Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 R 559/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Nacherhebung von Beiträgen zur Krankenversicherung (KV) und Pflegeversicherung (PV) aufgrund einer Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) sowie über die Einbehaltung der Beitragseigenanteile des Klägers für die Zeit vom 01.01.2008 bis 30.09.2012 in Höhe von 4.355,01 EUR durch Einbehaltung aus der laufenden Rente des Klägers für März 2013 bis März 2014.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger bezieht – neben einer niederländischen Rente (monatlich 83,22 EUR) und einer Rente aus einer privaten Unfallversicherung (monatlich 510,00 EUR) – von der Beklagten seit 01.10.1999 Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Er ist verheiratet; seine Ehefrau erhält ebenfalls eine niederländische Rente (monatlich 83,22 EUR) und eine Altersrente (monatlich 610,00 EUR; Stand November 2013). Bis Mai 2000 bezog der Kläger daneben Arbeitslosenhilfe; er war deshalb als Pflichtmitglied in der Krankenversicherung der Arbeitslosen vorrangig bei den Beigeladenen kranken- und pflegepflichtversichert. Auf die entsprechende Meldung der Beigeladenen zu 1) führte die Beklagte Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge an die Beigeladenen ab und behielt die Beitragsanteile des Klägers aus dessen Rente bis 31.05.2000 ein (Rentenbescheid vom 26.05.2000).
Seit 01.06.2000 ist der Kläger Pflichtmitglied in der KVdR. Dementsprechend teilte die Beigeladene zu 1) im August 2000 der Beklagten mit, dass ab 01.06.2000 Beiträge zur KV und PV aus der Rente einzubehalten seien. Mit maschinellem Meldesatz vom 18.08.2000 bestätigte die Beklagte gegenüber der Beigeladenen zu 1) den Beitragseinbehalt aus der Rente.
Erst im Juni 2012 stellte die Beklagte im Rahmen des KVdR-Meldeverfahrens fest, dass es im Jahre 2000 zu einer fehlerhaften Verarbeitung von Datensätzen gekommen war. Dies hatte dazu geführt, dass die Beklagte keine Beiträge aus der Rente des Klägers an die Beigeladenen abgeführt hatte, weder den Anteil des Rentenversicherungsträgers noch den Anteil des Klägers; dementsprechend hatte sie auch nicht die Beitragseigenanteile des Klägers von dessen (Brutto-)Rente einbehalten. Die Beigeladenen waren bis dahin von einer Beitragsabführung zu ihren Gunsten ausgegangen, ohne dass sie dies jedoch hätten verifizieren können, da die Beiträge nicht personenbezogen vom Rentenversicherungsträger überwiesen werden.
Seit dem 01.10.2012 werden laufend aus der Rente des Klägers KV- und PV-Beiträge an die Beigeladenen abgeführt und die Eigenanteile des Klägers einbehalten.
Nach Anhörung des Klägers forderte die Beklagte durch Bescheid vom 06.12.2012 die Beitragsanteile des Klägers zur KV und PV für die Zeit vom 01.01.2008 bis 30.09.2012 in Höhe von 4.355,01 EUR nach. Sie teilte mit, dass beabsichtigt sei, diese Beiträge von der laufenden Rente einzubehalten. Die Beitragspflicht folge aus den §§ 226, 228, 237 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V); nach § 249a SGB V würden der Rentenempfänger und der Rentenversicherungsträger die nach der Rente zu bemessenden KV-Beiträge je zur Hälfte tragen; entsprechendes gelte für die PV. Die Beitragsanteile des Rentenempfängers seien gem. § 255 Abs. 1 Satz 1 SGB V vom Rentenversicherungsträger aus der Rente einzubehalten; wenn dies unterblieben sei, habe der Rentenversicherungsträger gem. § 255 Abs. 2 SGB V die rückständigen Beiträge aus der weiter zu zahlenden Rente einzubehalten, wobei § 51 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) zu beachten sei. Die nach dieser Vorschrift zu treffende Aufrechnungsentscheidung sei nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen; der Kläger werde durch die Aufrechnung nicht grundsicherungsbedürftig, seine finanzielle Situation sei – nach Anhörung – berücksichtigt worden.
