Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 AS 555/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 901/10 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 28. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2010 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte eine Sonderzahlung der Österreichischen Pensionsversicherungsanstalt in Höhe von 254,23 EUR als Einkommen anrechnen durfte.
Der am 1954 geborene Kläger erhält seit Januar 2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von der Beklagten. Er bezieht außerdem eine Invaliditätspension von der Österreichischen Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Wien. Diese beträgt seit Januar 2010 monatlich 254,23 EUR und soll jeweils im Folgemonat ausgezahlt werden. Die Beklagte rechnet dieses Einkommen nach Abzug einer Versicherungspauschale in Höhe von 30 EUR auf die SGB-II-Leistungen an. Der Kläger hat hiergegen keine Einwendungen erhoben.
Zusätzlich zu dieser monatlichen Rente gewährt die Österreichische Pensionsversicherungsanstalt den Pensionsberechtigten in den Monaten April und September Sonderzahlungen jeweils in Höhe der in diesem Monat gebührenden Pension. Es handelt sich dabei um eine zusätzliche Rentenzahlung, über die nach Maßgabe finanzieller Möglichkeiten jeweils im Rahmen von Rentenerhöhungen vom zuständigen Bundesministerium entschieden wird. Nach Auskunft der Pensionsversicherungsanstalt Landesstelle Wien vom 28.05.2009 handelt es sich bei diesen Zahlungen um keine freiwillige Sozialleistung.
Die Rente für den Monat April 2010 und die Sonderzahlung gingen am 30.04.2010 auf dem Konto des Klägers ein. Am selben Tag wurden die Leistungen der Beklagten für den Monat Mai gutgeschrieben, die Zahlung für den Monat April erfolgte schon vorher.
Mit Bescheid vom 28.01.2010 bewilligte die Beklagte Leistungen nach dem SGB II für die Monate Februar, März, April und Juni 2010 in Höhe von monatlich 391,13 EUR. Für den Monat Mai 2010 bewilligte sie nur 136,90 EUR. Aufgrund der anzurechnenden Pensionssonderzahlung habe der Kläger einen geringeren Anspruch nach dem SGB II.
Der hiergegen fristgerecht eingelegte Widerspruch wurde am 27.04.2010 zurückgewiesen.
Das am 12.05.2010 eingeleitete Klageverfahren wurde zunächst ruhend gestellt, da noch ein Rechtsstreit wegen der Anrechnung der Sonderzahlung im Vorjahr anhängig war. Die unter dem Aktenzeichen geführte Berufung gegen das klageabweisende Urteil im Verfahren S 1 AS 728/09 wurde am 25.07.2010 für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte aus formalen Gründen ein Anerkenntnis abgegeben hatte.
Im daraufhin fortgesetzten Klageverfahren ließ der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten vortragen, die Sonderzahlung müsse anrechnungsfrei bleiben. Die Frage, ob Einkommen oder Vermögen vorläge, müsse sich nach ausländischem Recht richten, um eine Gleichbehandlung auch im Hinblick auf die einschlägigen europarechtlichen Verordnungen zu gewährleisten. Das österreichische Sozialhilferecht sehe grundsätzlich die Möglichkeit des anrechnungsfreien Bezugs von Sonderzahlungen vor. Das deutsche Sozialhilferecht kenne dagegen kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld für Sozialhilfeempfänger. Die überobligatorischen Sozialleistungen eines europäischen Mitgliedstaates dürften nicht zu einer Entlastung des deutschen Staates führen.
Im Verfahren wegen der Anrechnung der Vorjahreszahlung S 1 AS 728/09 hatte der Klägerbevollmächtigte bereits auf die Sozialhilfeverordnung der oberösterreichischen Landesregierung vom 08.07.2009 hingewiesen.
