Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 64/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller (Ast.) begehrt die Feststellung, dass die Antragsgegnerin (Ag.) weiterhin verpflichtet ist, die Kosten für Healon® 1:10 verdünnt mit Liquifilm® Augentropfen zu übernehmen.
Bei dem 1959 geborenen Ast. besteht Juveniles Glaukom, ein Zustand nach Hornhauttransplantation rechtes Auge bei Morbus Wagner, Netzhautablösung, periphere Netzhautdegeneration sowie eine Rosacea. Er wird wegen Augenerkrankung laufend in der Klinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums Aachen behandelt. Die dortigen Ärzte verordneten ihm seit Jahren Healon® (Spritzampulle 0,55 ml) 1:10 verdünnt mit Liquifilm® Augentropfen. Allein im Jahre 2006 verordneten sie ca. 100 Flaschen, für das 1. Quartal 2007 weitere 55 Flaschen derart als Rezeptur hergestellte Augentropfen; der Preis pro Flasche beträgt 209,- EUR.
Auf Veranlassung der Antragsgegnerin (Ag.) erstattete der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) durch Dr. Moeller am 02.07.2007 ein Sozialmedizinisches Gutachten zur Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit dieser Verordnungen. Dr. N. stellte fest, bei Healon®-Ampulllen handele es sich um ein Medizinprodukt mit dem Wirkstoff Hyaluronsäure; Liquifilm®-N-Augentropfen mit dem Wirkstoff Polyvinylalkohol seien als apothenpflichtiges, nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel im Handel. Bei der vorliegenden schwerwiegenden Augenerkrankung sei aus medizinischer Sicht die Notwendigkeit einer regelmäßigen Behandlung des Auges mit Tränenersatzmitteln gegeben. Es stünden Tränenersatzmittel mit dem Wirkstoff Hyaluronsäure in allen möglichen Kombinationen auf dem Deutschen Markt zur Verfügung; zum Teil seien sie als Medizinprodukte deklariert, zum Teil als nicht verschreibungspflichtigte Arzneimittel, zum Teil könnten die Medizinprodukte und Arzneimittel kombiniert werden. Es handele sich jedoch in der Regel um nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, für die eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht gegeben sei. Eine Ausnahmeindikation gemäß Ziffer 16.4.36 der Arzneimittelrichtlinien (AMR) liege nicht vor. Aus sozialmedizinischer Sicht - so Dr. N.- sei die Behandlung mit Tränenersatzmitteln im vorliegenden Fall zwar medizinisch erforderlich; jedoch sei die verordnete Rezeptur von Healon-Liquifilm-Augentropfen medizinisch nicht erforderlich und als unwirtschaftlich zu beurteilen. Es stünden ausreichende Fertigarzneimittel und Medizinprodukte zur Verfügung, die nicht verschreibungspflichtig seien.
Am 08.08.2007 hat der Ast. unmittelbar beim Sozialgericht einen Eilantrag "auf weitere Übernahme der Arzneimittelkosten für das Medikament Healon 1:10" gegen die Ag. gestellt. Er trägt vor, ihm sei bis zum heutigen Tage das genannte Medikament verordnet und von der Krankenversicherung bezahlt worden. Nun sei ihm von Prof. Dr. S. (Leitender Oberarzt der Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum B.) mitgeteilt worden, dass das Medikament aus Sicht der Krankenkasse nicht mehr verordnet werden dürfe. Seit Jahren werde dieses Medikament mit großem Erfolg eingesetzt. Aus wirtschaftlichen Gründen sei mehrmals versucht worden, andere vergleichbare Medikament einzusetzen, jedoch leider ohne Erfolg. Wegen seiner Augenerkrankung und seines Gesundheitszustandes sei er dringend auf das Medikament angewiesen, um das rechte letzte Auge zu erhalten.
Der Antragsteller beantragt im Sinne seines schriftsätzlichen Vorbringens nach,
die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, weiterhin die Kosten für Healon® 1:10 verdünnt mit Liquifilm® Augentropfen zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie weist darauf hin, dass der Ast. bisher keinen Antrag auf Kostenübernahme bei ihr gestellt hat, über den sie im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens hätte entscheiden können. In der Sache ist sie der Auffassung, dass eine Verordnung der streitbefangenen Rezeptur zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse nicht zulässig sei. Zur Begründung bezieht sie sich auf die Feststellungen des MDK-Arztes Dr. N ... Ergänzend weist sie darauf hin, dass beim Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein seit 2006 ein Prüfverfahren anhängig ist, in dem die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der Verordnungen von Healon-Liquifilm-Augentropfen geprüft werden soll.
