Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 AL 140/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 08.07.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2003 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, Arbeitslosengeld ab 01.04.2003 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen. Die Beklagte hat die Kosten der Kläger zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe.
Die am 00.00.1959 geborene Klägerin arbeitete von August 1979 bis März 2003 als Bankangestellte bei der E Bank AG, Filiale "Technische Hochschule", B. Wegen der Betreuung eines schulpflichtigen Kindes arbeitete die Klägerin in Teilzeit 7,38 Stunden wöchentlich. Das Arbeitsverhältnis wurde durch einen Aufhebungsvertrag vom 10.07.2002 zum 31.03.2003 beendet. Die Vertragsparteien erklärten im Aufhebungsvertrag, dieser werde "aus dringenden betrieblichen Gründen zur Vermeidung einer ansonsten zum gleichen Termin auszusprechenden betriebsbedingten Kündigung auf Veranlassung der Bank unter Einhaltung der Kündigungsfrist" beendet. Die Klägerin erhielt bis zu ihrem Ausscheiden die vertragsgemäßen monatlichen Bezüge und arbeitete - unter Anrechnung von Überstunden und Urlaub - bis Ende März 2003. Die maßgebliche Kündigungsfrist des Arbeitgebers betrug sechs Monate zum Ende des Vierteljahres.
Die Klägerin meldete sich bereits am 07.02.2003 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Sie erklärte, die Filiale "Technische Hochschule" sei geschlossen worden. Aufgrund ihrer verringerten Wochenarbeitszeit habe keine Möglichkeit bestanden, in einer anderen Filiale zu arbeiten. Ohne den Aufhebungsvertrag hätte sie keine Entschädigung für den Verlust ihres Arbeitsplatzes erhalten, außerdem hätte sich eine betriebsbedingte Kündigung negativ auf spätere Bewerbungen ausgewirkt.
Mit Bescheid vom 08.07.2003 stellte die Beklagte eine Sperrzeit vom 01.04.2003 bis zum 23.06.2003 (12 Wochen) fest. Die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis bei der E Bank AG durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages selbst gelöst, ohne hierfür einen wichtigen Grund gehabt zu haben.
Im Widerspruchsverfahren wies die Klägerin darauf hin, dass ohne den Aufhebungsvertrag zum 31.03.2003 eine Kündigung ausgesprochen worden wäre. Ihr Arbeitsplatz sei ersatzlos weggefallen, eine Versetzung sei aufgrund der reduzierten Wochenarbeitszeit nicht möglich gewesen. Schließlich meinte die Klägerin, die Drohung des Arbeitgebers mit einer rechtmäßigen Kündigung sei ein wichtiger Grund im Sinne des § 144 SGB III.
Auf Nachfrage durch die Beklagte teilte die E Bank AG mit, es habe keinerlei Möglichkeit bestanden, die Klägerin in einer anderen Filiale weiter zu beschäftigen.
Mit Bescheid vom 24.10.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Klägerin sei es zumutbar gewesen, die arbeitgeberseitige Kündigung abzuwarten. Hinsichtlich ihres beruflichen Fortkommens seien keine objektiven Nachteile ersichtlich.
Hiergegen richtet sich die am 24.11.2003 erhobene Klage. Die Klägerin wiederholt und vertieft ihren bisherigen Vortrag. Sie meint, die Entscheidung des Bayerischen LSG vom 09.01.2003 - L 11 AL 147/00 - stütze ihr Begehren.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 08.07.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Arbeitslosengeld ab 01.04.2003 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie stützt sich auf die Entscheidung des BSG vom 25.04.2002 - B 11 AL 65/01 R -.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab den 01.04.2003.
Die Anspruchsvoraussetzungen des § 117 Abs. 1 SGB III liegen ab diesem Zeitpunkt vor. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht nicht gemäß § 114 Abs. 2 Satz 2 SGB III. Nach dieser Vorschrift ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während einer Sperrzeit.
