Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 15 KR 156/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 327/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 26/11 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des dem Kläger zustehenden Krankengeldes.
Der im Jahre 0000 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Seit dem 07.12.2009 ist er arbeitsunfähig erkrankt und hat seit dem 18.01.2010 Anspruch auf Krankengeld. Ausweislich der vorliegenden Entgeltbescheinigung wurde seit dem 09.05.2009 Transferkurzarbeitergeld gezahlt. Im letzten abgerechneten Entgeltabrech-nungszeitraum vor der Erkrankung, d.h. im November 2009 betrug das Transferkurz-arbeitergeld 1.662,74 EUR und das Ist-Entgelt brutto 327,85 EUR bzw. netto 261,54 EUR. Das Soll-Entgelt betrug brutto 4.251,73 EUR bzw. netto 2.818,32 EUR. Neben dem Transferkurzarbeiter-geld erhielt der Kläger eine Aufstockungszahlung auf 80 v.H. des pauschalierten Nettoentgelts (§ 2 Nr. 1 b) des Aufhebungs- und Anstellungsvertrages vom 27.04.2009).
Mit Bescheiden vom 08.03.2010 bewilligte die Beklagte dem Kläger Krankengeld in Höhe von 7,85 EUR brutto bzw. 6,86 EUR netto täglich aus dem bescheinigten Entgelt von 327,85 EUR und Krankengeld in Höhe von 49,88 EUR brutto = netto täglich aus dem bescheinigten Transferkurzarbeitergeld. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, der vom Arbeitgeber gezahlte Aufstockungsbetrag zum Kurzarbeitergeld sei nicht berücksichtigt worden. Entweder müsse dieser Aufstockungsbetrag wie das Transferkurz-arbeitergeld berücksichtigt werden oder es müsse insgesamt auf den fiktiven Lohn abgestellt werden. Durch Widerspruchsbescheid vom 04.06.2010 wies der Widerspruchs-ausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Es wurde darauf hingewiesen, dass der durch den Arbeitgeber gezahlte Aufstockungsbetrag nicht beitragspflichtig sei und deshalb bei der Berechnung des Krankengeldes nicht berücksichtigt werden dürfe.
Mit der am 15.06.2010 erhobenen Klage begehrt der Kläger höheres Krankengeld. Er vertritt die Auffassung, regelmäßig gezahltes Arbeitsentgelt wie der Aufstockungsbetrag könne im Ergebnis nicht ohne Berücksichtigung bleiben, da das Krankengeld Lohnersatz-funktion habe. Der Aufstockungsbetrag sei abhängig von der übrigen Vergütung im betreffenden Monat und habe vorliegend 263,33 EUR netto betragen. Werde dieser Aufstockungsbetrag ebenso wie das Transferkurzarbeitergeld mit 90 v. H. angesetzt, führe dies zu einer Erhöhung des täglichen Krankengeldes um 7,90 EUR. Auch wenn der Aufstockungsbetrag nicht beitragspflichtig sei, könne daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass er bei der Krankengeldberechnung außer Acht zu lassen sei. Insoweit ergebe sich für die Beklagte ein Gestaltungsspielraum nach § 47 Abs. 3 SGB V, da nur eine Berechnung Bestand haben könne, die die Erfüllung der Entgeltersatzfunktion des Krankengeldes sicherstelle. Der Aufstockungsbetrag zum Transferkurzarbeitergeld sei auch Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV, da es sich um laufende Einnahmen handele, die keine steuerfreien Aufwandsentschädigungen oder spezifisch genannte Ausnahmen darstellten.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 08.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2010 zu verurteilen, ihm höheres Krankengeld unter Berücksichtigung des vom Arbeitgeber gezahlten Aufstockungsbetrages zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid und verweist auf ein Rundschreiben der Spitzenverbände zur Berechnung, Höhe und Zahlung des Krankengeldes. Dort sei geregelt, dass Zuschüsse zum Transferkurzarbeitergeld bis zu einer bestimmten Höhe in der Regel steuer- und sozialversicherungsfrei seien und dementsprechend keine Berücksichtigung bei der Krankengeldberechnung fänden. Ergänzend vertritt sie die Auffassung, der Aufstockungsbetrag zum Transferkurzarbeiter-geld sei ein Zuschuss, der kein Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV darstelle und deshalb unbeachtlich sei. Eine Satzungsbestimmung, die die Berechnung des Kranken-geldes abweichend von § 47 Abs. 1 SGB V regele, existiere derzeit nicht.
Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten und den der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und waren – soweit von Bedeutung – Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist sachlich nicht begründet.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 08.03.2010 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 04.06.2010 entsprechen der Sach- und Rechtslage und sind daher nicht rechtswidrig. Durch sie wird der Kläger nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), weil er keinen Anspruch auf höheres Krankengeld hat.
Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V beträgt das Krankengeld 70 vom Hundert (v. H.) des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt). Das aus dem Arbeitsentgelt berechnete Krankengeld darf 90 v. H. des bei entsprechender Anwendung des Abs. 2 berechneten Nettoarbeitsentgelts nicht übersteigen. Nach § 47 Abs. 2 SGB V ist für die Berechnung des Regelentgelts das von dem Versicherten im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraum, mindestens das während der letzten abgerechneten vier Wochen (Bemessungszeitraum) erzielte und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderte Arbeitsentgelt durch die Zahl der Stunden zu teilen, für die es gezahlt wurde (Satz 1). Ist das Arbeitsentgelt – wie vorliegend – nach Monaten bemessen, gilt der 30. Teil des im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Kalender-monat erzielten und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderten Arbeitsentgeltes als Regelentgelt (Satz 3). Die in § 47 b Abs. 3 SGB V enthaltene Sonderregelung für die Berechnung des Krankengeldes bei Beziehern von Kurzarbeitergeld, die auf das zuletzt vor dem Arbeitsausfall erzielte Arbeitsentgelt abstellt, betrifft nicht die Sonderform des Transferkurzarbeitergeldes nach § 216 b SGB III (früher: Strukturkurzarbeitergeld nach § 175 SGB III a. F.), weil hier der Arbeitsausfall nicht nur vorübergehend eintritt (vgl. Höfler in Kasseler Kommentar, § 47 b SGB V, Rdnr. 24 a). Da die Rechtsprechung in diesen Fällen das Vorliegen eines neuen Beschäftigungsverhältnisses bejaht, wird das Kranken-geld nach der allgemeinen Regelung des § 47 SGB V berechnet (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.2006 – B 1 KR 9/06 R = SozR 4-2500 § 47 Nr. 6 unter Hinweis auf Entstehungs-geschichte und Funktion des § 47 b Abs. 3 SGB V).
In Anwendung des § 47 SGB V hat die Beklagte dem am 07.12.2009 erkrankten Kläger zutreffend Krankengeld unter Berücksichtigung des im November 2009 erzielten Arbeitsentgeltes bewilligt. In diesem Monat hat der Kläger ausweislich der vorliegenden Lohn- und Gehaltsabrechnung Kurzarbeitergeld in Höhe von 1.662,74 EUR netto, Entgelt für Urlaubs- und Feiertage in Höhe von 327,85 EUR brutto und eine KUG-Aufstockung 80 % in Höhe von 263,33 EUR netto bezogen. Unstreitig hat die Beklagte dem Kläger aus dem bescheinigten Entgelt für Urlaubs- und Feiertage in Höhe von 327,85 EUR brutto bzw. 261,54 EUR netto Krankengeld in Höhe von 7,85 EUR täglich in zutreffender Höhe bewilligt (261,54 EUR: 30 x 90 %). Ebenso unstreitig ergibt sich der von der Beklagten ermittelte Betrag in Höhe von 49,88 EUR aus dem gezahlten Kurzarbeitergeld (1.662,74 EUR: 30 x 90 %). Den Aufstockungsbetrag von 263,33 EUR hat die Beklagte nach Auffassung des Gerichts zu Recht bei der Berechnung des Krankengeldes außer Acht gelassen, da es sich insoweit nicht um Arbeitsentgelt im Sinne des § 47 SGB V handelt. Dieser Aufstockungsbetrag unterliegt nicht der Beitragsberechnung und stellt auch kein Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV dar; vielmehr handelt es sich insoweit um eine Entschädigung für ausgefallene Arbeitsleistung (vgl. Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, Stand 6/09, Anm. 48 zu K § 131). Das Regelungssystem zur Feststellung des Arbeitsentgelts besteht aus § 14, der SozialversicherungsentgeltVO (SvEV) sowie den Bestimmungen des Einkommensteuer-gesetzes (EStG), auf die in diesen Vorschriften Bezug genommen wird. Die SvEV rechnet bestimmte Einnahmen aus dem Beschäftigungsverhältnis nicht zum Arbeitsentgelt und durchbricht damit den Grundsatz des § 14 Abs. 1 SGB IV. Nach der ausdrücklichen Regelung in § 1 Abs. 1 Nr. 8 SvEV sind dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld, soweit – wie vorliegend – die 80 %-Grenze nicht überschritten wird.
