Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 9 AS 139/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 AS 63/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 30.05.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2007 verurteilt, die dem Kläger bewilligten Leistungen zuschussweise zu gewähren. 2. Die Beklagte trägt die Kosten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Kläger Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss, anstatt als Darlehen beanspruchen können.
Der Kläger ist am 8.7.1944 geboren, die Klägerin zu 2), seine Ehefrau, am 19.8.1968, die Kinder N. und Q. – die Kläger zu 3) und 4) am 30.6.2001 und 22.1.2003. Alle stehen im laufenden Leistungsbezug (Grundsicherung für Arbeitsuchende, Sozialgeld) bei der Beklagten.
Anlässlich des Fortzahlungsantrags vom 5.7.2007 wurde bekannt, dass die Klägerin zu 2) das von der Familie bewohnte Hausgrundstück am 21.6.2007 zu einem Kaufpreis von 22.000 EUR vom Land NRW erworben hatte. Sie gab zur Erläuterung des niedrigen Kaufpreises an, dass wegen des ungünstigen Grundstückszuschnitts nur das bebaute Land zur Bewertung herangezogen worden sei. Die Immobilie war zuvor im Wege der Fiskalerbschaft nach der verstorbenen früheren Ehefrau des Klägers zu 1) auf das Land NRW übergegangen. Auf den Kläger zu 1) war (und ist weiterhin) ein Nießbrauch eingetragen.
Die Beklagte bewertete das Hausgrundstück. Sie sah es im Ergebnis nicht als (geschütztes) angemessenes selbst bewohntes Hausgrundstück an, so dass es bei der Ermittlung des Leistungsanspruchs als Vermögen zu berücksichtigen sei. Zwar sei die Wohnfläche mit 126,75 m² angemessen, das Grundstück mit 3.243 m² jedoch nicht. Den Verkehrswert ermittelte die Beklagte mit 114.898 EUR, die Belastungen mit 56.450 EUR. Unter Berücksichtigung der den Klägern zustehenden Vermögensfreibeträge von 40.940 EUR sei noch anrechenbares Vermögen von 17.508 EUR vorhanden.
Die den Klägern für den Bewilligungszeitraum 1.4.2007 bis 30.9.2007 zuerkannten Leistungen nach dem SGB II (585,80 EUR/Mo.) bewilligte die Beklagte deshalb als Darlehen (Bescheid vom 30.5.2007). Eine Sicherungsabtretung wurde vereinbart.
Den nicht bei den Akten befindlichen Widerspruch der Kläger vom 4.6.2007/15.6.2007 wies die Beklagte zurück (Bescheid vom 25.9.2007).
Gegen die weiterhin darlehensweise Bewilligung richtet sich die Klage, mit der die Kläger vortragen, der Gutachterausschuss habe 2006 den Wert des Grundstücks mit 90.000 EUR, den des Nießbrauchs mit 55.000 EUR angesetzt und auf dieser Grundlage unter Berücksichtigung eines Abschlags den Verkehrswert auf 30.000 EUR geschätzt. Das Hinterland des schlauchförmigen Grundstücks sei Brach- und Wiesenland, teilweise Überschwemmungsland eines Baches, ausschließlich durch das Haus der Kläger oder für die beiden unmittelbaren Nachbarn zugänglich und deshalb ohne wirtschaftlichen Wert.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 30.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2007 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes darlehensfrei zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es sei die Gesamtgrundstücksgröße für die Prüfung der Angemessenheit heranzuziehen, eine separate Bewertung des übersteigenden Teils nach Herausrechnen der von der Beklagten als angemessen angesehenen Grundstücksgröße von 800 m² sei rechtlich bedenklich und auch vom LSG NRW in einer mündlichen Verhandlung bereits als unzulässig bezeichnet worden.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Marktwertgutachtens von Dipl.Ing. C ... Auf das Gutachten vom 28.3.2008 wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere auch von den der Klage erst später beigetretenen Klägern zu 2 bis 4) fristgerecht erhoben, da schon der ursprüngliche Klageantrag dahingehend auszulegen war, dass alle Beteiligten Klage erheben wollen, um höhere Leistungen zu erhalten (vgl. BSG, Urt. v. 15.4.2008, B 14/7b AS 34/06 R). Die Klage ist auch begründet. Die nur darlehensweise Bewilligung der Leistungen nach dem SGB II war nicht rechtens. Den Klägern stehen die Leistungen zuschussweise zu.
Streitgegenstand ist nicht die Höhe der den Klägern nach dem SGB II zu gewährenden Leistung, sondern – insoweit durch den Klageantrag im Rahmen der Dispositionsbefugnis der Beteiligten zulässig und wirksam eingegrenzt – allein die Frage, ob diese Leistungen als Zuschuss oder als Darlehen zu erbringen sind.
Die Voraussetzungen, unter denen die Beklagte anstatt eines Zuschusses ein Darlehen zu erbringen hat, sind nicht erfüllt. Leistungen sind nach der hier allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 23 Abs. 6 SGB II als Darlehen zu erbringen, soweit Hilfebedürftigen der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für sie eine besondere Härte bedeuten würde. Hier fehlt es aber an zu berücksichtigendem Vermögen.
Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 1 SGB II). Vom Vermögen sind zunächst die Freibeträge nach §§ 12 Abs. 2 Nr. 1, 1a und 4, 65 Abs. 5 SGB II abzusetzen. Nach diesen Vorschriften waren für die Bedarfsgemeinschaft der Kläger bei Antragstellung am 5.7.2007 (§ 12 Abs. 4 Satz 2 SGB II) insgesamt Freibeträge von 40.940 EUR zu berücksichtigen (für den Kläger zu 1] – weil er zum Personenkreis des § 65 Abs. 5 SGB II gehört - ein Freibetrag von [62 Jahren x 520 EUR = 32.240 EUR + 750 EUR =] 32.990 EUR, für die Klägerin zu 2] ein solcher von [38 Jahre x 150 EUR + 750 EUR =] 6.450 EUR, für die Kläger zu 3] und 4] je 750 EUR; die Kinderfreibeträge von je 3.100 EUR sind nicht zu berücksichtigen, da diese nur das Vermögen der Kinder betreffen und solches Vermögen nicht ersichtlich ist).
Als zu berücksichtigendes Vermögen kommt nur das Grundeigentum der Klägerin zu 2) in Betracht. Dieses Grundeigentum übersteigt von seinem Marktwert her die o.a. Freibeträge und würde deshalb grundsätzlich die Hilfebedürftigkeit der Kläger beseitigen. Sowohl nach der Berechnungsweise der Beklagten, als auch nach dem Ergebnis der gerichtlichen Beweisaufnahme liegt der Wert des von den Klägern bewohnten Hausgrundstücks nach Abzug der Verbindlichkeiten über 40.940 EUR. Bei der Bewertung des Grundvermögens ist kein Abzug für das auf der Immobilie lastende Nießbrauchsrecht zu machen, da dieses auf den Kläger zu 1) eingetragen ist und damit auch zum verwertbaren Vermögen der Bedarfsgemeinschaft gehört. Eine Verwertung des Hauses ohne die Belastung durch das Nießbrauchsrecht ist also möglich. Der gerichtliche Sachverständige ermittelt den Wert des Grundeigentums ohne diese Belastung für die Kammer überzeugend mit rund 128.000 EUR und geht damit noch über den von der Beklagten demnach vorsichtig geschätzten Wert von 114.898 EUR hinaus. Die Kammer hat deshalb keine Bedenken, den von der Beklagten angenommenen Verkehrswert als Mindestwert zugrunde zu legen, zumal auch die Schätzung der Beklagten plausibel und nachvollziehbar begründet ist. Damit übersteigt der Wert des Hauses nach Abzug der Belastungen von 56.450 EUR den Freibetrag von 40.940 EUR um wenigstens die von der Beklagten demnach richtig ermittelten 17.508 EUR.
Trotz seines die Freibeträge übersteigenden Verkehrswertes bleibt aber das Grundeigentum der Klägerin zu 2) als Vermögen unberücksichtigt, da es als selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II zum sog. Schonvermögen zählt und deshalb die Hilfebedürftigkeit der Kläger nicht beseitigt.
