S 5 AS 145/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 5 AS 145/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 47/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 61/10 R
Datum
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 23.07.2008 in Ge-stalt des Widerspruchsbescheides vom 14.08.2008 verurteilt, dem Kläger die mit Bescheid der Stadt E. vom 14.05.2008 für die Erneuerung oder Ausbesserung der Anschlusskanäle für das Grundstück des Klägers, F., T., Gemarkung G., Flur 5, Flurstück 694 in Höhe von 584,65 Euro zuschussweise zu übernehmen. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist Eigentümer des mit einem Haus bebauten Grundstückes in E., T. Gemarkung E., Flur 5, Flurstück 694. Dieses Haus bewohnt die insgesamt elfköpfige Familie des Klägers. Der Kläger sowie die mit ihm in Be-darfsgemeinschaft lebenden Personen beziehen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II).

Mit Bescheid vom 14.05.2008 setzte die Stadt Düren für die Erneuerung oder Aus-besserung der Anschlusskanäle betreffend das Grundstück des Klägers Kosten in Höhe von 584,65 Euro fest und erhob diese gegenüber dem Kläger. Dieser bean-tragte daraufhin bei dem Beklagten die Übernahme der Kosten. Mit Bescheid vom 23.07.2008 lehnte der Beklagte dies ab.

Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinem am 04.08.2008 eingegangenen Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, er könne zum einen die Kosten nicht tragen. Darüber hinaus sei die Heranziehung zur Kostenübernahme im Rahmen des Anschluss- und Benutzungszwanges erfolgt. Er selber habe die in Rechnung gestellten Arbeiten nicht gewollt. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.08.2008 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, die begehrten Kosten könnten auf Grundlage des SGB II nicht übernommen werden. Es handele sich um eine Erneuerungs- und Modernisierungsmaßnahme, die vom Kläger selbst zu finanzieren sei.

Der Kläger verfolgt mit der am 15.09.2008 erhobenen Klage sein Begehren weiter. &8195;

Er beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 23.07.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.08.2008 zu verurteilen, die mit Bescheid der Stadt Düren vom 14.05.2008 für die Erneuerung oder Ausbesserung der Anschlusskanäle für das Grundstück, E., Scharnhorststraße 162, Gemarkung Düren, Flur 5, Flurstück 694 festgesetzten Kosten in Höhe von 584,65 Euro zuschussweise zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet, da der Kläger gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in seinen Rechten verletzt ist. Die Ablehnung der Kostenübernahme durch die Beklagte in den angegriffenen Bescheiden ist rechtswidrig.

Rechtsgrundlage für die Übernahme der Kosten ist § 22 Abs. 1 SGB II.

Nach dieser Norm werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tat-sächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Für eine Miet-wohnung sind dabei neben der reinen Nettokaltmiete die üblichen Nebenkosten, d.h. die Betriebskosten, die der Vermieter in Ansatz bringen darf (§ 560 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB] i.V.m. der Betriebskostenverordnung), umfasst, soweit diese nicht von der Regelleistung enthalten sind. Wohnt ein Hilfebedürftiger demgegenüber - wie im vorliegenden Fall - in einem Eigenheim, bedarf die Regelung des § 22 SGB II, die primär für Mietverhältnisse geschaffen ist, eine Modifikation. In diesem Fall sind in den Kosten der Unterkunft die Aufwendungen, die der Leistungsberechtigte als mit dem Eigentum unmittelbar verbundene Lasten zu tragen hat, enthalten (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 09.05.2006, L 10 AS 102/06; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 26.01.2007, L 12 AS 3932/06; Sozialgericht Aachen, Urteil vom 13.02.2008, S 5 AS 126/07; Sozialgericht Dresden, Gerichtsbescheid vom 10.07.2006, S 34 AS 293/05;). Hierzu zählen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts alle notwendigen Ausgaben, die auch bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung anzusetzen wären (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 19.09.2008, B 14 AS 54/07 R; Urteil vom 15.04.2008, B 14/7 B AS 34/06 R unter Hinweis auf Lang/Link, in: Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Auflage 2008, § 22 Rn. 26). § 7 Abs. 2 der Verordnung zu § 82 des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XII) findet insoweit entsprechende Anwendung (vgl. Bundessozialgericht a.a.O.; Karlhohn, in: Hauck/Noftz, SGB II, § 22 Rn. 14). Nach dieser Vorschrift sind als notwendigen Ausgaben u.a. absetzbar:

1. ( ...) 2. Steuern vom Grundbesitz, sonstige öffentliche Abgaben und Versicherungs-beiträge; 3. ( ...) 4. der Erhaltungsaufwand ( ...)

Bei den im vorliegenden Fall gemäß § 10 Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG NRW) in Verbindung mit der Entwässerungssatzung sowie der Beitragssatzung zur Entwässerungssatzung der Stadt Düren festgesetzten und erhobenen Kosten handelt es sich um eine sonstige öffentliche Abgabe im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 2 der Verordnung zu § 82 SGB XII (VO zu § 82 SGB XII).

Zwar ist der in § 10 KAG NRW geregelte Kostenersatzanspruch trotz seiner Rege-lung im Kommunalabgabengesetz rechtstechnisch keine Kommunalabgabe im Sinne des § 1 Abs. 1 KAG NRW, da es sich rechtlich weder um eine Steuer, einen Beitrag noch eine Gebühr handelt. Kommunalabgabenrechtlich handelt es sich vielmehr um eine öffentlich-rechtliche Entgeltleistung sui generis (vgl. Dietzel, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2008, § 10 Rn. 3, m.w.N.), für die die Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes nur entsprechend geltend. Diese Ausgestaltung im nordrhein-westfälischen Kommunalabgabengesetz ist freilich nicht zwingend, wie ein Vergleich mit den Regelungen anderer Bundesländer zeigt. So ist nach dem sächsischen Kommunalabgabengesetz der Kosterstattungsanspruch als öffentliche Abgabe im Sinne des KAG geregelt (vgl. § 1 Abs. 2 SächsKAG), während er in Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg ausdrücklich als öffentliche Abgabe gilt (vgl. § 10 Abs. 4 Satz 2 KAG M-V bzw. § 42 Abs. 1 Satz 3 KAG B-W).

Nach Auffassung der Kammer ist es vor diesem Hintergrund - nicht zuletzt im Hin-blick auf Artikel 3 des Grundgesetzes (GG) - geboten, den Begriff der öffentlichen Abgabe in § 7 Abs. 2 Nr. 2 VO zu § 82 SGB XII sozialrechtlich auf den vorliegend geltend gemachten Kostenersatzanspruch gemäß § 10 KAG NRW in Verbindung mit der Entwässerungssatzung sowie der Beitragssatzung zur Entwässerungssatzung der Stadt Düren auszudehnen. Für eine - je nach Bundesland - unterschiedliche Behandlung der Kostenersatzansprüche, abhängig davon, wie der Kostenerstattungsanspruch im jeweiligen Land rechtstechnisch ausgestaltet ist, vermag die Kammer einen sachlichen Grund nicht zu erkennen.

Eine Subsumtion des Kostenersatzanspruchs unter den Begriff der öffentlichen Abgabe im § 7 Abs. 2 Nr. 2 VO zu § 82 SGB XII stößt auch nicht an die Grenzen des Wortlauts der Norm (zur Bedeutung des Wortsinns bei der Auslegung vgl. La-renz/Canaris, Methode der Rechstwissenschaft 3. Aufl. 1995, S. 141 ff.). Der Wort-sinn "öffentlichen Abgabe" ist nämlich nach Auffassung der Kammer nicht auf die kommunalabgabenrechtliche Dreiteilung in Steuern, Gebühren und Beiträge be-schränkt, sondern umfasst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch auch sonstige öffentlich-rechtliche Zahlungsverpflichtungen (vgl. hierzu ausführlich Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 6 ff. [11]).

Soweit der Beklagte die Auffassung vertreten hat, es handele sich bei den geltend gemachten Kosten um wertsteigernden Erneuerungsaufwand, der - entsprechend der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts - nicht durch den Leistungsträger übernommen werden könne, kann sich die Kammer dieser Auffassung nicht an-schließen. Es handelt sich sozialrechtlich, wie oben bereits ausgeführt, vielmehr um öffentliche Abgaben, bei denen eine Unterscheidung zwischen werterhaltend und wertsteigernd ist im Hinblick auf die Regelung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 VO zu § 82 SGB XII nicht geboten ist (vgl. dazu auch Sozialgericht Dresden, a.a.O. mit zutreffenden Argumenten).

Anhaltspunkte dafür, dass aufgrund der Übernahme der Kosten die Wohnung im Sinne des § 22 SGB II unangemessen teuer wäre, weswegen eine Übernahme wei-terer Kosten der Unterkunft ausscheiden könnte, liegen nicht vor. Insoweit war zu berücksichtigen, dass das Haus von der elfköpfigen Familie des Klägers bewohnt wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 183, 193 SGG.

Die Berufung gemäß § 144 Abs. 1 SGG zulassungsbedürftige Berufung wird gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, da die Rechtssache nach Auffassung der Kammer grundsätzliche Bedeutung hat und - soweit ersichtlich - bislang die Frage der Anwendbarkeit des § 10 KAG NRW auf § 7 Abs. 2 Nr. 2 VO zu § 82 SGB XII obergerichtlich nicht entschieden wurde.
Rechtskraft
Aus
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