S 11 AS 839/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AS 839/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit eines Sanktionsbescheides streitig.

Der am 00.00.0000 geborene Kläger bezieht seit 2009 Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).

Mit Schreiben vom 06.07.2011 wurde dem Kläger im Rahmen der Maßnahme "QuB Aachen I – Verwaltung" eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung gemäß § 16d SGB II als Bürogehilfe für einen bestimmten Aufgabenbereich angeboten.

Bei der Maßnahme "QuB" (Qualifizierung und Beschäftigung) handelt es sich um ein Planprojekt des Beklagten, welches geschaffen wurde, um insbesondere "arbeitsmarktfernen aber arbeitsmotivierten Leistungsempfängern praxis- und realitätsnahe Angebote zum Einüben von für das Arbeitsleben nützlichen und geforderten Tugenden und Fertigkeiten" zu machen. So ist die Einübung eines geregelten Arbeitsrhythmus maßgeblicher Zweck. Auch berufsspezifische Fertigkeiten sollen vermittelt bzw. verbessert werden. Neben der Anleitung der Teilnehmer im fachlichen Bereich ist in dem Projekt auch eine sozialpädagogische Betreuung angelegt. Im Rahmen des Projekts wurde zwischen dem Beklagten und der Q-C gGmbH zum einen eine Vereinbarung zur Einrichtung und Finanzierung von Arbeitsgelegenheiten in der Mehraufwandsentschädigungsvariante im Rahmen der Maßnahme "QuB", zum anderen ein Kooperationsvertrag geschlossen. An diesem Kooperationsvertrag waren neben dem Beklagten und der Q-R gGmbH noch die B B GmbH, Spectrum – S- Verein für katholische Arbeiterkolonien e.V. und die WaBe e.V. beteiligt.

Nachdem der Kläger bei der Arbeitsmaßnahme nicht erschienen war und der Beklagte hierüber informiert worden war, sanktionierte dieser den Kläger mit Bescheid vom 29.08.2011. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, die Arbeitsangelegenheit sei mit 32,5 h/Woche zu umfangreich. Darüber lasse die Tätigkeitsbeschreibung erkennen, dass die Arbeit nicht zusätzlich sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.10.2011 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die hiergegen erhobene Klage (S 8 AS 1117/11) nahm der Kläger im Rahmen eines Erörterungstermins vom 11.04.2012 zurück.

Mit Bescheid vom 03.04.2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis 31.05.2012 monatliche Leistungen in Höhe von monatlich 386,90 EUR sowie für den Zeitraum vom 01.06.2012 bis 30.09.2012 in Höhe von monatlich 488,00 EUR.

Am 03.04.2012 schlug der Beklagte dem Kläger erneut eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung bei der Q-C gGmbH vor. Die Tätigkeit sollte im Rahmen der Maßnahme QuB-Plus vom 10.04.2012 bis 31.03.2013 mit einem Umfang von 32,5 h/Woche stattfinden. Im Rahmen einer Tätigkeit im Modul "Verwaltung" sollte der Kläger an der Erstellung eines internen und externen Newsletters für den jeweiligen Standort mit verschiedenen Inhalten mitwirken. Die Mehraufwandentschädigung betrug 1,10 EUR pro Stunde plus einer Fahrkarte. Dem Kläger wurde aufgegeben, sich umgehend mit dem Träger der Maßnahme in Verbindung zu setzen. Dem Schreiben war eine Rechtsfolgenbelehrung beigefügt.

Nachdem der Kläger sich mit dem Maßnahmeträger nicht in Verbindung gesetzt hatte, hörte der Beklagte mit Schreiben vom 10.05.2012, zugestellt am 12.05.2012, zum möglichen Eintritt einer Sanktion an. Eine Reaktion auf dieses Schreiben erfolgte seitens des Klägers nicht.

Mit Bescheid vom 11.06.2012 senkte der Beklagte das dem Kläger zustehende Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.07.2012 bis 30.09.2012 monatlich um 30% des maßgebenden Regelbedarfs, d.h. in Höhe von monatlich 112,50 EUR, ab.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, die Arbeitszeit sei mit 32,5 h/Woche zu lang bemessen. Dieser Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 03.08.2012 als unbegründet zurückgewiesen.

Am 06.09.2012 hat der Kläger Klage erhoben. Er vertritt weiterhin die Auffassung, die wöchentliche Dauer der Maßnahme sei rechtswidrig gewesen. Auch verstoße sowohl das Arbeitsangebot als auch der Sanktionsbescheid gegen das Bestimmtheitsgebot. Der Kläger sei im Übrigen nicht der richtige Adressat für die Maßnahme QuB. Sowohl die Maßnahme als auch der Sanktionsbescheid seien daher rechtswidrig.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 11.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.08.2012 aufzuheben und ihm die im Rahmen der Sanktion einbehaltenen Leistungen auszuzahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 08.01.2013 gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht in seinen Rechten nach § 54 Abs. 2 SGG verletzt, da die Bescheide rechtmäßig sind.

Kläger hat aufgrund seiner Weigerung die ihm mit Schreiben vom 03.04.2012 zugewiesene Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung bei der Q-C gGmbH anzutreten den Tatbestand des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II verwirklicht.

Nach dieser Vorschrift verletzten erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten nach dem SGB II, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis sich weigern, eine zumutbare Arbeitsgelegenheit nach § 16d aufzunehmen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern,

Der Beklagte hat dem Kläger mit Schreiben vom 03.04.2012 eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung bei der Q-C gGmbH zugewiesen (vgl. zur Rechtsnatur einer solchen Zuweisung BSG Urteil vom 13.04.2011- B 14 AS 101/10 R = juris Rn. 15 m.w.N.; BSG Urteil vom 27.08.2011 - B 4 AS 1/10 R = juris Rn. 30 ff. m.w.N.; zum Streitstand auch Harks, in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 16d i.d.F. vom 13.05.2011, Rn. 50 ff.; Sonnhoff, in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 31 Rn. 79). Diese Arbeitsgelegenheiten, gehören systematisch zum Katalog der Eingliederungsleistungen, deren Aufgabe die umfassende Unterstützung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mit dem Ziel der Eingliederung in Arbeit ist – Grundsatz des Förderns, vgl. § 14 SGB II – (BSG Urteil vom 13.04.2011 - B 14 AS 98/10 R = juris Rn. 16). Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Zuweisung im konkreten Fall bestehen nicht. Nach § 16d Abs. 1 SGB II können erwerbsfähige Leistungsberechtigte zur Erhaltung oder Wiedererlangung ihrer Beschäftigungsfähigkeit, die für eine Eingliederung in Arbeit erforderlich ist, in Arbeitsgelegenheiten zugewiesen werden, wenn die darin verrichteten Arbeiten zusätzlich sind, im öffentlichen Interesse liegen und wettbewerbsneutral sind. Den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist während einer solchen Arbeitsgelegenheit gemäß § 16d Abs. 7 Satz 1 SGB II zuzüglich zum Arbeitslosengeld II von der Agentur für Arbeit eine angemessene Entschädigung für Mehraufwendungen zu zahlen. Nach § 16d Abs. 3 SGB II sind Arbeiten dann zusätzlich im Sinne des Abs.1, wenn sie ohne die Förderung nicht, nicht in diesem Umfang oder erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt würden. Sie liegen im öffentlichen Interesse, wenn das Arbeitsergebnis der Allgemeinheit dient, § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II. Hingegen liegen Arbeiten, deren Ergebnis überwiegend erwerbswirtschaftlichen Interessen oder den Interessen eines begrenzten Personenkreises dient, nicht im öffentlichen Interesse. Allerdings wird das Vorliegen des öffentlichen Interesses wird nicht allein dadurch ausgeschlossen, dass das Arbeitsergebnis auch den in der Maßnahme beschäftigten Leistungsberechtigten zugutekommt, wenn sichergestellt ist, dass die Arbeiten nicht zu einer Bereicherung Einzelner führen. Gemäß § 16d Abs. 4 SGB II sind Arbeiten wettbewerbsneutral, wenn durch sie eine Beeinträchtigung der Wirtschaft infolge der Förderung nicht zu befürchten ist und Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weder verdrängt noch in ihrer Entstehung verhindert wird.

Die vom Beklagten dem Kläger offerierte Tätigkeit als Bürohelfer bei der PiccoBella gGmbH erfüllt diese Voraussetzungen.

Bei der Q-C gGmbH handelt es sich um ein mit öffentlichen Mittel gefördertes, gemeinnütziges, Dienstleistungs- und Qualifizierungsunternehmen, das mit dem Ziel gegründet wurde, Menschen durch Qualifizierung und Beschäftigung eine berufliche und persönliche Perspektive zu ermöglichen. In der Q-C gGmbH arbeiten derzeit ca. 120 Frauen und Männer aus über zwanzig Nationen in verschiedenen Dienstleistungssektoren (vgl. dazu). Sie betreibt – zusammen mit anderen sozialen Einrichtungen (Alexianer Aachen GmbH, vgl.,Spectrum – Rheinischer Verein für katholische Arbeiterkolonien e.V., vgl., WaBe e.V., vgl.) – und dem Beklagten ein Projekt, welches dem Zweck dient Leistungsempfängern praxis- und realitätsnahe Angebote zum Einüben von für das Arbeitsleben nützlichen und geforderten Tugenden und Fertigkeiten zu machen. Die Teilnehmer dieser Maßnahme QuB sollen zum einen einen geregelten Arbeitsrhythmus einüben, zum anderen aber auch berufsspezifische Fertigkeiten erlernen oder verbessern. Dabei ist neben der Anleitung der Teilnehmer im fachlichen Bereich ist eine sozialpädagogische Betreuung ebenfalls in dem Projekt angelegt.

