S 13 KR 88/11

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 88/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 209/12
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 62.991,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 16.725,31 EUR seit dem 24.12.2009, aus weiteren 13.158,14 EUR seit dem 27.03.2010, aus weiteren 3.669,33 EUR seit dem 23.04.2010, aus weiteren 16.602,33 EUR seit dem 11.11.2010 und aus weiteren 12.836,09 EUR seit dem 04.11.2011 zu zahlen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. Der Streitwert wird auf 62.991,20 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Kosten stationärer Krankenhausbehandlungen von vier Versicherten – jeweils mit Implantation bzw. Revision eines Defibrillators – in Höhe von insgesamt 62.991,20 EUR.

Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Krankenhaus. Dort behandelte sie stationär vier bei der Beklagen versicherte Personen. Diesen wurden während der Krankenhausaufenthalte jeweils ein implantierbarer Cardioverter-Defibrillator (ICD) eingesetzt; in einem Fall erfolgte zusätzlich eine Revision des Defibrillators. Im Einzelnen: Fall 1 (S 13 KR 88/11): Versicherter: T.C., geb. 12.04.1967 Stationärer Krankenhausaufenthalt: 02.03. – 05.03.2010 Zweck: Implantation eines Defibrillators Rechnungsdatum: 12.03.2010 Rechnungsbetrag: 13.158,14 EUR (DRG: F01G) Zahlungsziel: 26.03.2010

Fall 2 (S 13 KR 90/11): Versicherter: G.C., geb. 15.10.1946 Stationärer Krankenhausaufenthalt: a) 02.11.-18.11.2009 b) 22.03. – 25.03.2010

Zweck: a) Implantation eines Defibrillators b) Revision des Defibrillators Rechnungsdatum: a) 09.12.2009 b) 08.04.2010 Rechnungsbetrag: a) 16.725,31 EUR (DRG: F01E) b) 3.669,33 EUR (DRG: F18C) Zahlungsziel: a) 23.12.2009 b) 22.04.2010

Fall 3 (S 13 KR 112/11): Versicherter: Q.H., geb. 23.04.1954 Stationärer Krankenhausaufenthalt: 29.09. – 25.10.2010 Zweck: Implantation eines Defibrillators Rechnungsdatum: 27.10.2010 Rechnungsbetrag: 16.602,33 EUR (DRG: F01E) Zahlungsziel: 10.11.2010

Fall 4 (S 13 KR 363/11): Versicherter: R.I., geb. 06.11.1947 Stationärer Krankenhausaufenthalt: 04.10. – 08.10.2011 Zweck: Implantation eines Defibrillators Rechnungsdatum: 20.10.2011 Rechnungsbetrag: 12.836,09 EUR (DRG: F01G) Zahlungsziel: 03.11.2011

Die Klägerin übermittelte der Beklagten die Rechnungen jeweils im Wege des elektronischen Datenaustausches am Tag des Rechnungsdatums. Die Beklagte teilte der Klägerin mit, die in den Rechnungen angegebenen Fallpauschalen (DRG = Diagnosis Related Group) seien zwischen ihnen nicht vereinbart. Da die Klägerin anderer Auffassung war, erinnerte sie mehrfach – vergeblich – an die Zahlungen.

Am 01.04.2011 (Fälle 1 und 2), 21.04.2011 (Fall 3) und 07.12.2011 (Fall 4) hat die Klägerin Zahlungsklage erhoben. Sie ist der Auffassung, die stationären Krankenhausbehandlungen seien in allen Fällen notwendig gewesen. Die Leistungen

seien von ihr zulässig erbracht worden und abrechenbar gewesen. Voraussetzung für eine Leistungserbringung und Abrechnung zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sei nicht die Vereinbarung einer Leistung (als DRG) in der Entgeltvereinbarung nach § 11 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG). Nach den Feststellungsbescheiden der Bezirksregierung Köln vom 24.07.2009, 15.01. und 05.07.2010 gehörten die streitgegenständlichen Leistungen zu ihrem Versorgungsauftrag. In den Bescheiden sei das Gebiet "Chirurgie (Allgemein)" ausgewiesen. In Bezug auf die Implantation (bzw. Revision) von Defibrillatoren enthielten die Bescheide keine Einschränkungen. Nach der Weiterbildungsordnung für Ärzte umfasse das Gebiet "Chirurgie" die Vorbereitung, Erkennung, konservative und operative Behandlung, Nachsorge und Rehabilitation von chirurgischen Erkrankungen u.a. des Herzens. Die Klägerin verweist für ihre Auffassung auf verschiedene Entscheidungen der Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit, speziell auf das Urteil des VG Arnsberg vom 28.01.2011 (3 K 107/09). Aus den Entscheidungsgründen dieses Urteils ergebe sich, dass seit Jahrzehnten von Krankenhäusern mit dem Versorgungsauftrag "Chirurgie" bzw. "Chirurgie allgemein" die streitgegenständlichen Leistungen zulässigerweise hätten durchgeführt und abgerechnet werden können. Die Klägerin trägt vor, sie erfülle in qualitativer und quantitativer Hinsicht die räumlichen, personellen und apparativen Voraussetzungen für die sachgerechte Implantation von Defibrillatoren entsprechend den Leitlinien der Fachgesellschaften. Sie hat den "Genehmigungsbescheid (nach § 18 KHG, § 20 BPflV, § 14 KHEntgG und § 17a KHG)" der Bezirksregierung Köln vom 30.11.2009 für den Pflegezeitraum 2009 sowie denjenigen vom 30.07.2010 für den Pflegezeitraum 2010 sowie die Vergütungsvereinbarungen nebst Anlagen für 2009 (vom 13.11.2009) und für 2010 (vom 12.07.2010) vorgelegt. Sie weist darauf hin, dass darin u.a. die Implantation von Herzschrittmachern und die Revision von Herzschrittmachern oder Defibrillatoren vereinbart worden ist. Sie meint, dass auch dadurch belegt werde, dass die streitgegenständliche Leistung von ihrem Versorgungsauftrag erfasst werde. Zum Nachweis der Erfüllung der Qualitätsvoraussetzungen für die Durchführung der streitbefangenen Leistungen hat die Klägerin eine fachliche Stellungnahme des Chefarztes ihrer Klinik für Innere Medizin und mehrere auf ihn lautende Sachkundenachweise in Bezug auf Herzschrittmacher- und ICD-Therapie vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihr 62.991,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 16.725,31 EUR seit dem 24.12.2009, aus weiteren 13.158,14 EUR seit dem 27.03.2010, aus weiteren 3.669,33 EUR seit dem 23.04.2010, aus weiteren 16.602,33 EUR seit dem 11.11.2010 und aus weiteren 12.836,09 EUR seit dem 04.11.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, das Krankenhaus der Klägerin sei ein Haus der Grundversorgung; eine Abteilung für Kardiologie bzw. Herzchirurgie werde nicht vorgehalten. Sie behauptet, die Klägerin erfülle aus Sicht der Kostenträger nicht die hohen qualitativen Anforderungen, die an die Erbringung der Leistungen nach den Leitlinien der Fachgesellschaften geknüpft würden; die Implantation eines Defibrillators solle nur an einem Zentrum vorgenommen werden, an welchem sowohl die interventionelle Kardiologie als auch die Herz- oder Thoraxchirurgie als Abteilungen oder Kliniken vorhanden und seit Jahren etabliert seien. Sie behauptet weiter, bei den letzten Budgetverhandlungen sei die Leistung "Implantation eines Defibrillators" einvernehmlich nicht vereinbart worden. Sie meint, der Versorgungsauftrag der Klägerin umfasse nicht die Behandlung von Patienten mit herzchirurgischem Krankheitsbild; weder nach den Festlegungen des Krankenhausplans noch nach der Kapazitätsplanung des zuständigen nordrhein-westfälischen Ministeriums sei die Klägerin berechtigt, Patienten zu behandeln, die einer überwiegend speziell herzchirurgischen Behandlung bedürften; ein Notfall habe in keinem der Fälle vorgelegen. Der Argumentation von Seiten der Krankenhäuser, dass die Herzchirurgie ein Teil der (allgemeinen) Chirurgie sei, vermag die Beklagte nicht zu folgen. Zwar sei nach der ärztlichen Weiterbildungsordnung die Herzchirurgie ein Teilgebiet der Chirurgie; nach dem Krankenhausplan Nordrhein-Westfalen (NRW) unterliege die Herzchirurgie jedoch der Schwerpunktfestlegung, sei also gesonderter Planungsgegenstand. Die Beklagte hat u.a. ein Rundschreiben des Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW vom 29.12.2008 an die Bezirksregierungen betreffend die "Genehmigung von Entgeltvereinbarungen" vorgelegt. Darin sind die Bezirksregierungen unter Aufgabe der in früheren Runderlassen dargestellten Auffassung des Ministeriums angewiesen worden, in den Fällen, in denen im Feststellungsbescheid nur Gebiete ausgewiesen werden und nicht ausdrücklich bestimmt wird, dass Leistungen eines Teilgebiets davon nicht umfasst werden, Leistungen im gesamten Gebiet als vom Versorgungsauftrag umfasst und damit grundsätzlich als genehmigungsfähig anzusehen; hinsichtlich der Art der Leistungen in dem Gebiet erfolge eine Orientierung an den Weiterbildungsordnungen für Ärztinnen und Ärzte der Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Gericht die Streitsachen S 13 KR 88/11 (Fall 1), S 13 KR 90/11 (Fall 2), S 13 KR 112/11 (Fall 3) und S 13 KR 363/11 (Fall 4) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 13 KR 88/11 verbunden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichts- und Beiakten sowie der von der Klägerin vorgelegten Patientenakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Vertagungsantrag der Beklagten nicht entsprochen, weil dafür weder rechtlich zwingende noch prozessökonomische oder sonst sachdienliche Gründe vorlagen. Die Beklagte hatte aufgrund der zahlreichen Hinweise und Anfragen des Gerichts, zuletzt durch Schreiben vom 27.01.2012, ausreichend Gelegenheit, ihren Standpunkt darzulegen.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die auf Zahlung der Behandlungskosten der (vier) Versicherten gerichtete Klage des Krankenhausträgers gegen die beklagte Krankenkasse ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig; es handelt sich um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht zu ergehen hat (st. Rspr.; vgl. z.B. BSG, Urteil vom 17.06.2000 – B 3 KR 33/99 R = BSGE 86, 166 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 1). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten.

Rechtsgrundlage der geltend gemachten Vergütungsansprüche ist § 109 Abs. 4 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. dem aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V folgenden Krankenhausbehandlungsanspruch der Versicherten. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten (BSG, Urteil vom 13.12.2001 – B 3 KR 11/01 R = BSGE 89, 104 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 2; Urteil vom 23.07.2002 – B 3 KR 64/01 R = BSGE 90, 1 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 3). Die näheren Einzelheiten über Aufnahme und Entlassung der Versicherten, Kostenübernahme, Abrechnung der Entgelte sowie die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung ist in dem zwischen der Krankenhausgesellschaft NRW einerseits und verschiedenen Krankenkasse sowie Landesverbänden der Krankenkasse andererseits für das Land NRW geschlossenen "Vertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V – Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung" (KBV) und – soweit für 2009 und 2010 vorliegend – in den Vergütungsvereinbarungen nach § 11 KHEntgG vom 13.11.2009 und 12.07.2010 geregelt. Der Behandlungspflicht des Krankenhauses gegenüber den gesetzlich krankenversicherten Patienten steht ein Vergütungsanspruch des Krankenhausträgers gegenüber, der auf der Grundlage der einschlägigen Bestimmungen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) und des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) festgelegt wird (BSG, Urteil vom 23.07.2002 a.a.O.).

Die Klägerin betreibt ein so genanntes Plankrankenhaus (§ 108 Nr. 2 SGB V), denn sie ist (und war zum Zeitpunkt der Behandlung der Versicherten) in den Krankenhausplan des Landes NRW aufgenommen (vgl. Feststellungsbescheide der Bezirksregierung Köln vom 24.07.2009, 15.01. und 15.07.2010). Sie ist damit gemäß § 109 Abs. 4 Satz 1 SGB V zur Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V) der Versicherten zugelassen und auch im Rahmen des Versorgungsauftrags verpflichtet (§ 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 KHEntgG ergibt sich der Versorgungsauftrag des Krankenhauses bei einem Plankrankenhaus aus den Festlegungen des Krankenhausplans in Verbindung mit den Bescheiden zu seiner Durchführung nach § 6 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 3 KHG sowie einer ergänzenden Vereinbarung nach § 109 Abs. 1 Satz 4 SGB V. Es steht fest und ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig, dass die Versicherten jeweils stationärer Krankenhausbehandlung bedurften, die Klägerin die notwendigen Krankenhausleistungen erbracht hat und diese Leistungen die Voraussetzungen der in Rechnung gestellten DRGs als solche erfüllten. Die Klägerin war auch berechtigt, die Leistungen zu Lasten der GKV zu erbringen, da sowohl die Implantation eines Defibrillators als auch dessen Revision vom Versorgungsauftrag der Klägerin als Plankrankenhaus der allgemeinen Chirurgie erfasst war und dieser Versorgungsauftrag durch die Vergütungsvereinbarungen, soweit sie für 2009 und 2010 getroffen worden sind, nicht zu Lasten der Klägerin eingeschränkt werden konnte.

Nach § 11 Abs. 1KHEntgG regeln die Vertragsparteien (nach § 18 Abs. 2 KHG) unter Beachtung des Versorgungsauftrags die Vergütungsumstände und Vergütungsgegenstände. Dies ist zwischen den Beteiligten für 2009 durch die Vergütungsvereinbarung vom 13.11.2009, für 2010 durch die Vergütungsvereinbarung vom 12.07.2010, jeweils nebst Anlagen, geschehen. Allerdings sind in diesen Vergütungsvereinbarungen – Anlage "Aufstellung der Fallpauschalen" – die in Rechnung gestellten DRG "F01G" und F01E" nicht aufgelistet. Etwas anderes gilt für die DRG "F18C", die die Klägerin im Fall 2 in Rechnung gestellt hat. Die Vergütungsvereinbarungen enthalten Fallpauschalen betreffend die "Implantation eines Herzschrittmachers" (F12E, F 12F, F12G und F12H) sowie betreffend die "Revision eines Herzschrittmachers oder Cardioverters/Defibrillators" (F18C und F18D). Wie sich aus § 3 Abs. 1 der Vergütungsvereinbarungen ergibt, folgt aus den Inhalten der Anlagen zu den Vergütungsvereinbarungen, dass sich die Vertragsparteien darüber geeinigt haben. Die Nichtaufnahme der in Rechnung gestellten DRGs "F01E" und "F01G" betreffen die Implantation eines Defibrillators bedeutet jedoch nicht, dass ihre Vergütung ausgeschlossen ist, sondern nur, dass darüber keine Einigung erzielt wurde. Die Vergütungsvereinbarungen nach § 11 Abs. 1 KHEntgG lassen den Versorgungsauftrag des Krankenhauses unberührt; dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut von § 11 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG ("unter Beachtung des Versorgungsauftrags"). Solange eine Krankenhausbehandlung dem Versorgungsauftrag entspricht und in den bestehenden schriftlichen (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 4, 2. Halbsatz KHEntgG: "sie ist schriftlich zu vereinbaren") Verträgen die Abrechnung bestimmter DRG-Ziffern nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, kann das Krankenhaus die im Rahmen seines Versorgungsauftrag erbrachten Leistungen nach den Fallpauschalen des Fallpauschalenkatalogs abrechnen, auch wenn diese in der Einzelvereinbarung keine Berücksichtigung gefunden haben (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.11.2011 – L 1 KR 119/09). Die Vergütungsvereinbarungen für 2009 und 2010 nach § 11 KHEntgG vom 13.11.2009 und 12.07.2010 stellen keine verbindliche Konkretisierung des Versorgungsauftrags der Klägerin dar (vgl. in diesem Sinne auch: BSG, Urteil vom 24.07.2003 – B 3 KR 28/02 R = SozR 4-5565 § 14 Nr. 3). Vorliegend war und ist nicht nur die in der Vergütungsvereinbarung aufgeführte DRG "F18C" betreffend die Revision eines Defibrillators, sondern auch die Implantation eines Defibrillators (DRG "F01E" und "F01G") vom Versorgungsauftrag der Klägerin erfasst.

Im Krankenhausplan des Landes NRW und den dazu ergangenen die Klägerin betreffenden Feststellungsbescheiden der zuständigen Bezirksregierung, die u.a. den Versorgungsauftrag des Krankenhauses regeln (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 KHEntgG), sind für das Gebiet "Chirurgie" 154 Betten, davon speziell für das Gebiet "Chirurgie Allgemein" 81 Betten ausgewiesen. Einschränkungen bezüglich der Operation am Herzen – speziell die "Implantation von Defibrillatoren" – enthalten die Bescheide nicht. Nach der für den Bereich der Klägerin einschlägigen Weiterbildungsordnung für Ärzte ergibt sich, dass das Gebiet der "Chirurgie" die Vorbeugung, Erkennung, konservative und operative Behandlung, Nachsorge und Rehabilitation von chirurgischen Erkrankungen, Verletzungen und Verletzungsfolgen sowie angeborenen und erworbenen Formveränderungen und Fehlbildungen der Gefäße, der inneren Organe einschließlich des Herzens, der Stütz- und Bewegungsorgane und der onkologischen Wiederherstellungs- und Transplantationschirurgie umfasst. Ein implantierbarer Cardioverter-Defibrilator (ICD) dient der Erkennung und Behandlung von Herzrhythmusstörungen; seine Implantation ist also eine operative Behandlung des Herzens. Wie sich aus dem von der Beklagten vorgelegten Schreiben des NRW-Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 29.12.2008 ergibt, gilt die Anweisung, (auch) in den Fällen, in denen im Feststellungsbescheid nur Gebiete ausgewiesen werden und nicht ausdrücklich bestimmt wird, dass Leistungen eines Teilgebiets davon nicht umfasst werden, Leistungen im gesamten Gebiet als vom Versorgungsauftrag umfasst und damit grundsätzlich als genehmigungsfähig anzusehen. Das Ministerium weist in dem Schreiben ausdrücklich darauf hin, dass hinsichtlich der Art der Leistungen in dem Gebiet eine Orientierung an den Weiterbildungsordnungen für Ärztinnen und Ärzte erfolgt. Aus alledem wird deutlich, dass auch die streitgegenständlichen Behandlungen "Implantation eines Defibrillators" Bestandteil des in den Feststellungsbescheiden ausgewiesen Gebietes "Chirurgie" ist. Im Krankenhaus der Klägerin werden auch Herzschrittmacher implantiert. Diese Behandlung, bei der es sich unzweifelhaft auch um eine operative Behandlung des Herzens handelt, obwohl die Klägerin im Krankenhausplan "nur" mit dem Gebiet "Chirurgie" (bzw. "Chirurgie allgemein") geführt wird, ist ausdrücklich in den Vergütungsvereinbarungen aufgeführt. Und soweit es um die Revision von Defibrillatoren geht, ist diese Leistung ebenfalls ausdrücklich in den Vergütungsvereinbarungen (F18C) gelistet. Allein die Tatsache, dass im Krankenhaus der Klägerin auch nach den Vergütungsvereinbarungen Herzschrittmacher implantiert und revidiert und Defibrillatoren jeweils revidiert werden dürfen, ist ein Beleg dafür, dass das Krankenhaus der Klägerin und die dortigen Ärzte über die Qualifikation verfügen, solche Eingriffe vorzunehmen. Warum dies nicht für die Implantation von Defibrillatoren gelten soll, ist nicht nachvollziehbar und von der Beklagten auch nicht hinreichend substanziiert worden. Dagegen hat die Klägerin durch die vorgelegten Sachkundennachweise und die Stellungnahme des Chefarztes der Klinik für Innere Medizin hinreichend belegt, dass sie in qualitativer und quantitativer Hinsicht die räumlichen, personellen und apparativen Voraussetzungen für sachgerechte Defibrillatorimplantationen entsprechend den Leitlinien der Fachgesellschaften erfüllt. Im Krankenhaus wird das gesamte Spektrum der nichtinvasiven kardiologischen Diagnostik vorgehalten; in Kooperation mit dem Universitätsklinikum wird ein Herzkathederlabor betrieben. Die Indikationsstellung zur Herzschrittmacher- oder ICD-Therapie erfolgt durch Kardiologen. Die operative Prozedur der Implantation übernehmen Gefäßchirurgen der Klinik für Allgemein-, Gefäß- und Thoraxchirurgie. Die intraoperative Einmessung wird von Kardiologen übernommen, ebenso wie die postoperative Nachsorge und Programmierung. Das Krankenhaus der Klägerin verfügt über jahrelange Implantationserfahrung. Die Implantationen erfolgen in einem zertifizierten Operationssaal, der sämtlichen hygienischen und ausstattungstechnischen Anforderungen entspricht. Damit werden die Voraussetzungen nach den "Leitlinien zur Implantation von Defibrillatoren" der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie- Herz- und Kreislaufforschung erfüllt.

Der wiederholte Hinweis der Beklagten, seit 2009 hätten "die Kostenträger" mit der Klägerin die Implantation von Defibrillatoren nicht mehr vereinbaren wollen, weshalb das Krankenhaus diese Leistung nicht mehr hätte erbringen dürfen, überzeugt auch deshalb nicht, weil alle anderen Krankenkassen, die von der Klägerin vor dem Sozialgericht (Aachen) auf Zahlung der Kosten für diese Leistung verklagt worden sind, den Anspruch anerkannt haben.

Der Zinsanspruch ist unter dem Gesichtspunkt des Verzuges begründet. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KBV sind Rechnungen interhalb von 15 Kalendertagen nach Eingang zu begleichen. Die streitbefangenen Rechnungen über die Krankenhausbehandlungen sind der Beklagten im Wege des elektronischen Datenaustausches jeweils am Tag ihrer Ausstellung zugegangen. Das in den Rechnungen von der Beklagten aufgeführte Datum des Zahlungsziels war jeweils der 15. Tag, gerechnet vom Tag des Rechnungseingangs. Da die Beklagte die Zahlungen (auch) endgültig abgelehnt hat, ist das Zinsbegehren sowohl nach seinem Beginn als auch der Höhe nach gem. § 15 Abs. 1 Satz 4 KBV begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 39 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtskraft
Aus
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