Eine Sperrzeit tritt ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst hat und hierdurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund gehabt zu haben (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe).
Die Klägerin hat durch den Aufhebungsvertrag vom 10.07.2002 ihr Beschäftigungsverhältnis mit der E Bank AG im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III gelöst und dadurch zumindest grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt: Der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Klägerin und dem Eintritt der Arbeitslosigkeit ist zu bejahen, denn die Kausalitätsfrage richtet sich nach dem tatsächlichen und nicht nach dem hypothetischen Geschehensablauf. Durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages hat die Klägerin eine wesentliche Ursache zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gesetzt, unerheblich ist, ob die Initiative von ihr oder vom Arbeitgeber ausgegangen ist. Die Klägerin hatte keine konkreten Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz und wusste dies auch, weshalb sie mindestens grob fahrlässig gehandelt hat (vergleiche hierzu auch BSG, Urteil vom 25.04.2002 - B 11 AL 65/01 R -; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 09.01.2003 - L 11 AL 147/00 -).
Die Klägerin hatte für ihr Verhalten jedoch einen wichtigen Grund. Die Drohung des Arbeitgebers mit einer rechtmäßigen ordentlichen Kündigung kann für den Betroffenen ein wichtiger Grund zur einverständlichen Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses sein, wenn bei dieser die für den Arbeitgeber geltende Kündigungsfrist beachtet wird (Bayerisches LSG a.a.O).
Die Kündigungsfrist ist beachtet, denn am 10.07.2002 hätte frühestens zum 31.03.2003 gekündigt werden können. Diese Kündigung wäre als betriebsbedingte Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 3. Alt. KSchG auch sozial gerechtfertigt gewesen. Die Klägerin war mit einer erheblich reduzierten Wochenarbeitszeit in einer Filiale beschäftigt, die von der Arbeitgeberin geschlossen wurde. Nach Angaben der Arbeitgeberin - von deren Richtigkeit das Gericht ausgeht und die auch von der Beklagten nicht bezweifelt wurde - war eine Weiterbeschäftigung in einer anderen Filiale nicht möglich. Damit standen der Weiterbeschäftigung dringende betriebliche Erfordernisse entgegen.
Maßgeblich für die Annahme eines wichtigen Grundes bei Drohung des Arbeitgebers mit einer rechtmäßigen ordentlichen Kündigung ist zum einen die Erwägung, dass sich der Betroffene gegen eine solche Kündigung nicht erfolgreich zur Wehr setzen könnte. Zudem gibt es keine versicherungsrechtliche Obliegenheit, sich gegen den Ausspruch einer rechtswidrigen Arbeitgeberkündigung gerichtlich zu wehren (BSG, Urteil vom 20.04.1977 - 7 RAr 81/75 -). Wenn schon die Hinnahme einer rechtswidrigen Arbeitgeberkündigung sperrzeitrechtlich irrelevant ist, ist es erst recht irrelevant, einer drohenden rechtmäßigen Kündigung durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages zuvorzukommen. Schließlich kann sich die einverständliche Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses positiv auf die Eingliederungsmöglichkeiten des Arbeitslosen auswirken und damit der Solidargemeinschaft zugute kommen. Aufgrund ihres Geburtsdatums gehört die Klägerin nicht zu der Altersgruppe, für die der Gesetzgeber von Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in das Arbeitsleben ausgeht und deshalb von Leistungsbeziehern nicht fordert, alle Möglichkeiten zu nutzen und nutzen zu wollen um ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden (§ 428 Abs. 1 SGB III). Die Klägerin unterliegt damit noch der in § 2 Abs. 4 SGB III normierten Obliegenheit, bei ihren Entscheidungen verantwortungsvoll deren Auswirkungen auf ihre beruflichen Möglichkeiten einzubeziehen (in diesem Sinne auch BSG, Urteil vom 17.10.2002 a.a.O).
