Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 9 (14) U 99/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 52/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger bei seinem Unfall am 19.07.2000 "wie ein Arbeitnehmer" gesetz-lich unfallversichert war.
Die Krankenkasse des Klägers meldete am 22.09.2000 einen Unfall vom 19.07.2000, 20:00 Uhr. Der Kläger sei im Rohbau des Nachbarn ca. 5 Meter tief auf einen Betonboden gestürzt. Der Kläger zog sich hierbei einen Schädelbasis- und Schlüsselbeinbruch zu. Zu den Unfallfolgen gehört ein Schädelhirntrauma III. Grades mit schweren Kommunikationsstörungen, komplettem Hörverlust und Sehstörungen.
Die Lebensgefährtin des Klägers, Frau I., gab an, der Kläger könne sich selbst an den Unfallhergang nicht erinnern. Zeugen des Unfalls gebe es nicht. Der Kläger habe nicht auf der Baustelle gearbeitet, sondern sich den Rohbau angesehen, weil ihn der Bauherr (Nachbar T. ) um einige Ratschläge gebeten habe.
Der erstbehandelnde Chirurg Dr. T. teilte auf Nachfrage mit, es sei seinerzeit kein D-Bericht gefertigt worden, da der Unfall im Rahmen privater Nachbarschaftshilfe geschah. Der Verletzte habe auf freiwilliger Basis einem Freund bei Dacharbeiten geholfen; dies hätten die Verwandten und der Freund am Unfalltag angegeben.
Der Nachbar des Klägers, K. T., teilte der Beklagten mit, er sei bei ihr als Unternehmer gemeldet und habe das Haus, in dem der Unfall geschah, in eigener Regie gebaut. Der Kläger sei nicht für ihn auf der Baustelle tätig gewesen. Er habe erst hinterher erfahren, dass der Kläger zufällig an der Baustelle vorbei kam, an der ein Freund des Klägers arbeitete. Der Kläger habe diesem aus eigenem Entschluss geholfen. Er selbst habe hiervon keine Kenntnis gehabt.
Bei einem Gesprächstermin mit der Beklagten am 06.03.2001 gab Bauherr T. an, er habe Herrn B. M. als Fachmann für Dacharbeiten zu einer kurzen Beratung gebeten, weil er ein technisches Problem der Dacheindeckung nicht selbst habe lösen können. Herr M. sei nicht bei ihm angestellt gewesen, bei der Tätigkeit habe es sich um eine Gefälligkeit gehandelt, die später durch eine Gegenleistung habe abgegolten werden sollen. Der Kläger sei weder zu Arbeitsleistungen gebeten, noch hierfür vergütet worden. Den Kläger habe er auch vor dem Unfalltag nicht gekannt, auch nicht aus der Nachbarschaft.
Auch der Dachdecker Lang wurde von der Beklagten befragt und gab an, bis zum Unfalltag auf der Baustelle keine Arbeiten verrichtet zu haben. Er habe lediglich dem Herrn T. zwei oder drei Mal Ratschläge im Zusammenhang mit Dacharbeiten erteilt, wozu er fachlich in der Lage sei, da er seit über 20 Jahren Dachdecker sei. Im konkreten Fall habe ihn Herr T. ohne konkrete zeitliche Absprache gebeten, sich gelegentlich den Stand der Dacharbeiten anzusehen und ihn bei der Lösung eines konkreten technischen Problems zu beraten. Am Unfalltag habe er den ihm bekannten Kläger angerufen und ihn gefragt, ob er sich die problematische Stelle am Dach mit ihm gemeinsam ansehen könne. Der Kläger sei eine zeitlang Dachdecker gewesen und deshalb fachkundig. Der Kläger habe auch einen kompetenten Lösungsvorschlag gemacht, der letztlich auch umgesetzt worden sei. Der Aufenthalt auf dem Dach habe weniger als 20 Minuten gedauert. Der Kläger habe nicht bei Dacharbeiten helfen sollen, sondern sei ausschließlich zu dem kurzen Beratungsgespräch gekommen.
