S 20 SO 43/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 SO 43/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten für Bücher und andere Arbeitsmaterialien zum Jura-Studium in Höhe von 284,29 EUR.

Die 0000 geborene Klägerin - ausgebildete Diplomsozialarbeiterin und Rechtsanwaltsfachangestellte - steht wegen einer psychischen Erkrankung unter gesetzlicher Betreuung; ein Einwilligungsvorbehalt besteht nicht. Sie ist als Schwerbehinderte anerkannt nach einem Grad der Behinderung von 50 (ohne Nachteilsausgleichsmerkmale). Von der Deutschen Rentenversicherung Bund bezieht sie seit 01.08.2008 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, befristet bis 31.03.2010. Ergänzend hierzu erhielt sie seit dem 24.10.2008 vom Beklagten Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Seit dem Sommersemester 2009 (Beginn: 01.04.2009) studiert die Klägerin Rechtswissenschaft an der Universität L.

Am 17.03.2009 stellte die Klägerin beim Beklagten einen "Antrag wegen Förderung bei Schwerbehinderung und chronischer Krankheit wegen Jurastudium an der Universität zu L". Sie trug vor, sie habe einen Studienplatz an der Universität L. im Fall Rechtswissenschaften für das Sommersemester 2009 erhalten. Ab April 2009 entstünden ihr Kosten; sie habe einen Semesterbeitrag in Höhe von 702,87 EUR zu entrichten, für zwei Semester seien dies 1.405,74 EUR, hinzu kämen Kosten für Bücher und andere Arbeitsmaterialien. Insgesamt bezifferte die Klägerin die Kosten auf 1.690,03 EUR.

Einen gleichlautenden Antrag hatte die Klägerin bereits am 11.03.2009 beim Oberbürgermeister der Stadt B. (Sozialamt) gestellt, der den Antrag am 18.03.2009 zuständigkeitshalber an den Beklagten weiterleitete.

Der Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 23.03.2009 ab mit der Begründung, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII. Aufgabe der Eingliederungshilfe sei es unter anderem, eine vorhandene Behinderung und deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern oder den Behinderten in die Gesellschaft einzugliedern. Ziel der Eingliederungshilfe sei es, den Behinderten die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern. Durch die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft solle der Behinderte einem Nichtbehinderten nach Möglichkeit gleichgestellt werden. Der Behinderte solle Hilfen finden, die es ihm ermöglichten, in der Umgebung von Nichtbehinderten ähnlich wie diese zu leben. Die Eingliederungshilfe bezwecke aber nicht, den Behinderten besser zu stellen als den Nichtbehinderten. Es handele sich bei dem jetzt begonnenen Jurastudium nicht mehr um eine Erstausbildung, sondern um eine weitere Ausbildung. Der Wunsch der Klägerin, trotz abgeschlossenem Studiums ein weiteres Studium durchzuführen, sei nicht angemessen und würde darüber hinaus zu unverhältnismäßigen Mehrkosten führen. Unabhängig davon seien die beantragten Leistungen keine Leistungen, die im Rahmen der Eingliederungshilfe für Behinderte zum Besuch einer Hochschule übernommen werden könnten. Die aufgeführten Kosten für Fachbücher, Schreibmaterial, Fahrtkosten und Studiengebühren fielen auch bei nichtbehinderten Studenten an und könnten daher nicht übernommen werden.

Dagegen legte die Klägerin am 02.04.2009 Widerspruch ein. Sie begrenzte ihren Antrag auf die Erstattung der Kosten für Bücher und andere Arbeitsmaterialien zum Jurastudium in Höhe von 284,29 EUR. Sie wies daraufhin, dass es sich um ihre dritte Ausbildung handele, von der sie sich etwas mehr erwarte. Sie sei Diplomsozialarbeiterin und ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte. Rechtswissenschaften sei immer ihr Interessengebiet gewesen. Die bei ihr bestehende Erkrankung sei zwar ein Hinderungsgrund, jedoch müsse dieser Hinderungsgrund mit Eingliederungsmöglichkeiten (hier: Büchergeld) unterstützt und gefördert werden.

Der Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 17.06.2009 zurück. Ergänzend wies sie auf die Rechtsgrundlagen für eine Übernahme der Kosten eines behinderten bedingten Mehrbedarfs für ein Hochschulstudium hin: § 53 SGB XII i.V.m. § 54 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII i.V.m. § 13 der Eingliederungshilfeverordnung. Ein Anspruch auf Übernahme der Sach- und Literaturkosten für das Jurastudium bestehe nicht, weil die Kosten keinen behinderungsbedingten Mehrbedarf darstellten; es handele sich bei diesen Kosten um einen Bedarf, welcher jeder Student - auch wenn er nicht behindert ist - aus eigenen Mitteln zu tragen habe. Mittel der Sozialhilfe stünden hierfür nicht zur Verfügung. Unabhängig davon scheide eine Kostenübernahme aus Sozialhilfemitteln aus, weil das angestrebte Studium nicht erforderlich im Sinne der Eingliederungshilfeverordnung sei. Die Klägerin sei bereits Diplomsozialarbeiterin sowie eine ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte. Durch diese Ausbildungen sei für sie grundsätzlich die Basis geschaffen, eine angemessene berufliche Tätigkeit auszuüben, die einer ausreichende wirtschaftliche Lebensgrundlage gewährleiste. Das Ziel der Eingliederungshilfe gehe darüber nicht hinaus.

Dagegen hat die Klägerin am 28.06.2009 Klage erhoben. Sie mache soziale Rechte gem. § 2 SGB I geltend. Dass sie als ehemalige Diplomsozialarbeiterin jetzt auch alle Sozialbehörden in Anspruch nehme, dürfe ihr wirklich nicht übel genommen werden. Als Studentin der Rechtswissenschaften befinde sie sich sicherlich nicht im rechtsfreien Raum; dem rechtlichen Status einer Studentin sowie schwerbehinderten Frau müsse Rechnung getragen werden. Sie habe sich das Studium als angemessene Beschäftigung ausgesucht; deswegen verlange sie den Ausgleich der entstandenen Kosten. Die Kausalität sei ganz einfach: Die affektive Störung, die Rente und die Wiederaufnahme des Jurastudiums seien die Voraussetzungen. Die so genannte Drittausbildung sei bei genauer Betrachtung als eindeutiges richtiges "Aufbaustudium" auch aus psychologischer Sicht zu sehen. Das Jurastudium sei schon irgendwie passend zu ihren vorherigen rechtlichen Ausbildungen. Die erfolgreiche Rechtsanwaltsfachangestellenausbildung/Umschulung sei ihr ärztlicherseits angeraten worden, und so sei es dann auch passiert, dass sie diese erfolgreich abgeschlossen habe. Das Interessenschwergebiet sei immer das der Rechtswissenschaften gewesen; wegen der "Workoholikproblematik" sei sie erkrankt.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 23.03.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.06.2009 zu verurteilen, ihr die in Zusammenhang mit ihrem Jurastudium entstandenen Bücher- und Reisekosten in Höhe von 284,29 EUR zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verbleibt bei seiner im Widerspruchsbescheid vertretenen Rechtsauffassung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Sie hat keinen Anspruch auf Erstattung der in Zusammenhang mit ihrem Jurastudium entstandenen Bücher- und Fahrtkosten in Höhe von 284,29 EUR. Die Kammer folgt in vollem Umfang der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 17.06.2009 und sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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