S 20 SO 21/08 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 SO 21/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der 1979 geborene Antragsteller (Ast.) ist serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger. Er war bis 15.02.2008 in der Justizvollzugsanstalt (JVA) S. inhaftiert. Durch Beschluss des Landgerichts Bonn vom 14.02.2008 wurde die Vollstreckung der Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt. Der Ast. wurde am 15.02.2008 aus der JVA entlassen und wohnt seitdem in der Wohngemeinschaft (WG) für junge Erwachsene I. in B., deren Träger die Caritas ist. Die Aufnahme in der WG kam auf Vermittlung einer JVA-Sozialdienstmitarbeiterin zustande. In Telefonaten eines Mitarbeiters des Antragsgegners (Ag.) mit dem JVA-Sozialdienst und der WG-Leitung wurde von dem LVR-Mitarbeiter erklärt, dass die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Antragsgegners hinsichtlich einer Kostenübernahme unproblematisch sei, sofern die ausländerrechtlichen Voraussetzungen vom Ast. erfüllt würden. Diese waren jedoch zum damaligen Zeitpunkt - Ende 2007 - ungeklärt. Damals lag gegen den Ast. eine Ausweisungsverfügung des Ausländeramtes der Stadt Köln vor, gegen die der Ast. beim Verwaltungsgericht Widerspruch eingelegt hatte. Am 06.03.2008 unterbreitete das Verwaltungsgericht Köln den Beteiligten dieses Verfahrens einen Vergleich, wonach die Stadt Köln von Vollstreckungsmaßnahmen absehen sollte, sofern der Ast. nicht erneut straffällig und die Aussetzung der Strafe zu Bewährung nicht widerrufen wird; zugleich sollte dem Ast. unter diesen Bedingungen eine aufenthaltsrechtliche Duldung erteilt werden. Die Stadt Köln hat dem Vergleich zugestimmt. Der Ast. ist seit ca. 2 Wochen im Besitz einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG).

Durch Bescheid vom 07.03.2008 lehnte der Ag. einen Antrag auf Hilfe zur Überwindung zur besonderer sozialer Schwierigkeiten nach §§ 67 bis 69 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), konkret: auf Übernahme der Kosten für den Aufenthalt in der Einrichtung WG I. ab. Zur Begründung führte er aus, der Ast. sei im Besitz einer Duldung nach § 60a AufenthG und gehöre deshalb zum Personenkreis der Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Dies schließe nach § 23 Abs. 2 SGB XII einen Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe aus.

Dagegen legte der Ast. am 09.03.2008 Widerspruch ein.

Ebenfalls am 09.03.2008 hat er beim Sozialgericht Aachen den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt mit dem Ziel, den Ag. zu verpflichten, ab sofort die Kosten des stationären Aufenthalts des Ast. in der WG I. in B. zu übernehmen. Er behauptet, es läge eine mündliche telefonische Kostenübernahmezusicherung des Ag. vor. Ihm sei zwar bewusst, dass eine Zusicherung zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedürfe. Andererseits sei es jedoch so, dass die telefonische Zusicherung zu der Aufnahme geführt habe und es aus Vertrauensschutzgesichtspunkten nicht zu vertreten sei, ihn am Montag dem 10.03.2008, "rauszuschmeißen". Die Leiterin der WG habe ihm gegenüber erklärt, es sei wirtschaftlich nicht mehr zu vertreten, ihn weiterhin ohne Kostenerstattung in der WG zu belassen; ohne Kostenzusage müsse er am 10.03.2008 die WG verlassen. Der Ast. hat hierzu auch eine Erklärung der JVA S. vom 10.03.2008 vorgelegt.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Ast. muss glaubhaft machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO), dass ihm ein Anspruch auf die geltend gemachte Leistung zusteht (Anordnungsanspruch) und dass das Abwarten einer gerichtlichen Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren für ihn mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre (Anordnungsgrund). Einstweilige Anordnungen kommen grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Beseitigung einer gegenwärtigen Notlage dringend geboten ist.

Abgesehen davon, dass dem vom Bevollmächtigten des Ast. gestellten Eilantrag keine Prozessvollmacht beigefügt war und er deshalb unzulässig ist, liegen auch die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vor. Es fehlt insbesondere am Anordnungsanspruch.

Der Ast. ist im Besitz einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG. Aufgrund dieses aufenthaltsrechtlichen Status ist er gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG leistungsberechtigt nach dem AsylbLG. Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG aber erhalten, wie § 23 Abs. 2 SGB XII ausdrücklich bestimmt, keine Leistungen der Sozialhilfe. Hierbei handelt es sich entgegen der Auffassung des Ast. nicht um eine "reine Vorschrift über die Kosten", sondern um eine jeglichen Sozialhilfeanspruch ausschließende Regelung. Der Ast. kann sich für seinen Verbleib in der WG I. und eine Übernahme der Kosten seines Aufenthalts dort durch den Ag. auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Entgegen seiner Annahme ist vom Ag. zu keinem Zeitpunkt - weder mündlich noch schriftlich - eine Kostenübernahme zugesichert worden. Der vormals zuständige Sachbearbeiter des Ag. hat zwar in Telefonaten gegenüber dem Sozialdienst der JVA S. und einem Mitarbeiter der WG Hasselholz erklärt, dass grundsätzlich die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Ag. für eine Übernahme der Kosten des Aufenthalts des Ast. in der WG I. gegeben seien; er hat jedoch, wie er dem Kammervorsitzenden anlässlich eines heute geführten Telefonats erklärt hat, stets darauf hingewiesen, dass die Kostenübernahme von dem aufenthaltsrechtlichen Status des Ast. abhänge. Auch die Leiterin der WG I. hat dem Kammervorsitzenden in einem heute geführten Telefonat erklärt, dass ihr von Anfang an klar gewesen sei, dass die Kostenübernahme vom aufenthaltsrechtlichen Status des Ast. abhänge und dieser, wenn er (nur) eine Duldung erhielte, keinen Sozialhilfeanspruch hätte. Dies wird im Ergebnis auch durch die Erklärung der JVA S. vom heutigen Tag bestätigt. Soweit es darin allerdings heißt, eine Kostenübernahme sei auch bei einer vorläufigen Duldung möglich, ist dies nicht nur rechtlich unzutreffend, sondern auch so vom Sachbearbeiter des Ag. - Herrn C. - gegenüber dem Gericht nicht bestätigt worden.

Es kann dahin stehen, ob und in welchem Umfang der Ast. oder auch die Leitung der WG I. aufgrund der Telefonate mit dem Sozialdienst der JVA S. und dem Sachbearbeiter des Ag. davon ausgehen durfte, die Kosten würden zu Lasten des Ag. übernommen. Ein Vertrauensschutz besteht allein deshalb nicht, weil eine entsprechende Zusicherung, wenn sie denn, wie vom Ast. behauptet, nur mündlich erteilt wurde. Zu ihrer Wirksamkeit hätte eine solche von der zuständigen Behörde erteilte Zusicherung jedoch der schriftlichen Form bedurft (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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