Dagegen erhob der Kläger am 18.12.2012 Widerspruch. Er meinte, eine "Rückforderung" von KV- bzw. PV-Beitragseigenanteilen für die Vergangenheit sei nicht möglich, allenfalls für die Zukunft. Er habe bestandskräftige Rentenbescheide erhalten, in denen nie ein Beitragsanteil aufgeführt gewesen sei. Er habe sich auf die gezahlten Leistungen eingestellt und diese verbraucht. Es sei Entreicherung eingetreten. Der Kläger machte Hilfebedürftigkeit infolge der Aufrechnung durch Mitteilung diverser Einkünfte und Ausgaben in einem Prozesskostenhilfeformular unter Beifügung von Anlagen geltend.
Durch Bescheide vom 16.01. und 16.05.2013 berechnete die Beklagte die Altersrente ab 01.03. bzw. 01.07.2013 neu. Danach betrug der nach Abzug des laufenden KV-Beitragsanteils und des laufenden PV-Beitrags verbleibende Zahlbetrag ab 01.03.2013 monatlich 711,20 EUR und ab 01.07.2013 monatlich 712,97 EUR. Hiervon setze die Beklagte einen monatlichen Einbehaltungsbetrag von 355,60 EUR ab 01.03.2013 und 356,48 EUR ab 01.07.2013 zur Begleichung der Beitragsforderung für die Zeit vom 01.01.2008 bis 30.09.2012 fest.
Sodann wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 22.08.2013 als unbegründet zurück. Sie stellte klar, dass es sich bei den nachträglich einbehaltenen Eigenanteilen um eine Beitragsforderung, nicht um die Rückforderung zu Unrecht ausgezahlter Rentenbeträge handele, sodass die Vorschriften über die Aufhebung von Verwaltungsakten und Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen nach §§ 44, 45, 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) (Vertrauensschutz, Bösgläubigkeit, Fristen) keine Anwendung fänden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verstoße es nicht gegen Treu und Glauben, KV- und PV-Beiträge, deren Einbehaltung zunächst unterblieben sei, auch später noch geltend zu machen. Die Nachforderung von Beiträgen für die Zeit vor dem 01.01.2008 erfolge nicht, da diese verjährt seien.
Dagegen hat der Kläger am 23.09.2013 Klage erhoben. Er meint, die Beklagte habe Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht berücksichtigt, ebenso wenig seine Lebensumstände. Sein Vertrauen auf die Richtigkeit der Bescheide sei schutzwürdig. Es müsse davon ausgegangen werden, dass ein Versicherter, der davon ausgehe, alles sei in Ordnung, die Rentenbescheide nicht auf irgendwelche fehlerhaften Auffassungen des Rentenversicherungsträgers durchsuchen müsse. Der Kläger behauptet, am 10.07.2002 bei der Beklagten eine Aufschlüsselung der KV- und PV-Beiträge erbeten zu haben; diese Anfrage habe die Beklagte nicht beantwortet. Der Kläger hat auf Aufforderung des Gerichts eine Sozialhilfebedarfsberechnung des Sozialamtes der Stadt Aachen vorgelegt; daraus ergibt sich, dass der Kläger und seine Ehefrau auch unter Berücksichtigung der seit 01.03.2013 einbehaltenen KV- und PV-Beiträge nicht sozialhilfebedürftig geworden ist. Ihr gemeinsames Einkommen (Stand: November 2013) lag monatlich 164,67 EUR über dem Sozialhilfebedarf.
Durch Bescheid vom 24.01.2014 hat die Beklagte die Altersrente des Klägers ab 01.03.2014 neu berechnet; sie hat einen letztmaligen Einbehalt aus der Beitragsnachforderung für März 2014 in Höhe von 80,77 EUR festgesetzt und mitgeteilt, dass ab 01.04.2014 die volle Auszahlung der Netto-Rente in Höhe von 712,97 EUR erfolgt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 06.12.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2013 aufzuheben, die Bescheide vom 16.01.2013, 16.05.2013 und 24.01.2014 aufzuheben, soweit dadurch die Einbehaltung von Rentenbeträgen in Höhe von monatlich 355,60 EUR für März bis Juni 2013, monatlich 356,48 EUR für Juli 2013 bis Februar 2014 und einmalig in Höhe von 80,77 EUR für März 2014 festgesetzt worden ist, und die Beklagte zu verpflichten, ihm die bereits einbehaltenen Beträge zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verbleibt bei ihrer in den angefochtenen Bescheidenen vertretenen Rechtsauffassung. Sie hält die Aufrechnung gemäß § 51 Abs. 2 SGB I für zulässig; der Kläger habe den ihm obliegenden Nachweis einer durch die Aufrechnung eintretenden Hilfebedürftigkeit nicht geführt.