Der Kläger sollte die Q-C gGmbH bei Verwaltungstätigkeiten unterstützen. So ging es erkennbar – nicht nur, aber vor allem – um Hilfsleistungen beim Erstellen eines internen bzw. externen Newsletters. Hierbei handelt es sich nach Auffassung der Kammer eindeutig Arbeiten, die es auf der einen Seite dem Leistungsempfänger – durch Eingliederung in einen Arbeitsablauf – ermöglichen, an ein geregeltes Arbeitsleben herangeführt zu werden, auf der anderen Seite wird hierdurch – entgegen der Auffassung des Klägers - auch kein "regulärer" Arbeitsplatz verdrängt. Dies zum einen im Hinblick auf die Tätigkeiten (u.a. Erstellung von internen und externen Newsletter), zum anderen aber auch im Hinblick auf die besondere fachliche und sozialpädagogische Betreuung. Vor diesem Hintergrund ist auch die monatliche Wochenarbeitszeit nicht zu beanstanden. Es ist auch nach Auffassung der Kammer zum Wiedererlernen eines geregelten Arbeitens zweckmäßig, die wöchentliche Arbeitszeit an das anzupassen, was üblich ist. Eine Verdrängung "regulärer" Arbeitsplätze ist hiermit – aufgrund der besonderen Konzeption der Maßnahme – auch im Hinblick auf die Dauer der Maßnahme nicht verbunden. Die Selbsteinschätzung des Klägers, er bedürfe der Teilnahme an der Maßnahme nicht, teilt – wie schon der Beklagte – die Kammer vor dem Hintergrund der schon längerfristigen Arbeitslosigkeit des Klägers nicht. Die Kammer ist vielmehr überzeugt, dass die Maßnahme durchaus geeignet ist, den Kläger an den Arbeitsmarkt heranzuführen.

Entgegen der Auffassung des Klägers war das Schreiben vom 03.04.2012 auch nicht zu unbestimmt. Art, Umfang und Dauer sowie Gegenleistung sind vielmehr hinreichend bestimmt (vgl. Harks, in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 16d Rn. 53; Landessozialgericht – LSG – Hamburg Beschluss vom 11.07.2005 - L 5 B 161/05 ER AS = juris Rn. 8; hierzu bereits Bundesverwaltungsgericht – BVerwG – Urteil vom 13.10.1983 - 5 C 66/82 = juris Rn. 11 ff. zum BSGH).

Der Kläger ist auch zutreffend über die Rechtsfolgen einer Weigerung der Teilnahme an der Maßnahme hingewiesen worden.

Der Kläger hat diese Arbeitsangelegenheit nicht angetreten und damit sich im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 geweigert diese aufzunehmen. Einen wichtigen Grund im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II für diese Weigerung hat der Kläger weder dargetan noch ist ein solcher ersichtlich. Die – rechtsfehlerhafte – Annahme, die Zuweisung sei rechtswidrig gewesen, stellt keinen wichtigen Grund dar. Nach § 31a Abs. 1 Satz 1 SGB II zieht diese Pflichtverletzung eine Minderung des Arbeitslosengeldes II um 30 Prozent des für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs nach sich. Der angefochtene Bescheid ist vor diesem Hintergrund rechtmäßig. Bedenken gegen die Bestimmtheit des Sanktionsbescheids bestehen – entgegen der Auffassung des Klägers – ebenfalls nicht. Es ist eindeutig geregelt für welchen Zeitraum der Anspruch des Klägers in welcher Höhe gemindert ist. Der Kläger ist auch gemäß § 24 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) angehört worden. Die Kammer konnte die Streitsache auch in Abwesenheit des nicht persönlich geladenen Klägers entscheiden, ohne seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG) zu verletzen. Auf diese Möglichkeit ist der Kläger in der ordnungsgemäß zugestellen Ladung zum Termin ausdrücklich hingewiesen worden (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Die Berufung ist im Hinblick auf den Gegenstandswert der Klage (3 x 112,50 = 337,50 EUR) zulassungsbedürftig, § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Gründe die Berufung gemäß § 144 Abs. 2 zuzulassen liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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