Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
21
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 21 KR 28/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Kostenerstattung für eine Wurzelkanalbehandlung am Zahn 27 streitig.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger kam am 18.11.2004 in die Praxis des Dr. S. wegen Zahnschmerzen am Backenzahn (27). Der Zahn 26 ist bei ihm seit längerem entfernt, der Zahn 28 noch vorhanden. Herr S. erläuterte dem Kläger, dass der Zahn zur Schmerzbeseitigung entweder auf Kosten der Krankenkasse gezogen werden könne oder auf eigene Rechnung (privat) eine Wurzelkanalbehandlung durchgeführt werden könne. Der Kläger entschied sich nach Rücksprache mit seiner Mutter für die private Behandlung. Die Behandlung wurde am 05.04.2005 fortgesetzt, nachdem zuvor andere Schäden im Gebiss beseitigt worden waren.
Am 24.02.2005 beantragte der Kläger unter Vorlage eines Heil- und Kostenplans vom 02.12.2004 die Kostenerstattung für die bereits angefangene Behandlung. Auf die Nachfrage der Beklagten beim behandelnden Zahnarzt erklärte dieser, dass es sich um einen erhaltungswürdigen Zahn handele, aber keine Indikation gemäß der Richtlinie vorliege. Wegen des fehlenden Zahns 26 sei die Zahnreihe bereits unterbrochen. Der Erhalt des Zahnes sei dennoch sinnvoll.
Mit Schreiben vom 10.03.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass nach Rücksprache mit dem behandelnden Zahnarzt die Kosten privat in Rechnung gestellt worden seien, da keine geschlossene Zahnreihe erhalten werden könne.
Am 24.07.2005 beantragte der Kläger den Ausgleich von 422,41 Euro unter Vorlage der Rechnung vom 22.6.2005. Unter dem 02.08.2005 wies die Beklagte darauf hin, dass die Frage, ob und in wie weit es sich bei der Wurzelbehandlung um eine richtlinienkonforme Versorgung handele oder nicht, ausschließlich vom Zahnarzt beurteilt werde. Seien die Voraussetzungen erfüllt, könne der Behandler die Leistung über die Versichertenkarte kostenfrei abrechnen.
Am 21.12.2005 wandte sich die Mutter des Klägers erneut an die Beklagte und verwies auf eine e-Mail des Bundesgesundheitsministeriums, aus der klar hervorgehe, dass die Beklagte die Kosten zu erstatten habe. Mit Schreiben vom 06.01.2006 stellte die Beklagte noch einmal dar, dass sie davon ausgehen müsse, dass die Kriterien der Behandlungsrichtlinie nicht erfüllt seien, da der Zahnarzt die Behandlung privat in Rechnung gestellt habe.
Die Mutter des Klägers wandte sich darauf hin am 13.03.2006 an das Bundesversicherungsamt. Dieses schloss sich der Auffassung der Beklagten an.
Da der Kläger auch auf die Nachfrage vom 04.07.2006 an seinem Widerspruch festhielt, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.5.2007 zurück.
Am 26.06.2007 hat der Kläger Klage erhoben. Der Erhalt des Zahnes sei medizinisch sinnvoll. Die Beklagte beachte nicht, dass in der Richtlinie nur Regelfälle genannt seien, aber auch in nicht dort genannten Fällen eine Wurzelkanalbehandlung zu Lasten der Krankenkasse durchzuführen sei.
Die Mutter des Klägers beantragt,
den Bescheid vom 02.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 422,41 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist darauf, dass die Wurzelbehandlung bereits durchgeführt wurde, ehe die Beklagte darüber informiert wurde. Bei der Wurzelbehandlung handele es sich nicht um eine unaufschiebbare Leistung. Die Leistung sei auch nicht notwendig gewesen. In Teil 3 der Richtlinien "unter konservierende Behandlungen" werde unter Abs. 2 Satz 2 feststellt, dass jeder Zahn, der erhaltungsfähig und erhaltswürdig sei, erhalten werden solle. Dieser Grundsatz erfahre in Abs. 9 für Wurzelbehandlungen eine Einschränkung auf die Erhaltung geschlossener Zahnreihen. Das Vorliegen einer Freiend-Situation, die vom Zahnarzt verneint wurde, sei auch vom Kläger nicht behauptet worden.