Die Beigeladene zu 1) hat die Meldevorgänge aus dem Jahre 2000 dargestellt und mitgeteilt, dass sie nach Feststellung des Datenfehlers dem Rentenversicherungsträger am 28.08.2012 die Beitragspflicht des Klägers zum 01.06.2000 erneut gemeldet habe. Die Beigeladenen haben keinen eigenen Antrag gestellt und sich dem Antrag der Beklagten angeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Die Beklagte war nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, Beiträge zur gesetzlichen KV und PV für die Zeit vom 01.01.2008 bis 30.09.2012 nachzuerheben. Sie war auch berechtigt, die auf den Kläger entfallenden Beitragsanteile, die sie zutreffend für den Nachforderungszeitraum mit 4.355,01 EUR errechnet hat, ab 01.03.2013 aus der laufenden Altersrente des Klägers einzubehalten. Sie hat dabei die Aufrechnungsschutzvorschrift des § 51 Abs. 2 SGB I beachtet, indem sie ihre Beitragsansprüche gegen den Kläger gegen dessen Ansprüche auf laufende Rentenleistungen bis zur Hälfte der Rente aufrechnete.
Der Kläger ist (jedenfalls) seit 01.06.2000 versicherungspflichtig in der gesetzlichen KV (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V) und in der sozialen PV (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 Elftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB XI). Die aus dieser Versicherungspflicht resultierende Beitragspflicht und die Bemessung der zu zahlenden Beiträge ergibt sich in der KV aus §§ 223 Abs. 2 Satz 1, 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 228 Abs. 1 Satz 1 SGB V und in der PV aus §§ 54, 57 Abs. 1 SGB XI i.V.m. §§ 226, 228 SGB V. Danach sind die Beiträge zur KV und PV nach den beitragspflichtigen Einnahmen zu bemessen; bei versicherungspflichtigen Rentnern werden der Beitragsbemessung der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung zugrunde gelegt. Die Beitragssätze ergeben sich für die KV aus §§ 241, 247 und 241a (bis 31.12.2008) bzw. 249a (ab 01.01.2009) SGB V, für die PV aus § 55 Abs. 1 und 3 SGB XI. Nach § 249a Satz 1 SGB V tragen bei Versicherungspflichtigen, die eine Rente beziehen, der Träger der Rentenversicherung und die Rentner die Beiträge je zur Hälfte. In der PV tragen die Rentner die Beiträge allein (§ 59 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz SGB XI).
Nach § 255 Abs. 1 Satz 1 SGB V, auf den § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI für die PV verweist, sind Beiträge, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente zu tragen haben, bei der Zahlung der Rente einzubehalten. Ist bei der Zahlung der Rente die Einbehaltung von Beiträgen unterblieben, "sind" die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten (§ 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V).
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt. Der Kläger war seit 01.06.2000 beitragspflichtig zur KV und PV. Bei der Zahlung seiner Rente ab diesem Zeitpunkt ist die Einbehaltung von Beiträgen, wie dies § 255 Abs. 1 Satz 1 SGB V vorsieht, unterblieben. Infolgedessen war die Beklagte nach § 255 Abs. 2 SGB V verpflichtet, die rückständigen Beiträge aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten. Die Vorschrift des § 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V enthält keinen Ermessensspielraum des Rentenversicherungsträgers und auch keine Regelung über einen irgendwie gearteten Vertrauensschutz zugunsten des Rentenempfängers. Sie ist vielmehr so zu verstehen, dass der Rentenversicherungsträger bei der Nichterfüllung der Abführungspflicht die rückständigen Beiträge von der Rente einbehalten muss (so: BSG, Urteil vom 15.06.2000 – B 12 RJ 5/99 R; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.04.2005 – L 7 R 952/04 – Bayerisches LSG, Beschluss vom 13.02.2013 – L 19 R 463/12 B). Für einen bereicherungsrechtlichen Entreicherungseinwand gemäß § 818 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist kein Raum (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.10.2012 – L 3 R 707/11). Auch wenn nicht der Rentenempfänger, sondern der Versicherungsträger allein die Unterlassung der Beitragseinbehaltung verschuldet hat, berührt dies dessen grundsätzliche Berechtigung und Verpflichtung zur Nachforderung der Beiträge nicht. Die Nacherhebung von Beiträgen unterliegt nicht den Einschränkungen des SGB X für die Rücknahme oder Änderung von Rentenbescheiden, da die nachträgliche Beitragserhebung die Rentenbewilligung oder die Berechnung der Rente unberührt lässt. Die Nacherhebung der Beiträge verstößt grundsätzlich auch nicht gegen Treu und Glauben, jedenfalls wenn sie innerhalb der Grenzen der Verjährung erfolgt (vgl. BSG, Urteil vom 23.05.1989 – 12 RK 66/87). Dementsprechend hat die Beklagte die Beitragsnachforderung zu Recht auch nur auf die Zeit ab 01.01.2008 beschränkt. Denn die davorliegenden Beiträge waren, wie sich aus § 25 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) ergibt, verjährt. Nach dieser Vorschrift verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Die ältesten von der Beklagten festgesetzten rückständigen Beiträge betreffen den Januar 2008. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 06.12.2012 war die hierfür im Januar 2009 beginnende Verjährungsfrist von vier Jahren noch nicht abgelaufen; das gilt erst recht für die restlichen vom Bescheid erfassten Zeiträume bis 30.09.2012.
