Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 200/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der zu erstattenden Kosten eines Vorverfahrens.
Der 0000 geborene Kläger ist selbstständiger Malermeister. Er ist bei der Beklagten freiwillig krankenversichert mit Anspruch auf Krankengeld nach den Wahltarifen "agil premium" (für den 1. bis 42. Tag der Arbeitsunfähigkeit) und "agil & relax" (ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit) gem. § 29 der Satzung der Beklagten. Ab 27.10.2009 war er arbeitsunfähig krank; vom 27.10. bis 08.11.2009 befand er sich in stationärer Krankenhausbehandlung; danach war er weiter arbeitsunfähig bis 31.03.2010. Vom 09.11.2009 bis 27.02.2010 nahm er an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme zu Lasten der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Rheinland teil (Bewilligungsbescheid vom 20.11.2009).
Die Beklagte zahlte zunächst (nur) während des Krankenhausaufenthaltes vom 27.10. bis 08.11.2009 Krankengeld nach dem Tarif "agil premium" in Höhe von kalendertäglich 92,60 EUR. Durch Bescheid vom 17.12.2009 bewilligte die DRV Rheinland dem Kläger Übergangsgeld (ÜbG) ab 09.11.2009 in Höhe von kalendertäglich 7,26 EUR, ab 01.10.2010 in Höhe von kalendertäglich 7,43 EUR.
Daraufhin bewilligte die Beklagte durch Bescheid vom 07.01.2010 gesetzliches Krankengeld ab 07.12.2009 in Höhe von kalendertäglich 55,91 EUR abzüglich des bewilligten ÜbG; daraus ergab sich ein Krankengeld-Zahlbetrag ab 07.12.2009 in Höhe von 48,35 EUR, ab 01.01.2010 in Höhe von 48,18 EUR kalendertäglich. Gegen die Höhe des bewilligten Krankengeldes legte der Kläger - anwaltlich vertreten - Widerspruch ein; es sei ihm nicht verständlich, warum er zuvor 92,60 EUR, jetzt aber nur 48,35 EUR bzw. 48,18 EUR erhalte. Mit Schreiben vom 03.02.2010 erläuterte die Beklagte unter Hinweis auf § 29 Abs.6 ihrer Satzung, dass der Kläger so lange keinen Anspruch auf Krankengeld nach dem Wahltarif habe, wie er ÜbG erhalte. Daraufhin schrieb der Bevollmächtigte des Klägers am 17.02.2010, er halte die Auslegung der Satzung, so wie sie die Beklagte vornehme, für gesetzeswidrig; § 53 Abs. 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) verlange, dass die Wahltarife einen Anspruch auf Krankengeld entsprechend § 46 Satz 1 SGB V vorsehen müssen. In § 46 Satz 1 Nr. 1 SGB V sei aber ausdrücklich die Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehaeinrichtung als Entstehungsvoraussetzung für den Anspruch auf Krankengeld genannt. "Im Übrigen" teilte der Klägerbevollmächtigte mit, dass die DRV Rheinland das ÜbG nicht bezahle; er legte dazu den Bescheid der DRV Rheinland vom 08.02.2010 vor, in dem festgestellt worden war, dass ab 09.11.2009 kein ÜbG gezahlt werde. Durch weiteres Schreiben vom 25.02.2010 legte der Klägerbevollmächtigte eine Bescheinigung des Steuerberaters über den vom Kläger im Jahre 2009 erzielten Gewinn vor.
Daraufhin bewilligte die Beklagte durch Bescheid vom 17.03.2010 Krankengeld ab 28.02.2010 in Höhe von kalendertäglich 92,60 EUR brutto. Durch Abhilfebescheid vom 14.04.2010 hob sie den Bescheid vom 7.01.2010 auf und berechnete das Krankengeld vom 27.10.2009 bis 31.03.2010 neu mit dem Ergebnis, dass es zu einer Nachzahlung von 6.015,37 EUR kam. Zur Begründung führte sie bezüglich des Krankengeldanspruchs ab 09.11.2009 aus, die DRV Rheinland habe die ÜbG-Bewilligung rückwirkend aufgehoben, sodass der satzungsmäßige Krankengeld-Ausschlussgrund keine Anwendung mehr finden könne.