Die Beklagte verneinte einen Versicherungsfall (Bescheid vom 29.06.2001), da der Kläger nicht wie ein Arbeitnehmer, sondern wie ein Unternehmer tätig geworden sei. Denn er habe über die entsprechenden Fachkenntnisse verfügt und nicht der Weisungsbefugnis des Bauherren unterlegen. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Am 02.04.2004 beantragte der Kläger nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X), den ablehnenden Bescheid aufzuheben und ihm Leistungen ab dem Unfalltag zu bewilligen. Er sei wie ein Arbeitnehmer tätig geworden. Seine Tätigkeit sei nicht unternehmerähnlich gewesen, da er die zum Unfall führenden Arbeiten nicht regelmäßig ausgeführt habe, sondern nur einmalig seine Meinung zu einem Bauproblem geäußert habe. Der Kläger sei Maschinenbauingenieur und habe einmal drei Monate als Dachdeckergehilfe gearbeitet. Seine Fachkenntnisse stünden einer beschäftigungsähnlichen Tätigkeit nicht entgegen, wenn die Arbeit den Interessen des Unternehmens diene.
Die Beklagte lehnte eine Rücknahme des Bescheides vom 29.06.2001 ab (Bescheid vom 18.10.2004), da sie den Sachverhalt vollständig und richtig ermittelt und rechtlich zutreffend gewürdigt habe.
Mit dem Widerspruch trug der Kläger vor, er sei nicht wie ein Unternehmer tätig geworden, habe aber selbst dann Anspruch nach § 105 Abs. 2 S. 2 SGB VII.
Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Bescheid vom 28.07.2005). Auch nach nochmaliger Überprüfung werde die Tätigkeit des Klägers als unternehmerähnlich angesehen.
Hiergegen richtet sich die Klage. Der Kläger gibt an, er habe keineswegs nur für den Dachdecker M. tätig werden wollen; der Bauherr T. sei sein direkter Nachbar, dem er ebenfalls habe helfen wollen. Als Helfer des Dachdeckers M. sei der Kläger aber auch für diesen arbeitnehmerähnlich tätig geworden. Der Kläger habe derartige Beratungen nicht regelmäßig durchgeführt, sondern sich nur einmalig zu einer Problemlösung geäußert. Er habe also nicht unternehmerisch gehandelt. Er sei dem Dachdecker M. mit seinen Fachkenntnissen auch nicht überlegen gewesen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 18.10.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger vom 19.07.2000 an Verletztenrente in Höhe der Vollrente zu zahlen und die zu gewährenden Leistungen mit 4 % zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte wiederholt ihren Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 29.06.2001, da er bei dem Unfall am 19.07.2000 nicht wie ein Arbeitnehmer versichert war.
Die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheides vom 29.06.2001 liegen nicht vor. Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu unrecht erhoben worden sind.
Der Kläger trägt selbst nicht vor, dass die Beklagte den Sachverhalt unzutreffend ermittelt habe. Hierfür haben sich auch aus der Sicht der Kammer keine Anhaltspunkte ergeben. Streitig ist vielmehr die rechtliche Bewertung des Sachverhaltes.
Dabei ist die Beklagte im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger bei seinem Unfall am 19.07.2000 nicht gesetzlich unfallversichert war. Der Kläger war nicht als Beschäftigter versichert (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII), denn er war weder beim Bauherren, noch beim Dachdecker M. angestellt. Andere Versicherungstatbestände des § 2 Abs. 1 SGB VII kommen nicht in Betracht.
Der Kläger war aber auch nicht nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII versichert; nach dieser Vorschrift sind Personen versichert, die wie Beschäftigte nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 tätig werden. Diese Voraussetzung erfüllte der Kläger am Unfalltag nicht (zu den Voraussetzungen vgl. z.B. LSG NRW, Urteil vom 24.06.1998, L 17 U 48/98; LSG Rheinland-Pfalz; Urteil vom 03.04.2000, L 7 U 379/99; Kasseler Kommentar/Ricke, Rdnr. 103 bis 112 a zu § 2 SGB VII):
Wie ein Beschäftigter ist tätig, wer eine ernstliche, dem Unternehmen dienende Tätigkeit verrichtet, die dem wirtschaftlichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und ihrer Art nach auch von Personen verrichtet werden könnte, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen, wobei die Betätigung nach ihren konkreten Umständen einer Tätigkeit im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ähnlich sein muss (BSG, Urteil vom 27.10.1987, 2 RU 9/87, Die Leistungen, 1989, 46 bis 50).