Weiteren Einschränkungen unterliegt die Beitragsnacherhebung grundsätzlich nicht. Eine Verwirkung des Rechts auf Nacherhebung von Beiträgen ist nicht eingetreten. Eine solche Verwirkung setzt neben einem langen Zeitablauf besondere Umstände oder ein aktives Verhalten des berechtigten Rentenversicherungsträgers voraus, wodurch die verspätete Geltendmachung illoyal erscheint (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.04.2005 – L 7 R 952/04 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 23.05.1989 – 12 RK 23/88). Daran fehlt es im vorliegenden Fall ganz offensichtlich. Allein der Verbrauch der Rente in dem allgemeinen Vertrauen, es werde alles seine Richtigkeit haben, genügt für die Annahme der Verwirkung nicht. Soweit der Kläger sich überhaupt auf einen irgendwie gearteten Vertrauensschutz berufen kann, wird diesem durch die Verjährung von Beitragsforderungen für die Zeit vor 2008 ausreichend Rechnung getragen. Dem Kläger entstehen aus der nachträglichen Erfüllung seiner Beitragsschuld auch keine finanziellen Nachteile. Soweit eine nachträgliche Erfüllung der Beitragsschuld nicht oder nicht mehr vom Kläger gefordert werden kann, sind allein den Beigeladenen und der hinter diesen stehenden Versichertengemeinschaft durch den früher unterbliebenen Einbehalt der Beiträge Nachteile erwachsen.
Es ist nicht zu verkennen, dass der Kläger durch den Umstand, dass die Beklagte die rückständigen Beiträge dadurch einbehalten hat, dass sie die laufende Rente des Klägers in zwölf Monaten auf die Hälfte gekürzt hat und in einem letzten Monat um eine Restrate von 80,77 EUR mindern wird, für diesen vorübergehenden Zeitraum Belastungen hinnehmen muss(te). Diese "Nachteile", die durch die späte Nachentrichtung entstanden sind, werden durch die Grenzen des § 51 Abs. 2 SGB I, auf den § 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V verweist, berücksichtigt. Nach § 51 Abs. 2 SGB I kann der zuständige Leistungsträger mit Beitragsansprüchen gegen Ansprüche auf leistende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wird. Aus der vom Kläger vorgelegten Bedarfsberechnung des Sozialamtes der Stadt Aachen ergibt sich, dass auch unter Berücksichtigung der Aufrechnung und der dadurch bedingten Kürzung der Altersrente auf deren Hälfte der Kläger und seine Ehefrau nicht grundsicherungsbedürftig geworden sind. Ihr verbleibendes Einkommen überstieg den Grundsicherungsbedarf um mehr als 12,5 %. Die Beklagte hat im angefochtenen Bescheid vom 06.12.2012 auch von dem ihr in § 51 Abs. 2 SGB I eingeräumten Ermessen, ("kann") pflichtgemäß und in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht. Sie hat das Interesse des Klägers an der ungekürzten Weiterzahlung der Rente aufgrund des Zwecks der Rentenleistung sowie der Bedeutung der Rentenleistung, insbesondere der Rentenhöhe, für seine finanzielle Situation berücksichtigt und dem Interesse der Versichertengemeinschaft, ausstehende Beiträge einzuziehen, gegenübergestellt. Bei dieser Abwägung hat sie dem Interesse der Versichertengemeinschaft den Vorrang eingeräumt. Dies ist nicht zu beanstanden. Schon damals hatte der Kläger den Nachweis, dass er durch die Einbehaltung der nachgeforderten Beiträge hilfebedürftig würde, nicht erbringen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Nacherhebung von Beiträgen zur Krankenversicherung (KV) und Pflegeversicherung (PV) aufgrund einer Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) sowie über die Einbehaltung der Beitragseigenanteile des Klägers für die Zeit vom 01.01.2008 bis 30.09.2012 in Höhe von 4.355,01 EUR durch Einbehaltung aus der laufenden Rente des Klägers für März 2013 bis März 2014.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger bezieht – neben einer niederländischen Rente (monatlich 83,22 EUR) und einer Rente aus einer privaten Unfallversicherung (monatlich 510,00 EUR) – von der Beklagten seit 01.10.1999 Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Er ist verheiratet; seine Ehefrau erhält ebenfalls eine niederländische Rente (monatlich 83,22 EUR) und eine Altersrente (monatlich 610,00 EUR; Stand November 2013). Bis Mai 2000 bezog der Kläger daneben Arbeitslosenhilfe; er war deshalb als Pflichtmitglied in der Krankenversicherung der Arbeitslosen vorrangig bei den Beigeladenen kranken- und pflegepflichtversichert. Auf die entsprechende Meldung der Beigeladenen zu 1) führte die Beklagte Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge an die Beigeladenen ab und behielt die Beitragsanteile des Klägers aus dessen Rente bis 31.05.2000 ein (Rentenbescheid vom 26.05.2000).