Bei dem Begriff der angemessenen Größe handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Das bedeutet u.a. dass nicht Grenzwerte als quasi normative Größe gebildet werden können, sondern dass für den Einzelfall ein Entscheidungsspielraum verbleibt, wie es das BSG für außergewöhnliche Bedarfslagen im Einzelfall zur angemessenen Wohnfläche bei Hauseigentum entschieden hat (BSG, Urt. v. 15.4.2008, B 14/7b AS 34/06 R).
Allerdings ist für Hauseigentum in der Rechtsprechung mittlerweile anerkannt, dass eine Wohnfläche von bis zu 130 m² für eine vierköpfige Familie jedenfalls noch als angemessen anzusehen ist (BSG, aaO.). Die vom Sachverständigen C. ermittelte Wohnfläche von 122, 34 m² liegt darunter und ist damit angemessen.
Allerdings sind in die Angemessenheitsprüfung weitere Faktoren einzubeziehen: Das Grundeigentum der Klägerin zu 2) besteht zusätzlich aus insgesamt 9 An- und Nutzbauten und das Gesamtgrundstück ist für ein Wohnhaus mit 3.243 m² ungewöhnlich groß. Aus der Angemessenheit der Wohnfläche folgt nicht ohne weiteres auch die Angemessenheit des Hausgrundstücks. Zumindest ab einer Grundstücksgröße von 1.000 m² ist nach der Rechtsprechung des BSG (aaO.) zu prüfen, ob nach den tatsächlichen und rechtlichen örtlichen Gegebenheiten die Grundstücksfläche als angemessen anzusehen ist. Soweit dies verneint wird, ist zu prüfen, ob der die Angemessenheit übersteigende Grundstücksteil gesondert verwertbar ist (BSG aaO.).
Auch hinsichtlich der Grundstücksgröße kann es auf eine starre, etwa bei 800 m² im ländlichen Bereich (vgl. zu den Grundlagen dieses verbreiteten Ansatzes für eine pauschale Grenzziehung näher bei BSG, Urt. v. 16.5.2007, B 11b AS 37/06 R mwN.) anzusetzende Obergrenze nicht ankommen. Die Freistellung von der Anrechnung als Vermögen dient dazu, den Hilfebedürftigen den räumlichen Lebensmittelpunkt zu erhalten. Im Sozialhilferecht (§ 90 Abs. 1 Nr. 8 SGB XII) bestimmt sich folgerichtig die Angemessenheit eines selbst genutzten Hausgrundstücks neben der Wohnfläche und der Grundstücksgröße u.a. auch nach Zuschnitt, Ausstattung und Wert der Immobilie und danach, ob das Grundstück nach dem Tod des Berechtigten von dessen Angehörigen weiter genutzt werden soll. Die Kammer ist – insoweit allerdings entgegen einer verbreiteten Meinung in der Literatur (vgl. Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 12, Rn. 70 mwN., auch dort allerdings nicht konsequent durchgehalten) – der Auffassung, dass die Unterschiede in der Formulierung der §§ 90 Abs. 1 Nr. 8 SGB XII und 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II nicht den Schluss erlauben, dass insoweit in beiden Rechtsgebieten unterschiedliche Maßstäbe zu gelten hätten. Das Bundessozialgericht (aaO.) hat vielmehr ausgeführt, dass insbesondere unter Berücksichtigung des Baujahrs, von Zuschnitt und Ausstattung des Wohngebäudes und des angegebenen Verkehrswertes des Hausgrundstücks die Angemessenheit auch nach dem SGB II abweichend von pauschalen Größenvorgaben zu beurteilen sein könne. Es hat – obiter dictum - in dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall das Baujahr (1999), den Zuschnitt (sechs Zimmer, zwei Bäder) und den Wert (321.000 EUR abzüglich Verbindlichkeiten in Höhe von 67.000 EUR) nicht als Anlass gesehen, eine höhere Flächengrenze als 800 m² als angemessen in Erwägung zu ziehen.
Die Kammer sieht solchen Anlass aber im vorliegenden Fall und beurteilt ihn deshalb abweichend. Die Kammer versteht zunächst den Begriff "angemessene Größe" in § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II mit dem BSG nicht dahin, dass allein die Quadratmeterzahl über die Angemessenheit des selbstgenutzten Hauses zu entscheiden hat. Nach dem Schutzzweck der Norm muss es vielmehr darauf ankommen, ob das vom Hilfebedürftigen selbst bewohnte Eigentum den einem Bezieher von Fürsorgeleistungen angemessenen, also bescheidenen Lebens- und Wohnbedarf deckt und deshalb als sein räumlicher Lebensmittelpunkt schutzwürdig ist. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme, insbesondere des Gutachtens von Dipl.Ing. C. steht aber zur Überzeugung der Kammer fest: Das in Rede stehende Haus stammt aus den 20’er Jahren des vorigen Jahrhunderts, hat im Zweiten Weltkrieg erhebliche Schäden erlitten und wurde 1946 mit den damals vorhandenen Mitteln wieder aufgebaut. Der Modernisierungsstandard ist auf dem Stand von vor 40 Jahren. Der Zustand der Anbauten ist teilweise so, dass der Sachverständige sie im Wege des Ansatzes von Abbruchkosten als eher wertmindernd bewertet. Abnutzung und Unterlassung von Instandsetzung haben zu Baumängeln, Feuchtigkeitsschäden und Schimmelbildung auch im Wohnbereich geführt. Der Wohnstandard ist demnach als deutlich unterdurchschnittlich zu bewerten. Das Grundstück ist durch seinen schlauchförmigen Zuschnitt und die fehlende Zuwegung kein wesentlich werterhöhender Eigentumsbestandteil. Der Gesamtwert des 800 m² übersteigenden Grundstücks wird mit 3.700 EUR bemessen. Der ermittelte Verkehrswert erreicht trotz der Größe des Grundstücks und der vorhandenen Anbauten kaum den Wert eines üblichen bescheidenen Einfamilienhauses.
Insbesondere dieser letzte Gesichtspunkt veranlasst die Kammer, das Hausgrundstück der Kläger trotz seiner Größe als nur einer bescheidenen und deshalb auch für einen Hilfeempfänger angemessenen Lebensführung dienend zu bewerten. Damit bleibt es von der Anrechnung als Vermögen frei.
Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte von den Klägern nicht den Verkauf und zuletzt nicht einmal mehr die Beleihung des Hauses verlangt hat, sondern nur ein Darlehen als aus ihrer Sicht mildeste und nicht zur Aufgabe des Lebensmittelpunkts führende Form der Verwertung des Eigentums gewähren will. Das angemessene Hausgrundstück ist nach den gesetzlichen Vorgaben auch dann nicht als Vermögen zu berücksichtigen, wenn es schuldenfrei und problemlos beleihbar wäre. Für die Bewertung der Angemessenheit im Rahmen des § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II soll es deshalb offenbar keine Rolle spielen, ob dem Hilfebedürftigen die Belastung seines Eigentums mit einer Darlehnsschuld zumutbar wäre oder nicht. Zieht man ergänzend die Wertung des § 90 Abs. 1 Nr. 8 SGB XII heran, so ist außerdem zu berücksichtigen, dass der Lebensmittelpunkt auch späteren Generationen erhalten bleiben soll, hier also auch den im Haushalt lebenden Kindern.
Nur hilfsweise verweist die Kammer auf ihre bisher in ständiger Rechtsprechung (z.B. Urt. v. 7.9.2006, S 9 AS 89/06; vgl. auch SG Aachen, Urt. v. 20.6.2006, S 11 AS 92/05) vertretene Auffassung, dass unabhängig von der rechtlichen Selbständigkeit oder Unselbständigkeit des 800 m² überschießenden Grundstücksteils dieser (allein) nur dann zu einer Berücksichtigung der Immobilie als Vermögen führt, wenn er für sich gesehen einen Wert darstellt, der den Vermögensfreibetrag überschreitet, was hier nicht der Fall ist. Ob daran auch für den Fall festzuhalten wäre, dass auch Baujahr, Zuschnitt und Wert eines (allein der Wohnfläche nach angemessenen) Wohneigentums über einen bescheidenen Lebens- und Wohnbedarf hinausgehen, kann hier offen bleiben, da es im Falle der Kläger nicht zutrifft.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Kläger Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss, anstatt als Darlehen beanspruchen können.
Der Kläger ist am 8.7.1944 geboren, die Klägerin zu 2), seine Ehefrau, am 19.8.1968, die Kinder N. und Q. – die Kläger zu 3) und 4) am 30.6.2001 und 22.1.2003. Alle stehen im laufenden Leistungsbezug (Grundsicherung für Arbeitsuchende, Sozialgeld) bei der Beklagten.
Anlässlich des Fortzahlungsantrags vom 5.7.2007 wurde bekannt, dass die Klägerin zu 2) das von der Familie bewohnte Hausgrundstück am 21.6.2007 zu einem Kaufpreis von 22.000 EUR vom Land NRW erworben hatte. Sie gab zur Erläuterung des niedrigen Kaufpreises an, dass wegen des ungünstigen Grundstückszuschnitts nur das bebaute Land zur Bewertung herangezogen worden sei. Die Immobilie war zuvor im Wege der Fiskalerbschaft nach der verstorbenen früheren Ehefrau des Klägers zu 1) auf das Land NRW übergegangen. Auf den Kläger zu 1) war (und ist weiterhin) ein Nießbrauch eingetragen.
Die Beklagte bewertete das Hausgrundstück. Sie sah es im Ergebnis nicht als (geschütztes) angemessenes selbst bewohntes Hausgrundstück an, so dass es bei der Ermittlung des Leistungsanspruchs als Vermögen zu berücksichtigen sei. Zwar sei die Wohnfläche mit 126,75 m² angemessen, das Grundstück mit 3.243 m² jedoch nicht. Den Verkehrswert ermittelte die Beklagte mit 114.898 EUR, die Belastungen mit 56.450 EUR. Unter Berücksichtigung der den Klägern zustehenden Vermögensfreibeträge von 40.940 EUR sei noch anrechenbares Vermögen von 17.508 EUR vorhanden.
Die den Klägern für den Bewilligungszeitraum 1.4.2007 bis 30.9.2007 zuerkannten Leistungen nach dem SGB II (585,80 EUR/Mo.) bewilligte die Beklagte deshalb als Darlehen (Bescheid vom 30.5.2007). Eine Sicherungsabtretung wurde vereinbart.
Den nicht bei den Akten befindlichen Widerspruch der Kläger vom 4.6.2007/15.6.2007 wies die Beklagte zurück (Bescheid vom 25.9.2007).
Gegen die weiterhin darlehensweise Bewilligung richtet sich die Klage, mit der die Kläger vortragen, der Gutachterausschuss habe 2006 den Wert des Grundstücks mit 90.000 EUR, den des Nießbrauchs mit 55.000 EUR angesetzt und auf dieser Grundlage unter Berücksichtigung eines Abschlags den Verkehrswert auf 30.000 EUR geschätzt. Das Hinterland des schlauchförmigen Grundstücks sei Brach- und Wiesenland, teilweise Überschwemmungsland eines Baches, ausschließlich durch das Haus der Kläger oder für die beiden unmittelbaren Nachbarn zugänglich und deshalb ohne wirtschaftlichen Wert.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 30.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2007 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes darlehensfrei zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es sei die Gesamtgrundstücksgröße für die Prüfung der Angemessenheit heranzuziehen, eine separate Bewertung des übersteigenden Teils nach Herausrechnen der von der Beklagten als angemessen angesehenen Grundstücksgröße von 800 m² sei rechtlich bedenklich und auch vom LSG NRW in einer mündlichen Verhandlung bereits als unzulässig bezeichnet worden.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Marktwertgutachtens von Dipl.Ing. C ... Auf das Gutachten vom 28.3.2008 wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere auch von den der Klage erst später beigetretenen Klägern zu 2 bis 4) fristgerecht erhoben, da schon der ursprüngliche Klageantrag dahingehend auszulegen war, dass alle Beteiligten Klage erheben wollen, um höhere Leistungen zu erhalten (vgl. BSG, Urt. v. 15.4.2008, B 14/7b AS 34/06 R). Die Klage ist auch begründet. Die nur darlehensweise Bewilligung der Leistungen nach dem SGB II war nicht rechtens. Den Klägern stehen die Leistungen zuschussweise zu.
Streitgegenstand ist nicht die Höhe der den Klägern nach dem SGB II zu gewährenden Leistung, sondern – insoweit durch den Klageantrag im Rahmen der Dispositionsbefugnis der Beteiligten zulässig und wirksam eingegrenzt – allein die Frage, ob diese Leistungen als Zuschuss oder als Darlehen zu erbringen sind.
Die Voraussetzungen, unter denen die Beklagte anstatt eines Zuschusses ein Darlehen zu erbringen hat, sind nicht erfüllt. Leistungen sind nach der hier allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 23 Abs. 6 SGB II als Darlehen zu erbringen, soweit Hilfebedürftigen der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für sie eine besondere Härte bedeuten würde. Hier fehlt es aber an zu berücksichtigendem Vermögen.
Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 1 SGB II). Vom Vermögen sind zunächst die Freibeträge nach §§ 12 Abs. 2 Nr. 1, 1a und 4, 65 Abs. 5 SGB II abzusetzen. Nach diesen Vorschriften waren für die Bedarfsgemeinschaft der Kläger bei Antragstellung am 5.7.2007 (§ 12 Abs. 4 Satz 2 SGB II) insgesamt Freibeträge von 40.940 EUR zu berücksichtigen (für den Kläger zu 1] – weil er zum Personenkreis des § 65 Abs. 5 SGB II gehört - ein Freibetrag von [62 Jahren x 520 EUR = 32.240 EUR + 750 EUR =] 32.990 EUR, für die Klägerin zu 2] ein solcher von [38 Jahre x 150 EUR + 750 EUR =] 6.450 EUR, für die Kläger zu 3] und 4] je 750 EUR; die Kinderfreibeträge von je 3.100 EUR sind nicht zu berücksichtigen, da diese nur das Vermögen der Kinder betreffen und solches Vermögen nicht ersichtlich ist).
Als zu berücksichtigendes Vermögen kommt nur das Grundeigentum der Klägerin zu 2) in Betracht. Dieses Grundeigentum übersteigt von seinem Marktwert her die o.a. Freibeträge und würde deshalb grundsätzlich die Hilfebedürftigkeit der Kläger beseitigen. Sowohl nach der Berechnungsweise der Beklagten, als auch nach dem Ergebnis der gerichtlichen Beweisaufnahme liegt der Wert des von den Klägern bewohnten Hausgrundstücks nach Abzug der Verbindlichkeiten über 40.940 EUR. Bei der Bewertung des Grundvermögens ist kein Abzug für das auf der Immobilie lastende Nießbrauchsrecht zu machen, da dieses auf den Kläger zu 1) eingetragen ist und damit auch zum verwertbaren Vermögen der Bedarfsgemeinschaft gehört. Eine Verwertung des Hauses ohne die Belastung durch das Nießbrauchsrecht ist also möglich. Der gerichtliche Sachverständige ermittelt den Wert des Grundeigentums ohne diese Belastung für die Kammer überzeugend mit rund 128.000 EUR und geht damit noch über den von der Beklagten demnach vorsichtig geschätzten Wert von 114.898 EUR hinaus. Die Kammer hat deshalb keine Bedenken, den von der Beklagten angenommenen Verkehrswert als Mindestwert zugrunde zu legen, zumal auch die Schätzung der Beklagten plausibel und nachvollziehbar begründet ist. Damit übersteigt der Wert des Hauses nach Abzug der Belastungen von 56.450 EUR den Freibetrag von 40.940 EUR um wenigstens die von der Beklagten demnach richtig ermittelten 17.508 EUR.
Trotz seines die Freibeträge übersteigenden Verkehrswertes bleibt aber das Grundeigentum der Klägerin zu 2) als Vermögen unberücksichtigt, da es als selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II zum sog. Schonvermögen zählt und deshalb die Hilfebedürftigkeit der Kläger nicht beseitigt.
