Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 268/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 219/11
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Übernahme der Kosten der Implantation von torischen monofokalen Intraokularlinsen (IOL).
Bei dem am 00.00.0000 geborenen Kläger bestand eine hochgradige Kurzsichtigkeit (exzessive Myopie) und eine Stabsichtigkeit bei Hornhautverkrümmung (Astigmatismus) sowie ein "Grauer Star" (Katarakt). Am 29.03.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für eine beidseitige Augenoperation (Kataraktoperation) mit Implantation von torischen IOL. Er legte hierzu einen privatärztlichen Kostenvoranschlag des AugenCentrum B. vom 13.03.2010 über 4.303,86 EUR vor, des weiteren ein befürwortendes Attest des Augenarztes Dr. T., der auf mehrere vergebliche Versuche mit Kontaktlinsen und das stark eingeschränkte Gesichtsfeld auf dem besser sehenden Auge hinwies und meinte, durch eine Linsenextraktion würde eine Sehschärfenverbesserung eintreten. In einem Schreiben vom 15.04.2010 wies das AugenCentrum den Kläger daraufhin, dass die Operation keine Kassenleistung sei.
Nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 14.06.2010, in der Dr. N. darauf hinwies, dass ohne die beantragte Behandlung nicht in wenigen Wochen eine Verschlimmerung des Gesundheitszustandes mit Todesfolge oder eine drohende Behinderung in Form einer Erblindung zu erwarten sei, lehnte die Beklagte den Kostenübernahmeantrag durch Bescheid vom 15.06.2010 ab. Sie wies auch daraufhin, dass nach den einschlägigen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) und eines Gutachtens des Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes Bund (MDS) aus März 2010 die Kosten nicht übernommen werden könnten, da es sich bei der Implantation von torischen IOL zur Verbesserung der Sehschärfe um einen refraktiv-chirurgischen Eingriff handele; Verfahren der refraktiven Augenchirurgie seien aber vom G-BA negativ bewertet worden und dürften nicht zu Lasten der GKV erbracht werden.
Am 17. und 24.06.2010 fanden die Augenoperationen des Klägers statt; zuerst wurde im linken Auge, sodann im rechten Auge eine torische IOL implantiert.
Nach Auskunft des AugenCentrums sind die Kosten der IOL-Operationen bisher noch nicht bezahlt worden.
Gegen die Ablehnungsentscheidung der Beklagten legte der Kläger am 25.06.2010 Widerspruch ein, da ihm diese zu schwammig erklärt sei. Er meinte, die Schäden, die er ohne Operation erlangt hätte, hätten für die Krankenkasse kostenintensiver werden können. Von den Ärzten sei dargelegt worden, dass die Operation unumgänglich gewesen sei, um einer Erblindung vorzubeugen. Er legte ein weiteres befürwortendes Attest des AugenCentrum B. vor, in dem auf die komplikationslos verlaufende erfolgreiche Operation hingewiesen wurde.
Nach Einholung einer weiterer MDK-Stellungnahme vom 06.08.2010 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für die durchgeführte Operation durch wiederholenden Bescheid vom 11.08.2010 ab und wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 13.10.2010 als unbegründet zurück.
Dagegen hat der Kläger am 15.10.2010 Klage erhoben. Er ist der Auffassung, die Implantation der torischen IOL (anstelle des Einsatzes einer sphärischen IOL; sog. Standard-IOL) sei in seinem Fall zum Ausgleich der Hornhautverkrümmung geboten gewesen; entgegen dem MDS-Gutachten aus März 2010 seien torischen Linsen einer sphärischen Linse überlegen. Der chirurgische intraokulare Eingriff habe Eingang in den einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) gefunden; lediglich der Ersatz nicht katarakt- erkrankter körpereigener Linsen durch eine Kunstlinse, die ausschließlich zur refraktiven Korrektur ohne bestehende Katarakterkrankung zusätzlich zur körpereigenen Linse implantiert werde, gehöre zu den refraktiv-chirurgischen Eingriffen und sei bislang nicht als GKV-Leistung anerkannt. Vorliegend handele es sich jedoch um den Austausch der durch sog. "Grauen Star" (Katarakt) getrübten Linsen. Kontaktlinsen zum Ausgleich seiner Sehschwäche würden auf dem Markt nicht angeboten und im Übrigen von ihm nicht vertragen. Ohne die durchgeführte Operation wäre in absehbarer Zeit zumindest auf dem linken Auge eine Erblindung eingetreten.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 15.06. und 11.08.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2010 zu verurteilen, ihn von der Forderung des AugenCentrum B. auf Zahlung der Kosten für die Implantation torischer monofokaler Intraokularlinsen - gemäß Kostenvoranschlag vom 13.03.2010 in Höhe von 4.303,86 EUR - freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf eine Auskunft des G-BA vom 06.08.2010, die die Kammer in einem früheren Verfahren (S 13 KR 157/10) eingeholt hat; danach gehört die Implantation einer (torischen) IOL als Verfahren der refraktiven Augenchirurgie nicht zu den anerkannten Behandlungsmethoden. Desweiteren hat die Beklagte auf eine Stellungnahme der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein vom 04.10.2007 hingewiesen, wonach die Implantation einer torischen IOL im Rahmen von Kataraktoperationen nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind. Der MDK hatte zuletzt eine ergänzende MDK-Stellungnahme vom 05.01.2011 vorgelegt; danach sei beim Kläger eine drohende Erblindung nicht erkennbar und die beantragte Linsenversorgung auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98) nicht aus zwingenden medizinischen Gründen erforderlich gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Freistellung von der Forderung des AugenCentrum Aachen wegen der bei ihm durchgeführten Implantation torischer IOL auf dem linken und rechten Auge zu Lasten der GKV.
Gemäß § 13 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) darf die Krankenkasse anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht. Nach der allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 13 Abs. 3 SGB V sind von der Krankenkasse Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten, die ihren Versicherten dadurch entstanden sind, dass sie die Leistung selbst beschafft haben, nachdem die Krankenkasse die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, soweit die Leistung notwendig war. Der Kläger hat den üblichen Beschaffungsweg eingehalten, indem er sich wegen der Augenoperationen zunächst an die Beklagte gewandt und deren Entscheidung (vom 15.06.2010) abgewartet hat. Erst danach - am 17. und 24.06.2010 - hat er die Operationen auf eigene Kosten durchführen lassen. Zwar hat der Kläger bisher die Kosten des AugenCentrums noch nicht bezahlt; allerdings genügt für einen Anspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V, dass der Versicherte einer Honorarforderung ausgesetzt ist, sodass sich der Kostenerstattungsanspruch im Ergebnis als Freistellungsanspruch darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 13.07.2004 - B 1 KR 11/04 R - unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 15.04.1997 - 1 RK 4/96). Der geltend gemachte Freistellungsanspruch besteht jedoch nicht, weil die Beklagte die beantragte Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt hat.
Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies ist - wie hier - bei neuen Unter¬suchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gem. § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der G-BA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeuti¬schen Nut¬zen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzun¬gen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersu¬chungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkasse erbringen und abrech¬nen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinie auch der Umfang der den Versicherten von den Kran¬kenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt. "Neu" ist eine Me¬thode, wenn sie - wie hier die Implantation torischer IOL - zum Zeitpunkt der Leistungs¬erbringung nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungs¬maßstab für vertrags-ärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten ist (BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KR 11/08 R m.w.N.).
Die Implantation von torischen IOL zur Behandlung des "Grauen Star" (Katarakt) und einer Stabsichtigkeit bei Hornhautverkrümmung (Astigmatismus) zählt nicht zu den vertragsärztlichen Leistungen. Die Einpflanzung einer Intraokularlinse hat zwar Eingang in den EBM-Ä gefunden (vgl. Ziff. 31351). Der hier streitige Eingriff fällt aber nicht darunter. Die Standardoperation bei Kataraktoperationen ist die Implantation einer sphärischen Linse (Standard-IOL). Ziel der Kataraktoperation ist die Beseitigung der Linsentrübung. Soll darüber hinaus zusätzlich - wie im Fall des Klägers - ein Brechkraft-Sehfehler (hier: Stabsichtigkeit/Astigmatismus), d. h. ein refraktiver Fehler korrigiert werden, so handelt es sich nicht mehr um eine Standard-/Regelversorgung der GKV. Eine solche Behandlung, die mit der Implantation einer torischen IOL verbunden ist, ist Bestandteil der refraktiven Augenchirurgie. Verfahren der refraktiven Augenchirurgie aber sind nach Ziff. 13 der Anlage 2 der "Richtlinie Methoden vertrags¬ärztliche Versorgung" des G-BA von den vertrags¬ärztlichen Leistungen, die zu Lasten der GKV erbracht werden dürfen, ausgeschlossen. Dies ergibt sich auch aus der Auskunft des G-BA vom 06.08.2010 im Verfahren S 13 KR 157/10 (SG Aachen) und der Auskunft der KV Nordrhein vom 04.10.2007.
Ein Ausnahmefall, in dem es keine Empfehlung des G-BA bedarf, besteht im Fall des Klägers nicht. Es liegt weder ein so genannter Seltenheitsfall, bei dem eine Ausnahme von diesem Erfordernis erwogen werden könnte, noch ein so genanntes Systemversagen vor. Auch Anhaltspunkte für eine hier gebotene grundrechtsorientierte Auslegung sind nicht ersichtlich. Die verfassungskonforme Auslegung setzt u.a. voraus, dass eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorliegt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005 - 1 BvR 357/98 = BVerfGE 115, 125). Diese Voraussetzungen waren beim Kläger zum Behandlungszeitpunkt nicht erfüllt. Wie bereits der MDK in seiner - am 23.02.2011 richtig gestellten - fachlichen Stellungnahme vom 14.06.2010 aufgezeigt hat, war aus medizinischer Sicht nicht davon auszugehen, dass ohne die beantragte Behandlungsmaßnahme in wenigen Wochen eine Verschlimmerung des Gesundheitszustandes mit Todesfolge oder eine drohende Behinderung in Form einer Erblindung zu erwarten gewesen wäre. In keinem der ärztlichen Atteste, die im Verfahren vorgelegt wurden, weder des behandelnden Augenarztes noch des AugenCentrums Aachen, ist von einer drohenden Erblindung ohne die Implantation torischer Intraokularlinsen die Rede. Dr. T. hatte seinerzeit die Operation lediglich damit begründet, dass Behandlungsversuche mit Kontaktlinsen erfolglos gewesen seien und "durch eine Linsenextraktion" eine "Verbesserung der Sehschärfe" eintreten würde. Dass beim "Grauem Star" auch in mehr oder weniger absehbarer Zeit Erblindung drohen kann, ist allgemein bekannt. Allerdings ist die Implantation torischer IOL nicht die einzige Methode, um einen Katarakt erfolgreich zu behandeln; Standard bei Katarakt-Operationen ist - wie oben dargelegt - die Implantation sphärischer IOL. Nach alledem fehlte es auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten an einem Anspruch des Klägers auf Implantation torischer Intraokularlinsen zu Lasten der GKV und hat deshalb die Beklagte den entsprechenden Kostenübernahmeantrag nicht zu Unrecht abgelehnt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Übernahme der Kosten der Implantation von torischen monofokalen Intraokularlinsen (IOL).
Bei dem am 00.00.0000 geborenen Kläger bestand eine hochgradige Kurzsichtigkeit (exzessive Myopie) und eine Stabsichtigkeit bei Hornhautverkrümmung (Astigmatismus) sowie ein "Grauer Star" (Katarakt). Am 29.03.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für eine beidseitige Augenoperation (Kataraktoperation) mit Implantation von torischen IOL. Er legte hierzu einen privatärztlichen Kostenvoranschlag des AugenCentrum B. vom 13.03.2010 über 4.303,86 EUR vor, des weiteren ein befürwortendes Attest des Augenarztes Dr. T., der auf mehrere vergebliche Versuche mit Kontaktlinsen und das stark eingeschränkte Gesichtsfeld auf dem besser sehenden Auge hinwies und meinte, durch eine Linsenextraktion würde eine Sehschärfenverbesserung eintreten. In einem Schreiben vom 15.04.2010 wies das AugenCentrum den Kläger daraufhin, dass die Operation keine Kassenleistung sei.
Nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 14.06.2010, in der Dr. N. darauf hinwies, dass ohne die beantragte Behandlung nicht in wenigen Wochen eine Verschlimmerung des Gesundheitszustandes mit Todesfolge oder eine drohende Behinderung in Form einer Erblindung zu erwarten sei, lehnte die Beklagte den Kostenübernahmeantrag durch Bescheid vom 15.06.2010 ab. Sie wies auch daraufhin, dass nach den einschlägigen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) und eines Gutachtens des Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes Bund (MDS) aus März 2010 die Kosten nicht übernommen werden könnten, da es sich bei der Implantation von torischen IOL zur Verbesserung der Sehschärfe um einen refraktiv-chirurgischen Eingriff handele; Verfahren der refraktiven Augenchirurgie seien aber vom G-BA negativ bewertet worden und dürften nicht zu Lasten der GKV erbracht werden.
Am 17. und 24.06.2010 fanden die Augenoperationen des Klägers statt; zuerst wurde im linken Auge, sodann im rechten Auge eine torische IOL implantiert.
Nach Auskunft des AugenCentrums sind die Kosten der IOL-Operationen bisher noch nicht bezahlt worden.
Gegen die Ablehnungsentscheidung der Beklagten legte der Kläger am 25.06.2010 Widerspruch ein, da ihm diese zu schwammig erklärt sei. Er meinte, die Schäden, die er ohne Operation erlangt hätte, hätten für die Krankenkasse kostenintensiver werden können. Von den Ärzten sei dargelegt worden, dass die Operation unumgänglich gewesen sei, um einer Erblindung vorzubeugen. Er legte ein weiteres befürwortendes Attest des AugenCentrum B. vor, in dem auf die komplikationslos verlaufende erfolgreiche Operation hingewiesen wurde.
Nach Einholung einer weiterer MDK-Stellungnahme vom 06.08.2010 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für die durchgeführte Operation durch wiederholenden Bescheid vom 11.08.2010 ab und wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 13.10.2010 als unbegründet zurück.
Dagegen hat der Kläger am 15.10.2010 Klage erhoben. Er ist der Auffassung, die Implantation der torischen IOL (anstelle des Einsatzes einer sphärischen IOL; sog. Standard-IOL) sei in seinem Fall zum Ausgleich der Hornhautverkrümmung geboten gewesen; entgegen dem MDS-Gutachten aus März 2010 seien torischen Linsen einer sphärischen Linse überlegen. Der chirurgische intraokulare Eingriff habe Eingang in den einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) gefunden; lediglich der Ersatz nicht katarakt- erkrankter körpereigener Linsen durch eine Kunstlinse, die ausschließlich zur refraktiven Korrektur ohne bestehende Katarakterkrankung zusätzlich zur körpereigenen Linse implantiert werde, gehöre zu den refraktiv-chirurgischen Eingriffen und sei bislang nicht als GKV-Leistung anerkannt. Vorliegend handele es sich jedoch um den Austausch der durch sog. "Grauen Star" (Katarakt) getrübten Linsen. Kontaktlinsen zum Ausgleich seiner Sehschwäche würden auf dem Markt nicht angeboten und im Übrigen von ihm nicht vertragen. Ohne die durchgeführte Operation wäre in absehbarer Zeit zumindest auf dem linken Auge eine Erblindung eingetreten.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 15.06. und 11.08.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2010 zu verurteilen, ihn von der Forderung des AugenCentrum B. auf Zahlung der Kosten für die Implantation torischer monofokaler Intraokularlinsen - gemäß Kostenvoranschlag vom 13.03.2010 in Höhe von 4.303,86 EUR - freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf eine Auskunft des G-BA vom 06.08.2010, die die Kammer in einem früheren Verfahren (S 13 KR 157/10) eingeholt hat; danach gehört die Implantation einer (torischen) IOL als Verfahren der refraktiven Augenchirurgie nicht zu den anerkannten Behandlungsmethoden. Desweiteren hat die Beklagte auf eine Stellungnahme der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein vom 04.10.2007 hingewiesen, wonach die Implantation einer torischen IOL im Rahmen von Kataraktoperationen nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind. Der MDK hatte zuletzt eine ergänzende MDK-Stellungnahme vom 05.01.2011 vorgelegt; danach sei beim Kläger eine drohende Erblindung nicht erkennbar und die beantragte Linsenversorgung auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98) nicht aus zwingenden medizinischen Gründen erforderlich gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Freistellung von der Forderung des AugenCentrum Aachen wegen der bei ihm durchgeführten Implantation torischer IOL auf dem linken und rechten Auge zu Lasten der GKV.
Gemäß § 13 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) darf die Krankenkasse anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht. Nach der allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 13 Abs. 3 SGB V sind von der Krankenkasse Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten, die ihren Versicherten dadurch entstanden sind, dass sie die Leistung selbst beschafft haben, nachdem die Krankenkasse die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, soweit die Leistung notwendig war. Der Kläger hat den üblichen Beschaffungsweg eingehalten, indem er sich wegen der Augenoperationen zunächst an die Beklagte gewandt und deren Entscheidung (vom 15.06.2010) abgewartet hat. Erst danach - am 17. und 24.06.2010 - hat er die Operationen auf eigene Kosten durchführen lassen. Zwar hat der Kläger bisher die Kosten des AugenCentrums noch nicht bezahlt; allerdings genügt für einen Anspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V, dass der Versicherte einer Honorarforderung ausgesetzt ist, sodass sich der Kostenerstattungsanspruch im Ergebnis als Freistellungsanspruch darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 13.07.2004 - B 1 KR 11/04 R - unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 15.04.1997 - 1 RK 4/96). Der geltend gemachte Freistellungsanspruch besteht jedoch nicht, weil die Beklagte die beantragte Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt hat.
Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies ist - wie hier - bei neuen Unter¬suchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gem. § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der G-BA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeuti¬schen Nut¬zen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzun¬gen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersu¬chungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkasse erbringen und abrech¬nen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinie auch der Umfang der den Versicherten von den Kran¬kenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt. "Neu" ist eine Me¬thode, wenn sie - wie hier die Implantation torischer IOL - zum Zeitpunkt der Leistungs¬erbringung nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungs¬maßstab für vertrags-ärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten ist (BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KR 11/08 R m.w.N.).
Die Implantation von torischen IOL zur Behandlung des "Grauen Star" (Katarakt) und einer Stabsichtigkeit bei Hornhautverkrümmung (Astigmatismus) zählt nicht zu den vertragsärztlichen Leistungen. Die Einpflanzung einer Intraokularlinse hat zwar Eingang in den EBM-Ä gefunden (vgl. Ziff. 31351). Der hier streitige Eingriff fällt aber nicht darunter. Die Standardoperation bei Kataraktoperationen ist die Implantation einer sphärischen Linse (Standard-IOL). Ziel der Kataraktoperation ist die Beseitigung der Linsentrübung. Soll darüber hinaus zusätzlich - wie im Fall des Klägers - ein Brechkraft-Sehfehler (hier: Stabsichtigkeit/Astigmatismus), d. h. ein refraktiver Fehler korrigiert werden, so handelt es sich nicht mehr um eine Standard-/Regelversorgung der GKV. Eine solche Behandlung, die mit der Implantation einer torischen IOL verbunden ist, ist Bestandteil der refraktiven Augenchirurgie. Verfahren der refraktiven Augenchirurgie aber sind nach Ziff. 13 der Anlage 2 der "Richtlinie Methoden vertrags¬ärztliche Versorgung" des G-BA von den vertrags¬ärztlichen Leistungen, die zu Lasten der GKV erbracht werden dürfen, ausgeschlossen. Dies ergibt sich auch aus der Auskunft des G-BA vom 06.08.2010 im Verfahren S 13 KR 157/10 (SG Aachen) und der Auskunft der KV Nordrhein vom 04.10.2007.
Ein Ausnahmefall, in dem es keine Empfehlung des G-BA bedarf, besteht im Fall des Klägers nicht. Es liegt weder ein so genannter Seltenheitsfall, bei dem eine Ausnahme von diesem Erfordernis erwogen werden könnte, noch ein so genanntes Systemversagen vor. Auch Anhaltspunkte für eine hier gebotene grundrechtsorientierte Auslegung sind nicht ersichtlich. Die verfassungskonforme Auslegung setzt u.a. voraus, dass eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorliegt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005 - 1 BvR 357/98 = BVerfGE 115, 125). Diese Voraussetzungen waren beim Kläger zum Behandlungszeitpunkt nicht erfüllt. Wie bereits der MDK in seiner - am 23.02.2011 richtig gestellten - fachlichen Stellungnahme vom 14.06.2010 aufgezeigt hat, war aus medizinischer Sicht nicht davon auszugehen, dass ohne die beantragte Behandlungsmaßnahme in wenigen Wochen eine Verschlimmerung des Gesundheitszustandes mit Todesfolge oder eine drohende Behinderung in Form einer Erblindung zu erwarten gewesen wäre. In keinem der ärztlichen Atteste, die im Verfahren vorgelegt wurden, weder des behandelnden Augenarztes noch des AugenCentrums Aachen, ist von einer drohenden Erblindung ohne die Implantation torischer Intraokularlinsen die Rede. Dr. T. hatte seinerzeit die Operation lediglich damit begründet, dass Behandlungsversuche mit Kontaktlinsen erfolglos gewesen seien und "durch eine Linsenextraktion" eine "Verbesserung der Sehschärfe" eintreten würde. Dass beim "Grauem Star" auch in mehr oder weniger absehbarer Zeit Erblindung drohen kann, ist allgemein bekannt. Allerdings ist die Implantation torischer IOL nicht die einzige Methode, um einen Katarakt erfolgreich zu behandeln; Standard bei Katarakt-Operationen ist - wie oben dargelegt - die Implantation sphärischer IOL. Nach alledem fehlte es auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten an einem Anspruch des Klägers auf Implantation torischer Intraokularlinsen zu Lasten der GKV und hat deshalb die Beklagte den entsprechenden Kostenübernahmeantrag nicht zu Unrecht abgelehnt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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