Seit 01.06.2000 ist der Kläger Pflichtmitglied in der KVdR. Dementsprechend teilte die Beigeladene zu 1) im August 2000 der Beklagten mit, dass ab 01.06.2000 Beiträge zur KV und PV aus der Rente einzubehalten seien. Mit maschinellem Meldesatz vom 18.08.2000 bestätigte die Beklagte gegenüber der Beigeladenen zu 1) den Beitragseinbehalt aus der Rente.
Erst im Juni 2012 stellte die Beklagte im Rahmen des KVdR-Meldeverfahrens fest, dass es im Jahre 2000 zu einer fehlerhaften Verarbeitung von Datensätzen gekommen war. Dies hatte dazu geführt, dass die Beklagte keine Beiträge aus der Rente des Klägers an die Beigeladenen abgeführt hatte, weder den Anteil des Rentenversicherungsträgers noch den Anteil des Klägers; dementsprechend hatte sie auch nicht die Beitragseigenanteile des Klägers von dessen (Brutto-)Rente einbehalten. Die Beigeladenen waren bis dahin von einer Beitragsabführung zu ihren Gunsten ausgegangen, ohne dass sie dies jedoch hätten verifizieren können, da die Beiträge nicht personenbezogen vom Rentenversicherungsträger überwiesen werden.
Seit dem 01.10.2012 werden laufend aus der Rente des Klägers KV- und PV-Beiträge an die Beigeladenen abgeführt und die Eigenanteile des Klägers einbehalten.
Nach Anhörung des Klägers forderte die Beklagte durch Bescheid vom 06.12.2012 die Beitragsanteile des Klägers zur KV und PV für die Zeit vom 01.01.2008 bis 30.09.2012 in Höhe von 4.355,01 EUR nach. Sie teilte mit, dass beabsichtigt sei, diese Beiträge von der laufenden Rente einzubehalten. Die Beitragspflicht folge aus den §§ 226, 228, 237 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V); nach § 249a SGB V würden der Rentenempfänger und der Rentenversicherungsträger die nach der Rente zu bemessenden KV-Beiträge je zur Hälfte tragen; entsprechendes gelte für die PV. Die Beitragsanteile des Rentenempfängers seien gem. § 255 Abs. 1 Satz 1 SGB V vom Rentenversicherungsträger aus der Rente einzubehalten; wenn dies unterblieben sei, habe der Rentenversicherungsträger gem. § 255 Abs. 2 SGB V die rückständigen Beiträge aus der weiter zu zahlenden Rente einzubehalten, wobei § 51 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) zu beachten sei. Die nach dieser Vorschrift zu treffende Aufrechnungsentscheidung sei nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen; der Kläger werde durch die Aufrechnung nicht grundsicherungsbedürftig, seine finanzielle Situation sei – nach Anhörung – berücksichtigt worden.