Jedenfalls an der letztgenannten Voraussetzung fehlt es hier. Zwar konnte die Tätigkeit des Klägers auf der Baustelle ihrer Art nach grundsätzlich auch von Arbeitnehmern verrichtet werden. Die konkrete Arbeitnehmerähnlichkeit im Einzelfall ist jedoch nicht gegeben. Hierzu ist es zwar nicht notwendig, dass der Kläger Entgelt erhielt oder weisungsabhängig tätig war (BSG, a.a.O.). Wesentlich ist aber, dass die Tätigkeit nach Handlungstendenz und Beziehung der Beteiligten untereinander dem tatsächlichen Erscheinungsbild einer Arbeitnehmertätigkeit entspricht (Kasseler Kommentar/Ricke, Rdnr. 108 zu § 2 SGB VII). Dabei ist zwar der Versicherungsschutz nicht schon ausgeschlossen, weil es sich um eine Gefälligkeit handelte (LSG NRW a.a.O.). Jedoch war nach dem Gesamtbild der Tätigkeit vom Kläger eine fachlich qualifizierte Beratung erbeten, wie sie ein Bauherr typischer Weise an einen selbständigen Handwerker oder einen Freiberufler (Architekt, Bausachverständiger) herantragen würde. Dies gilt sowohl im Verhältnis zum Bauherren T. als auch in dem zum Dachdecker M. , denn nach dem ermittelten Sachverhalt war es offenbar der Kläger, der über die im speziellen Fall notwendigen Fachkenntnisse verfügte und schließlich auch den vom Bauherren umgesetzten Lösungsvorschlag machte. Hieraus wird deutlich, dass der Kläger auch dem Dachdecker M. von seiner Funktion und Qualifikation her zumindest auf gleicher Augenhöhe begegnete. Zudem unterlag er keinerlei Vorgaben hinsichtlich der Ausführung seiner Tätigkeit.
Die demnach vom Gesamtbild her unternehmerisch/freiberuflich ausgestaltete Beratungstätigkeit wird entgegen der Auffassung des Klägers nicht dadurch zu einer arbeitnehmerähnlichen, dass nicht festgestellt wurde, dass der Kläger mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Planmäßigkeit eine Art Geschäftsbetrieb betreibt. Hierauf kommt es nicht an, wenn die zum Unfall führende Tätigkeit eher einem anderen Vertragstyp, als einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis vergleichbar ist (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O. mit zahlreichen Nachweisen; LSG NRW, a.a.O.).
Mangels Fremdverschulden kommt entgegen der Ansicht des Klägers ein Anspruch aus § 105 Abs. 2 S. 2 SGB VII nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger bei seinem Unfall am 19.07.2000 "wie ein Arbeitnehmer" gesetz-lich unfallversichert war.
Die Krankenkasse des Klägers meldete am 22.09.2000 einen Unfall vom 19.07.2000, 20:00 Uhr. Der Kläger sei im Rohbau des Nachbarn ca. 5 Meter tief auf einen Betonboden gestürzt. Der Kläger zog sich hierbei einen Schädelbasis- und Schlüsselbeinbruch zu. Zu den Unfallfolgen gehört ein Schädelhirntrauma III. Grades mit schweren Kommunikationsstörungen, komplettem Hörverlust und Sehstörungen.
Die Lebensgefährtin des Klägers, Frau I., gab an, der Kläger könne sich selbst an den Unfallhergang nicht erinnern. Zeugen des Unfalls gebe es nicht. Der Kläger habe nicht auf der Baustelle gearbeitet, sondern sich den Rohbau angesehen, weil ihn der Bauherr (Nachbar T. ) um einige Ratschläge gebeten habe.
Der erstbehandelnde Chirurg Dr. T. teilte auf Nachfrage mit, es sei seinerzeit kein D-Bericht gefertigt worden, da der Unfall im Rahmen privater Nachbarschaftshilfe geschah. Der Verletzte habe auf freiwilliger Basis einem Freund bei Dacharbeiten geholfen; dies hätten die Verwandten und der Freund am Unfalltag angegeben.
Der Nachbar des Klägers, K. T., teilte der Beklagten mit, er sei bei ihr als Unternehmer gemeldet und habe das Haus, in dem der Unfall geschah, in eigener Regie gebaut. Der Kläger sei nicht für ihn auf der Baustelle tätig gewesen. Er habe erst hinterher erfahren, dass der Kläger zufällig an der Baustelle vorbei kam, an der ein Freund des Klägers arbeitete. Der Kläger habe diesem aus eigenem Entschluss geholfen. Er selbst habe hiervon keine Kenntnis gehabt.
Bei einem Gesprächstermin mit der Beklagten am 06.03.2001 gab Bauherr T. an, er habe Herrn B. M. als Fachmann für Dacharbeiten zu einer kurzen Beratung gebeten, weil er ein technisches Problem der Dacheindeckung nicht selbst habe lösen können. Herr M. sei nicht bei ihm angestellt gewesen, bei der Tätigkeit habe es sich um eine Gefälligkeit gehandelt, die später durch eine Gegenleistung habe abgegolten werden sollen. Der Kläger sei weder zu Arbeitsleistungen gebeten, noch hierfür vergütet worden. Den Kläger habe er auch vor dem Unfalltag nicht gekannt, auch nicht aus der Nachbarschaft.
Auch der Dachdecker Lang wurde von der Beklagten befragt und gab an, bis zum Unfalltag auf der Baustelle keine Arbeiten verrichtet zu haben. Er habe lediglich dem Herrn T. zwei oder drei Mal Ratschläge im Zusammenhang mit Dacharbeiten erteilt, wozu er fachlich in der Lage sei, da er seit über 20 Jahren Dachdecker sei. Im konkreten Fall habe ihn Herr T. ohne konkrete zeitliche Absprache gebeten, sich gelegentlich den Stand der Dacharbeiten anzusehen und ihn bei der Lösung eines konkreten technischen Problems zu beraten. Am Unfalltag habe er den ihm bekannten Kläger angerufen und ihn gefragt, ob er sich die problematische Stelle am Dach mit ihm gemeinsam ansehen könne. Der Kläger sei eine zeitlang Dachdecker gewesen und deshalb fachkundig. Der Kläger habe auch einen kompetenten Lösungsvorschlag gemacht, der letztlich auch umgesetzt worden sei. Der Aufenthalt auf dem Dach habe weniger als 20 Minuten gedauert. Der Kläger habe nicht bei Dacharbeiten helfen sollen, sondern sei ausschließlich zu dem kurzen Beratungsgespräch gekommen.
Die Beklagte verneinte einen Versicherungsfall (Bescheid vom 29.06.2001), da der Kläger nicht wie ein Arbeitnehmer, sondern wie ein Unternehmer tätig geworden sei. Denn er habe über die entsprechenden Fachkenntnisse verfügt und nicht der Weisungsbefugnis des Bauherren unterlegen. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Am 02.04.2004 beantragte der Kläger nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X), den ablehnenden Bescheid aufzuheben und ihm Leistungen ab dem Unfalltag zu bewilligen. Er sei wie ein Arbeitnehmer tätig geworden. Seine Tätigkeit sei nicht unternehmerähnlich gewesen, da er die zum Unfall führenden Arbeiten nicht regelmäßig ausgeführt habe, sondern nur einmalig seine Meinung zu einem Bauproblem geäußert habe. Der Kläger sei Maschinenbauingenieur und habe einmal drei Monate als Dachdeckergehilfe gearbeitet. Seine Fachkenntnisse stünden einer beschäftigungsähnlichen Tätigkeit nicht entgegen, wenn die Arbeit den Interessen des Unternehmens diene.
Die Beklagte lehnte eine Rücknahme des Bescheides vom 29.06.2001 ab (Bescheid vom 18.10.2004), da sie den Sachverhalt vollständig und richtig ermittelt und rechtlich zutreffend gewürdigt habe.
Mit dem Widerspruch trug der Kläger vor, er sei nicht wie ein Unternehmer tätig geworden, habe aber selbst dann Anspruch nach § 105 Abs. 2 S. 2 SGB VII.
Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Bescheid vom 28.07.2005). Auch nach nochmaliger Überprüfung werde die Tätigkeit des Klägers als unternehmerähnlich angesehen.
Hiergegen richtet sich die Klage. Der Kläger gibt an, er habe keineswegs nur für den Dachdecker M. tätig werden wollen; der Bauherr T. sei sein direkter Nachbar, dem er ebenfalls habe helfen wollen. Als Helfer des Dachdeckers M. sei der Kläger aber auch für diesen arbeitnehmerähnlich tätig geworden. Der Kläger habe derartige Beratungen nicht regelmäßig durchgeführt, sondern sich nur einmalig zu einer Problemlösung geäußert. Er habe also nicht unternehmerisch gehandelt. Er sei dem Dachdecker M. mit seinen Fachkenntnissen auch nicht überlegen gewesen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 18.10.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger vom 19.07.2000 an Verletztenrente in Höhe der Vollrente zu zahlen und die zu gewährenden Leistungen mit 4 % zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte wiederholt ihren Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 29.06.2001, da er bei dem Unfall am 19.07.2000 nicht wie ein Arbeitnehmer versichert war.
Die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheides vom 29.06.2001 liegen nicht vor. Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu unrecht erhoben worden sind.
Der Kläger trägt selbst nicht vor, dass die Beklagte den Sachverhalt unzutreffend ermittelt habe. Hierfür haben sich auch aus der Sicht der Kammer keine Anhaltspunkte ergeben. Streitig ist vielmehr die rechtliche Bewertung des Sachverhaltes.
Dabei ist die Beklagte im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger bei seinem Unfall am 19.07.2000 nicht gesetzlich unfallversichert war. Der Kläger war nicht als Beschäftigter versichert (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII), denn er war weder beim Bauherren, noch beim Dachdecker M. angestellt. Andere Versicherungstatbestände des § 2 Abs. 1 SGB VII kommen nicht in Betracht.
Der Kläger war aber auch nicht nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII versichert; nach dieser Vorschrift sind Personen versichert, die wie Beschäftigte nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 tätig werden. Diese Voraussetzung erfüllte der Kläger am Unfalltag nicht (zu den Voraussetzungen vgl. z.B. LSG NRW, Urteil vom 24.06.1998, L 17 U 48/98; LSG Rheinland-Pfalz; Urteil vom 03.04.2000, L 7 U 379/99; Kasseler Kommentar/Ricke, Rdnr. 103 bis 112 a zu § 2 SGB VII):
Wie ein Beschäftigter ist tätig, wer eine ernstliche, dem Unternehmen dienende Tätigkeit verrichtet, die dem wirtschaftlichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und ihrer Art nach auch von Personen verrichtet werden könnte, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen, wobei die Betätigung nach ihren konkreten Umständen einer Tätigkeit im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ähnlich sein muss (BSG, Urteil vom 27.10.1987, 2 RU 9/87, Die Leistungen, 1989, 46 bis 50).
Jedenfalls an der letztgenannten Voraussetzung fehlt es hier. Zwar konnte die Tätigkeit des Klägers auf der Baustelle ihrer Art nach grundsätzlich auch von Arbeitnehmern verrichtet werden. Die konkrete Arbeitnehmerähnlichkeit im Einzelfall ist jedoch nicht gegeben. Hierzu ist es zwar nicht notwendig, dass der Kläger Entgelt erhielt oder weisungsabhängig tätig war (BSG, a.a.O.). Wesentlich ist aber, dass die Tätigkeit nach Handlungstendenz und Beziehung der Beteiligten untereinander dem tatsächlichen Erscheinungsbild einer Arbeitnehmertätigkeit entspricht (Kasseler Kommentar/Ricke, Rdnr. 108 zu § 2 SGB VII). Dabei ist zwar der Versicherungsschutz nicht schon ausgeschlossen, weil es sich um eine Gefälligkeit handelte (LSG NRW a.a.O.). Jedoch war nach dem Gesamtbild der Tätigkeit vom Kläger eine fachlich qualifizierte Beratung erbeten, wie sie ein Bauherr typischer Weise an einen selbständigen Handwerker oder einen Freiberufler (Architekt, Bausachverständiger) herantragen würde. Dies gilt sowohl im Verhältnis zum Bauherren T. als auch in dem zum Dachdecker M. , denn nach dem ermittelten Sachverhalt war es offenbar der Kläger, der über die im speziellen Fall notwendigen Fachkenntnisse verfügte und schließlich auch den vom Bauherren umgesetzten Lösungsvorschlag machte. Hieraus wird deutlich, dass der Kläger auch dem Dachdecker M. von seiner Funktion und Qualifikation her zumindest auf gleicher Augenhöhe begegnete. Zudem unterlag er keinerlei Vorgaben hinsichtlich der Ausführung seiner Tätigkeit.
Die demnach vom Gesamtbild her unternehmerisch/freiberuflich ausgestaltete Beratungstätigkeit wird entgegen der Auffassung des Klägers nicht dadurch zu einer arbeitnehmerähnlichen, dass nicht festgestellt wurde, dass der Kläger mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Planmäßigkeit eine Art Geschäftsbetrieb betreibt. Hierauf kommt es nicht an, wenn die zum Unfall führende Tätigkeit eher einem anderen Vertragstyp, als einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis vergleichbar ist (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O. mit zahlreichen Nachweisen; LSG NRW, a.a.O.).
Mangels Fremdverschulden kommt entgegen der Ansicht des Klägers ein Anspruch aus § 105 Abs. 2 S. 2 SGB VII nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
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