Das Gericht hat eine Auskunft des behandelnden Zahnarztes eingeholt. Dieser verwies noch einmal darauf, dass die Wurzelkanalbehandlung keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung sei, ein Grund für eine Ausnahmeregelung habe nicht vorgelegen. Die Behandlungen am 18.11.04. und 05.04.2005 stellten eine zusammenhängende Behandlung dar.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger ist durch den Bescheid vom 02.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2007 nicht beschwert im Sinn des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Dieser Bescheid ist rechtmäßig. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Kosten für die Wurzelkanalbehandlung zu erstatten.
Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V sind die Kosten von der Krankenkasse zu erstatten, sofern sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alternative sind nicht erfüllt. Bei der Behandlung vom 18.11.2004 und 05.04.2005 handelt es sich nach Auskunft des behandelnden Zahnarztes um eine zusammenhängende Behandlung. Da diese am 18.11.2004 begann, die Kostenübernahme aber erstmals am 24.02.2005 beantragt wurde, liegt keine vorherige Ablehnung der Leistung durch die Beklagte vor.
Es kann dahinstehen, ob es sich bei der Schmerzbehandlung am 18.11.2004 um eine unaufschiebbare Leistung im Sinn des § 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alternative SGB V gehandelt hat. Der Anspruch auf Kostenerstattung reicht in jedem Fall nicht weiter als der jeweilige Anspruch auf Sachleistung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Der Kläger hat aber gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Durchführung der Wurzelkanalbehandlung am Zahn 27. Nach § 2 Abs. 1 SGB V stellen die Krankenkassen dem Versicherten die Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung. D.h.: Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (§ 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Behandlung einer Krankheit. Dazu gehört nach § 27 Abs.- 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V auch die zahnärztliche Behandlung. Diese umfasst die Tätigkeit eines Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist (§ 28 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten. Nach § 92 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB V erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss Richtlinien über die zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz und kieferorthopädischer Behandlung. Nach Abschnitt B III Nr. 2 der Richtlinie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Behandlungsrichtlinie) sollte die konservierende Behandlung ursachengerecht, zahnsubstanzschonend und präventionsorientiert erfolgen. Jeder Zahn, der erhaltungsfähig und erhaltungswürdig ist, soll erhalten werden. Jeder kariöse Defekt an einem solchen Zahn soll behandelt werden. Dabei soll die gesunde natürliche Zahnhartsubstanz soweit wie möglich erhalten bleiben. Die Regelungen zur endodontischen Behandlung in Nummer 9 dieser Richtlinie sind zu beachten. Nr. 9 enthält damit speziellere Regeln für die endodontische Behandlung, die der Grundregel der Nummer 2 vorgehen. Nr. 9 lautet: "Zähne mit Erkrankungen oder traumatischen Schädigungen der Pulpa sowie Zähne mit nekrotischem Zahnmark können in der Regel durch endodontische Maßnahmen erhalten werden. Die Wurzelkanalbehandlung von Molaren ist in der Regel angezeigt, wenn - damit eine geschlossene Zahnreihe erhalten werden kann, - eine einseitige Freiendsituation vermieden wird, - der Erhalt von funktionstüchtigem Zahnersatz möglich wird."
Daraus ergibt sich, dass für die Anwendung endodontischer Maßnahmen danach unterschieden wird, welcher Zahn betroffen ist. Mit Ausnahme bei den Molaren (Backenzähne) werden endodonitsche Maßnahmen durchgeführt, um den Zahn zu erhalten. Für die Molaren enthält Nr. 9 Satz 2 eine Sonderregelung. Danach gilt für Molaren, dass diese grundsätzlich nicht endodontisch behandelt werden, es sei denn, dadurch können die in Nr. 9 Satz 2 genannten Situationen oder vergleichbare Fälle vermieden werden. Diese Regel ergibt sich aus einer Zusammenschau der Nr. 9 Satz 1 und 2. Satz 1 enthält die allgemeine Grundregel, wonach endodontische Behandlungen durchgeführt werden. Satz 2 stellt eine Sonderregelung für Molaren aus. Sofern bei Molaren die endodontische Behandlung in der Regel durchgeführt wird, wenn dadurch bestimmte andere Situationen vermieden werden können, so bedeutet dies im Umkehrschluss, dass die Behandlung nicht allein deshalb durchgeführt wird, um den Zahn zu erhalten. Es müssen vielmehr weitere Umstände hinzukommen, die für den Erhalt des Zahnes sprechen. Dieses Verständnis der Regelung stimmt auch überein mit dem Ziel der Behandlungsrichtlinie, die Grundlage für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung zu schaffen. Funktionell und kosmetisch unbedingt nötig sind die Molaren nicht. Auch bei einer verkürzten Zahnreihe (Fehlen der Molaren) können die verbleibenden Zähne die wichtigsten Aufgaben erfüllen. Damit handelt es sich um eine ausreichende Versorgung. Lediglich in Fällen, in denen mit dem Verbleib der Molaren eine zusätzliche Funktion verbunden ist, liegt nach Einschätzung des Gemeinsamen Bundesausschusses eine Konstellation vor, in der der Erhalt der Molaren durch endodontische Maßnahmen zweckmäßig ist.
Auch aus Abschnitt B III Nr. 10 Behandlungsrichtlinie lässt sich entnehmen, dass es Situationen gibt, in denen ein Zahn zwar zu erhalten wäre, dies aber nach den Richtlinien nicht vorgesehen ist. Es wird also unterschieden zwischen erhaltungsfähigen und im Sinn der Richtlinie erhaltungswürdigen Zähnen. In Nr. 10 heißt es, dass in der Regel die Entfernung eines Zahnes angezeigt ist, wenn er nach den in diesen Richtlinien beschriebenen Kriterien nicht erhaltungsfähig ist. Ein Zahn, der nach diesen Richtlinien nicht erhaltungswürdig ist, soll entfernt werden. Eine andere Behandlung von nicht erhaltungswürdigen Zähnen ist kein Bestandteil der vertragszahnärztlichen Versorgung.
Bei dem Kläger fehlt der Zahn 26, so dass durch endodontische Maßnahmen am Zahn 27 keine geschlossene Zahnreihe erhalten worden wäre. Da der Zahn 28 noch vorhanden ist, würde durch Entfernung des Zahn 27 auch keine einseitige Freiend-Situation entstehen. Eine andere, den Regelbeispielen in Abschnitt B III Nr. 9 Satz 2 Behandlungsrichtlinie vergleichbare Konstellation, lag bei dem Kläger nicht vor. Dies wird auch durch den behandelnden Zahnarzt bestätigt. Dieser hätte andernfalls die endodontische Behandlung als vertragszahnärztliche Leistung erbringen müssen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Kostenerstattung für eine Wurzelkanalbehandlung am Zahn 27 streitig.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger kam am 18.11.2004 in die Praxis des Dr. S. wegen Zahnschmerzen am Backenzahn (27). Der Zahn 26 ist bei ihm seit längerem entfernt, der Zahn 28 noch vorhanden. Herr S. erläuterte dem Kläger, dass der Zahn zur Schmerzbeseitigung entweder auf Kosten der Krankenkasse gezogen werden könne oder auf eigene Rechnung (privat) eine Wurzelkanalbehandlung durchgeführt werden könne. Der Kläger entschied sich nach Rücksprache mit seiner Mutter für die private Behandlung. Die Behandlung wurde am 05.04.2005 fortgesetzt, nachdem zuvor andere Schäden im Gebiss beseitigt worden waren.
Am 24.02.2005 beantragte der Kläger unter Vorlage eines Heil- und Kostenplans vom 02.12.2004 die Kostenerstattung für die bereits angefangene Behandlung. Auf die Nachfrage der Beklagten beim behandelnden Zahnarzt erklärte dieser, dass es sich um einen erhaltungswürdigen Zahn handele, aber keine Indikation gemäß der Richtlinie vorliege. Wegen des fehlenden Zahns 26 sei die Zahnreihe bereits unterbrochen. Der Erhalt des Zahnes sei dennoch sinnvoll.
Mit Schreiben vom 10.03.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass nach Rücksprache mit dem behandelnden Zahnarzt die Kosten privat in Rechnung gestellt worden seien, da keine geschlossene Zahnreihe erhalten werden könne.
Am 24.07.2005 beantragte der Kläger den Ausgleich von 422,41 Euro unter Vorlage der Rechnung vom 22.6.2005. Unter dem 02.08.2005 wies die Beklagte darauf hin, dass die Frage, ob und in wie weit es sich bei der Wurzelbehandlung um eine richtlinienkonforme Versorgung handele oder nicht, ausschließlich vom Zahnarzt beurteilt werde. Seien die Voraussetzungen erfüllt, könne der Behandler die Leistung über die Versichertenkarte kostenfrei abrechnen.
Am 21.12.2005 wandte sich die Mutter des Klägers erneut an die Beklagte und verwies auf eine e-Mail des Bundesgesundheitsministeriums, aus der klar hervorgehe, dass die Beklagte die Kosten zu erstatten habe. Mit Schreiben vom 06.01.2006 stellte die Beklagte noch einmal dar, dass sie davon ausgehen müsse, dass die Kriterien der Behandlungsrichtlinie nicht erfüllt seien, da der Zahnarzt die Behandlung privat in Rechnung gestellt habe.
Die Mutter des Klägers wandte sich darauf hin am 13.03.2006 an das Bundesversicherungsamt. Dieses schloss sich der Auffassung der Beklagten an.
Da der Kläger auch auf die Nachfrage vom 04.07.2006 an seinem Widerspruch festhielt, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.5.2007 zurück.
Am 26.06.2007 hat der Kläger Klage erhoben. Der Erhalt des Zahnes sei medizinisch sinnvoll. Die Beklagte beachte nicht, dass in der Richtlinie nur Regelfälle genannt seien, aber auch in nicht dort genannten Fällen eine Wurzelkanalbehandlung zu Lasten der Krankenkasse durchzuführen sei.
Die Mutter des Klägers beantragt,
den Bescheid vom 02.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 422,41 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist darauf, dass die Wurzelbehandlung bereits durchgeführt wurde, ehe die Beklagte darüber informiert wurde. Bei der Wurzelbehandlung handele es sich nicht um eine unaufschiebbare Leistung. Die Leistung sei auch nicht notwendig gewesen. In Teil 3 der Richtlinien "unter konservierende Behandlungen" werde unter Abs. 2 Satz 2 feststellt, dass jeder Zahn, der erhaltungsfähig und erhaltswürdig sei, erhalten werden solle. Dieser Grundsatz erfahre in Abs. 9 für Wurzelbehandlungen eine Einschränkung auf die Erhaltung geschlossener Zahnreihen. Das Vorliegen einer Freiend-Situation, die vom Zahnarzt verneint wurde, sei auch vom Kläger nicht behauptet worden.
Das Gericht hat eine Auskunft des behandelnden Zahnarztes eingeholt. Dieser verwies noch einmal darauf, dass die Wurzelkanalbehandlung keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung sei, ein Grund für eine Ausnahmeregelung habe nicht vorgelegen. Die Behandlungen am 18.11.04. und 05.04.2005 stellten eine zusammenhängende Behandlung dar.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger ist durch den Bescheid vom 02.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2007 nicht beschwert im Sinn des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Dieser Bescheid ist rechtmäßig. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Kosten für die Wurzelkanalbehandlung zu erstatten.
Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V sind die Kosten von der Krankenkasse zu erstatten, sofern sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alternative sind nicht erfüllt. Bei der Behandlung vom 18.11.2004 und 05.04.2005 handelt es sich nach Auskunft des behandelnden Zahnarztes um eine zusammenhängende Behandlung. Da diese am 18.11.2004 begann, die Kostenübernahme aber erstmals am 24.02.2005 beantragt wurde, liegt keine vorherige Ablehnung der Leistung durch die Beklagte vor.
Es kann dahinstehen, ob es sich bei der Schmerzbehandlung am 18.11.2004 um eine unaufschiebbare Leistung im Sinn des § 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alternative SGB V gehandelt hat. Der Anspruch auf Kostenerstattung reicht in jedem Fall nicht weiter als der jeweilige Anspruch auf Sachleistung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Der Kläger hat aber gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Durchführung der Wurzelkanalbehandlung am Zahn 27. Nach § 2 Abs. 1 SGB V stellen die Krankenkassen dem Versicherten die Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung. D.h.: Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (§ 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Behandlung einer Krankheit. Dazu gehört nach § 27 Abs.- 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V auch die zahnärztliche Behandlung. Diese umfasst die Tätigkeit eines Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist (§ 28 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten. Nach § 92 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB V erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss Richtlinien über die zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz und kieferorthopädischer Behandlung. Nach Abschnitt B III Nr. 2 der Richtlinie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Behandlungsrichtlinie) sollte die konservierende Behandlung ursachengerecht, zahnsubstanzschonend und präventionsorientiert erfolgen. Jeder Zahn, der erhaltungsfähig und erhaltungswürdig ist, soll erhalten werden. Jeder kariöse Defekt an einem solchen Zahn soll behandelt werden. Dabei soll die gesunde natürliche Zahnhartsubstanz soweit wie möglich erhalten bleiben. Die Regelungen zur endodontischen Behandlung in Nummer 9 dieser Richtlinie sind zu beachten. Nr. 9 enthält damit speziellere Regeln für die endodontische Behandlung, die der Grundregel der Nummer 2 vorgehen. Nr. 9 lautet: "Zähne mit Erkrankungen oder traumatischen Schädigungen der Pulpa sowie Zähne mit nekrotischem Zahnmark können in der Regel durch endodontische Maßnahmen erhalten werden. Die Wurzelkanalbehandlung von Molaren ist in der Regel angezeigt, wenn - damit eine geschlossene Zahnreihe erhalten werden kann, - eine einseitige Freiendsituation vermieden wird, - der Erhalt von funktionstüchtigem Zahnersatz möglich wird."
Daraus ergibt sich, dass für die Anwendung endodontischer Maßnahmen danach unterschieden wird, welcher Zahn betroffen ist. Mit Ausnahme bei den Molaren (Backenzähne) werden endodonitsche Maßnahmen durchgeführt, um den Zahn zu erhalten. Für die Molaren enthält Nr. 9 Satz 2 eine Sonderregelung. Danach gilt für Molaren, dass diese grundsätzlich nicht endodontisch behandelt werden, es sei denn, dadurch können die in Nr. 9 Satz 2 genannten Situationen oder vergleichbare Fälle vermieden werden. Diese Regel ergibt sich aus einer Zusammenschau der Nr. 9 Satz 1 und 2. Satz 1 enthält die allgemeine Grundregel, wonach endodontische Behandlungen durchgeführt werden. Satz 2 stellt eine Sonderregelung für Molaren aus. Sofern bei Molaren die endodontische Behandlung in der Regel durchgeführt wird, wenn dadurch bestimmte andere Situationen vermieden werden können, so bedeutet dies im Umkehrschluss, dass die Behandlung nicht allein deshalb durchgeführt wird, um den Zahn zu erhalten. Es müssen vielmehr weitere Umstände hinzukommen, die für den Erhalt des Zahnes sprechen. Dieses Verständnis der Regelung stimmt auch überein mit dem Ziel der Behandlungsrichtlinie, die Grundlage für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung zu schaffen. Funktionell und kosmetisch unbedingt nötig sind die Molaren nicht. Auch bei einer verkürzten Zahnreihe (Fehlen der Molaren) können die verbleibenden Zähne die wichtigsten Aufgaben erfüllen. Damit handelt es sich um eine ausreichende Versorgung. Lediglich in Fällen, in denen mit dem Verbleib der Molaren eine zusätzliche Funktion verbunden ist, liegt nach Einschätzung des Gemeinsamen Bundesausschusses eine Konstellation vor, in der der Erhalt der Molaren durch endodontische Maßnahmen zweckmäßig ist.
Auch aus Abschnitt B III Nr. 10 Behandlungsrichtlinie lässt sich entnehmen, dass es Situationen gibt, in denen ein Zahn zwar zu erhalten wäre, dies aber nach den Richtlinien nicht vorgesehen ist. Es wird also unterschieden zwischen erhaltungsfähigen und im Sinn der Richtlinie erhaltungswürdigen Zähnen. In Nr. 10 heißt es, dass in der Regel die Entfernung eines Zahnes angezeigt ist, wenn er nach den in diesen Richtlinien beschriebenen Kriterien nicht erhaltungsfähig ist. Ein Zahn, der nach diesen Richtlinien nicht erhaltungswürdig ist, soll entfernt werden. Eine andere Behandlung von nicht erhaltungswürdigen Zähnen ist kein Bestandteil der vertragszahnärztlichen Versorgung.
Bei dem Kläger fehlt der Zahn 26, so dass durch endodontische Maßnahmen am Zahn 27 keine geschlossene Zahnreihe erhalten worden wäre. Da der Zahn 28 noch vorhanden ist, würde durch Entfernung des Zahn 27 auch keine einseitige Freiend-Situation entstehen. Eine andere, den Regelbeispielen in Abschnitt B III Nr. 9 Satz 2 Behandlungsrichtlinie vergleichbare Konstellation, lag bei dem Kläger nicht vor. Dies wird auch durch den behandelnden Zahnarzt bestätigt. Dieser hätte andernfalls die endodontische Behandlung als vertragszahnärztliche Leistung erbringen müssen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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