die tägliche Einstellung das Ergebnis deutlich verbessert werden. Zudem würde sich eine Reha-Maßnahme positiv auf die Psyche des Klägers auswirken sowie auf orthopädische Probleme des Patienten.
Die Beklagte hat hierzu ein erneutes sozialmedizinisches Gutachten des MDK vom 01.12.2016 vorgelegt, der ausführt, die bisherige logopädische Beübung sei im Rahmen der Gesamtverordnungsmenge des Regelfalls erfolgt, selbstverständlich sei aber bei entsprechender Diagnostik und Begründung eine darüber hinausgehende Verordnung außerhalb des Regelfalls möglich. Natürlich sei aufgrund der Muskelmitbewegungen im Bereich des rechten Kinns die Verstärkungsleistung durch den Sprachprozessor und das CI begrenzt. Dies werde sich aber auch nicht durch eine stationäre Reha-Maßnahme innerhalb von drei Wochen bessern lassen. Außerdem erreiche der Kläger auch unter diesen Einschränkungen bereits ein Sprachverstehen, das ihn in die Lage versetze, offen zu kommunizieren. Eine engmaschige Optimierung und Einstellung der Prozessoren sei selbstverständlich auch in einem ambulanten Setting durch die implantierende Klinik möglich. Hierzu bedürfe es keiner stationären Reha-Maßnahme. Ein psychologischer Behandlungsbedarf sei von der Psychotherapeutin verneint worden. Es sei weder nachgewiesen, dass die ambulante logopädische Beübung ausgeschöpft sei, noch dass eine entsprechende Einstellung und Synchronisierung beider Sprachprozessoren nur durch eine stationäre Reha-Maßnahme erzielt werden könne. Vielmehr wäre es mit einer dreiwöchigen Reha-Maßnahme keineswegs getan, sondern es wären auch dann noch zusätzliche ambulante logopädische Sitzungen notwendig. Gerade z.B. das Telefonieren könne in logopädischer Beübung und durch Eigenübung optimiert werden. Die Einschränkungen durch die Vestibulopathie seien nicht durch entsprechende Befunde belegt, auch werde Reha-Fähigkeit angegeben, so dass die Erkrankung nicht sehr ausgeprägt sein könne. Das beschriebene Einsilbenverstehen zeige bereits hervorragende Werte für einen CI-Patienten, dass hier begründete Aussicht auf eine weitere Verbesserung bestehe, sei infrage zu stellen.
Auf Antrag des Klägers ist ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) des Prof. Dr. D., Professor für Audiologie mit Fachanerkennung medizinische Physik eingeholt worden, das dieser nach Untersuchung des Klägers vom 17.05.2017 am 28.06.2017 erstellt hat. Als Diagnose sei eine funktionelle Taubheit des Klägers beidseits festzustellen. Nach dem Ergebnis des Freiburger Sprachtests in Ruhe sei die Hörbehinderung nicht vollständig ausgeglichen, bei rechts geringerem Sprachverstehen als links. Der Oldenburger Satztest im Störgeräusch zeige stärkere Einschränkungen, besonders deutlich in Hörsituationen mit konkurrierenden Sprechern. Der Tinnitus werde nur in sehr ruhiger Umgebung bemerkt und sei als ausreichend gut kompensiert anzusehen, ebenso eine nachweisbare Einschränkung der Funktion der Gleichgewichtsorgane. Der Sachverständige führt aus, im Vergleich zu anderen CI-Trägern seien beim Kläger etwas stärkere Stimulationsströme erforderlich. Dadurch bestehe die Gefahr der Mitstimulation des Gesichtsnervs, die auf der rechten Seite auch zu beobachten sei. Hier kämen verschiedene Maßnahmen in Betracht. Eine Feinanpassung verschiedener Parameter könne geeignet sein, die Hörempfindung rechts zu verbessern. Auch könne durch weitere Programmeinstellungen das Sprachverstehen rechts optimiert werden. Zwar liege das Sprachverstehen in Ruhe bereits auf hohem Niveau, es bestehe aber weiterhin ein großes Defizit bei der Kommunikation im Störlärm. Aus der Auflistung des Universitätsklinikums C-Stadt ergebe sich, dass die Anpassung und Einstellung der CI-Prozessoren ausreichend oft erfolgt sei. Ebenfalls sei nach Erfahrung des Gutachters die logopädische Beübung in einer in den meisten Fällen ausreichenden Anzahl erfolgt. Da trotz der Beübung, die bereits über den Regelfall hinaus erfolgt sei, keine ausreichende Verbesserung erzielt habe werden können, müsse die ambulante Hörtherapie als ausgeschöpft angesehen werden. Eine weitere Verbesserung sei aber auch für den Kläger als möglich zu erachten. Hier erscheine die Durchführung einer Reha-Maßnahme erforderlich, wobei folgende Therapieziele verfolgt werden sollten:
1. initial ausschließliches Nutzen des rechten Sprachprozessors zur Verbesserung und Fortsetzung der Gewöhnung, gleichzeitig: 2. Feinanpassung des Rechtssprachprozessors zur Abstellung der Co-Stimulation des Gesichtsnervs
3. Feinanpassung beider CI-Prozessoren im Hinblick auf eine möglichst beidohrige Symmetrie der Abbildung der Hörreize 4. Bereitstellung mehrerer Hörprogramme, hier bei Nutzung der Möglichkeiten des adaptiven Beamformers beidseits, Ausprobe des Programms im Störgeräusch- situationen 5. Einzelhörtraining 6. Gruppenhörtraining in Ruhe/Störgeräusch 7. Telefontraining 8. Musiktraining 9.Training im Nutzen technischer Zusatzeinrichtungen 10. Gleichgewichtstraining