Hinzu kommt, dass der hier geltend gemachte Anspruch auf Arbeitslosengeld durch die Eigentumsgarantie geschützt wird (BVerfGE 72, 9; BVerfGE, Beschluss vom 10.02.1987 - 1 Bvl 15/83 -). Die Feststellung einer Sperrzeit greift damit in eine durch Artikel 14 GG geschützte Rechtsposition ein. § 144 SGB III ist eine Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Diese Vorschrift schließt ein, Ansprüche auf Arbeitslosengeld zu beschränken. Sofern die Beschränkung einem Zweck des Gemeinwohls dient und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, ist es dem Gesetzgeber und der Exekutive nicht verwehrt, Ansprüche umzugestalten oder zu beschränken. Jedoch ist hierbei der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu achten. Die Einschränkung der Eigentümerbefugnisse muss zur Erreichung des angestrebten Ziels - hier Verhinderung von Manipulation des in der Arbeitslosenversicherung gedeckten Risikos - geeignet und notwendig sein, sie darf den Betroffenen nicht übermäßig belasten und muss ihm zumutbar sein ( BVerfGE, Beschluss vom 10.02.1987 a.a.O.). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erweist sich die Feststellung der Sperrzeit als unverhältnismäßig. Die Filiale, in der die Klägerin arbeitete, wurde geschlossen. Aufgrund ihrer reduzierten Wochenarbeitszeit ergaben sich keine anderen Einsatzmöglichkeiten. Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages war im Interesse des beruflichen Fortkommens der Klägerin. Damit hat sich das von der Beklagten zu versichernde Risiko verwirklicht, ohne dass eine Manipulationsabsicht der Klägerin sichtbar wäre.
Allein das Interesse am Erhalt einer Entlassungsentschädigung reicht für die Verneinung eines wichtigen Grundes nicht aus. Hierbei handelt es sich um eine rechtlich zulässige Gestaltungsmöglichkeit, die der Klägerin nicht anspruchshindernd entgegengehalten werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe.
Die am 00.00.1959 geborene Klägerin arbeitete von August 1979 bis März 2003 als Bankangestellte bei der E Bank AG, Filiale "Technische Hochschule", B. Wegen der Betreuung eines schulpflichtigen Kindes arbeitete die Klägerin in Teilzeit 7,38 Stunden wöchentlich. Das Arbeitsverhältnis wurde durch einen Aufhebungsvertrag vom 10.07.2002 zum 31.03.2003 beendet. Die Vertragsparteien erklärten im Aufhebungsvertrag, dieser werde "aus dringenden betrieblichen Gründen zur Vermeidung einer ansonsten zum gleichen Termin auszusprechenden betriebsbedingten Kündigung auf Veranlassung der Bank unter Einhaltung der Kündigungsfrist" beendet. Die Klägerin erhielt bis zu ihrem Ausscheiden die vertragsgemäßen monatlichen Bezüge und arbeitete - unter Anrechnung von Überstunden und Urlaub - bis Ende März 2003. Die maßgebliche Kündigungsfrist des Arbeitgebers betrug sechs Monate zum Ende des Vierteljahres.
Die Klägerin meldete sich bereits am 07.02.2003 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Sie erklärte, die Filiale "Technische Hochschule" sei geschlossen worden. Aufgrund ihrer verringerten Wochenarbeitszeit habe keine Möglichkeit bestanden, in einer anderen Filiale zu arbeiten. Ohne den Aufhebungsvertrag hätte sie keine Entschädigung für den Verlust ihres Arbeitsplatzes erhalten, außerdem hätte sich eine betriebsbedingte Kündigung negativ auf spätere Bewerbungen ausgewirkt.
Mit Bescheid vom 08.07.2003 stellte die Beklagte eine Sperrzeit vom 01.04.2003 bis zum 23.06.2003 (12 Wochen) fest. Die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis bei der E Bank AG durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages selbst gelöst, ohne hierfür einen wichtigen Grund gehabt zu haben.