Nach deren § 4 Ziffer 4 gilt als zu berücksichtigendes Einkommen u.a.: "Alle steuerfrei belassenen, regelmäßigen Einkünfte zur Deckung des Unterhalts, die auf Grund eines Rechtsanspruchs gewährt werden, mit Ausnahme der Leistungen aus dem Grund einer Behinderung, des Pflegegelds, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Familienbeihilfe und der Unterhaltsleistung für Kinder; ..."
Nach deren § 5 Absatz 2 sind bei Festsetzung des Ausmaßes von Leistungen sozialer Hilfe durch Hilfe in stationären Einrichtungen folgende Einkünfte nicht zu berücksichtigen:
1. 20 % einer allfälligen Pension, Rente oder anderer Ruhe- oder Versorgungsgenüsse (einschließlich allfälliger Zulagen und Zuschläge) und 2. die Sonderzahlungen (13. und 14. Monatsbezug) ..."
In der mündlichen Verhandlung beantragte der Bevollmächtigte des Klägers,
den Bescheid vom 28.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2010 insoweit aufzuheben, als die Beklagte die Sonderzahlung der Pensionsversicherungsanstalt Wien angerechnet hat und die Beklagte zu verurteilen, im Mai 2010 Leistungen ohne diese Anrechnung zu gewähren.
Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragte,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass auch die Sonderzahlung als Einkommen berücksichtigt werden muss.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akte des Verfahrens S 1 AS 728/09 beigezogen. Auf deren Inhalt und auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie das in der mündlichen Verhandlung geführte Protokoll wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, sie ist aber nicht begründet.
Nach § 7 SGB II ist anspruchsberechtigt nach diesem Buch, wer das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7 a nicht erreicht hat, erwerbsfähig ist, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat und hilfebedürftig ist. Diese Voraussetzungen lagen beim Kläger auch im hier streitgegenständlichen Monat Mai 2010 vor. Ein Anspruch bestand jedoch nur insoweit, als Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 SGB II vorlag. Hierzu ist zu berücksichtigen, ob und inwieweit der Kläger seinen Lebensunterhalt aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern konnte.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die monatlich gezahlte Invaliditätspension der Pensionsversicherungsanstalt Wien als Einkommen zu berücksichtigen ist.
Die von dieser Einrichtung nur zweimal jährlich gewährte Sonderzahlung ist ebenso zu behandeln. Die Sonderzahlung stellt kein Vermögen im Sinne des § 12 SGB II dar, da sie dem Kläger während des Leistungszeitraums zufließt. Zum Vermögen zählte sie nur dann, wenn sie bereits vor der Antragstellung zugeflossen wäre (BSG vom 30.07.2008 - B 14 AS 43/07 R; BSG vom 16.12.2008 - B 4 AS 70/07 R).
Als Einkommen wäre die Sonderzahlung nur dann berücksichtigungsfrei, wenn eine der in § 11 SGB II und § 1 Alg II-V geregelten Ausnahmen vorläge. Dies ist jedoch nicht der Fall. Insbesondere stellt die Sonderzahlung keine Sozialleistung dar, die der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz vergleichbar ist. Sie wird nicht als Ausgleich eines für die Allgemeinheit erbrachten Sonderopfers gewährt. Vielmehr erhält jeder Pensionsberechtigte bereits aufgrund der Erfüllung der Voraussetzungen für die monatliche Rentenzahlung diese zusätzliche Leistung. Sie verfolgt den gleichen Zweck wie die Invaliditätspension selbst. Diese ist ausschließlich dazu bestimmt, den Lebensunterhalt des Klägers in gleicher Weise zu sichern wie das Arbeitslosengeld II (BayLSG, Urteil vom 10.08.2007, L 7 AS 77/05).
Damit handelt es sich auch nicht um eine Zuwendung, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dient. Aus dem Umstand allein, dass die Pensionsversicherungsanstalt die Sonderzahlung immer im Frühjahr und Herbst gewährt, kann nicht gefolgert werden, sie verfolge mit der Zahlung die Erwartung, dass der Kläger dieses Geld für etwas anderes als den allgemeinen Lebensbedarf einsetzen werde. Auch der mit diesem Geld möglicherweise finanzierte Urlaub bzw. die Aufwendungen für Weihnachten gehören zum allgemeinen Lebensbedarf. Denn auch das Urlaubs- und das Weihnachtsgeld, das ein Erwerbstätiger erzielt, wird als einmaliges Einkommen auf die SGB-II-Leistungen angerechnet (Eicher/Spellbrink: Kommentar zum SGB II, § 11, Anm. 57).
Aus den vom Klägervertreter erwähnten europarechtlichen Vorschriften ergibt sich keine andere Beurteilung. Zunächst ist nicht ersichtlich, dass die Sonderzahlung in Österreich ohne Berücksichtigung bleibt. Vielmehr gilt auch dort für die Berechnung der Sozialhilfeleistungen das Subsidiaritätsprinzip wie in Deutschland. Dies ergibt sich aus § 4 der Sozialhilfeverordnung des Landes Oberösterreich. Die in § 5 Absatz 2 dieser Verordnung geregelte Ausnahme gilt für den Kläger nicht. Darin wird bestimmt, dass den Menschen, die stationär untergebracht sind, sowohl ein Teil der monatlichen Versorgungsbezüge als auch die Sonderzahlungen belassen werden. Damit wird gewährleistet, dass auch Menschen im Alten- oder Pflegeheim nicht ihre gesamte Rente für diese Unterbringung einsetzen müssen, sondern ihnen ein Geldbetrag für ihre privaten Belange belassen wird. Es handelt sich dabei um eine Ausnahmeregelung, die nicht entsprechend auf andere Bezieher von Sozialhilfe anwendbar ist.
Unabhängig davon wäre die Bundesrepublik Deutschland nicht verpflichtet, Privilegierungen, die andere EU-Staaten vornehmen, entsprechend anzuwenden. Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29.04.2004 räumt den Mitgliedsländern bezüglich der Regelung eines Anspruchs auf Sozialhilfe einen Spielraum ein. Nach Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens vom 11.12.1953 ist jeder der Vertragschließenden lediglich verpflichtet, den Staatsangehörigen der anderen Vertragsstaaten, die sich in irgendeinem Teil seines Gebietes erlaubt aufhalten und nicht über ausreichende Mittel verfügen, in gleicher Weise wie seinen eigenen Staatsangehörigen und unter den gleichen Bedingungen die Leistung der sozialen und Gesundheitsfürsorge zu gewähren, die in der in diesem Teil seines Gebietes geltenden Gesetzgebung vorgesehen sind (BSG, Urteil vom 20.10.2010, B 14 AS 23/10 R). Insbesondere gewährt das Gemeinschaftsrecht Ausländern, die Rentenleistungen ihres Heimatstaates erhalten, keinen Anspruch auf Besserstellung gegenüber Inländern (BSG, Urteil vom 21.03.2007, B 11a AL 49/06 R, Urteil vom 05.09.2007, B 11b AS 49/06 R). Dies gilt ebenso, wenn ein Inländer Leistungen eines ausländischen Mitgliedstaates erhält.
Das vom Klägervertreter angeführte Argument, der deutsche Staat dürfe sich nicht zu Lasten eines Mitgliedstaates entlasten, ist nicht nachvollziehbar. Schließlich verweigert die Beklagte dem Kläger keine Leistungen, auf welche er z.B. aufgrund vorher geleisteter Beiträge einen Anspruch hätte. Der deutsche Staat ist nur verpflichtet, den Lebensunterhalt sicherzustellen, wenn und soweit dies nicht aus eigenen Einkommen und Vermögen möglich ist. Ob dieses Einkommen aus eigener Erwerbstätigkeit, aus Zuwendungen Dritter oder aus anderweitig gewährten in- oder ausländischen Sozialeistungen stammt, ist unerheblich.
