Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 (2) KR 66/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Der Beklagte trägt 1/20 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers. Darüberhinaus haben die Beteiligten einander Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Krankengeld über den 11.06.2007 hinaus.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er ist gelernter Einzelhandelskaufmann und seit 1972 bei der Firma L. als Expedient und Kommisionierer beschäftigt. Die eine Tätigkeit wird überwiegend im Sitzen ausgeübt, die andere Tätigkeit ist mit Heben und Tragen/Stapeln von Kisten bis ca. 15 - 16 kg verbunden. Die beiden Tätigkeiten wurden im Wechsel - eine Woche die Tätigkeit als Expedient, anschließend zwei Wochen die Tätigkeit als Kommisionierer - verrichtet. Seit 2002 hatte der Kläger zur Arbeitserleichterung eine Hebeameise zur Verfügung.
Vom 26.09.2005 bis 31.01.2007 war der Kläger arbeitsunfähig u.a. wegen Kniegelenksbeschwerden, LWS-Syndrom, Rückenschmerzen, Schultergelenksbeschwerden und Fersensporn rechts. Wegen des LWS-Syndroms war er erstmals ab 23.10.1990 arbeitsunfähig gewesen. Vom 03.01. bis 31.01.2007 nahm er an einer stationären Rehabilitations-Maßnahme in der Schwertbadklinik u.a. wegen seiner Schultergelenks-, Kniegelenks- und Rückenbeschwerden teil. Laut Entlassungsbericht wurde er, weil er darauf bestand, als "arbeitsfähig" entlassen; die Reha-Ärzte wiesen allerdings ausdrücklich darauf hin, dass der Kläger aus medizinischer Sicht für seine letzte Tätigkeit nicht mehr einsetzbar sei.
Vom 01.02. bis 22.03.2007 nahm der Kläger (Rest-)Urlaub in Anspruch.
Ab 23.03.2007 bescheinigte der Hausarzt erneute Arbeitsunfähigkeit des Klägers, nunmehr wegen Dysthymia (F 34.1). Hierzu erklärte der Kläger, ihm sei vom Arbeitgeber zunächst, weil er am bisherigen Arbeitsplatz Schwierigkeiten mit seinem Vorgesetzten gehabt habe, eine innerbetriebliche Umsetzung in Aussicht gestellt worden; er hätte dann nur noch am Schreibtisch arbeiten müssen. Einen Tag vor der Arbeitsaufnahme habe er erfahren, dass er doch wieder unter seinem alten Vorgesetzten hätte arbeiten müssen. Allein aufgrund seines Wirbelsäulenleidens sei er sehr wohl in der Lage gewesen, die alte Stelle wieder aufzunehmen, denn durch die vorherigen Rehabilitationsmaßnahmen hätten sich seine Beschwerden erheblich gebessert. Die Nachricht, wieder unter den alten Bedingungen arbeiten zu müssen, hätten ihn aber so aufgeregt, dass er wegen depressiver Störung ab 23.03.2007 arbeitsunfähig gewesen sei.
In Stellungnahmen vom 04. und 20.04.2007 kam der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) zum Ergebnis, dass der Kläger für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit sowohl wegen der Anpassungsstörung bei Konfliktsituationen am Arbeitsplatz als auch wegen der wiederkehrenden Rückenbeschwerden arbeitsunfähig sei. Der Arbeitgeber des Klägers zahlte dessen Lohn für die Zeit vom 23.03. bis 03.05.2007 fort. Anschließend zahlte die Beklagte Krankengeld ab 04.05.2007 (kalendertäglich 53,79 EUR netto).
Durch Bescheid vom 11.04.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sein Krankengeldhöchstanspruch von 78 Wochen laufe unter Berücksichtigung eines verbrauchten Krankengeldanspruchs vom 27.09.2005 bis 31.01.2007 (492 Tage) innerhalb des Drei-JahresZeitraums (Blockfrist) vom 26.09.2005 bis 25.09.2008 am 16.05.2007 ab; für diesen Tag werde letztmals Krankengeld gezahlt.
Dagegen erhob der Kläger am 13.04.2007 Widerspruch durch Vorlage eines Attestes seines Hausarztes vom 12.04.2007. Dieser vertrat die Auffassung, bei der jetzt Arbeitsunfähigkeit bedingenden Krankheit handele es sich um eine neue Erkrankung; ein Zusammenhang mit den Erkrankungen, die die Arbeitsunfähigkeit bis 31.01.2007 bedingt hätten, bestünde nicht; wegen dieser Erkrankungen sei der Kläger ab 01.02.2007 wieder arbeitsfähig gewesen. Weiterhin legte der Kläger ein Gutachten der Orthopädin Dr. E. vom 03.05.2007 vor. Darin wird die Diagnose eines wiederkehrenden Cervical- und Lumbalsyndrom gestellt. Die Orthopädin teilte mit, zur Zeit bestehe subjektive vollkommene Beschwerdefreiheit; die jetzige Arbeitsunfähigkeit sei mit den orthopädisch vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht zu begründen; es bestehe derzeit vollschichtige Arbeitsfähigkeit unter Vermeidung von ständigem Heben und Tragen über 15 kg sowie die Wirbelsäule belastenden Zwangshaltungen; die zur Zeit bestehende Arbeitsunfähigkeit sei allein auf die Zwangsneurose zurückzuführen.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 30.08.2007 zurück. Sie verwies auf die Feststellungen des MDK, dass der Kläger aufgrund der bis 31.01.2007 bestehenden, Arbeitsunfähigkeit begründenden Krankheiten nicht in der Lage gewesen sei, seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit auf Dauer auszuüben; somit lägen diese Erkrankungen ebenfalls in dem Arbeitsunfähigkeitszeitraum ab 23.03.2007 vor; die psychische Erkrankung bestehe parallel zu der Rückenerkrankung.
Dagegen hat der Kläger am 07.09.2007 Klage erhoben. Er räumt ein, dass ihm zwar seit 2002 zum Bewegen der Lasten eine Hebeameise zur Verfügung gestanden habe; gleichwohl habe er Kisten und Paletten mit Gewichten zwischen 5 und 15 kg auf die Hebeameise heben müssen; die Kisten seien 14 Lagen hoch gestapelt worden. Er wiederholt seine Auffassung, dass sich sein Wirbelsäulenleiden soweit gebessert habe, dass er wegen dieser Erkrankung in der Zeit vom 01.02. bis 23.03.2007 und auch am 23.03.2007 arbeitsfähig gewesen sei. Wenn deshalb die Arbeitsunfähigkeit am 23.03.2007 nur wegen der psychiatrischen Erkrankung bestanden habe, begründe dies einen neuen Krankengeldanspruch.
Durch Bescheid vom 16.04.2008 hat die Beklagte die Berechnung der Blockfrist korrigiert: Da das Wirbelsäulen-Syndrom erstmals Arbeitsunfähigkeit am 23.10.1990 verursacht habe, sei der (sechste) Drei-Jahres-Zeitraum vom 23.10.2005 bis 22.10.2008 zugrunde zu legen; innerhalb dieser Blockfrist sei ein verbrauchter Krankengeldanspruch vom 23.10.2005 bis 31.01.2007 (466 Kalendertage) anzurechnen, sodass sich aufgrund der Arbeitsunfähigkeit ab 23.03.2007 ein Rest-Krankengeldanspruch von 80 Tagen für die Zeit vom 24.03. bis 11.06.2007 ergebe. Die Beklagte hat deshalb weiteres Krankengeld für die Zeit vom 17.05. bis 11.06.2007 bewilligt und ausgezahlt.
Vom 12.06.2007 bis 11.06.2008 hat der Kläger Arbeitslosengeld bezogen. Seit 01.01.2009 erhält er - befristet bis 31.12.2009 - Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.04.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2007 und des Änderungsbescheides vom 16.04.2008 zu verurteilen, ihm über den 11.06.2007 hinaus Krankengeld zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist darauf, dass der Kläger nach Auffassung verschiedener Ärzte und Gutachter für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit, für die ihm auch bereits die Arbeitserleichterung einer Hebeameise zur Verfügung gestanden habe, wegen der Schulter- und Rückenerkrankung nicht mehr einsetzbar gewesen sei; insofern habe es sich bei der ab 23.03.2007 bestehenden psychischen Erkrankung um eine hinzu getretene, den Krankengeldhöchstanspruch nicht verlängernde Krankheit gehandelt.
Das Gericht hat zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts Arztunterlagen von dem Orthopäden Dr. U. beigezogen, von Amts wegen ein Gutachten von dem Orthopäden Dr. S. und auf Antrag des Klägers ein Gutachten von dem Orthopäden Dr. L. eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gutachten vom 16.07. und 24.10.2008 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte S 2 KR 27/06 ER, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Er hat anlässlich der ab 23.03.2007 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit über den 11.06.2007 hinaus keinen Anspruch auf Krankengeld.
Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Der Krankengeldanspruch besteht grundsätzlich ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Tritt wegen der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, wird die Leistungsdauer nicht verlängert (§ 48 Abs. 1 Satz 2 SGB V).
Der Kläger war in der Zeit vom 26.09.2005 bis 31.01.2007 arbeitsunfähig u.a. wegen Kniegelenksbeschwerden, LWS-Syndrom, Rückenschmerzen, Schultergelenksbeschwerden und Fersensporn rechts. Bei Abschluss der vierwöchigen Reha-Maßnahme am 31.01.2007 entließen die Reha-Ärzte den Kläger zwar als "arbeitsfähig", stellten jedoch zugleich klar, dass dies nicht in Bezug auf die zuletzt von ihm ausgeübte Tätigkeit galt. Die Tätigkeiten als Expedient und Kommisionierer wurden teilweise überwiegend sitzend ausgeübt, waren aber teilweise auch mit Heben und Tragen, Stapeln von Kisten bis ca. 15 kg verbunden. Dabei stand dem Kläger bereits seit 2002 zur Arbeitserleichterung eine Hebeameise zur Verfügung. Auch diese entband ihn jedoch nicht vom Heben und Tragen der beschriebenen Lasten; auch unter Berücksichtigung dieser Arbeitserleichterung hatten ihn die Ärzte bis 31.01.2007 für arbeitsunfähig befunden. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit ist diejenige, die für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit maßgeblich ist. Auch die Sachverständigen Dr. S. und Dr. L. sind in ihren für das Gericht erstellten Gutachten zum Ergebnis gelangt, dass über den 31.01.2007 hinaus die chronische Rückenerkrankung und die Schultergelenkserkrankung weiter bestanden haben in dem Sinne, dass sie jederzeit wieder ausbrechen konnten bzw. sich in ihrem Ausprägungsbild hätten verschlimmern können, wenn der Kläger eine nicht leidensgerechte und insbesondere rückengerechte Tätigkeit wiederaufgenommen hätte. Soweit Dr. L. in seinem Gutachten dargelegt hat, aus orthopädischer Sicht wäre der Kläger am 23.03.2007 wieder arbeitsfähig gewesen, stützt er dies auf die - falsche - Annahme, dass der Arbeitsplatz des Klägers zwischenzeitlich in Zusammenarbeit mit dem Integrationsfachdienst durch zur Verfügungstellung einer Hebeameise rückengerecht umgestellt worden sei. Dies war aber gerade nicht der Fall. Der Kläger hätte am 23.03.2007 wieder an seinen alten Arbeitsplatz zurückkehren sollen und müssen. Für die dort zu verrichtenden Tätigkeiten aber wäre er gerade nicht arbeitsfähig gewesen. Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer sowohl aus den Feststellungen der Reha-Ärzte der Schwertbadklinik im Entlassungsbericht als auch den Feststellungen des MDK und schließlich aus den Gutachten der Sachverständigen Dr. S. und Dr. L.
Entgegen der Auffassung des Klägers hat die ab 23.03.2007 bestehende Arbeitsunfähigkeit keinen neuen Krankengeldanspruch innerhalb eines neuen Drei-Jahres-Zeitraums (24.03.2007 bis 23.03.2010) begründet, mit der Folge, dass bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Krankengeld über den 11.06.2007 hinaus bis längstens 19.09.2008 (= 546 Tage) bestanden hätte. Auch wenn die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Hausärzte vom 23.03.2007 als die Arbeitsunfähigkeit ab diesem Tag begründend eine psychiatrische Erkrankung (Dysthymia) nennt, handelt es sich bei diesem Leiden nicht um eine neue Krankheit, sondern um eine weitere während der Arbeitsunfähigkeit hinzu getretene Krankheit im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Denn die Arbeitsunfähigkeit wegen der Rücken- und Schultergelenkserkrankung bestand in der Zeit vom 01.02. bis 22.03. und auch darüber hinaus fort, auch wenn sie als solche zunächst nicht ärztlich bescheinigt und deshalb kein Krankengeld bezogen wurde.
Arbeitsunfähigkeit ist die auf Krankheit beruhende Unfähigkeit, die zuletzt verrichtete oder eine ähnliche Beschäftigung oder Tätigkeit fortzusetzen (BSG, Urteil vom 30.05.1967 - 3 RK 15/65 = BSGE 26,288 = SozR Nr. 25 zu § 182 RVO). Der Versicherte ist zur Ausübung der bisherigen Erwerbstätigkeit nicht nur dann unfähig, wenn sie ihm überhaupt nicht mehr möglich ist, sondern auch dann, wenn er sie nur noch auf die Gefahr hin verrichten kann, den Leidenszustand zu verschlimmern (BSG a.a.O. und Urteil vom 19.06.1963 - 3 RK 37/59 = BSGE 19,179 = SozR Nr. 8 zu § 182 RVO; Urteil vom 24.05.1978 - 4 RJ 69/77 = BSGE 46,190 = SozR 2200 § 182 Nr. 34). Demnach ist die Fortsetzung oder Aufnahme einer Arbeit für sich allein kein Vorgang, der den durch eine Krankheit verursachten Zustand der Arbeitsunfähigkeit unmittelbar verändert. Die Wirbelsäulen- und Schultergelenkserkrankungen, die die Arbeitsunfähigkeit zuletzt (u.a.) in der Zeit vom 26.09.2005 bis 31.01.2007 bedingt hatten, bestanden auch über diesen Zeitpunkt hinaus noch weiter und bedingten neben der psychischen Erkrankung auch ab 23.03.2007 die Arbeitsunfähigkeit zumindest als Mitursache. Im Reha-Entlassungsbericht der Schwertbadklinik sind diese orthopädischen Krankheitsbilder ebenso diagnostiziert und dargelegt worden wie schon zuvor in den Gutachten des Dr. K. vom 02.01.2006 und des Professor Dr. C. vom 01.02.2007, die im sozialgerichtlichen Verfahren nach dem Schwerbehindertengesetz - S 17 (3) SB 209/05 - eingeholt worden sind. Auch die Orthopädin Dr. E. hat diese Krankheitsbilder in ihrem Gutachten vom 03.05.2007 als wiederkehrend festgestellt. Die Behauptung des Klägers, dass er wegen des Rückenleidens seit September 2005 nicht mehr in Behandlung gewesen sei, ist - wie die Sachverständigen Dr. S. und Dr. L. ausführlich und überzeugend nachgewiesen haben - durch die zahlreichen in der Akte befindlichen Krankenberichte widerlegt. Wegen des Wirbelsäulenleidens allein ist dem Kläger ein Grad der Behinderung nach dem Schwerbehindertenrecht von 40 zuerkannt worden. Wenn aber diese Krankheitsbilder, die die Arbeitsunfähigkeit bis 31.01.2007 bedingt haben, weiter bestanden haben, bestand auch die Arbeitsunfähigkeit - bezogen auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit - auch ohne Bescheinigung weiter fort. Es mag sein, dass die während der Zeit der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit vom 26.09.2005 bis 31.01.2007 bestehende Arbeitsruhe zu einer gewissen Beschwerdefreiheit geführt hat; sie ermöglichte jedoch keine Heilung der Rücken- und Schultergelenkserkrankung. Mit der Wiederaufnahme der Tätigkeit als Kommisionierer bei der Firma L. mit Heben und Tragen/Stapeln von Kisten bis 15 kg, 14 Lagen hoch, auch wenn dies mit Hilfe einer Hebeameise geschah, musste zwangsläufig der durch den Gelenkverschleiß bestehende Reizzustand wieder eintreten. Insofern wäre die Wiederaufnahme der Arbeit ab 01.02.2007 ebenso wie am 23.03.2007 mit der Gefahr der Verschlimmerung des bestehenden Rückenleidens verbunden gewesen. Eben deshalb haben die Reha-Ärzte der Schwertbadklinik im Entlassungsbericht bescheinigt, dass der Kläger für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr einsetzbar ist. Eine wiederholt mit Unterbrechungen auftretende Arbeitsunfähigkeit beruht dann auf "derselben Krankheit" im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V, wenn ihr jeweils dieselbe, nicht behobene Krankheitsursache zugrunde liegt. Der regelwidrige Körper- und Geisteszustand, der die Krankheitsursache bildet, braucht weder ständig Krankheitserscheinungen hervorzurufen noch fortlaufend Behandlungsbedürftigkeit zu bewirken. Es genügt, dass das medizinisch nicht ausgeheilte Grundleiden latent weiter bestanden hat und sich nach einem beschwerdefreien oder beschwerdearmen Intervall erneut durch Krankheitssymptome manifestieren kann. Ein einheitliches Krankheitsgeschehen kann auch dann vorliegen, wenn Behandlungsbedürftigkeit - vorübergehend - entfallen ist (BSG, Beschluss vom 01.07.2000 - B 1 KR 43/99 B; Urteil vom 07.12.2004 - B 1 KR 10/03 R).
Bestand nach alledem auch über den 31.01.2007 hinaus und auch am 23.03.2007 wegen des latent vorhandenen Rücken- und Schultergelenksleidens im Hinblick auf die damit verbundene Gefahr der Verschlimmerung bei Ausübung der zuletzt ausgeübten Tätigkeit Arbeitsunfähigkeit, so handelt es sich bei der psychischen Erkrankung um eine hinzu getretene Krankheit im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB V, die den durch die Arbeitsunfähigkeit bis 31.01.2007 bestehenden Krankengeldanspruch nicht verlängert.
Aus der von der Beklagten vorgelegten Auflistung über frühere Arbeitsunfähigkeiten ergibt sich, dass wegen der Wirbelsäulenbeschwerden erstmals Arbeitsunfähigkeit ab dem 23.10.1990 bestanden hat. Die Arbeitsunfähigkeit ab 23.03.2007 fällt somit in die sechste Drei-Jahres-Frist (Blockfrist) die vom 23.10.2005 bis 22.10.2008 reicht. Innerhalb dieser Blockfrist ist der Zeitraum vom 23.10.2005 bis 31.01.2007 mit 466 Tagen auf den Krankengeldanspruch anzurechnen. Bis zum Erreichen der Krankengeldhöchstanspruchsdauer von 78 Wochen (546 Tagen) verbleiben 80 Kalendertage, die in der Zeit vom 24.03. bis 11.06.2007 verbraucht worden sind. Der Anspruch auf Krankengeld wird nicht nur durch solche Tage verbraucht, für die tatsächlich Krankengeld ausgezahlt worden ist, sondern auch für solche Zeiträume, in denen der Krankengeldanspruch ruhte, z.B. durch den Bezug von Entgeltfortzahlung oder Übergangsgeld während einer Reha-Maßnahme (vgl. § 48 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 SGB V). Ist nach alledem innerhalb der maßgeblichen Blockfrist der Krankengeldhöchstanspruch von 78 Wochen am 11.06.2007 erschöpft gewesen, so besteht darüber hinaus, auch wenn der Kläger weiter arbeitsunfähig war, kein Anspruch auf Krankengeld.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Krankengeld über den 11.06.2007 hinaus.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er ist gelernter Einzelhandelskaufmann und seit 1972 bei der Firma L. als Expedient und Kommisionierer beschäftigt. Die eine Tätigkeit wird überwiegend im Sitzen ausgeübt, die andere Tätigkeit ist mit Heben und Tragen/Stapeln von Kisten bis ca. 15 - 16 kg verbunden. Die beiden Tätigkeiten wurden im Wechsel - eine Woche die Tätigkeit als Expedient, anschließend zwei Wochen die Tätigkeit als Kommisionierer - verrichtet. Seit 2002 hatte der Kläger zur Arbeitserleichterung eine Hebeameise zur Verfügung.
Vom 26.09.2005 bis 31.01.2007 war der Kläger arbeitsunfähig u.a. wegen Kniegelenksbeschwerden, LWS-Syndrom, Rückenschmerzen, Schultergelenksbeschwerden und Fersensporn rechts. Wegen des LWS-Syndroms war er erstmals ab 23.10.1990 arbeitsunfähig gewesen. Vom 03.01. bis 31.01.2007 nahm er an einer stationären Rehabilitations-Maßnahme in der Schwertbadklinik u.a. wegen seiner Schultergelenks-, Kniegelenks- und Rückenbeschwerden teil. Laut Entlassungsbericht wurde er, weil er darauf bestand, als "arbeitsfähig" entlassen; die Reha-Ärzte wiesen allerdings ausdrücklich darauf hin, dass der Kläger aus medizinischer Sicht für seine letzte Tätigkeit nicht mehr einsetzbar sei.
Vom 01.02. bis 22.03.2007 nahm der Kläger (Rest-)Urlaub in Anspruch.
Ab 23.03.2007 bescheinigte der Hausarzt erneute Arbeitsunfähigkeit des Klägers, nunmehr wegen Dysthymia (F 34.1). Hierzu erklärte der Kläger, ihm sei vom Arbeitgeber zunächst, weil er am bisherigen Arbeitsplatz Schwierigkeiten mit seinem Vorgesetzten gehabt habe, eine innerbetriebliche Umsetzung in Aussicht gestellt worden; er hätte dann nur noch am Schreibtisch arbeiten müssen. Einen Tag vor der Arbeitsaufnahme habe er erfahren, dass er doch wieder unter seinem alten Vorgesetzten hätte arbeiten müssen. Allein aufgrund seines Wirbelsäulenleidens sei er sehr wohl in der Lage gewesen, die alte Stelle wieder aufzunehmen, denn durch die vorherigen Rehabilitationsmaßnahmen hätten sich seine Beschwerden erheblich gebessert. Die Nachricht, wieder unter den alten Bedingungen arbeiten zu müssen, hätten ihn aber so aufgeregt, dass er wegen depressiver Störung ab 23.03.2007 arbeitsunfähig gewesen sei.
In Stellungnahmen vom 04. und 20.04.2007 kam der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) zum Ergebnis, dass der Kläger für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit sowohl wegen der Anpassungsstörung bei Konfliktsituationen am Arbeitsplatz als auch wegen der wiederkehrenden Rückenbeschwerden arbeitsunfähig sei. Der Arbeitgeber des Klägers zahlte dessen Lohn für die Zeit vom 23.03. bis 03.05.2007 fort. Anschließend zahlte die Beklagte Krankengeld ab 04.05.2007 (kalendertäglich 53,79 EUR netto).
Durch Bescheid vom 11.04.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sein Krankengeldhöchstanspruch von 78 Wochen laufe unter Berücksichtigung eines verbrauchten Krankengeldanspruchs vom 27.09.2005 bis 31.01.2007 (492 Tage) innerhalb des Drei-JahresZeitraums (Blockfrist) vom 26.09.2005 bis 25.09.2008 am 16.05.2007 ab; für diesen Tag werde letztmals Krankengeld gezahlt.
Dagegen erhob der Kläger am 13.04.2007 Widerspruch durch Vorlage eines Attestes seines Hausarztes vom 12.04.2007. Dieser vertrat die Auffassung, bei der jetzt Arbeitsunfähigkeit bedingenden Krankheit handele es sich um eine neue Erkrankung; ein Zusammenhang mit den Erkrankungen, die die Arbeitsunfähigkeit bis 31.01.2007 bedingt hätten, bestünde nicht; wegen dieser Erkrankungen sei der Kläger ab 01.02.2007 wieder arbeitsfähig gewesen. Weiterhin legte der Kläger ein Gutachten der Orthopädin Dr. E. vom 03.05.2007 vor. Darin wird die Diagnose eines wiederkehrenden Cervical- und Lumbalsyndrom gestellt. Die Orthopädin teilte mit, zur Zeit bestehe subjektive vollkommene Beschwerdefreiheit; die jetzige Arbeitsunfähigkeit sei mit den orthopädisch vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht zu begründen; es bestehe derzeit vollschichtige Arbeitsfähigkeit unter Vermeidung von ständigem Heben und Tragen über 15 kg sowie die Wirbelsäule belastenden Zwangshaltungen; die zur Zeit bestehende Arbeitsunfähigkeit sei allein auf die Zwangsneurose zurückzuführen.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 30.08.2007 zurück. Sie verwies auf die Feststellungen des MDK, dass der Kläger aufgrund der bis 31.01.2007 bestehenden, Arbeitsunfähigkeit begründenden Krankheiten nicht in der Lage gewesen sei, seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit auf Dauer auszuüben; somit lägen diese Erkrankungen ebenfalls in dem Arbeitsunfähigkeitszeitraum ab 23.03.2007 vor; die psychische Erkrankung bestehe parallel zu der Rückenerkrankung.
Dagegen hat der Kläger am 07.09.2007 Klage erhoben. Er räumt ein, dass ihm zwar seit 2002 zum Bewegen der Lasten eine Hebeameise zur Verfügung gestanden habe; gleichwohl habe er Kisten und Paletten mit Gewichten zwischen 5 und 15 kg auf die Hebeameise heben müssen; die Kisten seien 14 Lagen hoch gestapelt worden. Er wiederholt seine Auffassung, dass sich sein Wirbelsäulenleiden soweit gebessert habe, dass er wegen dieser Erkrankung in der Zeit vom 01.02. bis 23.03.2007 und auch am 23.03.2007 arbeitsfähig gewesen sei. Wenn deshalb die Arbeitsunfähigkeit am 23.03.2007 nur wegen der psychiatrischen Erkrankung bestanden habe, begründe dies einen neuen Krankengeldanspruch.
Durch Bescheid vom 16.04.2008 hat die Beklagte die Berechnung der Blockfrist korrigiert: Da das Wirbelsäulen-Syndrom erstmals Arbeitsunfähigkeit am 23.10.1990 verursacht habe, sei der (sechste) Drei-Jahres-Zeitraum vom 23.10.2005 bis 22.10.2008 zugrunde zu legen; innerhalb dieser Blockfrist sei ein verbrauchter Krankengeldanspruch vom 23.10.2005 bis 31.01.2007 (466 Kalendertage) anzurechnen, sodass sich aufgrund der Arbeitsunfähigkeit ab 23.03.2007 ein Rest-Krankengeldanspruch von 80 Tagen für die Zeit vom 24.03. bis 11.06.2007 ergebe. Die Beklagte hat deshalb weiteres Krankengeld für die Zeit vom 17.05. bis 11.06.2007 bewilligt und ausgezahlt.
Vom 12.06.2007 bis 11.06.2008 hat der Kläger Arbeitslosengeld bezogen. Seit 01.01.2009 erhält er - befristet bis 31.12.2009 - Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.04.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2007 und des Änderungsbescheides vom 16.04.2008 zu verurteilen, ihm über den 11.06.2007 hinaus Krankengeld zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist darauf, dass der Kläger nach Auffassung verschiedener Ärzte und Gutachter für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit, für die ihm auch bereits die Arbeitserleichterung einer Hebeameise zur Verfügung gestanden habe, wegen der Schulter- und Rückenerkrankung nicht mehr einsetzbar gewesen sei; insofern habe es sich bei der ab 23.03.2007 bestehenden psychischen Erkrankung um eine hinzu getretene, den Krankengeldhöchstanspruch nicht verlängernde Krankheit gehandelt.
Das Gericht hat zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts Arztunterlagen von dem Orthopäden Dr. U. beigezogen, von Amts wegen ein Gutachten von dem Orthopäden Dr. S. und auf Antrag des Klägers ein Gutachten von dem Orthopäden Dr. L. eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gutachten vom 16.07. und 24.10.2008 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte S 2 KR 27/06 ER, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Er hat anlässlich der ab 23.03.2007 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit über den 11.06.2007 hinaus keinen Anspruch auf Krankengeld.
Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Der Krankengeldanspruch besteht grundsätzlich ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Tritt wegen der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, wird die Leistungsdauer nicht verlängert (§ 48 Abs. 1 Satz 2 SGB V).
Der Kläger war in der Zeit vom 26.09.2005 bis 31.01.2007 arbeitsunfähig u.a. wegen Kniegelenksbeschwerden, LWS-Syndrom, Rückenschmerzen, Schultergelenksbeschwerden und Fersensporn rechts. Bei Abschluss der vierwöchigen Reha-Maßnahme am 31.01.2007 entließen die Reha-Ärzte den Kläger zwar als "arbeitsfähig", stellten jedoch zugleich klar, dass dies nicht in Bezug auf die zuletzt von ihm ausgeübte Tätigkeit galt. Die Tätigkeiten als Expedient und Kommisionierer wurden teilweise überwiegend sitzend ausgeübt, waren aber teilweise auch mit Heben und Tragen, Stapeln von Kisten bis ca. 15 kg verbunden. Dabei stand dem Kläger bereits seit 2002 zur Arbeitserleichterung eine Hebeameise zur Verfügung. Auch diese entband ihn jedoch nicht vom Heben und Tragen der beschriebenen Lasten; auch unter Berücksichtigung dieser Arbeitserleichterung hatten ihn die Ärzte bis 31.01.2007 für arbeitsunfähig befunden. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit ist diejenige, die für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit maßgeblich ist. Auch die Sachverständigen Dr. S. und Dr. L. sind in ihren für das Gericht erstellten Gutachten zum Ergebnis gelangt, dass über den 31.01.2007 hinaus die chronische Rückenerkrankung und die Schultergelenkserkrankung weiter bestanden haben in dem Sinne, dass sie jederzeit wieder ausbrechen konnten bzw. sich in ihrem Ausprägungsbild hätten verschlimmern können, wenn der Kläger eine nicht leidensgerechte und insbesondere rückengerechte Tätigkeit wiederaufgenommen hätte. Soweit Dr. L. in seinem Gutachten dargelegt hat, aus orthopädischer Sicht wäre der Kläger am 23.03.2007 wieder arbeitsfähig gewesen, stützt er dies auf die - falsche - Annahme, dass der Arbeitsplatz des Klägers zwischenzeitlich in Zusammenarbeit mit dem Integrationsfachdienst durch zur Verfügungstellung einer Hebeameise rückengerecht umgestellt worden sei. Dies war aber gerade nicht der Fall. Der Kläger hätte am 23.03.2007 wieder an seinen alten Arbeitsplatz zurückkehren sollen und müssen. Für die dort zu verrichtenden Tätigkeiten aber wäre er gerade nicht arbeitsfähig gewesen. Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer sowohl aus den Feststellungen der Reha-Ärzte der Schwertbadklinik im Entlassungsbericht als auch den Feststellungen des MDK und schließlich aus den Gutachten der Sachverständigen Dr. S. und Dr. L.
Entgegen der Auffassung des Klägers hat die ab 23.03.2007 bestehende Arbeitsunfähigkeit keinen neuen Krankengeldanspruch innerhalb eines neuen Drei-Jahres-Zeitraums (24.03.2007 bis 23.03.2010) begründet, mit der Folge, dass bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Krankengeld über den 11.06.2007 hinaus bis längstens 19.09.2008 (= 546 Tage) bestanden hätte. Auch wenn die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Hausärzte vom 23.03.2007 als die Arbeitsunfähigkeit ab diesem Tag begründend eine psychiatrische Erkrankung (Dysthymia) nennt, handelt es sich bei diesem Leiden nicht um eine neue Krankheit, sondern um eine weitere während der Arbeitsunfähigkeit hinzu getretene Krankheit im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Denn die Arbeitsunfähigkeit wegen der Rücken- und Schultergelenkserkrankung bestand in der Zeit vom 01.02. bis 22.03. und auch darüber hinaus fort, auch wenn sie als solche zunächst nicht ärztlich bescheinigt und deshalb kein Krankengeld bezogen wurde.
Arbeitsunfähigkeit ist die auf Krankheit beruhende Unfähigkeit, die zuletzt verrichtete oder eine ähnliche Beschäftigung oder Tätigkeit fortzusetzen (BSG, Urteil vom 30.05.1967 - 3 RK 15/65 = BSGE 26,288 = SozR Nr. 25 zu § 182 RVO). Der Versicherte ist zur Ausübung der bisherigen Erwerbstätigkeit nicht nur dann unfähig, wenn sie ihm überhaupt nicht mehr möglich ist, sondern auch dann, wenn er sie nur noch auf die Gefahr hin verrichten kann, den Leidenszustand zu verschlimmern (BSG a.a.O. und Urteil vom 19.06.1963 - 3 RK 37/59 = BSGE 19,179 = SozR Nr. 8 zu § 182 RVO; Urteil vom 24.05.1978 - 4 RJ 69/77 = BSGE 46,190 = SozR 2200 § 182 Nr. 34). Demnach ist die Fortsetzung oder Aufnahme einer Arbeit für sich allein kein Vorgang, der den durch eine Krankheit verursachten Zustand der Arbeitsunfähigkeit unmittelbar verändert. Die Wirbelsäulen- und Schultergelenkserkrankungen, die die Arbeitsunfähigkeit zuletzt (u.a.) in der Zeit vom 26.09.2005 bis 31.01.2007 bedingt hatten, bestanden auch über diesen Zeitpunkt hinaus noch weiter und bedingten neben der psychischen Erkrankung auch ab 23.03.2007 die Arbeitsunfähigkeit zumindest als Mitursache. Im Reha-Entlassungsbericht der Schwertbadklinik sind diese orthopädischen Krankheitsbilder ebenso diagnostiziert und dargelegt worden wie schon zuvor in den Gutachten des Dr. K. vom 02.01.2006 und des Professor Dr. C. vom 01.02.2007, die im sozialgerichtlichen Verfahren nach dem Schwerbehindertengesetz - S 17 (3) SB 209/05 - eingeholt worden sind. Auch die Orthopädin Dr. E. hat diese Krankheitsbilder in ihrem Gutachten vom 03.05.2007 als wiederkehrend festgestellt. Die Behauptung des Klägers, dass er wegen des Rückenleidens seit September 2005 nicht mehr in Behandlung gewesen sei, ist - wie die Sachverständigen Dr. S. und Dr. L. ausführlich und überzeugend nachgewiesen haben - durch die zahlreichen in der Akte befindlichen Krankenberichte widerlegt. Wegen des Wirbelsäulenleidens allein ist dem Kläger ein Grad der Behinderung nach dem Schwerbehindertenrecht von 40 zuerkannt worden. Wenn aber diese Krankheitsbilder, die die Arbeitsunfähigkeit bis 31.01.2007 bedingt haben, weiter bestanden haben, bestand auch die Arbeitsunfähigkeit - bezogen auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit - auch ohne Bescheinigung weiter fort. Es mag sein, dass die während der Zeit der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit vom 26.09.2005 bis 31.01.2007 bestehende Arbeitsruhe zu einer gewissen Beschwerdefreiheit geführt hat; sie ermöglichte jedoch keine Heilung der Rücken- und Schultergelenkserkrankung. Mit der Wiederaufnahme der Tätigkeit als Kommisionierer bei der Firma L. mit Heben und Tragen/Stapeln von Kisten bis 15 kg, 14 Lagen hoch, auch wenn dies mit Hilfe einer Hebeameise geschah, musste zwangsläufig der durch den Gelenkverschleiß bestehende Reizzustand wieder eintreten. Insofern wäre die Wiederaufnahme der Arbeit ab 01.02.2007 ebenso wie am 23.03.2007 mit der Gefahr der Verschlimmerung des bestehenden Rückenleidens verbunden gewesen. Eben deshalb haben die Reha-Ärzte der Schwertbadklinik im Entlassungsbericht bescheinigt, dass der Kläger für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr einsetzbar ist. Eine wiederholt mit Unterbrechungen auftretende Arbeitsunfähigkeit beruht dann auf "derselben Krankheit" im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V, wenn ihr jeweils dieselbe, nicht behobene Krankheitsursache zugrunde liegt. Der regelwidrige Körper- und Geisteszustand, der die Krankheitsursache bildet, braucht weder ständig Krankheitserscheinungen hervorzurufen noch fortlaufend Behandlungsbedürftigkeit zu bewirken. Es genügt, dass das medizinisch nicht ausgeheilte Grundleiden latent weiter bestanden hat und sich nach einem beschwerdefreien oder beschwerdearmen Intervall erneut durch Krankheitssymptome manifestieren kann. Ein einheitliches Krankheitsgeschehen kann auch dann vorliegen, wenn Behandlungsbedürftigkeit - vorübergehend - entfallen ist (BSG, Beschluss vom 01.07.2000 - B 1 KR 43/99 B; Urteil vom 07.12.2004 - B 1 KR 10/03 R).
Bestand nach alledem auch über den 31.01.2007 hinaus und auch am 23.03.2007 wegen des latent vorhandenen Rücken- und Schultergelenksleidens im Hinblick auf die damit verbundene Gefahr der Verschlimmerung bei Ausübung der zuletzt ausgeübten Tätigkeit Arbeitsunfähigkeit, so handelt es sich bei der psychischen Erkrankung um eine hinzu getretene Krankheit im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB V, die den durch die Arbeitsunfähigkeit bis 31.01.2007 bestehenden Krankengeldanspruch nicht verlängert.
Aus der von der Beklagten vorgelegten Auflistung über frühere Arbeitsunfähigkeiten ergibt sich, dass wegen der Wirbelsäulenbeschwerden erstmals Arbeitsunfähigkeit ab dem 23.10.1990 bestanden hat. Die Arbeitsunfähigkeit ab 23.03.2007 fällt somit in die sechste Drei-Jahres-Frist (Blockfrist) die vom 23.10.2005 bis 22.10.2008 reicht. Innerhalb dieser Blockfrist ist der Zeitraum vom 23.10.2005 bis 31.01.2007 mit 466 Tagen auf den Krankengeldanspruch anzurechnen. Bis zum Erreichen der Krankengeldhöchstanspruchsdauer von 78 Wochen (546 Tagen) verbleiben 80 Kalendertage, die in der Zeit vom 24.03. bis 11.06.2007 verbraucht worden sind. Der Anspruch auf Krankengeld wird nicht nur durch solche Tage verbraucht, für die tatsächlich Krankengeld ausgezahlt worden ist, sondern auch für solche Zeiträume, in denen der Krankengeldanspruch ruhte, z.B. durch den Bezug von Entgeltfortzahlung oder Übergangsgeld während einer Reha-Maßnahme (vgl. § 48 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 SGB V). Ist nach alledem innerhalb der maßgeblichen Blockfrist der Krankengeldhöchstanspruch von 78 Wochen am 11.06.2007 erschöpft gewesen, so besteht darüber hinaus, auch wenn der Kläger weiter arbeitsunfähig war, kein Anspruch auf Krankengeld.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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