Mit Kostennote vom 27.04.2010 bezifferte der Bevollmächtigte des Klägers die Kosten des Vorverfahrens wie folgt: - Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV RVG 300,00 EUR - Erledigungsgebühr Nr. 1005 VV RVG 280,00 EUR - Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Nettobetrag 600,00 EUR - 19 % MWSt. Nr. 7008 VV RVG 114,00 EUR Gesamtbetrag 714,00 EUR. Die Erledigungsgebühr begründete er damit, dass durch seine Mitwirkungshandlung, die er in seinem Schreiben vom 25.02.2010 und die Vorlage der Steuerberaterunterlagen sah, die Angelegenheit habe erledigt werden können.
Durch Bescheid vom 03.05.2010 erkannte die Beklagte die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten als notwendig an, jedoch nur Kosten des Vorverfahrens in Höhe von 380,80 EUR. Eine Erledigungsgebühr sei nicht angefallen, da eine Abhilfeentscheidung getroffen worden sei.
Dagegen erhob der Kläger am 04.05.2010 Widerspruch. Er vertrat die Auffassung, in der Kontaktaufnahme mit dem Steuerberater und der Vorlage der daraufhin erstellten Einkommensbescheinigung des Steuerberaters liege eine qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung, die zur Erledigung beigetragen und eine Erledigungsgebühr ausgelöst habe. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 09.07.2010 zurück mit der Begründung, die vollständige Abhilfeentscheidung sei aufgrund der Änderungsentscheidung der DRV Rheinland bezüglich des ÜbG ergangen; nicht aber sei eine Tätigkeit des Anwalts für ihre Abhilfeentscheidung maßgeblich gewesen. Auch die Bescheinigung des Steuerberaters, die der Anwalt vorgelegt habe, sei für den Abhilfebescheid ohne Bedeutung gewesen.
Dagegen hat der Kläger am 09.08.2010 Klage erhoben. Er meint, es könne dahinstehen, ob und inwieweit die Kontaktaufnahme mit dem Steuerberater und die Vorlage von dessen Bescheinigung zumindest mitursächlich für die Abhilfeentscheidung gewesen sei; dafür spreche immerhin, dass die zuständige Sachbearbeiterin im Vorfeld Einkommensnachweise angefordert habe. Jedenfalls liege in der Empfehlung seines Anwalts an ihn, den Widerspruch gegenüber dem ÜbG-Aufhebungs- bzw. Änderungsbescheid der DRV Rheinland zurückzunehmen, eine Mitwirkungshandlung, die die Erledigungsgebühr auslöse; diese Empfehlung sei nämlich aus der Sache her bezogen auf den ÜbG-Anspruch nicht gerechtfertigt, sondern allein der Argumentation der Beklagten geschuldet gewesen, wonach der ÜbG-Bezug generell Krankengeldleistungen ausschließen würde. Zumindest die weitergehende rechtliche Argumentation im Widerspruchsschreiben vom 17.02.2010 hinsichtlich der Unwirksamkeit der Satzungsregelungen in der Auslegung durch die Beklagte sei Auslöser für die Abhilfeentscheidung gewesen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 03.05.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.07.2010 zu verurteilen, ihm weitere 333,20 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verbleibt bei ihrer Auffassung, dass ihre Abhilfeentscheidung auf den Erlass des ÜbG-Aufhebungsbescheides der DRV Rheinland vom 08.02.2010 beruht habe, nicht aber auf der Einwirkung des Anwalts auf den Kläger, den Widerspruch gegen diesen Bescheid vom 08.02.2010 zurückzunehmen, ebenfalls nicht auf der Einschaltung des Steuerberaters und dessen Mitteilung, da diese rechtlich für die Höhe des Krankengeldes unerheblich gewesen sei, und schließlich auch nicht auf den rechtlichen Ausführungen des Anwalts zum Satzungsrecht im Schreiben vom 17.02.2010, zumal diese rechtlich unzutreffend gewesen seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, weil sie nicht rechtswidrig sind. Zurecht hat die Beklagte den zu erstattenden Betrag für Kosten des Widerspruchsverfahrens auf 380,80 EUR festgesetzt. Ein Anspruch auf Erstattung weitergehender Aufwendungen in Höhe von 333,30 EUR besteht nicht. Insbesondere ist keine so genannte Erledigungsgebühr gem. Nr. 1005 der Anlage 1 "Vergütungsverzeichnis" (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) entstanden.