Eine ambulante Reha-Einrichtung sei in der Nähe des Wohnortes des Klägers nicht vorhanden. Im Hinblick auf die Vielzahl der möglichst zeitnah parallel durchzuführenden Maßnahmen sei eine ambulante Durchführung bei langen Anfahrtswegen zu entsprechend ausgerichteten CI-Rehabilitationszentren nicht sinnvoll. Nur eine stationäre Rehabilitation an einer hochspezialisierten Einrichtung könne die beschriebenen Arbeitspunkte in einem Zeitraum von drei bis fünf Wochen bewältigen. Die entsprechende Reha-Klinik müsse personell entsprechend ausgestattet sein, um eine engmaschige audiologische Kontrolle mit mehrfachen Nachführungen der Einstellung sowie die weiteren Therapiemaßnahmen zu gewährleisten, da nur so eine Verbesserung der Hörsituation des Klägers erreicht werden könne.
Die Beklagte hat hierzu ein erneutes sozialmedizinisches Gutachten des MDK vom 24.07.2017 vorgelegt. Der MDK führt an, es bestehe zwar durchaus weiterer Therapiebedarf. Die beschriebenen Trainingsmaßnahmen könnten jedoch unabhängig voneinander erfolgen, größtenteils sogar in Eigenregie zuhause. Eine Reha-Maßnahme sei hierfür nicht erforderlich. Auch soweit die Gesamtverordnungsmenge des Regelfalls bereits erreicht sei, könne hier im Einzelfall bei entsprechendem Bedarf und Begründung eine weitere logopädische Beübung erfolgen. Die Feinanpassung der Prozessoren könne von der implantierenden Klinik vorgenommen werden. Die Notwendigkeit ausschließlich einer stationären Reha-Maßnahme liege nicht vor, auch wenn der Versicherte hiervon sicher profitieren könne. Vielmehr werde eine lebenslange Betreuung durch die Klinik, gegebenenfalls auch intermittierend Logopädie erforderlich sein. Bezüglich eines zu erwartenden positiven Reha-Ergebnisses lasse das Gutachten das bereits erreichte Sprachverstehen in Ruhe außer Acht.
Der Kläger beruft sich auf das Ergebnis der Begutachtung. Voraussetzung eines Anspruchs auf stationäre Rehabilitation sei nicht ausschließlich die Notwendigkeit einer stationären Maßnahme, sondern dass die Maßnahme medizinisch erforderlich sei und der gleiche Zweck nicht durch eine ambulante Behandlung erreicht werden könne.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 10.08.2015 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 09.03.2016 zu verurteilen, dem Kläger eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte beruft sich weiterhin auf die Stellungnahme des MDK.
Wegen des weiteren Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet, der angefochtene Bescheid stellt sich als rechtswidrig dar und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung einer stationären Reha-Maßnahme.
Gemäß § 11 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Gemäß § 40 Abs. 2 SGB V erbringt die Krankenkasse eine stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung nur dann, wenn ambulante Rehabilitationsleistungen nach § 40 Abs. 1 SGB V nicht ausreichen. Ambulante Rehabilitationsleistungen werden wiederum gemäß § 40 Abs. 1 SGB V nur dann erbracht, wenn Maßnahmen der ambulanten Krankenbehandlung nicht ausreichen. Das Gesetz sieht ein Stufensystem vor, Voraussetzung für die nächste Stufe ist, dass die vorherige Stufe nicht ausreicht, um das Leistungsziel zu erreichen. Die mit der Finalität (" ... zu erreichen") verbundene Abwägung und die Individualisierung im Rahmen der Erforderlichkeit erlauben eine flexible Verknüpfung von Normsystemen und Einzelfall. Die Erforderlichkeit einer konkreten Reha-Leistung, insbesondere auch ihr Vorzug gegenüber einer der Art nach vor- oder nachrangigen, ergibt sich aus dem individuellen Reha-Bedarf und dem spezifischen Leistungsangebot und -zweck unter Berücksichtigung angemessener Wünsche des Versicherten (vgl. Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB, Stand 03/16, § 40 SGB V, Rn. 44). Die stationäre Reha-Maßnahme muss aus medizinischen Gründen erforderlich sein, die Erforderlichkeit hängt von den persönlichen Voraussetzungen auf Seiten des Versicherten und von den sachlichen Anforderungen an die Maßnahme ab (vgl. Kasseler-Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 96. Ergänzungslieferung September 2017, § 40 SGB V, Rn. 35). Liegen die Voraussetzungen hinsichtlich § 40 Abs. 2 SGB V vor, so steht der Krankenkasse kein Ermessen bezüglich der Frage zu, ob Leistungen gewährt werden. Dann bestimmt die Krankenkasse gemäß § 40 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz SGB V nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts des Leistungsberechtigten Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen sowie die Reha-Einrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen.