Im Widerspruchsverfahren wies die Klägerin darauf hin, dass ohne den Aufhebungsvertrag zum 31.03.2003 eine Kündigung ausgesprochen worden wäre. Ihr Arbeitsplatz sei ersatzlos weggefallen, eine Versetzung sei aufgrund der reduzierten Wochenarbeitszeit nicht möglich gewesen. Schließlich meinte die Klägerin, die Drohung des Arbeitgebers mit einer rechtmäßigen Kündigung sei ein wichtiger Grund im Sinne des § 144 SGB III.
Auf Nachfrage durch die Beklagte teilte die E Bank AG mit, es habe keinerlei Möglichkeit bestanden, die Klägerin in einer anderen Filiale weiter zu beschäftigen.
Mit Bescheid vom 24.10.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Klägerin sei es zumutbar gewesen, die arbeitgeberseitige Kündigung abzuwarten. Hinsichtlich ihres beruflichen Fortkommens seien keine objektiven Nachteile ersichtlich.
Hiergegen richtet sich die am 24.11.2003 erhobene Klage. Die Klägerin wiederholt und vertieft ihren bisherigen Vortrag. Sie meint, die Entscheidung des Bayerischen LSG vom 09.01.2003 - L 11 AL 147/00 - stütze ihr Begehren.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 08.07.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Arbeitslosengeld ab 01.04.2003 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie stützt sich auf die Entscheidung des BSG vom 25.04.2002 - B 11 AL 65/01 R -.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab den 01.04.2003.
Die Anspruchsvoraussetzungen des § 117 Abs. 1 SGB III liegen ab diesem Zeitpunkt vor. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht nicht gemäß § 114 Abs. 2 Satz 2 SGB III. Nach dieser Vorschrift ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während einer Sperrzeit.
Eine Sperrzeit tritt ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst hat und hierdurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund gehabt zu haben (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe).
Die Klägerin hat durch den Aufhebungsvertrag vom 10.07.2002 ihr Beschäftigungsverhältnis mit der E Bank AG im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III gelöst und dadurch zumindest grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt: Der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Klägerin und dem Eintritt der Arbeitslosigkeit ist zu bejahen, denn die Kausalitätsfrage richtet sich nach dem tatsächlichen und nicht nach dem hypothetischen Geschehensablauf. Durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages hat die Klägerin eine wesentliche Ursache zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gesetzt, unerheblich ist, ob die Initiative von ihr oder vom Arbeitgeber ausgegangen ist. Die Klägerin hatte keine konkreten Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz und wusste dies auch, weshalb sie mindestens grob fahrlässig gehandelt hat (vergleiche hierzu auch BSG, Urteil vom 25.04.2002 - B 11 AL 65/01 R -; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 09.01.2003 - L 11 AL 147/00 -).
Die Klägerin hatte für ihr Verhalten jedoch einen wichtigen Grund. Die Drohung des Arbeitgebers mit einer rechtmäßigen ordentlichen Kündigung kann für den Betroffenen ein wichtiger Grund zur einverständlichen Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses sein, wenn bei dieser die für den Arbeitgeber geltende Kündigungsfrist beachtet wird (Bayerisches LSG a.a.O).
Die Kündigungsfrist ist beachtet, denn am 10.07.2002 hätte frühestens zum 31.03.2003 gekündigt werden können. Diese Kündigung wäre als betriebsbedingte Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 3. Alt. KSchG auch sozial gerechtfertigt gewesen. Die Klägerin war mit einer erheblich reduzierten Wochenarbeitszeit in einer Filiale beschäftigt, die von der Arbeitgeberin geschlossen wurde. Nach Angaben der Arbeitgeberin - von deren Richtigkeit das Gericht ausgeht und die auch von der Beklagten nicht bezweifelt wurde - war eine Weiterbeschäftigung in einer anderen Filiale nicht möglich. Damit standen der Weiterbeschäftigung dringende betriebliche Erfordernisse entgegen.
Maßgeblich für die Annahme eines wichtigen Grundes bei Drohung des Arbeitgebers mit einer rechtmäßigen ordentlichen Kündigung ist zum einen die Erwägung, dass sich der Betroffene gegen eine solche Kündigung nicht erfolgreich zur Wehr setzen könnte. Zudem gibt es keine versicherungsrechtliche Obliegenheit, sich gegen den Ausspruch einer rechtswidrigen Arbeitgeberkündigung gerichtlich zu wehren (BSG, Urteil vom 20.04.1977 - 7 RAr 81/75 -). Wenn schon die Hinnahme einer rechtswidrigen Arbeitgeberkündigung sperrzeitrechtlich irrelevant ist, ist es erst recht irrelevant, einer drohenden rechtmäßigen Kündigung durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages zuvorzukommen. Schließlich kann sich die einverständliche Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses positiv auf die Eingliederungsmöglichkeiten des Arbeitslosen auswirken und damit der Solidargemeinschaft zugute kommen. Aufgrund ihres Geburtsdatums gehört die Klägerin nicht zu der Altersgruppe, für die der Gesetzgeber von Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in das Arbeitsleben ausgeht und deshalb von Leistungsbeziehern nicht fordert, alle Möglichkeiten zu nutzen und nutzen zu wollen um ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden (§ 428 Abs. 1 SGB III). Die Klägerin unterliegt damit noch der in § 2 Abs. 4 SGB III normierten Obliegenheit, bei ihren Entscheidungen verantwortungsvoll deren Auswirkungen auf ihre beruflichen Möglichkeiten einzubeziehen (in diesem Sinne auch BSG, Urteil vom 17.10.2002 a.a.O).
Hinzu kommt, dass der hier geltend gemachte Anspruch auf Arbeitslosengeld durch die Eigentumsgarantie geschützt wird (BVerfGE 72, 9; BVerfGE, Beschluss vom 10.02.1987 - 1 Bvl 15/83 -). Die Feststellung einer Sperrzeit greift damit in eine durch Artikel 14 GG geschützte Rechtsposition ein. § 144 SGB III ist eine Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Diese Vorschrift schließt ein, Ansprüche auf Arbeitslosengeld zu beschränken. Sofern die Beschränkung einem Zweck des Gemeinwohls dient und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, ist es dem Gesetzgeber und der Exekutive nicht verwehrt, Ansprüche umzugestalten oder zu beschränken. Jedoch ist hierbei der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu achten. Die Einschränkung der Eigentümerbefugnisse muss zur Erreichung des angestrebten Ziels - hier Verhinderung von Manipulation des in der Arbeitslosenversicherung gedeckten Risikos - geeignet und notwendig sein, sie darf den Betroffenen nicht übermäßig belasten und muss ihm zumutbar sein ( BVerfGE, Beschluss vom 10.02.1987 a.a.O.). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erweist sich die Feststellung der Sperrzeit als unverhältnismäßig. Die Filiale, in der die Klägerin arbeitete, wurde geschlossen. Aufgrund ihrer reduzierten Wochenarbeitszeit ergaben sich keine anderen Einsatzmöglichkeiten. Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages war im Interesse des beruflichen Fortkommens der Klägerin. Damit hat sich das von der Beklagten zu versichernde Risiko verwirklicht, ohne dass eine Manipulationsabsicht der Klägerin sichtbar wäre.
Allein das Interesse am Erhalt einer Entlassungsentschädigung reicht für die Verneinung eines wichtigen Grundes nicht aus. Hierbei handelt es sich um eine rechtlich zulässige Gestaltungsmöglichkeit, die der Klägerin nicht anspruchshindernd entgegengehalten werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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