Auch aus formalen Gründen ist die Aufhebung des angefochtenen Bescheides nicht veranlasst: Die Beklagte war berechtigt, die bereits im April zugeflossene Sonderzahlung auf den Leistungsanspruch des Monats Mai anzurechnen. Dies ergibt sich aus § 2 Abs. 4 S. 2 Alg II-V, wonach eine Berücksichtigung der Einnahmen ab dem Monat, der auf den Zufluss folgt zulässig ist, wenn Leistungen für den Zuflussmonat bereits erbracht worden sind. Die Beklagte hat die April- und auch die Maizahlung bereits im April erbracht.
Aufgrund der Höhe der Sonderzahlung war eine Verteilung auf mehrere Monate gemäß § 2 Abs. 4 Satz 3 Alg II-V nicht geboten.
Der angefochtene Bescheid ist daher rechtmäßig, die Klage war abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung ist aufgrund des Beschwerdewertes (254,23 EUR) nicht zulässig.
Zulassungsgründe gemäß § 144 Abs. 2 SGG lagen nicht vor. Insbesondere hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung. Es liegt keine bisher nicht geklärte Rechtsfrage vor, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt. Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 05.09.2007 (B 11b AS 49/06 R) ausgeführt, dass auch Einnahmen aus ausländischen Renten oder Pensionszahlungen anzurechnen sind, sofern sie nicht entsprechend der Grundrente nach § 31 EGGVG Ausgleich eines für die Allgemeinheit erbrachten Sonderopfers sind. Die Tatsache, dass die Sonderzahlung nicht monatlich, sondern nur zweimal jährlich gezahlt wird, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Auch im Hinblick auf die zitierten europarechtlichen Vorschriften liegt keine ungeklärte Rechtsfrage vor. Hinzu kommt, dass eine Privilegierung der Sonderzahlung in Österreich gar nicht erfolgt.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte eine Sonderzahlung der Österreichischen Pensionsversicherungsanstalt in Höhe von 254,23 EUR als Einkommen anrechnen durfte.
Der am 1954 geborene Kläger erhält seit Januar 2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von der Beklagten. Er bezieht außerdem eine Invaliditätspension von der Österreichischen Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Wien. Diese beträgt seit Januar 2010 monatlich 254,23 EUR und soll jeweils im Folgemonat ausgezahlt werden. Die Beklagte rechnet dieses Einkommen nach Abzug einer Versicherungspauschale in Höhe von 30 EUR auf die SGB-II-Leistungen an. Der Kläger hat hiergegen keine Einwendungen erhoben.
Zusätzlich zu dieser monatlichen Rente gewährt die Österreichische Pensionsversicherungsanstalt den Pensionsberechtigten in den Monaten April und September Sonderzahlungen jeweils in Höhe der in diesem Monat gebührenden Pension. Es handelt sich dabei um eine zusätzliche Rentenzahlung, über die nach Maßgabe finanzieller Möglichkeiten jeweils im Rahmen von Rentenerhöhungen vom zuständigen Bundesministerium entschieden wird. Nach Auskunft der Pensionsversicherungsanstalt Landesstelle Wien vom 28.05.2009 handelt es sich bei diesen Zahlungen um keine freiwillige Sozialleistung.
Die Rente für den Monat April 2010 und die Sonderzahlung gingen am 30.04.2010 auf dem Konto des Klägers ein. Am selben Tag wurden die Leistungen der Beklagten für den Monat Mai gutgeschrieben, die Zahlung für den Monat April erfolgte schon vorher.
Mit Bescheid vom 28.01.2010 bewilligte die Beklagte Leistungen nach dem SGB II für die Monate Februar, März, April und Juni 2010 in Höhe von monatlich 391,13 EUR. Für den Monat Mai 2010 bewilligte sie nur 136,90 EUR. Aufgrund der anzurechnenden Pensionssonderzahlung habe der Kläger einen geringeren Anspruch nach dem SGB II.
Der hiergegen fristgerecht eingelegte Widerspruch wurde am 27.04.2010 zurückgewiesen.
Das am 12.05.2010 eingeleitete Klageverfahren wurde zunächst ruhend gestellt, da noch ein Rechtsstreit wegen der Anrechnung der Sonderzahlung im Vorjahr anhängig war. Die unter dem Aktenzeichen geführte Berufung gegen das klageabweisende Urteil im Verfahren S 1 AS 728/09 wurde am 25.07.2010 für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte aus formalen Gründen ein Anerkenntnis abgegeben hatte.
Im daraufhin fortgesetzten Klageverfahren ließ der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten vortragen, die Sonderzahlung müsse anrechnungsfrei bleiben. Die Frage, ob Einkommen oder Vermögen vorläge, müsse sich nach ausländischem Recht richten, um eine Gleichbehandlung auch im Hinblick auf die einschlägigen europarechtlichen Verordnungen zu gewährleisten. Das österreichische Sozialhilferecht sehe grundsätzlich die Möglichkeit des anrechnungsfreien Bezugs von Sonderzahlungen vor. Das deutsche Sozialhilferecht kenne dagegen kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld für Sozialhilfeempfänger. Die überobligatorischen Sozialleistungen eines europäischen Mitgliedstaates dürften nicht zu einer Entlastung des deutschen Staates führen.
Im Verfahren wegen der Anrechnung der Vorjahreszahlung S 1 AS 728/09 hatte der Klägerbevollmächtigte bereits auf die Sozialhilfeverordnung der oberösterreichischen Landesregierung vom 08.07.2009 hingewiesen.
Nach deren § 4 Ziffer 4 gilt als zu berücksichtigendes Einkommen u.a.: "Alle steuerfrei belassenen, regelmäßigen Einkünfte zur Deckung des Unterhalts, die auf Grund eines Rechtsanspruchs gewährt werden, mit Ausnahme der Leistungen aus dem Grund einer Behinderung, des Pflegegelds, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Familienbeihilfe und der Unterhaltsleistung für Kinder; ..."
Nach deren § 5 Absatz 2 sind bei Festsetzung des Ausmaßes von Leistungen sozialer Hilfe durch Hilfe in stationären Einrichtungen folgende Einkünfte nicht zu berücksichtigen:
1. 20 % einer allfälligen Pension, Rente oder anderer Ruhe- oder Versorgungsgenüsse (einschließlich allfälliger Zulagen und Zuschläge) und 2. die Sonderzahlungen (13. und 14. Monatsbezug) ..."
In der mündlichen Verhandlung beantragte der Bevollmächtigte des Klägers,
den Bescheid vom 28.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2010 insoweit aufzuheben, als die Beklagte die Sonderzahlung der Pensionsversicherungsanstalt Wien angerechnet hat und die Beklagte zu verurteilen, im Mai 2010 Leistungen ohne diese Anrechnung zu gewähren.
Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragte,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass auch die Sonderzahlung als Einkommen berücksichtigt werden muss.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akte des Verfahrens S 1 AS 728/09 beigezogen. Auf deren Inhalt und auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie das in der mündlichen Verhandlung geführte Protokoll wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, sie ist aber nicht begründet.
Nach § 7 SGB II ist anspruchsberechtigt nach diesem Buch, wer das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7 a nicht erreicht hat, erwerbsfähig ist, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat und hilfebedürftig ist. Diese Voraussetzungen lagen beim Kläger auch im hier streitgegenständlichen Monat Mai 2010 vor. Ein Anspruch bestand jedoch nur insoweit, als Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 SGB II vorlag. Hierzu ist zu berücksichtigen, ob und inwieweit der Kläger seinen Lebensunterhalt aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern konnte.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die monatlich gezahlte Invaliditätspension der Pensionsversicherungsanstalt Wien als Einkommen zu berücksichtigen ist.
Die von dieser Einrichtung nur zweimal jährlich gewährte Sonderzahlung ist ebenso zu behandeln. Die Sonderzahlung stellt kein Vermögen im Sinne des § 12 SGB II dar, da sie dem Kläger während des Leistungszeitraums zufließt. Zum Vermögen zählte sie nur dann, wenn sie bereits vor der Antragstellung zugeflossen wäre (BSG vom 30.07.2008 - B 14 AS 43/07 R; BSG vom 16.12.2008 - B 4 AS 70/07 R).
Als Einkommen wäre die Sonderzahlung nur dann berücksichtigungsfrei, wenn eine der in § 11 SGB II und § 1 Alg II-V geregelten Ausnahmen vorläge. Dies ist jedoch nicht der Fall. Insbesondere stellt die Sonderzahlung keine Sozialleistung dar, die der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz vergleichbar ist. Sie wird nicht als Ausgleich eines für die Allgemeinheit erbrachten Sonderopfers gewährt. Vielmehr erhält jeder Pensionsberechtigte bereits aufgrund der Erfüllung der Voraussetzungen für die monatliche Rentenzahlung diese zusätzliche Leistung. Sie verfolgt den gleichen Zweck wie die Invaliditätspension selbst. Diese ist ausschließlich dazu bestimmt, den Lebensunterhalt des Klägers in gleicher Weise zu sichern wie das Arbeitslosengeld II (BayLSG, Urteil vom 10.08.2007, L 7 AS 77/05).
Damit handelt es sich auch nicht um eine Zuwendung, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dient. Aus dem Umstand allein, dass die Pensionsversicherungsanstalt die Sonderzahlung immer im Frühjahr und Herbst gewährt, kann nicht gefolgert werden, sie verfolge mit der Zahlung die Erwartung, dass der Kläger dieses Geld für etwas anderes als den allgemeinen Lebensbedarf einsetzen werde. Auch der mit diesem Geld möglicherweise finanzierte Urlaub bzw. die Aufwendungen für Weihnachten gehören zum allgemeinen Lebensbedarf. Denn auch das Urlaubs- und das Weihnachtsgeld, das ein Erwerbstätiger erzielt, wird als einmaliges Einkommen auf die SGB-II-Leistungen angerechnet (Eicher/Spellbrink: Kommentar zum SGB II, § 11, Anm. 57).
Aus den vom Klägervertreter erwähnten europarechtlichen Vorschriften ergibt sich keine andere Beurteilung. Zunächst ist nicht ersichtlich, dass die Sonderzahlung in Österreich ohne Berücksichtigung bleibt. Vielmehr gilt auch dort für die Berechnung der Sozialhilfeleistungen das Subsidiaritätsprinzip wie in Deutschland. Dies ergibt sich aus § 4 der Sozialhilfeverordnung des Landes Oberösterreich. Die in § 5 Absatz 2 dieser Verordnung geregelte Ausnahme gilt für den Kläger nicht. Darin wird bestimmt, dass den Menschen, die stationär untergebracht sind, sowohl ein Teil der monatlichen Versorgungsbezüge als auch die Sonderzahlungen belassen werden. Damit wird gewährleistet, dass auch Menschen im Alten- oder Pflegeheim nicht ihre gesamte Rente für diese Unterbringung einsetzen müssen, sondern ihnen ein Geldbetrag für ihre privaten Belange belassen wird. Es handelt sich dabei um eine Ausnahmeregelung, die nicht entsprechend auf andere Bezieher von Sozialhilfe anwendbar ist.
Unabhängig davon wäre die Bundesrepublik Deutschland nicht verpflichtet, Privilegierungen, die andere EU-Staaten vornehmen, entsprechend anzuwenden. Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29.04.2004 räumt den Mitgliedsländern bezüglich der Regelung eines Anspruchs auf Sozialhilfe einen Spielraum ein. Nach Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens vom 11.12.1953 ist jeder der Vertragschließenden lediglich verpflichtet, den Staatsangehörigen der anderen Vertragsstaaten, die sich in irgendeinem Teil seines Gebietes erlaubt aufhalten und nicht über ausreichende Mittel verfügen, in gleicher Weise wie seinen eigenen Staatsangehörigen und unter den gleichen Bedingungen die Leistung der sozialen und Gesundheitsfürsorge zu gewähren, die in der in diesem Teil seines Gebietes geltenden Gesetzgebung vorgesehen sind (BSG, Urteil vom 20.10.2010, B 14 AS 23/10 R). Insbesondere gewährt das Gemeinschaftsrecht Ausländern, die Rentenleistungen ihres Heimatstaates erhalten, keinen Anspruch auf Besserstellung gegenüber Inländern (BSG, Urteil vom 21.03.2007, B 11a AL 49/06 R, Urteil vom 05.09.2007, B 11b AS 49/06 R). Dies gilt ebenso, wenn ein Inländer Leistungen eines ausländischen Mitgliedstaates erhält.
Das vom Klägervertreter angeführte Argument, der deutsche Staat dürfe sich nicht zu Lasten eines Mitgliedstaates entlasten, ist nicht nachvollziehbar. Schließlich verweigert die Beklagte dem Kläger keine Leistungen, auf welche er z.B. aufgrund vorher geleisteter Beiträge einen Anspruch hätte. Der deutsche Staat ist nur verpflichtet, den Lebensunterhalt sicherzustellen, wenn und soweit dies nicht aus eigenen Einkommen und Vermögen möglich ist. Ob dieses Einkommen aus eigener Erwerbstätigkeit, aus Zuwendungen Dritter oder aus anderweitig gewährten in- oder ausländischen Sozialeistungen stammt, ist unerheblich.
Auch aus formalen Gründen ist die Aufhebung des angefochtenen Bescheides nicht veranlasst: Die Beklagte war berechtigt, die bereits im April zugeflossene Sonderzahlung auf den Leistungsanspruch des Monats Mai anzurechnen. Dies ergibt sich aus § 2 Abs. 4 S. 2 Alg II-V, wonach eine Berücksichtigung der Einnahmen ab dem Monat, der auf den Zufluss folgt zulässig ist, wenn Leistungen für den Zuflussmonat bereits erbracht worden sind. Die Beklagte hat die April- und auch die Maizahlung bereits im April erbracht.
Aufgrund der Höhe der Sonderzahlung war eine Verteilung auf mehrere Monate gemäß § 2 Abs. 4 Satz 3 Alg II-V nicht geboten.
Der angefochtene Bescheid ist daher rechtmäßig, die Klage war abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung ist aufgrund des Beschwerdewertes (254,23 EUR) nicht zulässig.
Zulassungsgründe gemäß § 144 Abs. 2 SGG lagen nicht vor. Insbesondere hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung. Es liegt keine bisher nicht geklärte Rechtsfrage vor, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt. Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 05.09.2007 (B 11b AS 49/06 R) ausgeführt, dass auch Einnahmen aus ausländischen Renten oder Pensionszahlungen anzurechnen sind, sofern sie nicht entsprechend der Grundrente nach § 31 EGGVG Ausgleich eines für die Allgemeinheit erbrachten Sonderopfers sind. Die Tatsache, dass die Sonderzahlung nicht monatlich, sondern nur zweimal jährlich gezahlt wird, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Auch im Hinblick auf die zitierten europarechtlichen Vorschriften liegt keine ungeklärte Rechtsfrage vor. Hinzu kommt, dass eine Privilegierung der Sonderzahlung in Österreich gar nicht erfolgt.
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