Unter Beachtung dieser Grundsätze hat die Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass der Kläger dem Grunde nach Anspruch auf Gewährung einer solchen stationären Reha-Maßnahme hat. Auch der MDK hat in seiner Stellungnahme vom 24.07.2017 zuletzt zugestanden, dass durchaus weiterer Therapiebedarf des Klägers bestehe, um zumindest eine Verbesserung des Sprachverständnisses im Störschall zu erzielen. Dahinstehen kann, ob hierzu alle erforderlichen Therapiemaßnahmen, wie vom Sachverständigen angegeben, möglichst zeitnah erfolgen müssen, oder wie vom MDK ausgeführt, der Großteil der Übungen ohne engen zeitlichen Zusammenhang und gegebenenfalls sogar in Eigenregie zuhause durchgeführt werden könnte. Denn in jedem Fall sind die Ausführungen des Sachverständigen, wonach die beim Kläger erforderliche weitere Anpassung der Sprachprozessoren und Einstellung der Hörprogramme mit jeweils ausgiebiger Möglichkeit zur Erprobung in verschiedenen alltagsrelevanten Hörsituationen und engmaschiger audiologischer Kontrolle mit mehrfachen Nachführungen der Einstellungen im hier vorliegenden Fall nur im Rahmen einer stationären Reha-Maßnahme erfolgen kann, für das Gericht nachvollziehbar und überzeugend. Dies gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung der glaubhaften Darstellung des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung. Der Kläger hat nachvollziehbar dargestellt, dass die ambulante Einstellung in der implantierenden Uni-Klinik entgegen der Ausführungen des MDK nicht ausreichend ist; zum einen, weil er sich an die Neueinstellung erst gewöhnen müsse, um diese ausreichend beurteilen zu können, was innerhalb der begrenzten Dauer der ambulanten Behandlung nicht möglich sei. Zum anderen auch, weil in dem eingegrenzten Raum während der Behandlung nicht die Nebengeräusche auftreten, mit denen der Kläger in Alltagssituationen konfrontiert ist. Unter Berücksichtigung der beim Kläger vorliegenden zusätzlichen Problematik der Muskelmitbewegungen, die die Einstellung der Prozessoren erschweren, sind die Ausführungen des Klägers durchaus überzeugend, und stehen in Übereinstimmung mit den Darlegungen des Sachverständigen. Auch im Hinblick auf die vom implantierenden C. in der Anlage zum Befundbericht vom 26.07.2016 mitgeteilten zahlreichen Anpassungen mit unbefriedigendem Ergebnis ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts, dass die weitere ambulante Behandlung im Falle des Klägers nicht ausreichend ist, um das zuletzt auch vom MDK zugestandene Therapieziel der notwendigen weiteren Verbesserung des Sprachverständnisses jedenfalls im Störschall in angemessenem Zeitraum zu erreichen und der Kläger hinsichtlich der von ihm bereits geleisteten umfangreichen Bemühungen hierauf nicht weiter verwiesen werden kann. Dass eine weitere Verbesserung des Sprachverstehens, insbesondere auch im Störgeräusch möglich ist, ist von der implantierenden Klinik bestätigt worden, hat der Sachverständige anhand der Testergebnisse nachvollziehbar dargelegt und auch der MDK hat mögliche Verbesserungen zuletzt im sozialmedizinischen Gutachten vom 24.07.2017 grundsätzlich zugestanden.
Soweit nach unwidersprochenem Vortrag des Klägers und des Sachverständigen eine ambulante Reha-Einrichtung, in der die erforderlichen Therapiemaßnahmen angeboten werden, nicht in einem örtlichen Umkreis, der vom Kläger zumutbar und in einem die Durchführung der erforderlichen Maßnahmen sinnvoll ermöglichenden Zeitrahmen erreicht werden könnten, vorhanden ist, insbesondere auch der MDK und die Beklagte auch auf das Vorbringen des Klägers und des Sachverständigen eine konkrete ambulante Reha-Einrichtung nicht genannt haben, liegen zur Überzeugung des Gerichts die Voraussetzungen für die Gewährung einer im hier vorliegenden Einzelfall zur Überzeugung des Gerichts notwendigen stationären Reha-Maßnahme vor.
Die Beklagte war daher antragsgemäß zu verurteilen.
Die Kostentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
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