Bei dem Begriff der angemessenen Größe handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Das bedeutet u.a. dass nicht Grenzwerte als quasi normative Größe gebildet werden können, sondern dass für den Einzelfall ein Entscheidungsspielraum verbleibt, wie es das BSG für außergewöhnliche Bedarfslagen im Einzelfall zur angemessenen Wohnfläche bei Hauseigentum entschieden hat (BSG, Urt. v. 15.4.2008, B 14/7b AS 34/06 R).
Allerdings ist für Hauseigentum in der Rechtsprechung mittlerweile anerkannt, dass eine Wohnfläche von bis zu 130 m² für eine vierköpfige Familie jedenfalls noch als angemessen anzusehen ist (BSG, aaO.). Die vom Sachverständigen C. ermittelte Wohnfläche von 122, 34 m² liegt darunter und ist damit angemessen.
Allerdings sind in die Angemessenheitsprüfung weitere Faktoren einzubeziehen: Das Grundeigentum der Klägerin zu 2) besteht zusätzlich aus insgesamt 9 An- und Nutzbauten und das Gesamtgrundstück ist für ein Wohnhaus mit 3.243 m² ungewöhnlich groß. Aus der Angemessenheit der Wohnfläche folgt nicht ohne weiteres auch die Angemessenheit des Hausgrundstücks. Zumindest ab einer Grundstücksgröße von 1.000 m² ist nach der Rechtsprechung des BSG (aaO.) zu prüfen, ob nach den tatsächlichen und rechtlichen örtlichen Gegebenheiten die Grundstücksfläche als angemessen anzusehen ist. Soweit dies verneint wird, ist zu prüfen, ob der die Angemessenheit übersteigende Grundstücksteil gesondert verwertbar ist (BSG aaO.).
Auch hinsichtlich der Grundstücksgröße kann es auf eine starre, etwa bei 800 m² im ländlichen Bereich (vgl. zu den Grundlagen dieses verbreiteten Ansatzes für eine pauschale Grenzziehung näher bei BSG, Urt. v. 16.5.2007, B 11b AS 37/06 R mwN.) anzusetzende Obergrenze nicht ankommen. Die Freistellung von der Anrechnung als Vermögen dient dazu, den Hilfebedürftigen den räumlichen Lebensmittelpunkt zu erhalten. Im Sozialhilferecht (§ 90 Abs. 1 Nr. 8 SGB XII) bestimmt sich folgerichtig die Angemessenheit eines selbst genutzten Hausgrundstücks neben der Wohnfläche und der Grundstücksgröße u.a. auch nach Zuschnitt, Ausstattung und Wert der Immobilie und danach, ob das Grundstück nach dem Tod des Berechtigten von dessen Angehörigen weiter genutzt werden soll. Die Kammer ist – insoweit allerdings entgegen einer verbreiteten Meinung in der Literatur (vgl. Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 12, Rn. 70 mwN., auch dort allerdings nicht konsequent durchgehalten) – der Auffassung, dass die Unterschiede in der Formulierung der §§ 90 Abs. 1 Nr. 8 SGB XII und 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II nicht den Schluss erlauben, dass insoweit in beiden Rechtsgebieten unterschiedliche Maßstäbe zu gelten hätten. Das Bundessozialgericht (aaO.) hat vielmehr ausgeführt, dass insbesondere unter Berücksichtigung des Baujahrs, von Zuschnitt und Ausstattung des Wohngebäudes und des angegebenen Verkehrswertes des Hausgrundstücks die Angemessenheit auch nach dem SGB II abweichend von pauschalen Größenvorgaben zu beurteilen sein könne. Es hat – obiter dictum - in dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall das Baujahr (1999), den Zuschnitt (sechs Zimmer, zwei Bäder) und den Wert (321.000 EUR abzüglich Verbindlichkeiten in Höhe von 67.000 EUR) nicht als Anlass gesehen, eine höhere Flächengrenze als 800 m² als angemessen in Erwägung zu ziehen.
Die Kammer sieht solchen Anlass aber im vorliegenden Fall und beurteilt ihn deshalb abweichend. Die Kammer versteht zunächst den Begriff "angemessene Größe" in § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II mit dem BSG nicht dahin, dass allein die Quadratmeterzahl über die Angemessenheit des selbstgenutzten Hauses zu entscheiden hat. Nach dem Schutzzweck der Norm muss es vielmehr darauf ankommen, ob das vom Hilfebedürftigen selbst bewohnte Eigentum den einem Bezieher von Fürsorgeleistungen angemessenen, also bescheidenen Lebens- und Wohnbedarf deckt und deshalb als sein räumlicher Lebensmittelpunkt schutzwürdig ist. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme, insbesondere des Gutachtens von Dipl.Ing. C. steht aber zur Überzeugung der Kammer fest: Das in Rede stehende Haus stammt aus den 20’er Jahren des vorigen Jahrhunderts, hat im Zweiten Weltkrieg erhebliche Schäden erlitten und wurde 1946 mit den damals vorhandenen Mitteln wieder aufgebaut. Der Modernisierungsstandard ist auf dem Stand von vor 40 Jahren. Der Zustand der Anbauten ist teilweise so, dass der Sachverständige sie im Wege des Ansatzes von Abbruchkosten als eher wertmindernd bewertet. Abnutzung und Unterlassung von Instandsetzung haben zu Baumängeln, Feuchtigkeitsschäden und Schimmelbildung auch im Wohnbereich geführt. Der Wohnstandard ist demnach als deutlich unterdurchschnittlich zu bewerten. Das Grundstück ist durch seinen schlauchförmigen Zuschnitt und die fehlende Zuwegung kein wesentlich werterhöhender Eigentumsbestandteil. Der Gesamtwert des 800 m² übersteigenden Grundstücks wird mit 3.700 EUR bemessen. Der ermittelte Verkehrswert erreicht trotz der Größe des Grundstücks und der vorhandenen Anbauten kaum den Wert eines üblichen bescheidenen Einfamilienhauses.
Insbesondere dieser letzte Gesichtspunkt veranlasst die Kammer, das Hausgrundstück der Kläger trotz seiner Größe als nur einer bescheidenen und deshalb auch für einen Hilfeempfänger angemessenen Lebensführung dienend zu bewerten. Damit bleibt es von der Anrechnung als Vermögen frei.
Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte von den Klägern nicht den Verkauf und zuletzt nicht einmal mehr die Beleihung des Hauses verlangt hat, sondern nur ein Darlehen als aus ihrer Sicht mildeste und nicht zur Aufgabe des Lebensmittelpunkts führende Form der Verwertung des Eigentums gewähren will. Das angemessene Hausgrundstück ist nach den gesetzlichen Vorgaben auch dann nicht als Vermögen zu berücksichtigen, wenn es schuldenfrei und problemlos beleihbar wäre. Für die Bewertung der Angemessenheit im Rahmen des § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II soll es deshalb offenbar keine Rolle spielen, ob dem Hilfebedürftigen die Belastung seines Eigentums mit einer Darlehnsschuld zumutbar wäre oder nicht. Zieht man ergänzend die Wertung des § 90 Abs. 1 Nr. 8 SGB XII heran, so ist außerdem zu berücksichtigen, dass der Lebensmittelpunkt auch späteren Generationen erhalten bleiben soll, hier also auch den im Haushalt lebenden Kindern.
Nur hilfsweise verweist die Kammer auf ihre bisher in ständiger Rechtsprechung (z.B. Urt. v. 7.9.2006, S 9 AS 89/06; vgl. auch SG Aachen, Urt. v. 20.6.2006, S 11 AS 92/05) vertretene Auffassung, dass unabhängig von der rechtlichen Selbständigkeit oder Unselbständigkeit des 800 m² überschießenden Grundstücksteils dieser (allein) nur dann zu einer Berücksichtigung der Immobilie als Vermögen führt, wenn er für sich gesehen einen Wert darstellt, der den Vermögensfreibetrag überschreitet, was hier nicht der Fall ist. Ob daran auch für den Fall festzuhalten wäre, dass auch Baujahr, Zuschnitt und Wert eines (allein der Wohnfläche nach angemessenen) Wohneigentums über einen bescheidenen Lebens- und Wohnbedarf hinausgehen, kann hier offen bleiben, da es im Falle der Kläger nicht zutrifft.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved