S 14 AS 921/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 14 AS 921/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 14.01.2013 verpflichtet, die Kläger für den Leistungszeitraum April bis September 2012 unter Berücksichti-gung der Anlagen des Antrages nach § 44 Abs. 1 SGB X neu zu bescheiden. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger dem Grunde nach.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Überprüfung im Rahmen des § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) unter Be-rücksichtigung der tatsächlichen Einkommenshöhe aus selbstständiger Erwerbstätigkeit im Zeitraum von April bis September 2012.

Die Kläger stehen als Bedarfsgemeinschaft seit 2010 im Leistungsbezug nach dem Sozi-algesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II), seit Februar 2012 beim Beklagten. Seit dieser Zeit ist der Kläger zu 1) selbstständig erwerbstätig und bietet Hausmeisterdienste und Bauleistungen (Trokenbau) an. Nach dem Umzug der Kläger in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten bewilligte dieser den Klägern aufgrund deren Antrages vom 29.03.2012 mit Bescheid vom 30.04.2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 491,24 EUR monatlich von April bis September 2012. Diese Bewilligung erfolgte auf der Grundlage der von den Klägern eingereichten prognostischen Erklärung zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit vorläufig und vorbehaltlich einer späteren endgültigen Festsetzung auf der Grundlage des tatsächlichen Einkommens. Die Kläger wurden zugleich darauf hingewiesen, dass, wenn Einnahmen und Ausgaben des Bewilligungszeitraumes innerhalb von zwei Monaten nach dessen Ablauf nicht nachgewiesen werden, vom Leistungsträger geschätzt werden können.

Am 24.09.2012 beantragten die Kläger Leistungsweiterbewilligung ab Oktober 2012 und legten zugleich eine prognostische Erklärung zum Einkommen aus selbständiger Tä-tigkeit – datiert auf den 05.09.2012 - für den Zeitraum von März bis August 2012 vor. In Anlehnung an diese Grundlage (Gewinn nach prognostischer Anlage EKS durchschnittlich rund 811 EUR, vom Beklagten angesetzt 900 EUR abzüglich Freibeträge nach § 11 b Abs. 2,3) bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 27.09.2012 für den folgenden BWZ (Oktober 12- März 13) vorläufig Leistungen in Höhe von 276,24 EUR monatlich.

Mit Schreiben vom selben Tage (27.09.2012) forderte der Beklagte die Bedarfsgemein-schaft der Kläger auf, den Nachweis des tatsächlichen Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit für den Zeitraum von März bis September 2012 durch Vorlage der Betriebswirt-schaftlichen Auswertung, Einnahmen-Überschuss-Rechnung bzw. Gewinn- und Verlustrechnung ihres Steuerberaters inklusive deren Anlagen zu führen. Mit weiterem Schreiben vom 10.12.2012 erneuerte der Beklagte seine Aufforderung und wies nochmals auf die Möglichkeit einer Schätzung in Ermangelung tatsächlicher Nachweise hin. Bei der Schätzung sei von einem recht hohen Einkommen auszugehen. Ein sich ergebender Überzahlungsbetrag sei dann zurückzufordern. Dazu gab er Gelegenheit zur Stellungnahme.

Mit Bescheid vom 14.01.2013 setzte der Beklagte schließlich Leistungen für den Bewilli-gungszeitraum von April bis September 2012 unter Schätzung des Einkommens des Klä-gers zu 1) endgültig fest. Dabei verblieb ein Leistungsanspruch der Kläger von 13,74 EUR monatlich. In der Begründung führte der Beklagte aus, Grundlage der Schätzung sei zum einen die von den Klägern vorgelegte Einkommensaufstellung vom 05.09.2012 (s.o.). Weiterhin müsse der Beklagte die Tatsache berücksichtigen, dass die Kläger sich weigerten die geforderten Unterlagen vorzulegen. Dies weise darauf hin, dass das Einkommen deutlich über dem bislang vorläufig berücksichtigten Einkommen liege. Bei der Schätzung sei ein durchschnittlicher Gewinn in Höhe von 1150 EUR unterstellt worden. Der danach überzahlte Betrag von 2865 EUR wurde zugleich zur Erstattung festgesetzt. In den anliegenden Berechnungsbögen war bei dem Kläger zu 1) ein Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit i. H. v. 1175 EUR monatlich angesetzt, dass um Freibeträge bereinigt auf 877,50 EUR sank. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Nunmehr vertreten durch ihren Bevollmächtigten beantragten die Kläger unter dem 04.07.2013 eine Überprüfung des Bescheides vom 14.01.2013 nach § 44 SGB X unter Vorlage einer Buchungsübersicht für die Monate April 2012 bis September 2012 und einer entsprechenden abschließenden Anlage EKS.

Mit Bescheid vom 16.07.2013 lehnte der Beklagte eine Überprüfung ab. Die Vorausset-zungen des § 44 SGB X seien nicht gegeben. Daher werde sich auf die Bestandskraft des Bescheides vom 14.01.2013 berufen.

Dagegen legten die Kläger am 08.08.2013 Wiederspruch ein. Zugleich korrigierten sie ihre abschließende Anlage EKS nochmals.

Der Beklagte wies den Widerspruch durch Bescheid vom 14.08.2013 mit der Begründung zurück, § 44 SGB X sei unter Beachtung der Bestandskraftdurchbrechung eng auszule-gen. Die Behauptung, es sei von falschen Tatsachenerwägungen ausgegangen worden, eröffne die Möglichkeit einer erneuten Überprüfung nicht. Da der Grundsicherungsträger zur Schätzung des Einkommens berechtigt sei, liege bei nachträglicher Vorlage von Einkommensnachweisen kein Fall der §§ 44 ff. SGB X vor.

Dagegen haben die Kläger am 14.09.2013 Klage erhoben. Zwar sei § 44 SGB X tatsäch-lich eng auszulegen. Es werde aber der Normzweck der materiellen Gerechtigkeitsver-wirklichung nicht beachtet. Zudem habe der Beklagte sein Ermessen bei der Einkom-mensschätzung nicht richtig ausgeübt. Er habe nicht pauschal auf die Einkommensauf-stellung vom 05.09.2012 Bezug nehmen dürfen, um sodann völlig willkürlich irgendeinen Betrag zu greifen, ohne auch nur ein einziges Wort darüber zu verlieren, wie er gerade zu diesem Betrag gelangt ist.

Der Beklagte führt zu seiner Schätzung zunächst aus, ein geschätzter Wert könne nach seiner Auffassung nicht berechnet werden. Da die Einkommensaufstellung des Klägers zu 1) vom 05.09.2013 nicht mit dem Gewährungszeitraum übereingestimmt habe und keinerlei Belage vorgelegt worden seien, seien die Ausgabepositionen "Investitionen und Raumkosten" mangels Prüffähigkeit im Hinblick auf die Notwendigkeit nicht berücksichtigt worden. Im Ergebnis habe diese Vorgehensweise zu einem monatlichen Schätzeinkommen von 1244,22 EUR geführt. Dieses habe man nach unten modifiziert um eine Rückzahlungspflicht der Kläger von Pflege- und Krankenversicherungsbeiträgen zu vermeiden.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

I. Die Kläger haben einen Anspruch auf Überprüfung des endgültig festsetzenden Erstat-tungsbescheides vom 14.01.2013 nach § 44 Abs. 1 SGB X. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs - Verwaltungsverfahren - (SGB X) ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb u.a. Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurück zu nehmen. Die Vorschrift ist analog auf Festsetzungs- und Erstattungsregelungen anwendbar. Denn es macht keinen Unterschied, ob Sozialleistungen von vorneherein zu Unrecht abgelehnt bzw. zu niedrig festgesetzt worden sind, bzw. dies ex post mit der Konsequenz einer Erstattungsfestsetzung geschieht. (vgl. Merten, in: Hauck-Noftz, SGB X, § 44, Rn. 70). Rechtsfolge eines im Anwendungsbereich des § 44 SGB X als rechtswidrig erkannten Verwaltungsaktes sind der Anspruch auf Aufhebung des Verwaltungsaktes und die Neufeststellung der im Streit stehenden Rechtspositionen. (Schütze, in: von Wulffen, SGBX, 6. Auflage 2008, § 44, Rn. 26).

Der unanfechtbare endgültig festsetzende Erstattungsbescheid vom 14.01.2013 ist an-fänglich (zum Erlasszeitpunkt) rechtswidrig.

II. Zwar ist der Ansicht des Beklagten insoweit zuzustimmen, dass eine anfängliche Rechtswidrigkeit nicht in Folge einer unrichtigen Sachverhaltsfeststellung i. S. der 2. Alternative des § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X festzustellen ist. (zur Abgrenzung der Alternativen überzeugend: Merten, in Hauk-Noftz, SGB X, § 44, Rn. 14, 24 ff). Denn – entgegen der Auffassung der Kläger - ist der Fall der nach einer Schätzung von Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit gem. § 3 Abs. 6 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/ Sozialgeld (Alg II-V) eingereichten Unterlagen zum Nachweis des tatsächlichen Einkommens kein solcher fehlerhafter Sachverhaltsfeststellung. (Geiger, ALG II, 2012 S. 383). Nach der Vorschrift des § 3 Abs. 6 Alg II-V kann das Einkommen im Bewilligungszeitraum bei der endgültigen Festsetzung von Leistungen nach dem SGB II geschätzt werden, wenn das tatsächliche Einkommen nicht innerhalb eines Zeitraumes von zwei Monaten nach Ende des Bewilligungszeitraumes nachgewiesen werden. Der Zweck der Vorschrift liegt offen erkennbar in der Schaffung eines endgültigen, bestandskräftigen und rechtssicheren Abschlusses eines vakanten Bewilligungszeitraumes. Damit soll vermieden werden, dass die in tatsächlicher Hinsicht besonders störanfällige Berechnung von Einkommen aus selbstständiger Arbeit nicht immer wieder aufs Neue durchzuführen ist. Die endgültige Festsetzung verlöre ihren Sinn, wenn sie stets in tatsächlicher Hinsicht aufs Neue zu prüfen wäre; sie bliebe vorläufig. In diesem Dienst steht § 3 Abs. 6 ALG II-V, der die Behörde gerade zu einer Schätzung ermächtigt. Denn das Institut einer Schätzung kann den Anspruch der Norm, eine "abschließende Entscheidung" zu ermöglichen, nur wahren, wenn die Tatsa-chengrundlage nicht erneut zur Disposition gestellt wird. Einer Schätzung ist ein Moment der tatsächlichen Ungewissheit immanent. Zum Ausgleich statuiert § 3 Abs. 6 ALG II-V eine zweimonatige Frist für den Hilfebedürftigen, um die Tatsachenbasis zu substantiie-ren. Damit wird der nach Ablauf dieser Frist bekannte Tatsachenstoff zum "richtigen" Sachverhalt i. S. d. § 44 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGB X.

III. 1. Allerdings ist der endgültig festsetzende Erstattungsbescheides vom 14.01.2013 infolge einer unrichtigen Rechtsanwendung i.S.d. § 44 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGB X fehlerhaft. Die vom Beklagten durchgeführte Schätzung ist nicht korrekt durchgeführt worden. Dieser Umstand war zu überprüfen, nachdem der Klägerbevollmächtigte erstmals mit Schriftsatz vom 01.10.2013 in diese Richtung zielend ausführte, der Be-klagte habe sein Ermessen nicht richtig ausgeübt. Nicht zulässig sei es gewesen, sich pauschal auf die Einkommensaufstellung vom 05.09.2012 zu beziehen, um sodann ir-gendeinen Betrag herauszugreifen, ohne auch nur ein einziges Wort darüber zu verlieren, wie gerade dieser Betrag ermittelt worden sei. Die Schätzung sei nicht korrekt (Schriftsatz vom 11.11.2013). Bis dato konnte bzw. musste im Sinne der Bestandkraft (§ 77 Sozialgerichtsgesetz) bzw. Rechtssicherheit und einer engen Anwendung des § 44 SGB X die Überprüfung des ursprünglichen Verwaltungsaktes auf die vom Betroffenen vorgebrachten Einwände (Nichtberücksichtigung der nun vorgelegten Unterlagen zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit) beschränkt werden, weil sich eine Rechtswidrigkeit im Bereich der Schätzung nicht aufdrängten musste. (vgl. dazu BSG 14.3.2012 – B 4 AS 239/11 B Rn. 6&8201;f.; BSGE 79, 297, 299 = SozR 3 – 4100 § 138 Nr. 9; BSG 9.9.1995 – 9 BVg 5/95, teilweise als erste Stufe einer "mehrstufigen Prüfung" bezeichnet: vgl. Merten, in: Hauck-Noftz, SGB X, § 44 Rn. 37).

2. Die Schätzung nach § 3 Abs. 6 ALG II-V ist kein Ermessensvorgang, sondern gericht-lich voll überprüfbar. Dabei muss die durchgeführte Schätzung schlüssig, wirtschaftlich möglich sein und der tatsächlichen Situation möglichst nahe kommen. (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 08.10.2010 – L 5 AS 200/10 B ER; Geiger, ALG II, 2012 S. 383; ders., in: LPK-SGB II, 5. Auflage 2013, § 11, Rn. 60.). Daraus folgt, dass eine Schätz-grundlage aus den wesentlichen zur Verfügung stehen Erkenntnisquellen gewonnen werden muss. Auf dieser Basis muss eine Einkommensermittlung möglichst in der gleichen Weise geschehen wie eine Einkommensberechnung aufgrund konkreter, prüffähiger Daten für den Bewilligungszeitraum.

3. Zunächst sind also die Grundsätze des § 3 Alg II-V zur Berechnung des Ein-kommens aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb und Land- und Forstwirtschaft zu beachten. Dabei wird auf die nach Maßgabe der nach § 3 Abs. 1-3 Alg II-V zu ermittelnde Differenz zwischen Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben abgestellt. Ausgangspunkt der Berechnung sind die erzielten Einnahmen, die im Be-willigungszeitraum von in der Regel sechs Monaten (§ 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II) tatsäch-lich zufließen (§ 3 Abs. 1 Alg II-V). Nach § 3 Abs. 2 Alg II-V sind hiervon (nur) tatsächlich geleistete, also abgeflossene Ausgaben abziehbar soweit diese "notwendig" waren. Die Berücksichtigung grds. notwendiger Ausgaben findet eine weitergehende Einschränkung in § 3 Abs. 3 Alg II-V, wonach tatsächliche Ausgaben nicht abgesetzt werden sollen, soweit diese ganz oder teilweise vermeidbar sind oder offensichtlich nicht den Lebensumständen während des Bezuges der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende entsprechen (Satz 1). Ausgaben können bei der Berechnung nicht abgesetzt werden, soweit das Verhältnis der Ausgaben zu den jeweiligen Erträgen in einem auffälligen Missverhältnis steht (Satz 3). Dadurch sollen Ausgaben ausgeschieden werden, die wirtschaftlich nicht angemessen sind, wodurch Leistungsmissbrauch vermieden werden soll, der entstehen kann, wenn betriebliche Ausgaben für überteuerte oder Luxusartikel ungeprüft als Ausgaben abgesetzt werden. Aus dieser Differenzierung in § 3 Abs. 2, 3 Alg II-V folgt, dass die Frage der Notwendigkeit die Ausgabeposition in Bezug auf den konkret ausgeübten Gewerbebetrieb an sich betrifft, während die Fragen der Vermeidbarkeit und Angemes-senheit Aspekte der konkreten Höhe der Ausgabenposition adressieren. Es ergibt sich ein mehrstufiges Prüfverfahren unterschiedlicher Aspekte. Nach Abzug dieser Ausga-ben von den Betriebseinnahmen ergibt sich dann das dem Arbeitnehmereinkommen vergleichbare Bruttoeinkommen.

4. Die durch den Beklagten mit Schriftsatz vom 12.11.2013 dargelegte Schätzung ge-nügt den Anforderungen an eine plausible, den tatsächlichen Umständen möglichst nahekommenden Schätzung vor diesem Hintergrund nicht. a) Das vollständige Streichen der Ausgabepositionen "Investitionen" und "Raumkosten" ist nicht korrekt: Zunächst wird diese Ausklammerung nicht plausibel, weil bei Berechnung des prognostischen Einkommens für den folgenden Bewilligungszeitraum dieselbe Anlage EKS zur Grundlage genommen wird, die "Streichung" dort aber gerade nicht erfolgt, gleichwohl keine Anhaltspunkte für eine wesentliche Änderung der gewerblichen Tätigkeit oder des gewerblichen Umfanges vorliegen und die prognostische Berechnung nach § 3 Abs. 1 -3 Alg II-V für den Folgezeitraum denselben Maßstäben wie die Schätzung nach § 3 Abs. 6 Alg II-V folgt. Ferner zählen – entgegen der Darlegung des Beklagten mit Schriftsatz vom 12.11.2013 - Investitionen und Raumkosten zu den grds. "notwendigen" Betriebsausgaben nach § 3 Abs. 2 ALG II-V (Geiger, in: LPK-SGB II, § 11, Rn. 56; ausführlich ders. ALG II, 2012, S. 374 ff.). Dass dies auch für das Gewerbe des Klägers gilt, erkennt der Beklagte im Grundsatz nicht nur dadurch selbst an, dass er diese Ausgabepositionen etwa in den Bescheiden vom 30.04.2012 und 27.09.2012 berücksichtigt. Er führt im Schriftsatz vom 12.11.2013 selbst aus, seiner Ansicht nach wäre die Anmietung einer Garage ausreichend. Soweit der Beklagte damit zum Ausdruck bringt, der für die benannten Positionen angesetzte Betrag falle zu hoch aus, bzw. in Ermangelung prüffähiger Unterlagen sei davon auszugehen gewesen, ist damit eine Frage der Vermeidbarkeit bzw. Angemessenheit i. S. § 3 Abs. 3 ALG-II V angesprochen (vgl. BayLSG, Beschluss vom 11.05.2010 – L 7 AS 232/10 B ER; LSG Sach-Anh, Beschluss vom 18.02.2009 – L 2 423/08 AS ER). Eine vollständige Nichtberücksichtigung ist danach nicht nur unter mangelnder Berücksichtigung der Prüfungsebenen des § 3 Abs. 2, 3 Alg II-V zustande gekommen. Dass Ergebnis ist zumindest hinsichtlich der Raumkosten – schon nach dem weiteren Vortrag des Beklagten selbst, eine angemietete Garage sei ausreichend – nicht plausibel, wenn zugleich die Ausgabeposition Raumkosten vollständig gestrichen wird. Dies findet auch Ausdruck in der argumentativen Verknüpfung mangelnder Übereinstimmung des Abrechnungszeitraumes (der prognostischen Erklärung zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit – datiert auf den 05.09.2012) mit dem Gewährleistungszeitraum und der Nichtberücksichtigung von Investitionen und Raumkosten mangels Prüffähigkeit der Notwendigkeit. Die Verschiebung der bezeichneten sechsmonatigen Zeiträume um einen Monat steht in keinem Zu-sammenhang mit der Notwendigkeit der unberücksichtigten Ausga-be(prognose)positionen. b) Nachdem zunächst vorgetragen worden ist, eine Schätzung lasse keine Berechnung zu, leidet die Schlüssigkeit der zuletzt erfolgten Berechnungsdarlegung weiterhin daran, dass diese mit einem (unbereinigten) monatlichen Einkommensbetrag endet, der weder dem unbereinigten Monatseinkommen des Klägers zu 1) entspricht, wie er in der Begründung des Bescheides vom 14.01.2013 ausgewiesen ist, noch den unbereinigten oder bereinigten Einkommensbeträgen, wie sie die dem o. a. Bescheid beigefügten Berechnungsbögen darstellen. Dabei ist dann festzustellen, dass auch die angenommenen Einkommensbeträge in der Begründung des zu überprüfenden Bescheides von jenen abweichen, die in dessen Berechnungsbögen verarbeitet worden sind. c) Sofern bei der schätzweisen Ermittlung des Einkommens aus selbstständiger Tätig-keit eine "Hinzuschätzung" weiterer Einnahmen bzw. eine "Wegschätzung" von Ausga-ben durch den Leistungsträger für zulässig erachtet wird, muss auch dieses Element der Schätzung so nah wie möglich den ermittelten Verhältnissen entsprechen. Die Hinzuschätzung muss in vollem Umfang gerichtlich überprüft sein, ein Beurteilungsspielraum steht dem Leistungsträger insofern nicht zu (vgl. Sächs. LSG, Beschl. v. 14.6.2010 - L 7 AS 223/09 B ER -, in juris; SG Lüneburg, Beschluss vom 19. März 2013 – S 45 AS 13/13 ER –, juris). Daraus folgt notwendig (Art. 19 Abs. 4 GG), dass mindestens deutlich werden muss, welchen "Sicherheitsabschlag" der Beklagte gemacht hat, um den Umstand der Nichtvorlage prüffähiger Unterlagen zu be-rücksichtigen. Der Bescheid vom 14.01.2013 genügt diesem Anspruch ersichtlich nicht. Aber auch die Darlegung des Beklagten im Schriftsatz vom 12.11.2013 löst dieses Defizit nicht auf. Soweit sich die im Bescheid vom 14.01.2013 zum Ausdruck gebrachte "Hinzurechnung" von Einkommen zur vorläufigen Einkommensberechnung mit der Nichtberücksichtigung der vom Kläger zu 1) unter dem 05.09.2012 angegebenen Ausgabepositionen "Investitionen" und "Raumkosten" decken sollte, wäre auf oben stehende Ausführungen zu verweisen. d) Zuletzt ist zu bemängeln, dass die im Verfahren dargelegte Einkommensan-rechnung offenbar keine Absetzungen nach § 11 b Abs. 2,3 SGB II berücksichtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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