Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 AL 11/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 17/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 27.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2006 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, Arbeitslosengeld ohne Feststellung einer Sperrzeit nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen. Die Beklagte hat die Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine von der Beklagten festgestellte Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe.
Der am 00.00.1967 geborene Kläger arbeitete seit Oktober 1998 bei der Firma B AG, in B. Am 19.03.2003 sprach die Arbeitgeberin eine betriebsbedingte Kündigung aus, mit Urteil vom 04.02.2004 stellte das Arbeitsgericht B fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Firma B AG durch diese Kündigung nicht beendet worden ist. Daraufhin wurde der Kläger bei der Firma B AG weiter beschäftigt. Am 08.03.2005 sprach die Arbeitgeberin eine fristlose Kündigung aus, woraufhin der Kläger sich arbeitslos meldete und Arbeitslosengeld beantragte. In der Arbeitsbescheinigung gab die Arbeitgeberin an, der Kläger habe sich vertragswidrig verhalten. In einer Stellungnahme hierzu wies der Kläger darauf hin, seit der Wiedereinstellung nach dem gewonnenen Kündigungsschutzprozess im Jahre 2004 seien ihm von der Arbeitgeberin ständig Vorwürfe gemacht worden und habe er zahlreiche Abmahnungen und Ermahnungen erhalten. Seine Arbeitgeberin versuche, ihm auf allen möglichen Wegen zu kündigen. Wegen der näheren Einzelheiten auf die Stellungnahme des Klägers vom 20.03.2005 (Bl. 59 f. der Verwaltungsakte) verwiesen. Die Arbeitgeberin teilte hierzu mit, dem Kläger sei gekündigt worden, weil er nach einem Japan-Aufenthalt eine Reisekostenabrechnung erstellt habe, auf der eine Hotelrechnung mit einem Betrag von umgerechnet 3.039,51 EUR aufgeführt gewesen sei, die der Kläger selbst nicht bezahlt habe, sondern die von der japanischen Tochterfirma B-LL übernommen worden sei. Der Kläger habe damit gegen die aus dem Arbeitsvertrag resultierende Pflicht verstoßen, nur die Reisekosten abzurechnen, die ihm entstanden sind und die er bezahlt hat. Der Betriebsrat sei zu Kündigung angehört worden und habe ihr nicht widersprochen. Die Arbeitgeberin fügte mehrere Abmahnungen bei, deren Inhalt den Beteiligten bekannt ist und auf die verwiesen wird (Bl. 68 f. der Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 27.04.2005 stellte die Beklagte eine Sperrzeit vom 09.03.2005 bis zum 31.05.2005 fest. Der Kläger habe seine Beschäftigung verloren, weil er Reisekosten, die ihm gar nicht entstanden sind, abgerechnet habe.
Im Widerspruchsverfahren verwies der Kläger auf seine Ausführungen im arbeitsgerichtlichen Verfahren. Zusammengefasst führte er aus, seine Darstellung in der Reisekostenabrechnung habe den firmeninternen Richtlinien entsprochen. Er habe keine sichere Kenntnis davon gehabt, dass die Hotelrechnung durch die B-LL gezahlt werde. Ein Betrugsversuch sei auch deswegen unsinnig gewesen, weil spätestens nach Rechnungsstellung durch die B-LL an die Arbeitgeberin auffallen musste, dass die Kosten doppelt geltend gemacht wurden. Im Übrigen habe der Kläger eine E-Mail, die die Zahlung durch die B-LL bestätigte, seinen Vorgesetzten weitergeleitet. Wenn er tatsächlich geplant hätte, seine Arbeitgeberin zu betrügen, wäre er anders vorgegangen. Ein Vermögensschaden sei darüber hinaus in keiner Weise eingetreten. Nachdem der Kläger auf die Umstände angesprochen wurde, habe er die ihm überwiesenen Hotelkosten unverzüglich zurückerstattet.
Mit Bescheid vom 02.02.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie wiederholte und vertiefte die Begründung aus dem angefochtenem Bescheid.
Hiergegen richtet sich die am 27.02.2006 erhobene Klage.
Die Beteiligten wiederholen und vertiefen ihr bisheriges Vorbringen.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung trotz Aufforderung durch den Vorsitzenden keinen ausdrücklichen Antrag gestellt. Er beantragt schriftsätzlich:
"Ich möchte hiermit Klage gegen den oben genannten Bescheid einreichen. Mit der Klage möchte ich erreichen, dass mir das durch die dreimonatige Sperrzeit vorenthaltene Arbeitslosengeld ausgezahlt wird.".
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 13.06.2006 (0 Sa 000/00) hat das Landesarbeitsgericht L eine Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts B vom 06.12.2005 (0 Ca 0000/00) zurückgewiesen, mit dieser Entscheidung hatte das Arbeitsgericht B festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentlichen Kündigungen vom 08.03.2005 und 15.04.2005 aufgelöst wurde, jedoch eine ordentliche Kündigung vom 10.03.2005 das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2005 aufgelöst hat. Sowohl das Arbeitsgericht B als auch das Landesarbeitsgericht L rechtfertigten die ordentliche Kündigung als verhaltensbedingte Kündigung wegen des Verdachts eines Spesenbetruges. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der genannten Urteile verwiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die als Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Eine Sperrzeit ist nicht eingetreten.
Gemäß § 144 Abs. Abs. 1 Satz 1 SGB III in der Fassung durch das Dritte Gesetzt für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I Seite 2848, in Kraft seit 01.01.2005) ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer einer Sperrzeit, wenn der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III u. a. vor, wenn der Arbeitslose durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben hat und er dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat. In diesem Fall des versicherungswidrigen Verhaltens tritt eine Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe ein.
Ein arbeitsvertragswidriges Verhalten des Klägers ist nicht nachgewiesen. Allerdings wäre ein versuchter Spesenbetrug selbstverständlich ein arbeitsvertragswidriges Verhalten. Indes ist ein Betrug oder versuchter Betrug nicht nachgewiesen. Ein Betrug setzt gemäß § 263 Abs. 1 StGB voraus, dass jemand in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspieglung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält. Strafbar ist gemäß § 15 StGB nur vorsätzliches Handeln, einen fahrlässigen Betrug kennt das Strafgesetzbuch nicht. Zwar mag das Ausfüllen der Reisekostenrechnung mit der von der B-LL erstatteten Hotelrechnung objektiv fehlerhaft gewesen sein. Indes kann hieraus nicht geschlossen werden, dass der Kläger vorsätzlich falsche Tatsachen vorspiegeln wollte, um vorsätzlich einen Irrtum zu erregen und er in der Absicht handelte, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Vielmehr hat der Kläger auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren unwiderlegt vorgetragen, dass er subjektiv der Meinung war, sein Verhalten entspreche den Reisenkostenrichtlinien der Arbeitgeberin. Zudem überzeugen das Gericht die Ausführungen des Klägers im arbeitsgerichtlichen Verfahren dahingehend, dass es schwer nachvollziehbar ist, dass der Kläger einen Betrug begehen wollte und seinen Arbeitsplatz sehenden Auges gefährdete, obwohl ihm klar sein musste, dass durch die Erstattung der Reisekosten durch die Firma B-LL und letztendlich auch die von ihm selbst verfasste E-Mail an seinen Vorgesetzten schnell deutlich werden musste, dass die Reisekostenrechnung von der japanischen Tochterfirma erstattet worden ist. Plausibel ist für die Kammer auch das Vorbringen des Klägers dahingehend, dass die Arbeitgeberin ihn nach dem gewonnenen Kündigungsschutzprozess los werden wollte und ihm deshalb mit Abmahnungen nachstellte, deren Berechtigung auch für die Kammer teilweise zweifelhaft ist. Beispielsweise hat der Kläger unter dem 09.09.2004 eine Abmahnung erhalten, weil er einen einjährigen Garantiezeitraum lediglich um 2 Tage fehlerhaft berechnet hat. Hieraus wird aus der Sicht der Kammer deutlich, dass die Arbeitgeberin versuchte, dem Kläger arbeitsvertragswidriges Verhalten nachzuweisen, was den Beweiswert ihrer entsprechenden Ausführungen im arbeitsgerichtlichen Verfahren schmälert.
Letztlich bleibt lediglich der Verdacht arbeitsvertragswidrigen Verhaltens. Umstritten ist, ob eine Verdachtskündigung die Feststellung einer Sperrzeit rechtfertigen kann. Eine Verdachtskündigung ist arbeitsrechtlich zulässig, wenn eine strafbare Handlung zwar nicht nachgewiesen ist, der begründete Verdacht, der Arbeitnehmer könnte sich in kündigungsrechtlich relevanter Weise strafbar gemacht haben, jedoch das für ein Arbeitsverhältnis notwendige Vertrauensverhältnis zerstört hat (BAG, Urteil vom 04.11.1957 - 2 AZR 57/56 = AP Nr. 39 zu § 1 KSchG; näher zur Verdachtskündigung Müller-Glöge, in: Erfurter Kommentar, § 626 BGB Rdnr. 208 f.). Teilweise wird vertreten, bei einem dringenden, durch objektiv nachweisbare Tatsachen begründeten Verdacht einer Straftat von erheblichem Gewicht könne eine rechtmäßige Verdachtskündigung die Feststellung einer Sperrzeit nach sich ziehen (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.08.2002 - L 1 AL 127/01; Valgolio, in: Hauck/Noftz, SGB III, § 144 Rdnr. 57). Diese Auffassung lässt sich mit der Beweislastverteilung bei der Sperrzeitfeststellung nicht vereinbaren. Die Arbeitsverwaltung trägt das Risiko, wenn sich nicht aufklären lässt, ob sich der Versicherte tatsächlich arbeitsvertragswidrig verhalten hat oder nicht. Die Gründe, die für die Zulässigkeit einer Verdachtskündigung sprechen, lassen sich nicht auf die Sperrzeitfeststellung übertragen. Zwischen dem Versicherten und der Arbeitsverwaltung spielt ein besonderes Vertrauensverhältnis, das durch einen nicht auszuräumenden Verdacht einer Straftat unzumutbar belastet würde und eine weitere Zusammenarbeit ausschließt, keine Rolle (Kühl, Die Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe, S. 196; allgemein zu Beweislastverteilung im Sperrzeitrecht, ders. S. 193 ff.).
Weitere Beweismittel, die geeignet wären, aus dem Verdacht eine Gewissheit zu machen, sind für die Kammer nicht ersichtlich und wurden von der Beklagten auch nicht benannt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass vorliegend jedenfalls der subjektive Tatbestand des Betrugsverdachtes nicht erweislich ist und - wie dargelegt - auch die objektiven Tatsachen keine eindeutige Sprache sprechen, so dass ein Schluss vom objektiven Sachverhalt auf den subjektiven Tatbestand unzulässig ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine von der Beklagten festgestellte Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe.
Der am 00.00.1967 geborene Kläger arbeitete seit Oktober 1998 bei der Firma B AG, in B. Am 19.03.2003 sprach die Arbeitgeberin eine betriebsbedingte Kündigung aus, mit Urteil vom 04.02.2004 stellte das Arbeitsgericht B fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Firma B AG durch diese Kündigung nicht beendet worden ist. Daraufhin wurde der Kläger bei der Firma B AG weiter beschäftigt. Am 08.03.2005 sprach die Arbeitgeberin eine fristlose Kündigung aus, woraufhin der Kläger sich arbeitslos meldete und Arbeitslosengeld beantragte. In der Arbeitsbescheinigung gab die Arbeitgeberin an, der Kläger habe sich vertragswidrig verhalten. In einer Stellungnahme hierzu wies der Kläger darauf hin, seit der Wiedereinstellung nach dem gewonnenen Kündigungsschutzprozess im Jahre 2004 seien ihm von der Arbeitgeberin ständig Vorwürfe gemacht worden und habe er zahlreiche Abmahnungen und Ermahnungen erhalten. Seine Arbeitgeberin versuche, ihm auf allen möglichen Wegen zu kündigen. Wegen der näheren Einzelheiten auf die Stellungnahme des Klägers vom 20.03.2005 (Bl. 59 f. der Verwaltungsakte) verwiesen. Die Arbeitgeberin teilte hierzu mit, dem Kläger sei gekündigt worden, weil er nach einem Japan-Aufenthalt eine Reisekostenabrechnung erstellt habe, auf der eine Hotelrechnung mit einem Betrag von umgerechnet 3.039,51 EUR aufgeführt gewesen sei, die der Kläger selbst nicht bezahlt habe, sondern die von der japanischen Tochterfirma B-LL übernommen worden sei. Der Kläger habe damit gegen die aus dem Arbeitsvertrag resultierende Pflicht verstoßen, nur die Reisekosten abzurechnen, die ihm entstanden sind und die er bezahlt hat. Der Betriebsrat sei zu Kündigung angehört worden und habe ihr nicht widersprochen. Die Arbeitgeberin fügte mehrere Abmahnungen bei, deren Inhalt den Beteiligten bekannt ist und auf die verwiesen wird (Bl. 68 f. der Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 27.04.2005 stellte die Beklagte eine Sperrzeit vom 09.03.2005 bis zum 31.05.2005 fest. Der Kläger habe seine Beschäftigung verloren, weil er Reisekosten, die ihm gar nicht entstanden sind, abgerechnet habe.
Im Widerspruchsverfahren verwies der Kläger auf seine Ausführungen im arbeitsgerichtlichen Verfahren. Zusammengefasst führte er aus, seine Darstellung in der Reisekostenabrechnung habe den firmeninternen Richtlinien entsprochen. Er habe keine sichere Kenntnis davon gehabt, dass die Hotelrechnung durch die B-LL gezahlt werde. Ein Betrugsversuch sei auch deswegen unsinnig gewesen, weil spätestens nach Rechnungsstellung durch die B-LL an die Arbeitgeberin auffallen musste, dass die Kosten doppelt geltend gemacht wurden. Im Übrigen habe der Kläger eine E-Mail, die die Zahlung durch die B-LL bestätigte, seinen Vorgesetzten weitergeleitet. Wenn er tatsächlich geplant hätte, seine Arbeitgeberin zu betrügen, wäre er anders vorgegangen. Ein Vermögensschaden sei darüber hinaus in keiner Weise eingetreten. Nachdem der Kläger auf die Umstände angesprochen wurde, habe er die ihm überwiesenen Hotelkosten unverzüglich zurückerstattet.
Mit Bescheid vom 02.02.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie wiederholte und vertiefte die Begründung aus dem angefochtenem Bescheid.
Hiergegen richtet sich die am 27.02.2006 erhobene Klage.
Die Beteiligten wiederholen und vertiefen ihr bisheriges Vorbringen.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung trotz Aufforderung durch den Vorsitzenden keinen ausdrücklichen Antrag gestellt. Er beantragt schriftsätzlich:
"Ich möchte hiermit Klage gegen den oben genannten Bescheid einreichen. Mit der Klage möchte ich erreichen, dass mir das durch die dreimonatige Sperrzeit vorenthaltene Arbeitslosengeld ausgezahlt wird.".
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 13.06.2006 (0 Sa 000/00) hat das Landesarbeitsgericht L eine Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts B vom 06.12.2005 (0 Ca 0000/00) zurückgewiesen, mit dieser Entscheidung hatte das Arbeitsgericht B festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentlichen Kündigungen vom 08.03.2005 und 15.04.2005 aufgelöst wurde, jedoch eine ordentliche Kündigung vom 10.03.2005 das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2005 aufgelöst hat. Sowohl das Arbeitsgericht B als auch das Landesarbeitsgericht L rechtfertigten die ordentliche Kündigung als verhaltensbedingte Kündigung wegen des Verdachts eines Spesenbetruges. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der genannten Urteile verwiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die als Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Eine Sperrzeit ist nicht eingetreten.
Gemäß § 144 Abs. Abs. 1 Satz 1 SGB III in der Fassung durch das Dritte Gesetzt für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I Seite 2848, in Kraft seit 01.01.2005) ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer einer Sperrzeit, wenn der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III u. a. vor, wenn der Arbeitslose durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben hat und er dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat. In diesem Fall des versicherungswidrigen Verhaltens tritt eine Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe ein.
Ein arbeitsvertragswidriges Verhalten des Klägers ist nicht nachgewiesen. Allerdings wäre ein versuchter Spesenbetrug selbstverständlich ein arbeitsvertragswidriges Verhalten. Indes ist ein Betrug oder versuchter Betrug nicht nachgewiesen. Ein Betrug setzt gemäß § 263 Abs. 1 StGB voraus, dass jemand in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspieglung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält. Strafbar ist gemäß § 15 StGB nur vorsätzliches Handeln, einen fahrlässigen Betrug kennt das Strafgesetzbuch nicht. Zwar mag das Ausfüllen der Reisekostenrechnung mit der von der B-LL erstatteten Hotelrechnung objektiv fehlerhaft gewesen sein. Indes kann hieraus nicht geschlossen werden, dass der Kläger vorsätzlich falsche Tatsachen vorspiegeln wollte, um vorsätzlich einen Irrtum zu erregen und er in der Absicht handelte, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Vielmehr hat der Kläger auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren unwiderlegt vorgetragen, dass er subjektiv der Meinung war, sein Verhalten entspreche den Reisenkostenrichtlinien der Arbeitgeberin. Zudem überzeugen das Gericht die Ausführungen des Klägers im arbeitsgerichtlichen Verfahren dahingehend, dass es schwer nachvollziehbar ist, dass der Kläger einen Betrug begehen wollte und seinen Arbeitsplatz sehenden Auges gefährdete, obwohl ihm klar sein musste, dass durch die Erstattung der Reisekosten durch die Firma B-LL und letztendlich auch die von ihm selbst verfasste E-Mail an seinen Vorgesetzten schnell deutlich werden musste, dass die Reisekostenrechnung von der japanischen Tochterfirma erstattet worden ist. Plausibel ist für die Kammer auch das Vorbringen des Klägers dahingehend, dass die Arbeitgeberin ihn nach dem gewonnenen Kündigungsschutzprozess los werden wollte und ihm deshalb mit Abmahnungen nachstellte, deren Berechtigung auch für die Kammer teilweise zweifelhaft ist. Beispielsweise hat der Kläger unter dem 09.09.2004 eine Abmahnung erhalten, weil er einen einjährigen Garantiezeitraum lediglich um 2 Tage fehlerhaft berechnet hat. Hieraus wird aus der Sicht der Kammer deutlich, dass die Arbeitgeberin versuchte, dem Kläger arbeitsvertragswidriges Verhalten nachzuweisen, was den Beweiswert ihrer entsprechenden Ausführungen im arbeitsgerichtlichen Verfahren schmälert.
Letztlich bleibt lediglich der Verdacht arbeitsvertragswidrigen Verhaltens. Umstritten ist, ob eine Verdachtskündigung die Feststellung einer Sperrzeit rechtfertigen kann. Eine Verdachtskündigung ist arbeitsrechtlich zulässig, wenn eine strafbare Handlung zwar nicht nachgewiesen ist, der begründete Verdacht, der Arbeitnehmer könnte sich in kündigungsrechtlich relevanter Weise strafbar gemacht haben, jedoch das für ein Arbeitsverhältnis notwendige Vertrauensverhältnis zerstört hat (BAG, Urteil vom 04.11.1957 - 2 AZR 57/56 = AP Nr. 39 zu § 1 KSchG; näher zur Verdachtskündigung Müller-Glöge, in: Erfurter Kommentar, § 626 BGB Rdnr. 208 f.). Teilweise wird vertreten, bei einem dringenden, durch objektiv nachweisbare Tatsachen begründeten Verdacht einer Straftat von erheblichem Gewicht könne eine rechtmäßige Verdachtskündigung die Feststellung einer Sperrzeit nach sich ziehen (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.08.2002 - L 1 AL 127/01; Valgolio, in: Hauck/Noftz, SGB III, § 144 Rdnr. 57). Diese Auffassung lässt sich mit der Beweislastverteilung bei der Sperrzeitfeststellung nicht vereinbaren. Die Arbeitsverwaltung trägt das Risiko, wenn sich nicht aufklären lässt, ob sich der Versicherte tatsächlich arbeitsvertragswidrig verhalten hat oder nicht. Die Gründe, die für die Zulässigkeit einer Verdachtskündigung sprechen, lassen sich nicht auf die Sperrzeitfeststellung übertragen. Zwischen dem Versicherten und der Arbeitsverwaltung spielt ein besonderes Vertrauensverhältnis, das durch einen nicht auszuräumenden Verdacht einer Straftat unzumutbar belastet würde und eine weitere Zusammenarbeit ausschließt, keine Rolle (Kühl, Die Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe, S. 196; allgemein zu Beweislastverteilung im Sperrzeitrecht, ders. S. 193 ff.).
Weitere Beweismittel, die geeignet wären, aus dem Verdacht eine Gewissheit zu machen, sind für die Kammer nicht ersichtlich und wurden von der Beklagten auch nicht benannt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass vorliegend jedenfalls der subjektive Tatbestand des Betrugsverdachtes nicht erweislich ist und - wie dargelegt - auch die objektiven Tatsachen keine eindeutige Sprache sprechen, so dass ein Schluss vom objektiven Sachverhalt auf den subjektiven Tatbestand unzulässig ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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