Auf Anfragen des Gerichts hat Prof. Dr. S. mitgeteilt, bei Healon®-Ampullen handele es sich um ein Medizinprodukt, bei Liquifilm®-Augentropfen um ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel. Der Ast. sei laufend auf Tränenersatzmittel angewiesen, er könne aber mit nicht verschreibungspflichtigen Tränenersatzmittel nicht behandelt werden. Aufgrund der multiplen Unverträglichkeit auf Augentropfen gebe es keine Alternative in der Therapie. Herkömmliche benetzende Augentropfen mit Hyalonsäure auch ohne Konservierungsmittel seien seit 1999 regelmäßig probiert worden, wobei jeweils wieder eine Befundverschlechterung eingetreten sei. Nur die Behandlung mit Healon® 1:10 verdünnt habe wieder zu einer Besserung und auch des klinischen Befundes geführt. Da es für den Ast. keine Therapiealternative gebe und es sich um sein funktionell letztes Auge handele, müsse die Therapie mit Healon® 1:10 verdünnt unbedingt fortgeführt werden; anderenfalls drohe ein völliger Visusverlust mit Abhängigkeit von anderen Personen und Verlust der lebenserhaltenden Fähigkeiten sowie eine starke Verschlechterung der Schmerzsymptomatik bei Oberflächenproblemen der Hornhaut. Die entsprechenden Verordnungen müssten also weiter ausgestellt werden, um eine regelmäßige und ununterbrochene Therapie zu gewährleisten.
Auf telefonische Nachfrage des Kammervorsitzenden des Gerichts hat Dr. U. (MDK Nordrhein) nach Rücksprache mit dem beratenden Apotheker mitgeteilt, die Rezeptur Healon® 1:10 verdünnt mit Liquifilm®-Augentropfen sei nicht verschrei-bungspflichtig.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass der Ast., bevor er sich an das Gericht gewandt hat, keinen Kostenübernahmeantrag bei der Ag. gestellt hat. Denn diese hat zuvor ganz deutlich zu erkennen gegeben und dies im Verlauf des gerichtlichen Verfahren wiederholt, dass sie eine Verordnung wie bisher zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung für unzulässig hält.
Der Eilantrag ist jedoch unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Antragsteller muss glaubhauft machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO), dass ihm ein Anspruch auf die geltend gemachte Leistung zusteht (Anordnungsanspruch) und dass das Abwarten einer gerichtlichen Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren für ihn mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre (Anordnungsgrund). Einstweilige Anordnungen kommen grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Beseitigung einer gegenwärtigen Notlage dringend geboten ist.
Für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung fehlt es an einem Anordnungsanspruch.
Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung durch Versorgung mit Arzneimitteln. Medizinprodukte sind nach Maßgabe von § 31 Abs. 1 Satz 3 SGB V in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen. Die Versicherten erhalten die Leistungen grundsätzlich als Sach- und Dienstleistungen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 - das sind die AMR - ausgeschlossen sind (§ 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V); nicht verschreibungspflichtige Arzneitmitteln sind von der Versorgung nach § 31 ausgeschlossen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V).
Healon® ist ein Viskoseelastikum. Es handelt sich hierbei um ein Medizinprodukt. Ob Healon® 1:10 verdünnt mit Liquifilm®-Augentropfen verschreibungspflichtig ist, kann hier offenbleiben. Wenn die Rezeptur - wie der MDK Nordrhein (Dr. U.) mitgeteilt hat - nicht verschreibungspflichtig ist, wäre sie bereits nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V grundsätzlich von der Versorgung ausgeschlossen, es sei denn, sie gelte bei der Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung als Therapiestandard (§ 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Aber auch wenn die Rezeptur verschreibungspflichtig wäre, hätte der Ast. keinen Anspruch auf Kostenübernahme im Wege einer einstweiligen Anordnung. Die Verordnung von Arzneimitteln liegt allein in der Verantwortung des Vertragsarztes. Die Genehmigung von Arzneimittelverordnungen durch die Krankenkasse ist unzulässig (§ 29 Abs. 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte). Es kann dahinstehen, ob das streitbefangene Rezeptur-Arzneimittel zur Behandlung des Klägers medizinisch notwendig ist und es dazu keine Therapiealternative gibt, wie Prof. Dr. S. meint, oder ob ausreichende nicht verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel und Medizinprodukte zur Verfügung stehen, wie der MDK-Arzt Dr. N. meint. Wenn Prof. Dr. S. der Auffassung ist, dass zu der Behandlung mit Healon® 1:10 verdünnt mit Liquifilm®-Augentropfen keine Behandlungsalternative besteht, und er ist dies verantworten kann, steht es ihm frei, diese Rezeptur wie bisher zu verordnen. Diese Möglichkeit besteht selbst dann, wenn sich eine grundsätzliche Nichtverordnungsfähigkeit aus den AMR ergäbe. Denn nach § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V kann der Vertragsarzt Arzneimittel, die aufgrund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 von der Versorgung ausgeschlossen sind, "ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen". Wenn dem Ast. Healon® 1:10 verdünnt mit Liquifilm®-Augentropfen vertragsärztlich verordnet wird, erhält er aufgrund dieser Verordnungen das Arznei-mittel von der Krankenkasse über eine abgebende Apotheke als Sachleistung zur Verfügung gestellt. Ob die Verordnung tatsächlich medizinisch notwendig, wirtschaftlich und zulässig ist, ist ggf. im Verhältnis zwischen Krankenkasse und verordnendem Vertragsarzt, nicht aber auf dem Rücken des versicherten Patienten zu klären. Wenn aber Prof. Dr. S. - anders als bisher verlautbart - doch eine Behandlungsalternative mit nicht verschreibungs- und apothekenpflichtigen Arzneimitteln sähe und deshalb die bisherige Verordnung mit Healon® 1:10 verdünnt mit Liquifilm®-Augentropfen nicht mehr verantworten könnte, hätte der Kläger keinen Anspruch auf die entsprechende Sachleistung und erst recht nicht auf Kostenübernahme.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe:
I.
Der Antragsteller (Ast.) begehrt die Feststellung, dass die Antragsgegnerin (Ag.) weiterhin verpflichtet ist, die Kosten für Healon® 1:10 verdünnt mit Liquifilm® Augentropfen zu übernehmen.
Bei dem 1959 geborenen Ast. besteht Juveniles Glaukom, ein Zustand nach Hornhauttransplantation rechtes Auge bei Morbus Wagner, Netzhautablösung, periphere Netzhautdegeneration sowie eine Rosacea. Er wird wegen Augenerkrankung laufend in der Klinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums Aachen behandelt. Die dortigen Ärzte verordneten ihm seit Jahren Healon® (Spritzampulle 0,55 ml) 1:10 verdünnt mit Liquifilm® Augentropfen. Allein im Jahre 2006 verordneten sie ca. 100 Flaschen, für das 1. Quartal 2007 weitere 55 Flaschen derart als Rezeptur hergestellte Augentropfen; der Preis pro Flasche beträgt 209,- EUR.
Auf Veranlassung der Antragsgegnerin (Ag.) erstattete der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) durch Dr. Moeller am 02.07.2007 ein Sozialmedizinisches Gutachten zur Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit dieser Verordnungen. Dr. N. stellte fest, bei Healon®-Ampulllen handele es sich um ein Medizinprodukt mit dem Wirkstoff Hyaluronsäure; Liquifilm®-N-Augentropfen mit dem Wirkstoff Polyvinylalkohol seien als apothenpflichtiges, nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel im Handel. Bei der vorliegenden schwerwiegenden Augenerkrankung sei aus medizinischer Sicht die Notwendigkeit einer regelmäßigen Behandlung des Auges mit Tränenersatzmitteln gegeben. Es stünden Tränenersatzmittel mit dem Wirkstoff Hyaluronsäure in allen möglichen Kombinationen auf dem Deutschen Markt zur Verfügung; zum Teil seien sie als Medizinprodukte deklariert, zum Teil als nicht verschreibungspflichtigte Arzneimittel, zum Teil könnten die Medizinprodukte und Arzneimittel kombiniert werden. Es handele sich jedoch in der Regel um nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, für die eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht gegeben sei. Eine Ausnahmeindikation gemäß Ziffer 16.4.36 der Arzneimittelrichtlinien (AMR) liege nicht vor. Aus sozialmedizinischer Sicht - so Dr. N.- sei die Behandlung mit Tränenersatzmitteln im vorliegenden Fall zwar medizinisch erforderlich; jedoch sei die verordnete Rezeptur von Healon-Liquifilm-Augentropfen medizinisch nicht erforderlich und als unwirtschaftlich zu beurteilen. Es stünden ausreichende Fertigarzneimittel und Medizinprodukte zur Verfügung, die nicht verschreibungspflichtig seien.