Die Kammer verkennt nicht, dass dieses Ergebnis für den Kläger unbefriedigend ist, sieht aber angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung keine Möglichkeit, der Klage stattzugeben. Eine abweichende Satzungsregelung der Beklagten nach § 47 Abs. 3 SGB V existiert nicht, wäre aber auch nach Auffassung der Kammer hier nicht einschlägig, da es sich nicht um einen Fall nicht kontinuierlicher Arbeitsverrichtung- und -vergütung handelt. Eine nicht kontinuierliche Arbeitsverrichtung oder -vergütung liegt vor bei erheblicher Unregelmäßigkeit oder bei Schwankungen hinsichtlich der Arbeitsleistung, ihrer Dauer und der Entgeltzahlung. Vorliegend ist ausweislich des Aufhebungs- und Anstellungsvertrages vom 27.04.2009 für die gesamte Laufzeit des Vertrages Kurzarbeit "Null" realisiert worden (§ 6), so dass die durch § 47 Abs. 3 SGB V auszugleichenden Schwankungen in der Entlohnung nicht entstehen können.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen,
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem
Sozialgericht Aachen, Adalbertsteinweg 92, 52070 Aachen,
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision zum Bundessozialgericht unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Aachen schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.
Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.
Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des dem Kläger zustehenden Krankengeldes.
Der im Jahre 0000 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Seit dem 07.12.2009 ist er arbeitsunfähig erkrankt und hat seit dem 18.01.2010 Anspruch auf Krankengeld. Ausweislich der vorliegenden Entgeltbescheinigung wurde seit dem 09.05.2009 Transferkurzarbeitergeld gezahlt. Im letzten abgerechneten Entgeltabrech-nungszeitraum vor der Erkrankung, d.h. im November 2009 betrug das Transferkurz-arbeitergeld 1.662,74 EUR und das Ist-Entgelt brutto 327,85 EUR bzw. netto 261,54 EUR. Das Soll-Entgelt betrug brutto 4.251,73 EUR bzw. netto 2.818,32 EUR. Neben dem Transferkurzarbeiter-geld erhielt der Kläger eine Aufstockungszahlung auf 80 v.H. des pauschalierten Nettoentgelts (§ 2 Nr. 1 b) des Aufhebungs- und Anstellungsvertrages vom 27.04.2009).
Mit Bescheiden vom 08.03.2010 bewilligte die Beklagte dem Kläger Krankengeld in Höhe von 7,85 EUR brutto bzw. 6,86 EUR netto täglich aus dem bescheinigten Entgelt von 327,85 EUR und Krankengeld in Höhe von 49,88 EUR brutto = netto täglich aus dem bescheinigten Transferkurzarbeitergeld. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, der vom Arbeitgeber gezahlte Aufstockungsbetrag zum Kurzarbeitergeld sei nicht berücksichtigt worden. Entweder müsse dieser Aufstockungsbetrag wie das Transferkurz-arbeitergeld berücksichtigt werden oder es müsse insgesamt auf den fiktiven Lohn abgestellt werden. Durch Widerspruchsbescheid vom 04.06.2010 wies der Widerspruchs-ausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Es wurde darauf hingewiesen, dass der durch den Arbeitgeber gezahlte Aufstockungsbetrag nicht beitragspflichtig sei und deshalb bei der Berechnung des Krankengeldes nicht berücksichtigt werden dürfe.
Mit der am 15.06.2010 erhobenen Klage begehrt der Kläger höheres Krankengeld. Er vertritt die Auffassung, regelmäßig gezahltes Arbeitsentgelt wie der Aufstockungsbetrag könne im Ergebnis nicht ohne Berücksichtigung bleiben, da das Krankengeld Lohnersatz-funktion habe. Der Aufstockungsbetrag sei abhängig von der übrigen Vergütung im betreffenden Monat und habe vorliegend 263,33 EUR netto betragen. Werde dieser Aufstockungsbetrag ebenso wie das Transferkurzarbeitergeld mit 90 v. H. angesetzt, führe dies zu einer Erhöhung des täglichen Krankengeldes um 7,90 EUR. Auch wenn der Aufstockungsbetrag nicht beitragspflichtig sei, könne daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass er bei der Krankengeldberechnung außer Acht zu lassen sei. Insoweit ergebe sich für die Beklagte ein Gestaltungsspielraum nach § 47 Abs. 3 SGB V, da nur eine Berechnung Bestand haben könne, die die Erfüllung der Entgeltersatzfunktion des Krankengeldes sicherstelle. Der Aufstockungsbetrag zum Transferkurzarbeitergeld sei auch Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV, da es sich um laufende Einnahmen handele, die keine steuerfreien Aufwandsentschädigungen oder spezifisch genannte Ausnahmen darstellten.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 08.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2010 zu verurteilen, ihm höheres Krankengeld unter Berücksichtigung des vom Arbeitgeber gezahlten Aufstockungsbetrages zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid und verweist auf ein Rundschreiben der Spitzenverbände zur Berechnung, Höhe und Zahlung des Krankengeldes. Dort sei geregelt, dass Zuschüsse zum Transferkurzarbeitergeld bis zu einer bestimmten Höhe in der Regel steuer- und sozialversicherungsfrei seien und dementsprechend keine Berücksichtigung bei der Krankengeldberechnung fänden. Ergänzend vertritt sie die Auffassung, der Aufstockungsbetrag zum Transferkurzarbeiter-geld sei ein Zuschuss, der kein Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV darstelle und deshalb unbeachtlich sei. Eine Satzungsbestimmung, die die Berechnung des Kranken-geldes abweichend von § 47 Abs. 1 SGB V regele, existiere derzeit nicht.
Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten und den der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und waren – soweit von Bedeutung – Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist sachlich nicht begründet.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 08.03.2010 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 04.06.2010 entsprechen der Sach- und Rechtslage und sind daher nicht rechtswidrig. Durch sie wird der Kläger nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), weil er keinen Anspruch auf höheres Krankengeld hat.
Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V beträgt das Krankengeld 70 vom Hundert (v. H.) des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt). Das aus dem Arbeitsentgelt berechnete Krankengeld darf 90 v. H. des bei entsprechender Anwendung des Abs. 2 berechneten Nettoarbeitsentgelts nicht übersteigen. Nach § 47 Abs. 2 SGB V ist für die Berechnung des Regelentgelts das von dem Versicherten im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraum, mindestens das während der letzten abgerechneten vier Wochen (Bemessungszeitraum) erzielte und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderte Arbeitsentgelt durch die Zahl der Stunden zu teilen, für die es gezahlt wurde (Satz 1). Ist das Arbeitsentgelt – wie vorliegend – nach Monaten bemessen, gilt der 30. Teil des im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Kalender-monat erzielten und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderten Arbeitsentgeltes als Regelentgelt (Satz 3). Die in § 47 b Abs. 3 SGB V enthaltene Sonderregelung für die Berechnung des Krankengeldes bei Beziehern von Kurzarbeitergeld, die auf das zuletzt vor dem Arbeitsausfall erzielte Arbeitsentgelt abstellt, betrifft nicht die Sonderform des Transferkurzarbeitergeldes nach § 216 b SGB III (früher: Strukturkurzarbeitergeld nach § 175 SGB III a. F.), weil hier der Arbeitsausfall nicht nur vorübergehend eintritt (vgl. Höfler in Kasseler Kommentar, § 47 b SGB V, Rdnr. 24 a). Da die Rechtsprechung in diesen Fällen das Vorliegen eines neuen Beschäftigungsverhältnisses bejaht, wird das Kranken-geld nach der allgemeinen Regelung des § 47 SGB V berechnet (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.2006 – B 1 KR 9/06 R = SozR 4-2500 § 47 Nr. 6 unter Hinweis auf Entstehungs-geschichte und Funktion des § 47 b Abs. 3 SGB V).
