S 19 SO 119/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
19
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 19 SO 119/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Beklagte trägt ein Drittel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten zuletzt noch über die Gewährung einer Mietkaution.

Die am 00.00.0000 geborene Klägerin schloss am 13.04.2010 für die Zeit ab 01.05.2010 einen Mietvertrag über ein teilmöbliertes Appartment im Rahmen eines betreuten Woh-nens in der E-straße 0 in 0000 L. Unter dem 16.04.2010 stellte sie bei der Beklagten einen Antrag auf Übernahme der zu entrichtenden Mietkaution in Höhe von 1.000,- Euro. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 30.04.2010 ab. Zur Begründung führte sie aus, eine Mietkaution könne nur bei Zustimmung vor Abschluss des Mietverhältnisses übernommen werden, die Anmietung sei indessen bereits unter dem 13.04.2010 erfolgt. Die Klägerin legte am 09.05.2010 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.09.2010 unter Vertiefung ihrer bisherigen Ausführungen zurückwies.

Hiergegen hat die Klägerin am 01.10.2010 Klage erhoben.

Die Klägerin sieht sich in ihrer Ansicht durch eine Verwaltungsanweisung des Landrates des Kreises E. an die nachgeordneten Behörden betreffend die Übernahme von Kosten des Betreuten Wohnens in E. vom 14.12.2009 (GI.-Nr.: A II 3 b) bestätigt. Aus Gleichbe-handlungsgründen müsse diese Verwaltungsanweisung, die ebenfalls für die Entrich-tung von Mietkautionen gelte, auch auf sie Anwendung finden.

Die Klägerin beantragt zuletzt noch, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 30.04.2010 in der Fas-sung des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2010 zu verurteilen, der Klä-gerin eine Mietkaution in Höhe von 1.000,- Euro zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer bisherigen Auffassung fest.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klägerin wird durch die angefochtenen Be-scheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Sie hat keinen Anspruch auf (darlehensweise) Übernahme der Mietkaution in Höhe von 1.000,- Euro.

Grundlage für die Übernahme einer Mietkaution aus Mitteln der Sozialhilfe sind §§ 41 Abs. 1 Satz 1, 42 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 29 Abs. 1 Satz 7 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch a.F. – Sozialhilfe (SGB XII). Nach diesen Vorschriften können Mietkautionen bei vorheriger Zustimmung übernommen werden. "Bei vorheriger Zustimmung" meint Zustimmung vor Abschluss des entsprechenden Mietvertrages. Die Zustimmung muss regelmäßig vor dem Zeitpunkt erfolgen, zu dem die ersetzbaren Kosten in rechtlich relevanter Weise begründet werden (vgl. für die inhaltsgleiche Regelung des § 22 Abs. 3 SGB II a.F. nur LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.11.2009, L 19 B 297/09 AS ER = juris Rdnr. 20, mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der obergerichtlichen Rechtsprechung). Die vorherige Zustimmung ist weiter Anspruchsvoraussetzung. Wurde sie nicht vor Ab-schluss des Mietvertrages eingeholt, besteht kein Anspruch auf Erteilung (LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O., Rdnr. 20).

Im vorliegenden Fall wurde vor Abschluss des Mietvertrages am 13.04.2010 keine ent-sprechende Zusicherung eingeholt und auch der Antrag auf Zusicherung nicht vor diesem Datum gestellt. Bereits aus diesem Grund liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Satz 7 SGB XII nicht vor.

Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt auch kein Anspruch auf Zusicherung bzw. Anspruch auf Übernahme der Mietkaution aus der Verwaltungsanweisung des Landrats des Kreises Düren an die nachgeordneten Behörden.

Zunächst bindet die Verwaltungsanweisung als administratives Innenrecht, das sich an die nachgeordneten Behörden richtet, und nicht als formelles Gesetz das Gericht nicht unmittelbar. Es ergibt sich weiter auch kein Anspruch der Klägerin auf Gleichbehandlung aus dieser Verwaltungsanweisung in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Ein solcher Anspruch besteht bereits deshalb nicht, weil sich die Verwaltungsanweisung überhaupt nicht zur Übernahme von Mietkautionen verhält. Der Umstand, dass sie unter der Rubrik "Miete" Kosten von 365,- Euro ausweist, spricht eher dafür, dass damit lediglich der reine Mietzins gemeint ist. Überdies enthält diese Verwaltungsanweisung Begriffe wie "Miete" und "Heizkosten" und übernimmt damit Begrifflichkeiten, die den Gesetzestermini in § 29 Abs. 1 SGB XII a.F. ähneln. Mietkautionen aber sind in dieser Vorschrift nicht den allgemeinen Kosten der Unterkunft zugeordnet, sondern separat aufgeführt. Deshalb hätte es nahe gelegen, Mietkautionen im Rahmen dieser Verwaltungsanweisung ebenfalls gesondert und ausdrücklich zu erfassen. Neben grammatikalischen Erwägungen spricht also auch die Systematik der Verwaltungsanweisung gegen eine Anwendbarkeit auf Mietkautionen.

Selbst wenn man entgegen diesen Überlegungen davon ausgehen wollte, dass die Ver-waltungsanweisung Aussagen auch zur Übernahme von Mietkautionen trifft, könnte sie die Regelung des § 29 Abs. 1 Satz 7 SGB XII, bei der es sich um formelles Gesetzesrecht handelt, nicht durchbrechen. Denn der ebenfalls verfassungsmäßig fundierte Grundsatz der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns (Art. 20 Abs. 3 GG) setzt sich gegenüber dem Anspruch aus Art. 3 Abs. 1 GG auf Gleichbehandlung durch. Es gibt keinen An-spruch auf Gleichbehandlung im Unrecht, wobei "Unrecht" im vorliegenden Fall nicht als Werturteil zu verstehen ist. Die vom Landrat des Kreises E. erlassene allgemeine Verwaltungsanweisung kann als reines Innenrecht der Exekutive nicht von den Voraus-setzungen eines Parlamentsgesetzes entbinden, selbst wenn man ihr einen solchen Bedeutungsgehalt beimessen wollte.

Es lässt sich weiter nicht argumentieren, durch die Verwaltungsanweisung würden die nachgeordenten Behörden verpflichtet, stets eine Zusicherung zu erteilen. Denn auch dies widerspräche § 29 Abs. 1 Satz 7 SGB XII. Sinn und Zweck der vorherigen Zusicherung ist es nämlich, die wohnraumbezogenen Handlungsmöglichkeiten des Hilfebedürftigen auszuloten und ihn davor zu bewahren, sich zu verkalkulieren (vgl. zur Zusicherung in § 22 SGB II a.F. nur Eicher, in: ders./Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 22 Rdnr. 63). Es soll also stets eine Einzelfallprüfung erfolgen, die den individuellen Interessen des Hilfeempfängers gerecht wird. Eine solche Einzelfallprüfung würde unmöglich gemacht, wenn man die Verwaltungsanweisung in dem Sinne interpretieren würde, dass eine Zusicherung stets zu erteilen sei.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Kammer hat im Rahmen ihrer Ent-scheidung berücksichtigt, dass die Klägerin ursprünglich auf weitere 482,44 Euro für die Anschaffung eines Bettes und weiterer Gegenstände geklagt hat und dieser Punkt im Rahmen der mündlichen Verhandlung durch angenommenes Teilanerkenntnis erledigt worden ist. Wegen der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung war daher ein Obsiegen der Klägerin in Höhe von insgesamt etwa einem Drittel (482,44 Euro von ursprünglich insgesamt eingeklagten 1.482,44 Euro) im Rahmen der Kostenentscheidung zu berücksichtigen.
Rechtskraft
Aus
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