Am 08.08.2007 hat der Ast. unmittelbar beim Sozialgericht einen Eilantrag "auf weitere Übernahme der Arzneimittelkosten für das Medikament Healon 1:10" gegen die Ag. gestellt. Er trägt vor, ihm sei bis zum heutigen Tage das genannte Medikament verordnet und von der Krankenversicherung bezahlt worden. Nun sei ihm von Prof. Dr. S. (Leitender Oberarzt der Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum B.) mitgeteilt worden, dass das Medikament aus Sicht der Krankenkasse nicht mehr verordnet werden dürfe. Seit Jahren werde dieses Medikament mit großem Erfolg eingesetzt. Aus wirtschaftlichen Gründen sei mehrmals versucht worden, andere vergleichbare Medikament einzusetzen, jedoch leider ohne Erfolg. Wegen seiner Augenerkrankung und seines Gesundheitszustandes sei er dringend auf das Medikament angewiesen, um das rechte letzte Auge zu erhalten.
Der Antragsteller beantragt im Sinne seines schriftsätzlichen Vorbringens nach,
die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, weiterhin die Kosten für Healon® 1:10 verdünnt mit Liquifilm® Augentropfen zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie weist darauf hin, dass der Ast. bisher keinen Antrag auf Kostenübernahme bei ihr gestellt hat, über den sie im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens hätte entscheiden können. In der Sache ist sie der Auffassung, dass eine Verordnung der streitbefangenen Rezeptur zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse nicht zulässig sei. Zur Begründung bezieht sie sich auf die Feststellungen des MDK-Arztes Dr. N ... Ergänzend weist sie darauf hin, dass beim Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein seit 2006 ein Prüfverfahren anhängig ist, in dem die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der Verordnungen von Healon-Liquifilm-Augentropfen geprüft werden soll.
Auf Anfragen des Gerichts hat Prof. Dr. S. mitgeteilt, bei Healon®-Ampullen handele es sich um ein Medizinprodukt, bei Liquifilm®-Augentropfen um ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel. Der Ast. sei laufend auf Tränenersatzmittel angewiesen, er könne aber mit nicht verschreibungspflichtigen Tränenersatzmittel nicht behandelt werden. Aufgrund der multiplen Unverträglichkeit auf Augentropfen gebe es keine Alternative in der Therapie. Herkömmliche benetzende Augentropfen mit Hyalonsäure auch ohne Konservierungsmittel seien seit 1999 regelmäßig probiert worden, wobei jeweils wieder eine Befundverschlechterung eingetreten sei. Nur die Behandlung mit Healon® 1:10 verdünnt habe wieder zu einer Besserung und auch des klinischen Befundes geführt. Da es für den Ast. keine Therapiealternative gebe und es sich um sein funktionell letztes Auge handele, müsse die Therapie mit Healon® 1:10 verdünnt unbedingt fortgeführt werden; anderenfalls drohe ein völliger Visusverlust mit Abhängigkeit von anderen Personen und Verlust der lebenserhaltenden Fähigkeiten sowie eine starke Verschlechterung der Schmerzsymptomatik bei Oberflächenproblemen der Hornhaut. Die entsprechenden Verordnungen müssten also weiter ausgestellt werden, um eine regelmäßige und ununterbrochene Therapie zu gewährleisten.
Auf telefonische Nachfrage des Kammervorsitzenden des Gerichts hat Dr. U. (MDK Nordrhein) nach Rücksprache mit dem beratenden Apotheker mitgeteilt, die Rezeptur Healon® 1:10 verdünnt mit Liquifilm®-Augentropfen sei nicht verschrei-bungspflichtig.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass der Ast., bevor er sich an das Gericht gewandt hat, keinen Kostenübernahmeantrag bei der Ag. gestellt hat. Denn diese hat zuvor ganz deutlich zu erkennen gegeben und dies im Verlauf des gerichtlichen Verfahren wiederholt, dass sie eine Verordnung wie bisher zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung für unzulässig hält.
Der Eilantrag ist jedoch unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Antragsteller muss glaubhauft machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO), dass ihm ein Anspruch auf die geltend gemachte Leistung zusteht (Anordnungsanspruch) und dass das Abwarten einer gerichtlichen Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren für ihn mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre (Anordnungsgrund). Einstweilige Anordnungen kommen grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Beseitigung einer gegenwärtigen Notlage dringend geboten ist.
Für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung fehlt es an einem Anordnungsanspruch.
Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung durch Versorgung mit Arzneimitteln. Medizinprodukte sind nach Maßgabe von § 31 Abs. 1 Satz 3 SGB V in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen. Die Versicherten erhalten die Leistungen grundsätzlich als Sach- und Dienstleistungen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 - das sind die AMR - ausgeschlossen sind (§ 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V); nicht verschreibungspflichtige Arzneitmitteln sind von der Versorgung nach § 31 ausgeschlossen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V).
Healon® ist ein Viskoseelastikum. Es handelt sich hierbei um ein Medizinprodukt. Ob Healon® 1:10 verdünnt mit Liquifilm®-Augentropfen verschreibungspflichtig ist, kann hier offenbleiben. Wenn die Rezeptur - wie der MDK Nordrhein (Dr. U.) mitgeteilt hat - nicht verschreibungspflichtig ist, wäre sie bereits nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V grundsätzlich von der Versorgung ausgeschlossen, es sei denn, sie gelte bei der Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung als Therapiestandard (§ 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Aber auch wenn die Rezeptur verschreibungspflichtig wäre, hätte der Ast. keinen Anspruch auf Kostenübernahme im Wege einer einstweiligen Anordnung. Die Verordnung von Arzneimitteln liegt allein in der Verantwortung des Vertragsarztes. Die Genehmigung von Arzneimittelverordnungen durch die Krankenkasse ist unzulässig (§ 29 Abs. 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte). Es kann dahinstehen, ob das streitbefangene Rezeptur-Arzneimittel zur Behandlung des Klägers medizinisch notwendig ist und es dazu keine Therapiealternative gibt, wie Prof. Dr. S. meint, oder ob ausreichende nicht verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel und Medizinprodukte zur Verfügung stehen, wie der MDK-Arzt Dr. N. meint. Wenn Prof. Dr. S. der Auffassung ist, dass zu der Behandlung mit Healon® 1:10 verdünnt mit Liquifilm®-Augentropfen keine Behandlungsalternative besteht, und er ist dies verantworten kann, steht es ihm frei, diese Rezeptur wie bisher zu verordnen. Diese Möglichkeit besteht selbst dann, wenn sich eine grundsätzliche Nichtverordnungsfähigkeit aus den AMR ergäbe. Denn nach § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V kann der Vertragsarzt Arzneimittel, die aufgrund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 von der Versorgung ausgeschlossen sind, "ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen". Wenn dem Ast. Healon® 1:10 verdünnt mit Liquifilm®-Augentropfen vertragsärztlich verordnet wird, erhält er aufgrund dieser Verordnungen das Arznei-mittel von der Krankenkasse über eine abgebende Apotheke als Sachleistung zur Verfügung gestellt. Ob die Verordnung tatsächlich medizinisch notwendig, wirtschaftlich und zulässig ist, ist ggf. im Verhältnis zwischen Krankenkasse und verordnendem Vertragsarzt, nicht aber auf dem Rücken des versicherten Patienten zu klären. Wenn aber Prof. Dr. S. - anders als bisher verlautbart - doch eine Behandlungsalternative mit nicht verschreibungs- und apothekenpflichtigen Arzneimitteln sähe und deshalb die bisherige Verordnung mit Healon® 1:10 verdünnt mit Liquifilm®-Augentropfen nicht mehr verantworten könnte, hätte der Kläger keinen Anspruch auf die entsprechende Sachleistung und erst recht nicht auf Kostenübernahme.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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