In Anwendung des § 47 SGB V hat die Beklagte dem am 07.12.2009 erkrankten Kläger zutreffend Krankengeld unter Berücksichtigung des im November 2009 erzielten Arbeitsentgeltes bewilligt. In diesem Monat hat der Kläger ausweislich der vorliegenden Lohn- und Gehaltsabrechnung Kurzarbeitergeld in Höhe von 1.662,74 EUR netto, Entgelt für Urlaubs- und Feiertage in Höhe von 327,85 EUR brutto und eine KUG-Aufstockung 80 % in Höhe von 263,33 EUR netto bezogen. Unstreitig hat die Beklagte dem Kläger aus dem bescheinigten Entgelt für Urlaubs- und Feiertage in Höhe von 327,85 EUR brutto bzw. 261,54 EUR netto Krankengeld in Höhe von 7,85 EUR täglich in zutreffender Höhe bewilligt (261,54 EUR: 30 x 90 %). Ebenso unstreitig ergibt sich der von der Beklagten ermittelte Betrag in Höhe von 49,88 EUR aus dem gezahlten Kurzarbeitergeld (1.662,74 EUR: 30 x 90 %). Den Aufstockungsbetrag von 263,33 EUR hat die Beklagte nach Auffassung des Gerichts zu Recht bei der Berechnung des Krankengeldes außer Acht gelassen, da es sich insoweit nicht um Arbeitsentgelt im Sinne des § 47 SGB V handelt. Dieser Aufstockungsbetrag unterliegt nicht der Beitragsberechnung und stellt auch kein Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV dar; vielmehr handelt es sich insoweit um eine Entschädigung für ausgefallene Arbeitsleistung (vgl. Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, Stand 6/09, Anm. 48 zu K § 131). Das Regelungssystem zur Feststellung des Arbeitsentgelts besteht aus § 14, der SozialversicherungsentgeltVO (SvEV) sowie den Bestimmungen des Einkommensteuer-gesetzes (EStG), auf die in diesen Vorschriften Bezug genommen wird. Die SvEV rechnet bestimmte Einnahmen aus dem Beschäftigungsverhältnis nicht zum Arbeitsentgelt und durchbricht damit den Grundsatz des § 14 Abs. 1 SGB IV. Nach der ausdrücklichen Regelung in § 1 Abs. 1 Nr. 8 SvEV sind dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld, soweit – wie vorliegend – die 80 %-Grenze nicht überschritten wird.
Die Kammer verkennt nicht, dass dieses Ergebnis für den Kläger unbefriedigend ist, sieht aber angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung keine Möglichkeit, der Klage stattzugeben. Eine abweichende Satzungsregelung der Beklagten nach § 47 Abs. 3 SGB V existiert nicht, wäre aber auch nach Auffassung der Kammer hier nicht einschlägig, da es sich nicht um einen Fall nicht kontinuierlicher Arbeitsverrichtung- und -vergütung handelt. Eine nicht kontinuierliche Arbeitsverrichtung oder -vergütung liegt vor bei erheblicher Unregelmäßigkeit oder bei Schwankungen hinsichtlich der Arbeitsleistung, ihrer Dauer und der Entgeltzahlung. Vorliegend ist ausweislich des Aufhebungs- und Anstellungsvertrages vom 27.04.2009 für die gesamte Laufzeit des Vertrages Kurzarbeit "Null" realisiert worden (§ 6), so dass die durch § 47 Abs. 3 SGB V auszugleichenden Schwankungen in der Entlohnung nicht entstehen können.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen,
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem
Sozialgericht Aachen, Adalbertsteinweg 92, 52070 Aachen,
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision zum Bundessozialgericht unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Aachen schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.
Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.
Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved