S 11 SF 66/13 E

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Halle (Saale) (SAN)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 11 SF 66/13 E
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AS 357/16 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die vom Erinnerungsführer dem Erinnerungsgegner zu erstattenden Kosten werden unter Abänderung des Kostenansatzes vom 21. November 2013 auf 239,19 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Erinnerung ist nach § 59 Abs. 2 Satz 1 RVG i. V. m. § 197 Abs. 2 SGG zulässig.

Nach § 59 Abs. 2 Satz 1 RVG (in der ab 1. August 2013 geltenden Fassung) gelten für die Geltendmachung des Anspruchs nach § 59 Abs. 1 RVG sowie für die Erinnerung und die Beschwerde die Vorschriften über die Kosten des gerichtlichen Verfahrens entsprechend.

Dabei ist im Fall der vorliegenden vor dem 1. August 2013 erhobenen Erinnerung wegen der allgemeinen Grundsätze des intertemporalen Prozessrechts auf § 59 Abs. 2 RVG in der ab 1. August 2013 geltenden Fassung abzustellen. Nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts ist eine Änderung des Verfahrensrechts grundsätzlich auch auf anhängige Rechtsstreitigkeiten anzuwenden, sofern nicht ein verfassungskonform abweichender Geltungswille des Gesetzes festzustellen ist (vgl. BSG, Urteil vom 14. April 2011 – B 8 SO 18/09 R – Rn. 13, zitiert nach juris).

Mit der Neufassung des § 59 Abs. 2 Satz 1 RVG mit Streichung des § 59 Abs. 2 Satz 4 RVG ab 1. August 2013 hat der Gesetzgeber klargestellt, dass für die Erinnerung gegen die Geltendmachung eines übergangenen Anspruchs des aus der Prozesskostenhilfe vergüteten Rechtsanwalts auf die Staatskasse § 197 SGG anzuwenden ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 9. Februar 2015 – L 9 AL 321/14 B – Rn. 14, zitiert nach juris). Ein abweichender Geltungswille des Gesetzgebers lässt sich nicht feststellen.

Die Erinnerung ist begründet.

Der Erinnerungsführer kann gegenüber dem Erinnerungsgegner nach § 59 Abs. 1 RVG i. V. m. §§ 412, 404 BGB geltend machen, dass eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1002, 1006 VV-RVG nicht entstanden ist.

Das Kostenanerkenntnis des Erinnerungsführers in dem zugrundeliegenden sozialgerichtlichen Verfahren bewirkt, dass der Erinnerungsführer dem Kläger bzw. Antragsteller die Kosten, die dieser zur Rechtsverfolgung aufwenden musste zu erstatten hat. Zu den zu erstattenden Kosten gehören die Gebühren, die der Kläger bzw. Antragsteller seinem Rechtsanwalt aus Vertrag für die Vertretung in dem Rechtsstreit schuldet (Gebührenanspruch des Rechtsanwalts gegen Mandanten). Wegen der Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist der Rechtsanwalt berechtigt, seine Gebühren und Auslagen von dem Erinnerungsführer im eigenen Namen beizutreiben (§ 126 Abs. 1 ZPO).

Gegenüber der Geltendmachung der außergerichtlichen Kosten in Gestalt der Rechtsanwaltsgebühren, gleich ob der Kläger bzw. Antragsteller in eigenem Namen seine Gebühren selber (ohne Vertretung seines Rechtsanwalts) geltend macht, ob er dabei von dem Rechtsanwalt vertreten wird oder dieser die Gebühr nach § 126 Abs. 1 ZPO in eigenem Namen einfordert, kann der Erinnerungsführer geltend machen, dass eine Gebühr dem Grunde nach nicht entstanden sei.

Nach § 59 Abs. 1 Satz 1 RVG geht das Beitreibungsrecht des Rechtsanwalts nach § 126 Abs. 1 ZPO auf die Staatskasse über, wenn die Staatskasse den Rechtsanwalt hinsichtlich seines Vergütungsanspruchs nach § 45 Abs. 1 RVG befriedigt hat.

§ 59 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmt nämlich, dass, soweit dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt wegen seiner Vergütung ein Anspruch gegen einen ersatzpflichtigen Gegner zusteht, der Anspruch mit der Befriedigung des Rechtsanwalts durch die Staatskasse auf diese übergeht.

Der Rechtsanwalt hatte gegen den Erinnerungsführer einen Anspruch auf Erstattung seiner Gebühren (siehe oben); dieser Anspruch ging mit Befriedigung des Rechtsanwalts durch die Staatskasse auf die Staatskasse über.

§ 59 Abs. 1 RVG stellt einen gesetzlichen Forderungsübergang dar (Übergang der Forderung nach § 126 Abs. 1 ZPO von dem Rechtsanwalt auf die Staatskasse kraft Gesetzes) auf den nach § 412 BGB § 404 BGB entsprechend anzuwenden ist.

Nach § 404 BGB kann der Schuldner dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen, die zur Zeit der Abtretung der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren.

§ 404 BGB schützt die Interessen des Schuldners (hier des Erinnerungsführers), der Einwendungen, die er seinem bisherigen Gläubiger (dem Rechtsanwalt bei § 126 Abs. 1 ZPO) hätte entgegenhalten können, nicht verlieren soll, weil die gegen ihn bestehende Forderung ohne sein Zutun an einen Dritten übergegangen ist (Schutz des Schuldners vor Benachteiligung bei Forderungsübergang, siehe z. B. MüKoBGB/Roth/Kieninger BGB § 404 Rn. 1, beck-online). Der Neugläubiger hingegen soll nicht besseres Recht erwerben, als der Altgläubiger hatte (a. a. O.).

"Begründet waren" in § 404 BGB bedeutet dabei nicht, dass der Einwendungstatbestand im Zeitpunkt des Forderungsübergangs bereits verwirklicht bzw. bei Gestaltungsrechten die entsprechende Erklärung abgegeben sein muss. Vielmehr ist die in § 404 BGB vorgesehene zeitliche Einschränkung im Hinblick auf den Schutzzweck so zu interpretieren, dass die Verteidigungsmöglichkeiten des Schuldners durch den Forderungsübergang nicht verschlechtert werden dürfen. Dies wird zumeist in dem Sinne formuliert, dass die Einwendung lediglich bereits zurzeit der Abtretung in dem Schuldverhältnis ihre Grundlage (ihren Rechtsgrund) gehabt haben müsse (MüKoBGB/Roth/Kieninger BGB § 404 Rn. 11, beck-online).

Gegen den Schutz des Schuldners (Erinnerungsführers) vor Einwendungsverlust kann auch nicht eingewandt werden, dass der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts bereits gerichtlich festgestellt worden sei und die Gefahr widersprechender Entscheidungen bestünde bzw. die Staatskasse auf Kosten sitzen bliebe, wenn der Erinnerungsführer zu Recht einwendet, dass eine Gebühr dem Grunde nach nicht entstanden ist, die dem Rechtsanwalt im Rahmen der PKH-Beiordnung jedoch erstattet worden ist.

Diese Argumentation verkennt, dass es sich bei dem Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts nach § 45 RVG und den Kostenerstattungsanspruch des Klägers bzw. Antragstellers gegenüber dem erstattungspflichtigen Gegner, dessen Beitreibungsrecht nach § 59 RVG auf die Staatskasse übergegangen ist, um zwei verschiedene Ansprüche handelt. Die Entscheidung über den Anspruch nach § 45 RVG wirkt nicht präjudiziell für den Erstattungsanspruch gegen den Erinnerungsführer. In dem Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG war der Erinnerungsführer nicht beteiligt; wie die Entscheidung ihn binden sollte, ist nicht ersichtlich.

Der Erinnerungsführer wendet zu Recht gegen die übergegangene Forderung ein, dass eine Erledigungsgebühr Nr. 1002, 1006 VV-RVG nicht entstanden ist.

Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann eine Erledigungsgebühr nur beansprucht werden, wenn der Anwalt eine über die Einlegung und Begründung der Klage bzw. des Antrages hinausgehende besondere Tätigkeit entfaltet hat. Nach dem Wortlaut der Erläuterungen zu Nr. 1002 VV-RVG kommt es für das Entstehen einer Erledigungsgebühr sowohl in einer Anfechtungssituation als auch bei einem Verpflichtungsrechtsbehelf auf die auf Erledigung gerichtete Mithilfe des Anwalts an. Auch die Regelungssystematik, der Sinn und Zweck der Regelung sowie ihre Entstehungsgeschichte erfordern eine qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung des Rechtsanwalts, die über das Maß desjenigen hinausgeht, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Widerspruchs- oder Klageverfahren abgegolten wird (siehe z. B. BSG, Urteil vom 9. Dezember 2010, B 13 R 63/09 R, dokumentiert in juris, dort Rdnr. 26 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Eine solche auf die Erledigung des Rechtstreits gerichtete besondere Mithilfe der beigeordneten Rechtsanwälte in dem Verfahren S 22 AS 3749/11 ist nicht erkennbar.

Die übergegangene Forderung berechnet sich daher wie folgt:

Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV-RVG 181,00 EUR

Postpauschale, Nr. 7002 VV-RVG 20,00 EUR

19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV-RVG 38,19 EUR

Gesamt 239,19 EUR

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 59 Abs. 2 Satz 1 RVG i. V. m. § 197 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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