Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 R 207/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beigeladene bei den Klägern versicherungspflichtig beschäftigt ist.
Die berufstätigen Kläger haben zwei Kinder im Alter von sieben und 10 Jahren. Die Beigeladene hat eine Qualifizierung als Tagespflegeperson erfolgreich absolviert.
Am 12.01.2012 schlossen die Kläger und die Beigeladene einen Tagespflegevertrag. Un-ter Ziffer 2. des Vertrages wird geregelt, dass die Beigeladene ab dem 11.01.2012 in der Zeit von Montag bis Freitag jeweils von 12:00 bis 17:00 Uhr die Betreuung der beiden Kinder der Kläger übernimmt. Die Tagespflege findet – so Ziffer 1. des Vertrages – im Haushalt der Kläger statt. Die Höhe des Tagespflegegeldes wird unter Ziffer 4. mit 4 EUR pro Stunde/pro Kind angegeben. Für den Fall der finanziellen Bezuschussung durch das Jungendamt sieht der Vertrag vor, dass der Zuschuss zu den Tagespflegekosten unmittelbar an die Beigeladene überwiesen wird. Gemäß Ziffer 5. des Vertrages hat die Beigeladene keinen gesetzlichen Anspruch auf Urlaub sowie keinen Anspruch auf Fortzahlung des Betreuungsgeldes im Krankheitsfall. Unter Ziffer 8. des Vertrages wird festgehalten, dass in bestimmten Bereichen (Ernährung, Süßigkeiten, Fernsehen, Video, Computer, etc.) "nach Absprache" zwischen den Klägern und der Beigeladenen zu verfahren ist.
Mit gegenüber der Beigeladenen erlassenem Bescheid vom 18.01.2012 bewilligte das Jugendamt der Stadt E. für die Betreuung der Kinder der Kläger Leistungen für die Kindertagespflege im Rahmen eines Betreuungsumfangs von 25 Stunden/Woche pro Kind. Für jedes Kind bewilligte das Jugendamt eine Vergütung von 4 EUR/Stunde. Der Bescheid enthielt zudem die Mitteilung, dass die Abrechnung der tatsächlich geleisteten Betreuungsstunden nach Auswertung der von der Beigeladenen vorzulegenden monatlichen Betreuungsnachweise erfolgt.
Am 28.02.2012 übersandte die Beigeladene das von ihr ausgefüllte Formular "Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status" an die Beklagte. Zur Beschrei-bung des zu beurteilenden Auftragsverhältnisses nahm die Beigeladene auf den mit den Klägern geschlossenen Tagespflegevertrag Bezug, den sie in Ablichtung beifügte.
Mit Schreiben vom 02.03.2012 übersandte die Beklagte einen Fragenkatalog mit insge-samt 24 Fragen an die Beigeladene. Das Antwortschreiben der Beigeladenen ging am 14.03.2012 bei der Beklagten ein.
Mit Bescheid vom 24.08.2012 teilte die Beklagte den Klägern mit, die Prüfung des versi-cherungsrechtlichen Status habe ergeben, dass die Tätigkeit der Beigeladenen im Bereich der Kindertagespflege seit dem 11.01.2012 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Es bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Hiergegen erhoben die Kläger am 20.09.2012 Widerspruch. Zur Begründung führten sie aus, die Beigeladene habe mit ihrem Antrag vom 28.02.2012 lediglich ihrer Verpflichtung zur Meldung als pflichtversicherte Selbstständige nachkommen wollen. Versehentlich habe sie das falsche Formular aus dem Internet heruntergeladen und an die Beklagte übersandt. In der Sache sei eine Gesamtabwägung zwischen den Merkmalen, die für eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit sprächen, und denen für eine abhängige Beschäftigung vorzunehmen. Eine solche Abwägung sei durch die Beklagte aber nicht erfolgt. Die Beigeladene könne – anders als weisungsgebundene Arbeitnehmer – ihren Urlaub frei planen und gestalten. Die Kläger hätten auch kein Exklusivitätsrecht mit der Beigeladenen vereinbart. Vielmehr sei es ihr möglich, auch noch andere Kinder zu be-treuen. Richtig sei zwar, dass der Tagesablauf zwischen den Klägern und der Beigeladenen abgesprochen werde. Dies sei aber kein zwingendes Kriterium für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. Es sei nun einmal so, dass im Bereich der Kinderbetreuung eine ständige Abstimmung mit den Eltern zu erfolgen habe. Auch der Umstand, dass die Betreuung im Haushalt der Kläger ausgeübt werde, spreche nicht gegen ein selbstständiges Tätigwerden der Beigeladenen. Dies sei im Übrigen nicht zwingend, sondern beruhe auf einer Absprache im Einzelfall. Insgesamt ergebe sich nahezu überhaupt kein Anhaltspunkt für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2013 wies die Beklagte den Widerspruch als unbe-gründet zurück. Hierzu führte sie unter anderem aus, die Beigeladene setze ausschließ-lich ihre eigene Arbeitskraft ein und sei funktionsgerecht dienend in einer fremden Ar-beitsorganisation tätig. Ein Kapitaleinsatz, der auch mit der Möglichkeit eines Verlustes verbunden sei, liege nicht vor. Hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort seien der Beigeladenen nur scheinbar Gestaltungsmöglichkeiten eingeräumt. Der Einsatzort (Haushalt der Familie) stehe bei der Annahme des Auftrags fest und werde zwangsläufig vorgegeben. Auch die Einsatzzeit könne die Beigeladene überwiegend nicht selbst gestalten. Sie ergebe sich vielmehr aus der Ausgestaltung der Tätigkeit und orientiere sich an dem durch das Jugendamt festgelegten Betreuungsumfang. Der zeitliche Rahmen der Tätigkeit sei derart eingegrenzt, dass von einer persönlichen Abhängigkeit eines Arbeitnehmers auszugehen sei. Der Annahme einer Beschäftigung stehe auch nicht entgegen, dass keine Zahlung einer Vergütung im Urlaubs- oder Krankheitsfall erfolge. Die Selbstständigkeit eines Dienstverpflichteten werde nicht dadurch begründet, dass er durch den Verzicht auf Leistungen Verpflichtungen, Belastungen und Risiken übernehme, die über die Pflichten eines Arbeitnehmers hinausgingen.
Am 03.04.2013 haben die Kläger Klage erhoben.
Die Kläger nehmen Bezug auf ihre Widerspruchsbegründung und tragen ergänzend vor, die Beigeladene unterliege nicht ihrem Weisungsrecht. Sie erbringe ihre Leistungen in freier Verantwortung. Gegenüber der Beigeladenen bestehe auch keine Vergütungspflicht. Diese habe vielmehr die Stadt Düren unmittelbar übernommen.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid vom 24.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2013 aufzuheben und festzustellen, dass die Beigeladene bei ihnen nicht versiche-rungspflichtig beschäftigt ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf die Ausführungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid. Gründe, die zu einer Änderung ihrer Rechtsauffassung führen könnten, seien nicht ersichtlich. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Kläger sind durch den Bescheid vom 24.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2013 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Der Bescheid ist rechtmäßig. Denn die Beigeladene übt ihre Tätigkeit für die Kläger als abhängig Beschäftigte aus.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI), § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) und § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung. Maßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV). Danach ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 25.04.2012, B 12 KR 24/10 R; Urteil vom 28.09.2011, B 12 R 17/09 R sowie Urteil vom 22.06.2005, B 12 KR 28/03 R). Bei manchen Tätigkeiten – etwa in Bereichen, in denen persönliche Zuwendung Gegenstand zu erbringender Dienste ist – kann dies dazu führen, dass sie nach den jeweiligen Umständen sowohl als Beschäftigung als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden können (BSG, Urteil vom 25.04.2012, B 12 KR 24/10 R).
Die vorzunehmende Gesamtwürdigung führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die Beigeladene bei den Klägern abhängig beschäftigt ist.
Die Beigeladene ist bei der Ausübung ihrer Betreuungstätigkeit organisatorisch und zeit-lich in den Haushalt der Kläger eingegliedert. Hierbei unterliegt sie in verschiedener Hin-sicht einem umfassenden Weisungsrecht der Kläger. Dies gilt zunächst örtlich und zeit-lich. So sieht der zwischen den Klägern und der Beigeladenen geschlossene Tagespfle-gevertrag vor, dass die Betreuung der Kinder im Haushalt der Kläger stattzufinden hat, womit eine verbindliche örtliche Festlegung hinsichtlich der von der Beigeladenen zu erbringenden Leistungen gegeben ist. Die Beigeladene verfügt demnach nicht über eine eigene Betriebsstätte. Insofern unterscheidet sich die hier zu beurteilende Konstellation etwa von dem Fall, dass eine Betreuungsperson Kinder verschiedener Eltern im eigenen Haushalt oder in anderen kindgerechten Räumlichkeiten eigenverantwortlich betreut. Der Beigeladenen ist es außerdem nicht möglich, nach eigenem Dafürhalten über ihre Arbeitszeit zu verfügen. Vielmehr sind von ihr feste Arbeits- bzw. Anwesenheitszeiten einzuhalten. Die täglichen Betreuungszeiten sind vertraglich vorgegeben (montags bis freitags 12:00 bis 17:00 Uhr). Dass der im Vertrag festgelegte zeitlichen Umfang der Betreuung auch tatsächlich so praktiziert wird, hat die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung am 26.03.2014 auf gerichtliche Nachfrage im Wesentlichen bestätigt, indem sie mitgeteilt hat, in der Regel täglich spätestens um 17:20 Uhr von einem der Kläger abgelöst zu werden. Auch hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung der Betreuung unterliegt die Beigeladene den Weisungen der Kläger. Zwar haben die Kläger zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Abstimmung zwischen Eltern und Betreuungsperson im Bereich der Kinderbetreuung typischerweise erfolgt. Allerdings liegen im vorliegenden Fall darüber hinausgehende Absprachen zwischen den Klägern und der Beigeladenen vor, die den eigenen Entscheidungsspielraum der Beigeladenen verengen und im Ergebnis für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung sprechen. So sieht der Tagespflegevertrag vor, dass in bestimmten Bereichen – konkret genannt werden Ernährung, Süßigkeiten, Fernsehen, Video und Computer – "nach Absprache" zwischen den Klägern und der Beigeladenen zu verfahren ist. Auf die Frage, ob es derartige Absprachen im Hinblick auf die Nutzung von Fernseher, Video oder Computer gibt, hat die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie sich insoweit durchaus an die Weisungen der Kläger gebunden fühle. Mit den Klägern sei konkret abgesprochen, dass die Kinder maximal eine Stunde am Tag fernsehen dürften. Bezüglich der Nutzung des Computers seien besondere Absprachen hinsichtlich der Nutzungsdauer deshalb nicht erforderlich, weil dieser so eingestellt sei, dass er nach einer gewissen Zeit automatisch herunterfahre. Für die Kammer belegt dies, dass die Beigeladene hinsichtlich der Gestaltung des Tagesablaufs an konkrete Vorgaben der Kläger gebunden ist und sich auch subjektiv an diese gebunden fühlt. Dies wird auch durch die im Verwaltungsverfahren gegenüber der Beklagten erfolgte schriftliche Stellungnahme der Beigeladenen bestätigt (Bl. 19 ff. der Verwaltungsakte). Denn auch dort hat sie angegeben, "den jeweiligen Tagesablauf und meine Tätigkeitsinhalte" mit den Klägern zu besprechen. Im Tagespflegevertrag wird darüber hinaus geregelt, dass beide Kinder sowohl den Spielplatz als auch Freunde in der Siedlung ohne Begleitung besuchen dürfen, wodurch das elterliche Weisungsrecht ebenfalls zum Ausdruck kommt. Der Umstand, dass die Beigeladene ihre Tätigkeit in eigener Person ohne Mitarbeiter zu verrichten hat, ist nach Überzeugung der Kammer ebenso ein Indiz für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1998, B 2 U 3/97 R). Auch die Vergütung nach Betreuungsstunden entspricht eher einem Arbeitsentgelt als einer Vergütung für eine selbstständige Tätigkeit, weist also auf das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses hin (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1998, B 2 U 3/97 R). Dass das Betreuungsverhältnis auf Vermittlung des Jugendamtes der Stadt Düren zustande gekommen ist und die Vergütung der Beigeladenen aufgrund der Vorschrift des § 23 Sozialgesetzbuch Achtes Buch – Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) unmittelbar durch die Stadt Düren erfolgt, spricht nicht gegen ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den Klägern und der Beigeladenden (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1998, B 2 U 3/97 R).
