S 8 (15) AS 155/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 (15) AS 155/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 23.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2007 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, für die Zeit vom 01.08.2007 bis zum 29.02.2008 Arbeitslosengeld II nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen. Der Beklagte hat die Kosten des Klägers zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II.

Der am 00.00.00 geborene Kläger lebt mit der am 00.00.00 geborenen S J in einem Haushalt. Frau J absolvierte bis zum 29.02.2008 eine Ausbildung zur Altenpflegerin. Seit dem 01.03.2008 ist sie als Altenpflegerin in einem ambulanten Pflegedienst tätig. Der Kläger hat im Juni 2006 eine Berufsausbildung als Verkäufer bestanden.

Der Beklagte bewilligte zuletzt Arbeitslosengeld II bis zum 31.07.2007. Anlässlich des Fortzahlungsantrages vom 19.07.2007 teilte der Kläger mit, dass er vom 01.08.2007 bis zum 31.07.2010 eine Berufsausbildung als Fahrzeuglackierer absolvieren wird.

Mit Bescheid vom 23.07.2007 lehnte der Beklagte die Zahlung von Arbeitslosengeld II ab. Weil der Kläger ab dem 01.08.2007 eine Ausbildung absolviert, scheide gemäß § 7 Abs. 5 SGB II ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II aus.

Im Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, ihm sei von der Agentur für Arbeit mitgeteilt worden, dass er keine Berufsausbildungsbeihilfe nach § 60 SGB III erhalten könne, weil er bereits eine abgeschlossene Ausbildung hat.

Mit Bescheid vom 29.08.2007 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Er legte im Widerspruchsbescheid dar, dass der Kläger zwar hilfebedürftig im Sinne des SGB II sei, gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II wegen der Ausbildung ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II jedoch ausscheide. Hinsichtlich der Frage, ob eine Ausbildung dem Anspruch auf Arbeitslosengeld II entgegenstehe, käme es nicht darauf an, ob die persönlichen Voraussetzungen für eine Förderung nach dem SGB III vorliegen. Maßgeblich sei allein, ob aufgrund der Ausbildung dem Grunde nach ein Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe bestehe. Ein besonderer Härtefall im Sinne des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II sei ebenfalls zu verneinen, weil der Gesetzgeber die Ablehnung der Zahlung von Arbeitslosengeld II bei Absolvierung einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung bewusst in Kauf genommen habe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 01.10.2007 erhobene Klage. Der Kläger hat den Bescheid der Bundesagentur für Arbeit über die Ablehnung der Zahlung von Berufsausbildungsbeihilfe vom 22.08.2007 sowie den Berufsausbildungsvertrag und das Prüfungszeugnis über die Ausbildung als Verkäufer vorgelegt. Der Kläger meint, aufgrund der Tatsache, dass die Förderung einer Zweitausbildung nach dem SGB III ausgeschlossen ist, ergebe sich jedenfalls für den streitgegenständlichen Zeitraum ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 23.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, für die Zeit vom 01.08.2007 bis zum 29.02.2008 Arbeitslosengeld II nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er erkennt für den streitgegenständlichen Zeitraum Hilfebedürftigkeit an, meint aber, dass ein Anspruch gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II ausgeschlossen ist.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Kläger hat jedenfalls für den streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II.

Die Anspruchsvoraussetzungen für die Zahlung von Arbeitslosengeld II dem Grunde nach gemäß § 7 Abs. 1 SGB II liegen vor. Dies - insbesondere die Hilfebedürftigkeit gemäß §§ 7 Abs. 1 Nr. 3, 9 SGB II - ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten.

§ 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II steht einem Leistungsanspruch nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift erhalten Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen der BAföG oder der §§ 60 - 62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes.

Die betriebliche Berufsausbildung des Klägers unterfällt nicht der Fördermöglichkeit nach dem BAföG (§ 2 BAföG). Sie ist auch nicht nach §§ 60 - 62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig.

Gemäß § 59 SGB III haben Auszubildende Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe während einer beruflichen Ausbildung oder einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme, wenn 1. die berufliche Ausbildung oder die berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme förderungsfähig ist, 2. sie zum förderungsfähigen Personenkreis gehören und die sonstigen persönlichen Voraussetzungen für eine Förderung erfüllt sind und 3. ihnen die erforderlichen Mittel zur Deckung ihres Bedarfs nicht anderweitig zur Verfügung stehen. Die Frage, wann die berufliche Ausbildung förderungsfähig ist, wird in §§ 60 - 62 SGB II geregelt. Die persönlichen Voraussetzungen bestimmen §§ 63, 64 SGB III. Das SGB III bestimmt damit ausdrücklich, welche Umstände als ausbildungsbezogene Förderungsvoraussetzungen und welche Umstände als personenbezogene Förderungsvoraussetzungen gelten. Zwar absolviert der Kläger mit der Ausbildung zum Fahrzeuglackierer eine berufliche Ausbildung im Sinne des § 60 Abs. 1 SGB III. Förderungsfähig ist gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB III jedoch nur die erstmalige Ausbildung. Damit bestimmt das SGB III, dass der Umstand, dass es sich - wie im Falle des Klägers - um eine Zweitausbildung handelt, nicht zu den persönlichen Voraussetzungen im Sinne des § 59 Nr. 2 SGB III, sondern zu den ausbildungsbezogenen Voraussetzungen gemäß § 59 Nr. 1 SGB II gehört. Diese Unterscheidung gilt aufgrund der Verweisung in § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II auch für den Leistungsausschluss nach dem SGB II. Die Absolvierung einer Zweitausbildung schließt daher den Anspruch auf Arbeitslosengeld II nicht aus (im Ergebnis ebenso: LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.05.2007 - L 2 AS 82/06 -; SG Leipzig, Beschluss vom 08.08.2007 - S 19 AS 1570/07-; SG Hamburg, Beschluss vom 25.08.2005 - S 51 AS 896/05 ER -; abweichend LSG Hessen, Beschluss vom 15.03.2007 - L 7 AS 22/07 ER -; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10.05.2006 - L 2 B 32/06 AS ER -, an dieser Rechtsauffassung hat der 2. Senat des LSG Sachsen-Anhalt im o. a. Beschluss vom 24.05.2007 ausdrücklich nicht festgehalten).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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