Dagegen erhob der Kläger am 18.12.2012 Widerspruch. Er meinte, eine "Rückforderung" von KV- bzw. PV-Beitragseigenanteilen für die Vergangenheit sei nicht möglich, allenfalls für die Zukunft. Er habe bestandskräftige Rentenbescheide erhalten, in denen nie ein Beitragsanteil aufgeführt gewesen sei. Er habe sich auf die gezahlten Leistungen eingestellt und diese verbraucht. Es sei Entreicherung eingetreten. Der Kläger machte Hilfebedürftigkeit infolge der Aufrechnung durch Mitteilung diverser Einkünfte und Ausgaben in einem Prozesskostenhilfeformular unter Beifügung von Anlagen geltend.
Durch Bescheide vom 16.01. und 16.05.2013 berechnete die Beklagte die Altersrente ab 01.03. bzw. 01.07.2013 neu. Danach betrug der nach Abzug des laufenden KV-Beitragsanteils und des laufenden PV-Beitrags verbleibende Zahlbetrag ab 01.03.2013 monatlich 711,20 EUR und ab 01.07.2013 monatlich 712,97 EUR. Hiervon setze die Beklagte einen monatlichen Einbehaltungsbetrag von 355,60 EUR ab 01.03.2013 und 356,48 EUR ab 01.07.2013 zur Begleichung der Beitragsforderung für die Zeit vom 01.01.2008 bis 30.09.2012 fest.
Sodann wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 22.08.2013 als unbegründet zurück. Sie stellte klar, dass es sich bei den nachträglich einbehaltenen Eigenanteilen um eine Beitragsforderung, nicht um die Rückforderung zu Unrecht ausgezahlter Rentenbeträge handele, sodass die Vorschriften über die Aufhebung von Verwaltungsakten und Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen nach §§ 44, 45, 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) (Vertrauensschutz, Bösgläubigkeit, Fristen) keine Anwendung fänden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verstoße es nicht gegen Treu und Glauben, KV- und PV-Beiträge, deren Einbehaltung zunächst unterblieben sei, auch später noch geltend zu machen. Die Nachforderung von Beiträgen für die Zeit vor dem 01.01.2008 erfolge nicht, da diese verjährt seien.
Dagegen hat der Kläger am 23.09.2013 Klage erhoben. Er meint, die Beklagte habe Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht berücksichtigt, ebenso wenig seine Lebensumstände. Sein Vertrauen auf die Richtigkeit der Bescheide sei schutzwürdig. Es müsse davon ausgegangen werden, dass ein Versicherter, der davon ausgehe, alles sei in Ordnung, die Rentenbescheide nicht auf irgendwelche fehlerhaften Auffassungen des Rentenversicherungsträgers durchsuchen müsse. Der Kläger behauptet, am 10.07.2002 bei der Beklagten eine Aufschlüsselung der KV- und PV-Beiträge erbeten zu haben; diese Anfrage habe die Beklagte nicht beantwortet. Der Kläger hat auf Aufforderung des Gerichts eine Sozialhilfebedarfsberechnung des Sozialamtes der Stadt Aachen vorgelegt; daraus ergibt sich, dass der Kläger und seine Ehefrau auch unter Berücksichtigung der seit 01.03.2013 einbehaltenen KV- und PV-Beiträge nicht sozialhilfebedürftig geworden ist. Ihr gemeinsames Einkommen (Stand: November 2013) lag monatlich 164,67 EUR über dem Sozialhilfebedarf.
Durch Bescheid vom 24.01.2014 hat die Beklagte die Altersrente des Klägers ab 01.03.2014 neu berechnet; sie hat einen letztmaligen Einbehalt aus der Beitragsnachforderung für März 2014 in Höhe von 80,77 EUR festgesetzt und mitgeteilt, dass ab 01.04.2014 die volle Auszahlung der Netto-Rente in Höhe von 712,97 EUR erfolgt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 06.12.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2013 aufzuheben, die Bescheide vom 16.01.2013, 16.05.2013 und 24.01.2014 aufzuheben, soweit dadurch die Einbehaltung von Rentenbeträgen in Höhe von monatlich 355,60 EUR für März bis Juni 2013, monatlich 356,48 EUR für Juli 2013 bis Februar 2014 und einmalig in Höhe von 80,77 EUR für März 2014 festgesetzt worden ist, und die Beklagte zu verpflichten, ihm die bereits einbehaltenen Beträge zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verbleibt bei ihrer in den angefochtenen Bescheidenen vertretenen Rechtsauffassung. Sie hält die Aufrechnung gemäß § 51 Abs. 2 SGB I für zulässig; der Kläger habe den ihm obliegenden Nachweis einer durch die Aufrechnung eintretenden Hilfebedürftigkeit nicht geführt.
Die Beigeladene zu 1) hat die Meldevorgänge aus dem Jahre 2000 dargestellt und mitgeteilt, dass sie nach Feststellung des Datenfehlers dem Rentenversicherungsträger am 28.08.2012 die Beitragspflicht des Klägers zum 01.06.2000 erneut gemeldet habe. Die Beigeladenen haben keinen eigenen Antrag gestellt und sich dem Antrag der Beklagten angeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Die Beklagte war nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, Beiträge zur gesetzlichen KV und PV für die Zeit vom 01.01.2008 bis 30.09.2012 nachzuerheben. Sie war auch berechtigt, die auf den Kläger entfallenden Beitragsanteile, die sie zutreffend für den Nachforderungszeitraum mit 4.355,01 EUR errechnet hat, ab 01.03.2013 aus der laufenden Altersrente des Klägers einzubehalten. Sie hat dabei die Aufrechnungsschutzvorschrift des § 51 Abs. 2 SGB I beachtet, indem sie ihre Beitragsansprüche gegen den Kläger gegen dessen Ansprüche auf laufende Rentenleistungen bis zur Hälfte der Rente aufrechnete.
Der Kläger ist (jedenfalls) seit 01.06.2000 versicherungspflichtig in der gesetzlichen KV (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V) und in der sozialen PV (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 Elftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB XI). Die aus dieser Versicherungspflicht resultierende Beitragspflicht und die Bemessung der zu zahlenden Beiträge ergibt sich in der KV aus §§ 223 Abs. 2 Satz 1, 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 228 Abs. 1 Satz 1 SGB V und in der PV aus §§ 54, 57 Abs. 1 SGB XI i.V.m. §§ 226, 228 SGB V. Danach sind die Beiträge zur KV und PV nach den beitragspflichtigen Einnahmen zu bemessen; bei versicherungspflichtigen Rentnern werden der Beitragsbemessung der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung zugrunde gelegt. Die Beitragssätze ergeben sich für die KV aus §§ 241, 247 und 241a (bis 31.12.2008) bzw. 249a (ab 01.01.2009) SGB V, für die PV aus § 55 Abs. 1 und 3 SGB XI. Nach § 249a Satz 1 SGB V tragen bei Versicherungspflichtigen, die eine Rente beziehen, der Träger der Rentenversicherung und die Rentner die Beiträge je zur Hälfte. In der PV tragen die Rentner die Beiträge allein (§ 59 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz SGB XI).
Nach § 255 Abs. 1 Satz 1 SGB V, auf den § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI für die PV verweist, sind Beiträge, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente zu tragen haben, bei der Zahlung der Rente einzubehalten. Ist bei der Zahlung der Rente die Einbehaltung von Beiträgen unterblieben, "sind" die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten (§ 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V).
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt. Der Kläger war seit 01.06.2000 beitragspflichtig zur KV und PV. Bei der Zahlung seiner Rente ab diesem Zeitpunkt ist die Einbehaltung von Beiträgen, wie dies § 255 Abs. 1 Satz 1 SGB V vorsieht, unterblieben. Infolgedessen war die Beklagte nach § 255 Abs. 2 SGB V verpflichtet, die rückständigen Beiträge aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten. Die Vorschrift des § 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V enthält keinen Ermessensspielraum des Rentenversicherungsträgers und auch keine Regelung über einen irgendwie gearteten Vertrauensschutz zugunsten des Rentenempfängers. Sie ist vielmehr so zu verstehen, dass der Rentenversicherungsträger bei der Nichterfüllung der Abführungspflicht die rückständigen Beiträge von der Rente einbehalten muss (so: BSG, Urteil vom 15.06.2000 – B 12 RJ 5/99 R; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.04.2005 – L 7 R 952/04 – Bayerisches LSG, Beschluss vom 13.02.2013 – L 19 R 463/12 B). Für einen bereicherungsrechtlichen Entreicherungseinwand gemäß § 818 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist kein Raum (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.10.2012 – L 3 R 707/11). Auch wenn nicht der Rentenempfänger, sondern der Versicherungsträger allein die Unterlassung der Beitragseinbehaltung verschuldet hat, berührt dies dessen grundsätzliche Berechtigung und Verpflichtung zur Nachforderung der Beiträge nicht. Die Nacherhebung von Beiträgen unterliegt nicht den Einschränkungen des SGB X für die Rücknahme oder Änderung von Rentenbescheiden, da die nachträgliche Beitragserhebung die Rentenbewilligung oder die Berechnung der Rente unberührt lässt. Die Nacherhebung der Beiträge verstößt grundsätzlich auch nicht gegen Treu und Glauben, jedenfalls wenn sie innerhalb der Grenzen der Verjährung erfolgt (vgl. BSG, Urteil vom 23.05.1989 – 12 RK 66/87). Dementsprechend hat die Beklagte die Beitragsnachforderung zu Recht auch nur auf die Zeit ab 01.01.2008 beschränkt. Denn die davorliegenden Beiträge waren, wie sich aus § 25 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) ergibt, verjährt. Nach dieser Vorschrift verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Die ältesten von der Beklagten festgesetzten rückständigen Beiträge betreffen den Januar 2008. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 06.12.2012 war die hierfür im Januar 2009 beginnende Verjährungsfrist von vier Jahren noch nicht abgelaufen; das gilt erst recht für die restlichen vom Bescheid erfassten Zeiträume bis 30.09.2012.
Weiteren Einschränkungen unterliegt die Beitragsnacherhebung grundsätzlich nicht. Eine Verwirkung des Rechts auf Nacherhebung von Beiträgen ist nicht eingetreten. Eine solche Verwirkung setzt neben einem langen Zeitablauf besondere Umstände oder ein aktives Verhalten des berechtigten Rentenversicherungsträgers voraus, wodurch die verspätete Geltendmachung illoyal erscheint (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.04.2005 – L 7 R 952/04 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 23.05.1989 – 12 RK 23/88). Daran fehlt es im vorliegenden Fall ganz offensichtlich. Allein der Verbrauch der Rente in dem allgemeinen Vertrauen, es werde alles seine Richtigkeit haben, genügt für die Annahme der Verwirkung nicht. Soweit der Kläger sich überhaupt auf einen irgendwie gearteten Vertrauensschutz berufen kann, wird diesem durch die Verjährung von Beitragsforderungen für die Zeit vor 2008 ausreichend Rechnung getragen. Dem Kläger entstehen aus der nachträglichen Erfüllung seiner Beitragsschuld auch keine finanziellen Nachteile. Soweit eine nachträgliche Erfüllung der Beitragsschuld nicht oder nicht mehr vom Kläger gefordert werden kann, sind allein den Beigeladenen und der hinter diesen stehenden Versichertengemeinschaft durch den früher unterbliebenen Einbehalt der Beiträge Nachteile erwachsen.
Es ist nicht zu verkennen, dass der Kläger durch den Umstand, dass die Beklagte die rückständigen Beiträge dadurch einbehalten hat, dass sie die laufende Rente des Klägers in zwölf Monaten auf die Hälfte gekürzt hat und in einem letzten Monat um eine Restrate von 80,77 EUR mindern wird, für diesen vorübergehenden Zeitraum Belastungen hinnehmen muss(te). Diese "Nachteile", die durch die späte Nachentrichtung entstanden sind, werden durch die Grenzen des § 51 Abs. 2 SGB I, auf den § 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V verweist, berücksichtigt. Nach § 51 Abs. 2 SGB I kann der zuständige Leistungsträger mit Beitragsansprüchen gegen Ansprüche auf leistende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wird. Aus der vom Kläger vorgelegten Bedarfsberechnung des Sozialamtes der Stadt Aachen ergibt sich, dass auch unter Berücksichtigung der Aufrechnung und der dadurch bedingten Kürzung der Altersrente auf deren Hälfte der Kläger und seine Ehefrau nicht grundsicherungsbedürftig geworden sind. Ihr verbleibendes Einkommen überstieg den Grundsicherungsbedarf um mehr als 12,5 %. Die Beklagte hat im angefochtenen Bescheid vom 06.12.2012 auch von dem ihr in § 51 Abs. 2 SGB I eingeräumten Ermessen, ("kann") pflichtgemäß und in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht. Sie hat das Interesse des Klägers an der ungekürzten Weiterzahlung der Rente aufgrund des Zwecks der Rentenleistung sowie der Bedeutung der Rentenleistung, insbesondere der Rentenhöhe, für seine finanzielle Situation berücksichtigt und dem Interesse der Versichertengemeinschaft, ausstehende Beiträge einzuziehen, gegenübergestellt. Bei dieser Abwägung hat sie dem Interesse der Versichertengemeinschaft den Vorrang eingeräumt. Dies ist nicht zu beanstanden. Schon damals hatte der Kläger den Nachweis, dass er durch die Einbehaltung der nachgeforderten Beiträge hilfebedürftig würde, nicht erbringen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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