Nach § 63 Abs. 2 SGB X sind Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts erstattungsfähig, wenn die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten hat die Beklagte im Bescheid vom 03.05.2010 bejaht. Die Bemessung von Gebühren für eine anwaltliche Tätigkeit richtet sich nach dem RVG. Nach § 3 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 RVG entstehen in sozialgerichtlichen Verfahren (auch) außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens Betragsrahmengebühren, sofern - wie hier - das Gerichtskostengesetz keine Anwendung findet. § 3 RVG gilt auch für das sog. isolierte Vorverfahren. Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem VV, das dem RVG als Anlage 1 angefügt ist (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RVG). Neben der Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG, der Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG und der hierfür anzusetzenden Mehrwertsteuer ist daneben (vgl. dazu die Vormerkung 1 zum Teil 1 "Allgemeine Gebühren" der VV) eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1005 i.V.m. Nr. 1002 VV RVG nicht angefallen. Nach Nr. 1005 VV RVG entsteht eine solche Gebühr bei Erledigung in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen in gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG). Nach Nr. 1002 VV RVG, auf den Nr. 1005 VV RVG für seinen Anwendungsbereich Bezug nimmt, entsteht die Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit dem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt (Satz 1). Das gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakt erledigt (Satz 2). Wie das BSG am 07.11.2006 in mehreren Verfahren (B 1 KR 23/06 R, B 1 KR 22/06 R und B 1 KR 13/06 R) und am 02.10.2008 (B 9/9a SB 3/07 R und B 9/9a SB 5/07 R) entschieden hat, kann ein Rechtsanwalt für die Mitwirkung an der Erledigung eines isolierten Vorverfahrens durch Abhilfebescheid nur dann eine Erledigungsgebühr verlangen, wenn er eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit entfaltet hat. Die anwaltliche Mitwirkung muss ursächlich für die Erledigung der Rechtssache gewesen sein. In diesem Sinne hat sich das isolierte Vorverfahren nicht "durch die anwaltliche Mitwirkung" des Klägerbevollmächtigten im Sinne der Vorschrift der Nr. 1002 VV RVG erledigt.
Soweit der Kläger auf die Vorlage der Steuerberaterunterlagen abstellt, liegt darin keine qualifizierte Mitwirkungshandlung, da sie für den Abhilfebescheid nicht entscheidungerheblich waren. Selbst wenn, wie der Kläger vorträgt, diese Unterlagen von einer Sachbearbeiterin der Beklagten angefordert und der Klägerbevollmächtigte sie deshalb übersandt hat, begründet dies keine Erledigungsgebühr, weil die Rechtssache eben nicht "durch" diese Mitwirkungshandlung erledigt wurde: die Steuerberaterunterlagen waren nicht entscheidungserheblich.
Auch die rechtliche Argumentation des Klägerbevollmächtigten im Schreiben vom 17.02.2010 an die Beklagte in Bezug auf deren Satzung begründet keine Erledigungsgebühr, da auch diese Hinweise nicht entscheidungsrelevant waren. Im Gegenteil: der Rechtsanwalt des Klägers verkennt die "Auslegung" der Beklagten und vertritt seinerseits eine sachlich unzutreffende Meinung. § 29 Abs. 2 Satz 3 der Satzung bezieht sich auf eine stationäre Behandlung in einem Krankenhaus "auf Kosten der Krankenkasse" und auf das Wahltarif-Krankengeld. Die Betonung liegt auf dem Passus "auf Kosten der Krankenkasse", nicht aber auf "stationäre Behandlung in einem Krankenhaus". Insofern liegt der anwaltliche Hinweis auf § 46 Satz 1 Nr. 1 SGB V neben der Sache. Auch eine stationäre Behandlung in einer Rehaeinrichtung zu Lasten der Krankenkasse kann eine Krankenhausbehandlung im Sinne der genannten Wahltarifbestimmung sein und den Wahltarif-Krankengeldanspruch begründen. Dementsprechend hat die Beklagte im Erläuterungsschreiben vom 03.02.2010 auf eine Reha-Maßnahme "auf Kosten der Rentenversicherung" hingewiesen. § 29 Abs. 6 Satz 2 bestimmt, dass kein Anspruch auf (Wahltarif-)Krankengeld besteht, so lange aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit Entgeltersatzleistungen anderer Sozialleistungsträger gewährt werden; dies war hier im Hinblick auf den zunächst erlassenen ÜbG-Bewilligungsbescheid der DRV Rheinland vom 17.12.2009 der Fall.
Dementsprechend war der Bescheid vom 08.02.2010, durch den die DRV Rheinland rückwirkend am 09.11.2009 die ÜbG-Bewilligung aufgehoben und festgestellt hat, dass kein Anspruch auf ÜbG besteht, allein ursächlich für die Abhilfeentscheidung der Beklagten vom 14.04.2010. Dass der Bevollmächtigte des Klägers auf diesen eingewirkt hat, den Widerspruch gegen den DRV Rheinland-Bescheid vom 08.02.2010 zurückzunehmen, ist vom Kläger erstmals im Klageverfahren vorgetragen worden. Da die Beklagte zum Zeitpunkt ihrer Abhilfeentscheidung hiervon also nichts wusste, kann sich dieses anwaltliche Verhalten auch nicht kausal auf die Entscheidung der Beklagten ausgewirkt haben. Der Kläger verkennt hier Ursache und Wirkung: der Bescheid der DRV Rheinland vom 08.02.2010 war zuerst da und löste die Abhilfeentscheidung aus. Dass der Kläger gegen den Bescheid vom 08.02.2010 Widerspruch eingelegt und diesen dann zurückgenommen hat, war ebenso wenig kausal für die Abhilfeentscheidung der Beklagten wie der behauptete anwaltliche Ratschlag, den Widerspruch gegen den Bescheid vom 08.02.2010 zurückzunehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Kammer hat die im Hinblick auf § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG unstatthafte Berufung zugelassen, weil sie der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 44 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der zu erstattenden Kosten eines Vorverfahrens.
Der 0000 geborene Kläger ist selbstständiger Malermeister. Er ist bei der Beklagten freiwillig krankenversichert mit Anspruch auf Krankengeld nach den Wahltarifen "agil premium" (für den 1. bis 42. Tag der Arbeitsunfähigkeit) und "agil & relax" (ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit) gem. § 29 der Satzung der Beklagten. Ab 27.10.2009 war er arbeitsunfähig krank; vom 27.10. bis 08.11.2009 befand er sich in stationärer Krankenhausbehandlung; danach war er weiter arbeitsunfähig bis 31.03.2010. Vom 09.11.2009 bis 27.02.2010 nahm er an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme zu Lasten der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Rheinland teil (Bewilligungsbescheid vom 20.11.2009).
Die Beklagte zahlte zunächst (nur) während des Krankenhausaufenthaltes vom 27.10. bis 08.11.2009 Krankengeld nach dem Tarif "agil premium" in Höhe von kalendertäglich 92,60 EUR. Durch Bescheid vom 17.12.2009 bewilligte die DRV Rheinland dem Kläger Übergangsgeld (ÜbG) ab 09.11.2009 in Höhe von kalendertäglich 7,26 EUR, ab 01.10.2010 in Höhe von kalendertäglich 7,43 EUR.
Daraufhin bewilligte die Beklagte durch Bescheid vom 07.01.2010 gesetzliches Krankengeld ab 07.12.2009 in Höhe von kalendertäglich 55,91 EUR abzüglich des bewilligten ÜbG; daraus ergab sich ein Krankengeld-Zahlbetrag ab 07.12.2009 in Höhe von 48,35 EUR, ab 01.01.2010 in Höhe von 48,18 EUR kalendertäglich. Gegen die Höhe des bewilligten Krankengeldes legte der Kläger - anwaltlich vertreten - Widerspruch ein; es sei ihm nicht verständlich, warum er zuvor 92,60 EUR, jetzt aber nur 48,35 EUR bzw. 48,18 EUR erhalte. Mit Schreiben vom 03.02.2010 erläuterte die Beklagte unter Hinweis auf § 29 Abs.6 ihrer Satzung, dass der Kläger so lange keinen Anspruch auf Krankengeld nach dem Wahltarif habe, wie er ÜbG erhalte. Daraufhin schrieb der Bevollmächtigte des Klägers am 17.02.2010, er halte die Auslegung der Satzung, so wie sie die Beklagte vornehme, für gesetzeswidrig; § 53 Abs. 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) verlange, dass die Wahltarife einen Anspruch auf Krankengeld entsprechend § 46 Satz 1 SGB V vorsehen müssen. In § 46 Satz 1 Nr. 1 SGB V sei aber ausdrücklich die Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehaeinrichtung als Entstehungsvoraussetzung für den Anspruch auf Krankengeld genannt. "Im Übrigen" teilte der Klägerbevollmächtigte mit, dass die DRV Rheinland das ÜbG nicht bezahle; er legte dazu den Bescheid der DRV Rheinland vom 08.02.2010 vor, in dem festgestellt worden war, dass ab 09.11.2009 kein ÜbG gezahlt werde. Durch weiteres Schreiben vom 25.02.2010 legte der Klägerbevollmächtigte eine Bescheinigung des Steuerberaters über den vom Kläger im Jahre 2009 erzielten Gewinn vor.
Daraufhin bewilligte die Beklagte durch Bescheid vom 17.03.2010 Krankengeld ab 28.02.2010 in Höhe von kalendertäglich 92,60 EUR brutto. Durch Abhilfebescheid vom 14.04.2010 hob sie den Bescheid vom 7.01.2010 auf und berechnete das Krankengeld vom 27.10.2009 bis 31.03.2010 neu mit dem Ergebnis, dass es zu einer Nachzahlung von 6.015,37 EUR kam. Zur Begründung führte sie bezüglich des Krankengeldanspruchs ab 09.11.2009 aus, die DRV Rheinland habe die ÜbG-Bewilligung rückwirkend aufgehoben, sodass der satzungsmäßige Krankengeld-Ausschlussgrund keine Anwendung mehr finden könne.
Mit Kostennote vom 27.04.2010 bezifferte der Bevollmächtigte des Klägers die Kosten des Vorverfahrens wie folgt: - Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV RVG 300,00 EUR - Erledigungsgebühr Nr. 1005 VV RVG 280,00 EUR - Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Nettobetrag 600,00 EUR - 19 % MWSt. Nr. 7008 VV RVG 114,00 EUR Gesamtbetrag 714,00 EUR. Die Erledigungsgebühr begründete er damit, dass durch seine Mitwirkungshandlung, die er in seinem Schreiben vom 25.02.2010 und die Vorlage der Steuerberaterunterlagen sah, die Angelegenheit habe erledigt werden können.
Durch Bescheid vom 03.05.2010 erkannte die Beklagte die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten als notwendig an, jedoch nur Kosten des Vorverfahrens in Höhe von 380,80 EUR. Eine Erledigungsgebühr sei nicht angefallen, da eine Abhilfeentscheidung getroffen worden sei.
Dagegen erhob der Kläger am 04.05.2010 Widerspruch. Er vertrat die Auffassung, in der Kontaktaufnahme mit dem Steuerberater und der Vorlage der daraufhin erstellten Einkommensbescheinigung des Steuerberaters liege eine qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung, die zur Erledigung beigetragen und eine Erledigungsgebühr ausgelöst habe. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 09.07.2010 zurück mit der Begründung, die vollständige Abhilfeentscheidung sei aufgrund der Änderungsentscheidung der DRV Rheinland bezüglich des ÜbG ergangen; nicht aber sei eine Tätigkeit des Anwalts für ihre Abhilfeentscheidung maßgeblich gewesen. Auch die Bescheinigung des Steuerberaters, die der Anwalt vorgelegt habe, sei für den Abhilfebescheid ohne Bedeutung gewesen.
Dagegen hat der Kläger am 09.08.2010 Klage erhoben. Er meint, es könne dahinstehen, ob und inwieweit die Kontaktaufnahme mit dem Steuerberater und die Vorlage von dessen Bescheinigung zumindest mitursächlich für die Abhilfeentscheidung gewesen sei; dafür spreche immerhin, dass die zuständige Sachbearbeiterin im Vorfeld Einkommensnachweise angefordert habe. Jedenfalls liege in der Empfehlung seines Anwalts an ihn, den Widerspruch gegenüber dem ÜbG-Aufhebungs- bzw. Änderungsbescheid der DRV Rheinland zurückzunehmen, eine Mitwirkungshandlung, die die Erledigungsgebühr auslöse; diese Empfehlung sei nämlich aus der Sache her bezogen auf den ÜbG-Anspruch nicht gerechtfertigt, sondern allein der Argumentation der Beklagten geschuldet gewesen, wonach der ÜbG-Bezug generell Krankengeldleistungen ausschließen würde. Zumindest die weitergehende rechtliche Argumentation im Widerspruchsschreiben vom 17.02.2010 hinsichtlich der Unwirksamkeit der Satzungsregelungen in der Auslegung durch die Beklagte sei Auslöser für die Abhilfeentscheidung gewesen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 03.05.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.07.2010 zu verurteilen, ihm weitere 333,20 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verbleibt bei ihrer Auffassung, dass ihre Abhilfeentscheidung auf den Erlass des ÜbG-Aufhebungsbescheides der DRV Rheinland vom 08.02.2010 beruht habe, nicht aber auf der Einwirkung des Anwalts auf den Kläger, den Widerspruch gegen diesen Bescheid vom 08.02.2010 zurückzunehmen, ebenfalls nicht auf der Einschaltung des Steuerberaters und dessen Mitteilung, da diese rechtlich für die Höhe des Krankengeldes unerheblich gewesen sei, und schließlich auch nicht auf den rechtlichen Ausführungen des Anwalts zum Satzungsrecht im Schreiben vom 17.02.2010, zumal diese rechtlich unzutreffend gewesen seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, weil sie nicht rechtswidrig sind. Zurecht hat die Beklagte den zu erstattenden Betrag für Kosten des Widerspruchsverfahrens auf 380,80 EUR festgesetzt. Ein Anspruch auf Erstattung weitergehender Aufwendungen in Höhe von 333,30 EUR besteht nicht. Insbesondere ist keine so genannte Erledigungsgebühr gem. Nr. 1005 der Anlage 1 "Vergütungsverzeichnis" (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) entstanden.
Nach § 63 Abs. 2 SGB X sind Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts erstattungsfähig, wenn die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten hat die Beklagte im Bescheid vom 03.05.2010 bejaht. Die Bemessung von Gebühren für eine anwaltliche Tätigkeit richtet sich nach dem RVG. Nach § 3 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 RVG entstehen in sozialgerichtlichen Verfahren (auch) außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens Betragsrahmengebühren, sofern - wie hier - das Gerichtskostengesetz keine Anwendung findet. § 3 RVG gilt auch für das sog. isolierte Vorverfahren. Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem VV, das dem RVG als Anlage 1 angefügt ist (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RVG). Neben der Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG, der Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG und der hierfür anzusetzenden Mehrwertsteuer ist daneben (vgl. dazu die Vormerkung 1 zum Teil 1 "Allgemeine Gebühren" der VV) eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1005 i.V.m. Nr. 1002 VV RVG nicht angefallen. Nach Nr. 1005 VV RVG entsteht eine solche Gebühr bei Erledigung in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen in gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG). Nach Nr. 1002 VV RVG, auf den Nr. 1005 VV RVG für seinen Anwendungsbereich Bezug nimmt, entsteht die Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit dem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt (Satz 1). Das gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakt erledigt (Satz 2). Wie das BSG am 07.11.2006 in mehreren Verfahren (B 1 KR 23/06 R, B 1 KR 22/06 R und B 1 KR 13/06 R) und am 02.10.2008 (B 9/9a SB 3/07 R und B 9/9a SB 5/07 R) entschieden hat, kann ein Rechtsanwalt für die Mitwirkung an der Erledigung eines isolierten Vorverfahrens durch Abhilfebescheid nur dann eine Erledigungsgebühr verlangen, wenn er eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit entfaltet hat. Die anwaltliche Mitwirkung muss ursächlich für die Erledigung der Rechtssache gewesen sein. In diesem Sinne hat sich das isolierte Vorverfahren nicht "durch die anwaltliche Mitwirkung" des Klägerbevollmächtigten im Sinne der Vorschrift der Nr. 1002 VV RVG erledigt.
Soweit der Kläger auf die Vorlage der Steuerberaterunterlagen abstellt, liegt darin keine qualifizierte Mitwirkungshandlung, da sie für den Abhilfebescheid nicht entscheidungerheblich waren. Selbst wenn, wie der Kläger vorträgt, diese Unterlagen von einer Sachbearbeiterin der Beklagten angefordert und der Klägerbevollmächtigte sie deshalb übersandt hat, begründet dies keine Erledigungsgebühr, weil die Rechtssache eben nicht "durch" diese Mitwirkungshandlung erledigt wurde: die Steuerberaterunterlagen waren nicht entscheidungserheblich.
Auch die rechtliche Argumentation des Klägerbevollmächtigten im Schreiben vom 17.02.2010 an die Beklagte in Bezug auf deren Satzung begründet keine Erledigungsgebühr, da auch diese Hinweise nicht entscheidungsrelevant waren. Im Gegenteil: der Rechtsanwalt des Klägers verkennt die "Auslegung" der Beklagten und vertritt seinerseits eine sachlich unzutreffende Meinung. § 29 Abs. 2 Satz 3 der Satzung bezieht sich auf eine stationäre Behandlung in einem Krankenhaus "auf Kosten der Krankenkasse" und auf das Wahltarif-Krankengeld. Die Betonung liegt auf dem Passus "auf Kosten der Krankenkasse", nicht aber auf "stationäre Behandlung in einem Krankenhaus". Insofern liegt der anwaltliche Hinweis auf § 46 Satz 1 Nr. 1 SGB V neben der Sache. Auch eine stationäre Behandlung in einer Rehaeinrichtung zu Lasten der Krankenkasse kann eine Krankenhausbehandlung im Sinne der genannten Wahltarifbestimmung sein und den Wahltarif-Krankengeldanspruch begründen. Dementsprechend hat die Beklagte im Erläuterungsschreiben vom 03.02.2010 auf eine Reha-Maßnahme "auf Kosten der Rentenversicherung" hingewiesen. § 29 Abs. 6 Satz 2 bestimmt, dass kein Anspruch auf (Wahltarif-)Krankengeld besteht, so lange aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit Entgeltersatzleistungen anderer Sozialleistungsträger gewährt werden; dies war hier im Hinblick auf den zunächst erlassenen ÜbG-Bewilligungsbescheid der DRV Rheinland vom 17.12.2009 der Fall.
Dementsprechend war der Bescheid vom 08.02.2010, durch den die DRV Rheinland rückwirkend am 09.11.2009 die ÜbG-Bewilligung aufgehoben und festgestellt hat, dass kein Anspruch auf ÜbG besteht, allein ursächlich für die Abhilfeentscheidung der Beklagten vom 14.04.2010. Dass der Bevollmächtigte des Klägers auf diesen eingewirkt hat, den Widerspruch gegen den DRV Rheinland-Bescheid vom 08.02.2010 zurückzunehmen, ist vom Kläger erstmals im Klageverfahren vorgetragen worden. Da die Beklagte zum Zeitpunkt ihrer Abhilfeentscheidung hiervon also nichts wusste, kann sich dieses anwaltliche Verhalten auch nicht kausal auf die Entscheidung der Beklagten ausgewirkt haben. Der Kläger verkennt hier Ursache und Wirkung: der Bescheid der DRV Rheinland vom 08.02.2010 war zuerst da und löste die Abhilfeentscheidung aus. Dass der Kläger gegen den Bescheid vom 08.02.2010 Widerspruch eingelegt und diesen dann zurückgenommen hat, war ebenso wenig kausal für die Abhilfeentscheidung der Beklagten wie der behauptete anwaltliche Ratschlag, den Widerspruch gegen den Bescheid vom 08.02.2010 zurückzunehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Kammer hat die im Hinblick auf § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG unstatthafte Berufung zugelassen, weil sie der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 44 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved