Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 R 101/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 R 4/11 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die volle Tragung des zusätzlichen Beitragssatzes zur gesetzlichen Krankenversicherung.
Die am 00.00.1938 geborene Klägerin bezieht seit dem 01.08.1998 Altersrente für Frauen und ist bei der Beigeladenen gesetzlich krankenversichert. Sie erhob gegen die (undatierte) Rentenanpassungsmitteilung zum 01.07.2005 am 17.06.2005 Widerspruch mit der Begründung, der Zahlbetrag der Rente würden um einen zusätzlichen Krankenversicherungsbeitrag iHv 0,9 % vermindert. Dieser zusätzliche Beitragssatz diene indes iHv 0,5 % der beitragspflichtigen Einnahmen allein der Finanzierung von Krankengeld (Krg), von dessen Bezug Rentner von vornherein ausgeschlossen seien. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 01.09.2005 (abgesandt am 02.09.2005) zurück und führte zur Begründung aus, der durch § 241 a Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) eingeführte zusätzliche Beitragssatz diene nicht nur der Finanzierung von Krg, sondern werde als Solidarbeitrag aller Mitglieder zu den gestiegenen Gesamtkosten der gesetzlichen Krankenversicherung erhoben.
Hiergegen richtet sich die am 00.00.0000 erhobene Klage.
Die Klägerin wiederholt ihre bisherigen Darlegungen und verweist auf die Entstehungsgeschichte von § 241 a SGB V: So spreche die Gesetzesbegründung zur Neufassung von § 247 SGB V davon, die Regelung solle die Beteiligung der Rentner an der Finanzierung des Krg aufrecht erhalten. Mit ihren während des Erwerbslebens erfolgten Beitragszahlungen hätten Rentner indes schon einen hinreichend großen Beitrag zur Solidargemeinschaft geleistet, weswegen die weitere Gesetzesbegründung, wonach auch die Leistungsausgaben für Rentner zu einem großen Teil durch die Beiträge erwerbstätiger Mitglieder getragen würden, nicht greife. Es verletzte den Gleichheitsgrundsatz, Rentner - gerade angesichts der vorangegangenen langjährigen Beitragsleistung zur gesetzlichen Krankenversicherung - mit zur Finanzierung einer Leistung heranzuziehen, von deren Bezug sie (nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V) von vornherein ausgeschlossen seien.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung der Rentenanpassungsmitteilung zum 01.07.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2005 zu verurteilen, ab dem 01.07.2005 Rente unter Berücksichtigung des Beitrags zur gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe des zusätzlichen Beitragssatzes von nur 0,4 % zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Hinsichtlich der wesentlichen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig, insbesondere enthält die Rentenanpassungsmitteilung trotz ihrer Bezeichnung einen selbständig anfechtbaren Verwaltungsakt hinsichtlich der (zukünftigen) Rentenhöhe (vgl. aus neuerer Zeit etwa BSG, Urteil vom 24.07.2003, B 4 RA 62/02 R mwN).
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten sind nicht rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beklagte hat den zusätzlichen Beitrag zur Krankenversicherung zu Recht berücksichtigt.
Die Bemessung der Beiträge aus Renten der gesetzlichen Rentenversicherung richtet sich bei Versicherungspflichtigen nach dem allgemeinen Beitragssatz der zuständigen Krankenkasse sowie nach dem zusätzlichen Beitragssatz, § 247 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003, BGBl. I Nr. 55, S. 2190 ff. Gemäß § 241 a Abs. 1 Satz 1 SGB V (eingeführt durch Art. 1 Nr. 145 GMG, in der Fassung des Gesetzes zur Anpassung der Finanzierung von Zahnersatz vom 15.12.2004, BGBl. I Nr. 69, S. 3445 ff) gilt für Mitglieder ein zusätzlicher Beitragssatz iHv 0,9 vom Hundert; die übrigen Beitragssätze vermindern sich in demselben Umfang. Die Vorschrift ist nach Art. 37 Abs. 8 a GMG in der Fassung des Art. 1 Nr. 3 b des Gesetzes zur Anpassung der Finanzierung von Zahnersatz am 01.07.2005 in Kraft getreten. Den zusätzlichen Beitragssatz tragen Rentner nach § 249 a SGB V (in der Fassung des GMG) allein. Fehler in der Anwendung einfachen Rechts hat die Klägerin nicht gerügt und sind auch dem Gericht nicht ersichtlich.
Das Gericht braucht die von der Klägerin aufgeworfene Frage der Vereinbarkeit der §§ 241 a, 249 a 2.HS SGB V mit Verfassungsrecht auch nicht nach Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorzulegen, denn die Vorschriften sind nicht verfassungswidrig.
Die Einführung des zusätzlichen Beitrags durch § 241 a SGB V verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz, Art. 3 Abs. 1 GG, der es gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (zum Inhalt von Art. 3 GG etwa BVerfG, Urteil vom 23.1.1990, 1 BvL 48/87 mwN). Die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften über die Beitragsbemessung und -erhebung sind vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes am Versicherungsprinzip sowie am Solidaritätsprinzip zu messen (hierzu und zum Folgenden BVerfGE 92, 53, 70 ff; ausführlich auch Wahl, SozSich 2005, 134, 138 f). Während ersteres eine wenigstens grundsätzliche Äquivalenz zwischen Beitrag und Leistung fordert, ermöglicht letzteres eine Ausnahme vom Versicherungsprinzip vor dem Hintergrund der gesetzlichen Sozialversicherung als Solidargemeinschaft und rechtfertigt insbesondere eine Beitragsbemessung, die sich nicht (wie in der privaten Krankenversicherung) am individuellen Versicherungsrisiko, sondern an der individuellen Leistungsfähigkeit und am Bedarf der gesamten Solidargemeinschaft ausrichtet (BVerfGE 89, 365, 378; Wahl, aaO).
Es kann dahinstehen, ob eine verfassungsrechtliche relevante und nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung dann vorläge, wenn aus dem zusätzlichen Beitragssatz kraft gesetzlicher Anordnung allein solche Leistungen finanziert würden, zu denen Rentner bereits von vornherein keinen Zugang haben. § 241 a SGB V drängt das Versicherungsprinzips nicht in einem solch intensiven Maße zurück, denn es fehlt an der hierzu erforderlichen Verknüpfung zwischen der Vorschrift über die Beitragshöhe und der von der Klägerin behaupteten Zweckbestimmung. Insbesondere schreibt das Gesetz weder in § 241 a SGB V noch an anderer Stelle einen bestimmten Verwendungszweck für die Einnahmen aufgrund des zusätzlichen Beitragssatzes fest. Auch in der Gesetzesbegründung heißt es hierzu, der zusätzliche Beitrag sei unabhängig von der Finanzierung einzelner Leistungen und diene einer stärkeren Beteiligung der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung an den gestiegenen Kosten im Gesundheitswesen (BT-Drs 15/1525, S. 140 zu § 241 a SGB V). Anders als die Klägerin meint, dient § 241 a SGB V somit nicht - auch nicht anteilig - speziell der Finanzierung von Krg. Vielmehr erfolgt durch § 214 a Abs. 1 Satz 1 SGB V zwar die rechnerische Aufspaltung des allgemein ausgabendeckenden Beitragssatzes in einen allgemeinen und einen zusätzlichen Beitragssatz, jedoch dienen beide zur Deckung aller gesetzlichen Leistungsausgaben (ausführlich Wahl, aaO, S. 134). Diese rechnerischen Aufspaltung wird indes nicht auch auf haushaltsrechtlicher Ebene weitergeführt, so dass der Anteil, den die nach § 241 a SGB V erhobenen Beiträge am gesamten Beitragsaufkommen haben, bereits nach Erhebung der Beiträge nicht mehr identifizierbar ist. Er ist insbesondere nicht etwa Teil eines Sondervermögens zur Finanzierung des Krg oä.
Angesichts des im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung vorherrschenden Solidarprinzips (BSG SozR 3-5420 § 2 Nr. 2) greift auch die Argumentation der Klägerin nicht, Rentner hätten während ihres Erwerbslebens bereits in solchem Maße zur Solidargemeinschaft beigetragen, dass eine weitere Heranziehung zu den typischen Leistungen für Erwerbsfähige gleichheitswidrig sei. Diese Auffassung kollidiert letztlich mit dem jedenfalls der Krankenversicherung zugrundeliegenden Umlageverfahren, wonach derzeitige Ausgaben durch derzeitige Einnahmen gedeckt werden, ohne dass es - wie in der privaten Krankenversicherung - auf das individuelle Versicherungsrisiko des jeweiligen Versicherten ankommt (Wahl, aaO, S. 138).
Auch ein verfassungswidriger Eingriff in den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) liegt nicht vor. Es kann in diesem Zusammenhang offen bleiben, ob auch der vom Rentenversicherungsträger zu tragende Anteil am Krankenversicherungsbeitrag (§ 249 a 1. HS SGB V), der sich durch die Einführung der §§ 241 a, 249 a 2. HS SGB V verringert, Eigentum iSd der grundrechtlichen Eigentumsgarantie ist (wie dies bei Erwerbstätigen für den Arbeitgeberanteil gilt), denn jedenfalls bewirken die §§ 241 a, 249 a 2.HS SGB V eine Verringerung des Zahlbetrags der eigentumsgeschützten Rente. Dieser Eingriff in den grundrechtlichen Eigentumsschutz ist allerdings verfasungsgemäß (so auch Wahl, aaO, S. 137). Die in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltene Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums umfasst auch die gesetzgeberische Möglichkeit, eigentumsgeschützte sozialversicherungsrechtliche Ansprüche zu kürzen und umzugestalten, solange dies einem Gemeinwohlzweck dient und nicht unverhältnismäßig ist (BVerfGE 100, 1, 37). Wer als Pflichtversicherter der gesetzlichen Sozialversicherung beitritt, kann nicht von vornherein erwarten, dass die gesetzlichen Vorschriften über die Leistungen unverändert fortbestehen (BVerfG, Beschluss vom 01.07.1981, SozR 2200 § 1255a Nr. 7, BVerfGE 58, 81 ff; ähnlich BSGE 60, 158, 162). Da die Rechte und Verpflichtungen der Solidargemeinschaft im Laufe der Zeit vielfältigen Veränderungen unterliegen können, erwirbt, wer der Solidargemeinschaft beitritt, nicht nur die mit diesem System verbunden Chancen, sondern trägt mit den anderen Versicherten auch die Risiken der Gemeinschaft (BVerfG, aaO). Daher kommt dem Gesetzgeber auch für Eingriffe in bestehende Leistungsansprüche Gestaltungsfreiheit zu, solange für den Eingriff legitimierende Gründe gegeben sind (BVerfGE 31, 275, 290). Solche Gründe liegen bei allen Regelungen vor, die dazu dienen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Sozialversicherung zu gewährleisten, zu verbessern oder sie veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen (BVerfGE 53, 257, 293). Die Einführung des zusätzlichen Beitragssatzes dient der Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Krankenversicherung angesichts steigender Leistungsausgaben. Hierin liegt ein Gemeinwohlbelang von erheblichem Gewicht, der auch nicht auf weniger eingriffsintensive Weise als durch Beitragserhöhungen sichergestellt werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Sprungrevision war zuzulassen, da das Gericht der Frage, ob § 241 a SGB V verfassungsgemäß ist, grundsätzliche Bedeutung beimisst, §§ 161 Abs. 2 Satz 1, 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die volle Tragung des zusätzlichen Beitragssatzes zur gesetzlichen Krankenversicherung.
Die am 00.00.1938 geborene Klägerin bezieht seit dem 01.08.1998 Altersrente für Frauen und ist bei der Beigeladenen gesetzlich krankenversichert. Sie erhob gegen die (undatierte) Rentenanpassungsmitteilung zum 01.07.2005 am 17.06.2005 Widerspruch mit der Begründung, der Zahlbetrag der Rente würden um einen zusätzlichen Krankenversicherungsbeitrag iHv 0,9 % vermindert. Dieser zusätzliche Beitragssatz diene indes iHv 0,5 % der beitragspflichtigen Einnahmen allein der Finanzierung von Krankengeld (Krg), von dessen Bezug Rentner von vornherein ausgeschlossen seien. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 01.09.2005 (abgesandt am 02.09.2005) zurück und führte zur Begründung aus, der durch § 241 a Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) eingeführte zusätzliche Beitragssatz diene nicht nur der Finanzierung von Krg, sondern werde als Solidarbeitrag aller Mitglieder zu den gestiegenen Gesamtkosten der gesetzlichen Krankenversicherung erhoben.
Hiergegen richtet sich die am 00.00.0000 erhobene Klage.
Die Klägerin wiederholt ihre bisherigen Darlegungen und verweist auf die Entstehungsgeschichte von § 241 a SGB V: So spreche die Gesetzesbegründung zur Neufassung von § 247 SGB V davon, die Regelung solle die Beteiligung der Rentner an der Finanzierung des Krg aufrecht erhalten. Mit ihren während des Erwerbslebens erfolgten Beitragszahlungen hätten Rentner indes schon einen hinreichend großen Beitrag zur Solidargemeinschaft geleistet, weswegen die weitere Gesetzesbegründung, wonach auch die Leistungsausgaben für Rentner zu einem großen Teil durch die Beiträge erwerbstätiger Mitglieder getragen würden, nicht greife. Es verletzte den Gleichheitsgrundsatz, Rentner - gerade angesichts der vorangegangenen langjährigen Beitragsleistung zur gesetzlichen Krankenversicherung - mit zur Finanzierung einer Leistung heranzuziehen, von deren Bezug sie (nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V) von vornherein ausgeschlossen seien.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung der Rentenanpassungsmitteilung zum 01.07.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2005 zu verurteilen, ab dem 01.07.2005 Rente unter Berücksichtigung des Beitrags zur gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe des zusätzlichen Beitragssatzes von nur 0,4 % zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Hinsichtlich der wesentlichen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig, insbesondere enthält die Rentenanpassungsmitteilung trotz ihrer Bezeichnung einen selbständig anfechtbaren Verwaltungsakt hinsichtlich der (zukünftigen) Rentenhöhe (vgl. aus neuerer Zeit etwa BSG, Urteil vom 24.07.2003, B 4 RA 62/02 R mwN).
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten sind nicht rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beklagte hat den zusätzlichen Beitrag zur Krankenversicherung zu Recht berücksichtigt.
Die Bemessung der Beiträge aus Renten der gesetzlichen Rentenversicherung richtet sich bei Versicherungspflichtigen nach dem allgemeinen Beitragssatz der zuständigen Krankenkasse sowie nach dem zusätzlichen Beitragssatz, § 247 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003, BGBl. I Nr. 55, S. 2190 ff. Gemäß § 241 a Abs. 1 Satz 1 SGB V (eingeführt durch Art. 1 Nr. 145 GMG, in der Fassung des Gesetzes zur Anpassung der Finanzierung von Zahnersatz vom 15.12.2004, BGBl. I Nr. 69, S. 3445 ff) gilt für Mitglieder ein zusätzlicher Beitragssatz iHv 0,9 vom Hundert; die übrigen Beitragssätze vermindern sich in demselben Umfang. Die Vorschrift ist nach Art. 37 Abs. 8 a GMG in der Fassung des Art. 1 Nr. 3 b des Gesetzes zur Anpassung der Finanzierung von Zahnersatz am 01.07.2005 in Kraft getreten. Den zusätzlichen Beitragssatz tragen Rentner nach § 249 a SGB V (in der Fassung des GMG) allein. Fehler in der Anwendung einfachen Rechts hat die Klägerin nicht gerügt und sind auch dem Gericht nicht ersichtlich.
Das Gericht braucht die von der Klägerin aufgeworfene Frage der Vereinbarkeit der §§ 241 a, 249 a 2.HS SGB V mit Verfassungsrecht auch nicht nach Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorzulegen, denn die Vorschriften sind nicht verfassungswidrig.
Die Einführung des zusätzlichen Beitrags durch § 241 a SGB V verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz, Art. 3 Abs. 1 GG, der es gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (zum Inhalt von Art. 3 GG etwa BVerfG, Urteil vom 23.1.1990, 1 BvL 48/87 mwN). Die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften über die Beitragsbemessung und -erhebung sind vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes am Versicherungsprinzip sowie am Solidaritätsprinzip zu messen (hierzu und zum Folgenden BVerfGE 92, 53, 70 ff; ausführlich auch Wahl, SozSich 2005, 134, 138 f). Während ersteres eine wenigstens grundsätzliche Äquivalenz zwischen Beitrag und Leistung fordert, ermöglicht letzteres eine Ausnahme vom Versicherungsprinzip vor dem Hintergrund der gesetzlichen Sozialversicherung als Solidargemeinschaft und rechtfertigt insbesondere eine Beitragsbemessung, die sich nicht (wie in der privaten Krankenversicherung) am individuellen Versicherungsrisiko, sondern an der individuellen Leistungsfähigkeit und am Bedarf der gesamten Solidargemeinschaft ausrichtet (BVerfGE 89, 365, 378; Wahl, aaO).
Es kann dahinstehen, ob eine verfassungsrechtliche relevante und nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung dann vorläge, wenn aus dem zusätzlichen Beitragssatz kraft gesetzlicher Anordnung allein solche Leistungen finanziert würden, zu denen Rentner bereits von vornherein keinen Zugang haben. § 241 a SGB V drängt das Versicherungsprinzips nicht in einem solch intensiven Maße zurück, denn es fehlt an der hierzu erforderlichen Verknüpfung zwischen der Vorschrift über die Beitragshöhe und der von der Klägerin behaupteten Zweckbestimmung. Insbesondere schreibt das Gesetz weder in § 241 a SGB V noch an anderer Stelle einen bestimmten Verwendungszweck für die Einnahmen aufgrund des zusätzlichen Beitragssatzes fest. Auch in der Gesetzesbegründung heißt es hierzu, der zusätzliche Beitrag sei unabhängig von der Finanzierung einzelner Leistungen und diene einer stärkeren Beteiligung der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung an den gestiegenen Kosten im Gesundheitswesen (BT-Drs 15/1525, S. 140 zu § 241 a SGB V). Anders als die Klägerin meint, dient § 241 a SGB V somit nicht - auch nicht anteilig - speziell der Finanzierung von Krg. Vielmehr erfolgt durch § 214 a Abs. 1 Satz 1 SGB V zwar die rechnerische Aufspaltung des allgemein ausgabendeckenden Beitragssatzes in einen allgemeinen und einen zusätzlichen Beitragssatz, jedoch dienen beide zur Deckung aller gesetzlichen Leistungsausgaben (ausführlich Wahl, aaO, S. 134). Diese rechnerischen Aufspaltung wird indes nicht auch auf haushaltsrechtlicher Ebene weitergeführt, so dass der Anteil, den die nach § 241 a SGB V erhobenen Beiträge am gesamten Beitragsaufkommen haben, bereits nach Erhebung der Beiträge nicht mehr identifizierbar ist. Er ist insbesondere nicht etwa Teil eines Sondervermögens zur Finanzierung des Krg oä.
Angesichts des im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung vorherrschenden Solidarprinzips (BSG SozR 3-5420 § 2 Nr. 2) greift auch die Argumentation der Klägerin nicht, Rentner hätten während ihres Erwerbslebens bereits in solchem Maße zur Solidargemeinschaft beigetragen, dass eine weitere Heranziehung zu den typischen Leistungen für Erwerbsfähige gleichheitswidrig sei. Diese Auffassung kollidiert letztlich mit dem jedenfalls der Krankenversicherung zugrundeliegenden Umlageverfahren, wonach derzeitige Ausgaben durch derzeitige Einnahmen gedeckt werden, ohne dass es - wie in der privaten Krankenversicherung - auf das individuelle Versicherungsrisiko des jeweiligen Versicherten ankommt (Wahl, aaO, S. 138).
Auch ein verfassungswidriger Eingriff in den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) liegt nicht vor. Es kann in diesem Zusammenhang offen bleiben, ob auch der vom Rentenversicherungsträger zu tragende Anteil am Krankenversicherungsbeitrag (§ 249 a 1. HS SGB V), der sich durch die Einführung der §§ 241 a, 249 a 2. HS SGB V verringert, Eigentum iSd der grundrechtlichen Eigentumsgarantie ist (wie dies bei Erwerbstätigen für den Arbeitgeberanteil gilt), denn jedenfalls bewirken die §§ 241 a, 249 a 2.HS SGB V eine Verringerung des Zahlbetrags der eigentumsgeschützten Rente. Dieser Eingriff in den grundrechtlichen Eigentumsschutz ist allerdings verfasungsgemäß (so auch Wahl, aaO, S. 137). Die in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltene Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums umfasst auch die gesetzgeberische Möglichkeit, eigentumsgeschützte sozialversicherungsrechtliche Ansprüche zu kürzen und umzugestalten, solange dies einem Gemeinwohlzweck dient und nicht unverhältnismäßig ist (BVerfGE 100, 1, 37). Wer als Pflichtversicherter der gesetzlichen Sozialversicherung beitritt, kann nicht von vornherein erwarten, dass die gesetzlichen Vorschriften über die Leistungen unverändert fortbestehen (BVerfG, Beschluss vom 01.07.1981, SozR 2200 § 1255a Nr. 7, BVerfGE 58, 81 ff; ähnlich BSGE 60, 158, 162). Da die Rechte und Verpflichtungen der Solidargemeinschaft im Laufe der Zeit vielfältigen Veränderungen unterliegen können, erwirbt, wer der Solidargemeinschaft beitritt, nicht nur die mit diesem System verbunden Chancen, sondern trägt mit den anderen Versicherten auch die Risiken der Gemeinschaft (BVerfG, aaO). Daher kommt dem Gesetzgeber auch für Eingriffe in bestehende Leistungsansprüche Gestaltungsfreiheit zu, solange für den Eingriff legitimierende Gründe gegeben sind (BVerfGE 31, 275, 290). Solche Gründe liegen bei allen Regelungen vor, die dazu dienen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Sozialversicherung zu gewährleisten, zu verbessern oder sie veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen (BVerfGE 53, 257, 293). Die Einführung des zusätzlichen Beitragssatzes dient der Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Krankenversicherung angesichts steigender Leistungsausgaben. Hierin liegt ein Gemeinwohlbelang von erheblichem Gewicht, der auch nicht auf weniger eingriffsintensive Weise als durch Beitragserhöhungen sichergestellt werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Sprungrevision war zuzulassen, da das Gericht der Frage, ob § 241 a SGB V verfassungsgemäß ist, grundsätzliche Bedeutung beimisst, §§ 161 Abs. 2 Satz 1, 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
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