Für ein selbstständiges Tätigwerden spricht demgegenüber, dass die Beigeladene für die von ihr verrichtete Tätigkeit eine eigene Sammelhaftpflichtversicherung beim Tagesmüt-terverein Düren abgeschlossen hat. Das Fehlen eines vertraglichen Vergütungsanspruchs im Urlaubs- oder Krankheitsfall stellt nach Ansicht der Kammer hingegen kein Indiz für eine Selbstständigkeit der Beigeladenen dar. Insofern schließt sich die Kammer den Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid an, wonach der freiwillige Verzicht auf Leistungen nicht die Selbstständigkeit eines Dienstverpflichteten begründet; dies unabhängig davon, ob die entsprechende vertragliche Regelung nach arbeitsrechtlichen Vorschriften überhaupt wirksam ist. Auch der Umstand, dass die Beigeladene nach eigenen Angaben bei ihrer Krankenkasse als Selbstständige versichert ist, hat keine Bindungswirkung für ihren hier zu beurteilenden versicherungsrechtlichen Status.
Bei Würdigung des Gesamtbildes der Arbeitsleistung der Beigeladenen überwiegen für die Kammer die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beigeladene bei den Klägern versicherungspflichtig beschäftigt ist.
Die berufstätigen Kläger haben zwei Kinder im Alter von sieben und 10 Jahren. Die Beigeladene hat eine Qualifizierung als Tagespflegeperson erfolgreich absolviert.
Am 12.01.2012 schlossen die Kläger und die Beigeladene einen Tagespflegevertrag. Un-ter Ziffer 2. des Vertrages wird geregelt, dass die Beigeladene ab dem 11.01.2012 in der Zeit von Montag bis Freitag jeweils von 12:00 bis 17:00 Uhr die Betreuung der beiden Kinder der Kläger übernimmt. Die Tagespflege findet – so Ziffer 1. des Vertrages – im Haushalt der Kläger statt. Die Höhe des Tagespflegegeldes wird unter Ziffer 4. mit 4 EUR pro Stunde/pro Kind angegeben. Für den Fall der finanziellen Bezuschussung durch das Jungendamt sieht der Vertrag vor, dass der Zuschuss zu den Tagespflegekosten unmittelbar an die Beigeladene überwiesen wird. Gemäß Ziffer 5. des Vertrages hat die Beigeladene keinen gesetzlichen Anspruch auf Urlaub sowie keinen Anspruch auf Fortzahlung des Betreuungsgeldes im Krankheitsfall. Unter Ziffer 8. des Vertrages wird festgehalten, dass in bestimmten Bereichen (Ernährung, Süßigkeiten, Fernsehen, Video, Computer, etc.) "nach Absprache" zwischen den Klägern und der Beigeladenen zu verfahren ist.
Mit gegenüber der Beigeladenen erlassenem Bescheid vom 18.01.2012 bewilligte das Jugendamt der Stadt E. für die Betreuung der Kinder der Kläger Leistungen für die Kindertagespflege im Rahmen eines Betreuungsumfangs von 25 Stunden/Woche pro Kind. Für jedes Kind bewilligte das Jugendamt eine Vergütung von 4 EUR/Stunde. Der Bescheid enthielt zudem die Mitteilung, dass die Abrechnung der tatsächlich geleisteten Betreuungsstunden nach Auswertung der von der Beigeladenen vorzulegenden monatlichen Betreuungsnachweise erfolgt.
Am 28.02.2012 übersandte die Beigeladene das von ihr ausgefüllte Formular "Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status" an die Beklagte. Zur Beschrei-bung des zu beurteilenden Auftragsverhältnisses nahm die Beigeladene auf den mit den Klägern geschlossenen Tagespflegevertrag Bezug, den sie in Ablichtung beifügte.
Mit Schreiben vom 02.03.2012 übersandte die Beklagte einen Fragenkatalog mit insge-samt 24 Fragen an die Beigeladene. Das Antwortschreiben der Beigeladenen ging am 14.03.2012 bei der Beklagten ein.
Mit Bescheid vom 24.08.2012 teilte die Beklagte den Klägern mit, die Prüfung des versi-cherungsrechtlichen Status habe ergeben, dass die Tätigkeit der Beigeladenen im Bereich der Kindertagespflege seit dem 11.01.2012 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Es bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Hiergegen erhoben die Kläger am 20.09.2012 Widerspruch. Zur Begründung führten sie aus, die Beigeladene habe mit ihrem Antrag vom 28.02.2012 lediglich ihrer Verpflichtung zur Meldung als pflichtversicherte Selbstständige nachkommen wollen. Versehentlich habe sie das falsche Formular aus dem Internet heruntergeladen und an die Beklagte übersandt. In der Sache sei eine Gesamtabwägung zwischen den Merkmalen, die für eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit sprächen, und denen für eine abhängige Beschäftigung vorzunehmen. Eine solche Abwägung sei durch die Beklagte aber nicht erfolgt. Die Beigeladene könne – anders als weisungsgebundene Arbeitnehmer – ihren Urlaub frei planen und gestalten. Die Kläger hätten auch kein Exklusivitätsrecht mit der Beigeladenen vereinbart. Vielmehr sei es ihr möglich, auch noch andere Kinder zu be-treuen. Richtig sei zwar, dass der Tagesablauf zwischen den Klägern und der Beigeladenen abgesprochen werde. Dies sei aber kein zwingendes Kriterium für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. Es sei nun einmal so, dass im Bereich der Kinderbetreuung eine ständige Abstimmung mit den Eltern zu erfolgen habe. Auch der Umstand, dass die Betreuung im Haushalt der Kläger ausgeübt werde, spreche nicht gegen ein selbstständiges Tätigwerden der Beigeladenen. Dies sei im Übrigen nicht zwingend, sondern beruhe auf einer Absprache im Einzelfall. Insgesamt ergebe sich nahezu überhaupt kein Anhaltspunkt für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2013 wies die Beklagte den Widerspruch als unbe-gründet zurück. Hierzu führte sie unter anderem aus, die Beigeladene setze ausschließ-lich ihre eigene Arbeitskraft ein und sei funktionsgerecht dienend in einer fremden Ar-beitsorganisation tätig. Ein Kapitaleinsatz, der auch mit der Möglichkeit eines Verlustes verbunden sei, liege nicht vor. Hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort seien der Beigeladenen nur scheinbar Gestaltungsmöglichkeiten eingeräumt. Der Einsatzort (Haushalt der Familie) stehe bei der Annahme des Auftrags fest und werde zwangsläufig vorgegeben. Auch die Einsatzzeit könne die Beigeladene überwiegend nicht selbst gestalten. Sie ergebe sich vielmehr aus der Ausgestaltung der Tätigkeit und orientiere sich an dem durch das Jugendamt festgelegten Betreuungsumfang. Der zeitliche Rahmen der Tätigkeit sei derart eingegrenzt, dass von einer persönlichen Abhängigkeit eines Arbeitnehmers auszugehen sei. Der Annahme einer Beschäftigung stehe auch nicht entgegen, dass keine Zahlung einer Vergütung im Urlaubs- oder Krankheitsfall erfolge. Die Selbstständigkeit eines Dienstverpflichteten werde nicht dadurch begründet, dass er durch den Verzicht auf Leistungen Verpflichtungen, Belastungen und Risiken übernehme, die über die Pflichten eines Arbeitnehmers hinausgingen.
Am 03.04.2013 haben die Kläger Klage erhoben.
Die Kläger nehmen Bezug auf ihre Widerspruchsbegründung und tragen ergänzend vor, die Beigeladene unterliege nicht ihrem Weisungsrecht. Sie erbringe ihre Leistungen in freier Verantwortung. Gegenüber der Beigeladenen bestehe auch keine Vergütungspflicht. Diese habe vielmehr die Stadt Düren unmittelbar übernommen.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid vom 24.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2013 aufzuheben und festzustellen, dass die Beigeladene bei ihnen nicht versiche-rungspflichtig beschäftigt ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf die Ausführungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid. Gründe, die zu einer Änderung ihrer Rechtsauffassung führen könnten, seien nicht ersichtlich. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Kläger sind durch den Bescheid vom 24.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2013 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Der Bescheid ist rechtmäßig. Denn die Beigeladene übt ihre Tätigkeit für die Kläger als abhängig Beschäftigte aus.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI), § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) und § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung. Maßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV). Danach ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 25.04.2012, B 12 KR 24/10 R; Urteil vom 28.09.2011, B 12 R 17/09 R sowie Urteil vom 22.06.2005, B 12 KR 28/03 R). Bei manchen Tätigkeiten – etwa in Bereichen, in denen persönliche Zuwendung Gegenstand zu erbringender Dienste ist – kann dies dazu führen, dass sie nach den jeweiligen Umständen sowohl als Beschäftigung als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden können (BSG, Urteil vom 25.04.2012, B 12 KR 24/10 R).
Die vorzunehmende Gesamtwürdigung führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die Beigeladene bei den Klägern abhängig beschäftigt ist.
Die Beigeladene ist bei der Ausübung ihrer Betreuungstätigkeit organisatorisch und zeit-lich in den Haushalt der Kläger eingegliedert. Hierbei unterliegt sie in verschiedener Hin-sicht einem umfassenden Weisungsrecht der Kläger. Dies gilt zunächst örtlich und zeit-lich. So sieht der zwischen den Klägern und der Beigeladenen geschlossene Tagespfle-gevertrag vor, dass die Betreuung der Kinder im Haushalt der Kläger stattzufinden hat, womit eine verbindliche örtliche Festlegung hinsichtlich der von der Beigeladenen zu erbringenden Leistungen gegeben ist. Die Beigeladene verfügt demnach nicht über eine eigene Betriebsstätte. Insofern unterscheidet sich die hier zu beurteilende Konstellation etwa von dem Fall, dass eine Betreuungsperson Kinder verschiedener Eltern im eigenen Haushalt oder in anderen kindgerechten Räumlichkeiten eigenverantwortlich betreut. Der Beigeladenen ist es außerdem nicht möglich, nach eigenem Dafürhalten über ihre Arbeitszeit zu verfügen. Vielmehr sind von ihr feste Arbeits- bzw. Anwesenheitszeiten einzuhalten. Die täglichen Betreuungszeiten sind vertraglich vorgegeben (montags bis freitags 12:00 bis 17:00 Uhr). Dass der im Vertrag festgelegte zeitlichen Umfang der Betreuung auch tatsächlich so praktiziert wird, hat die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung am 26.03.2014 auf gerichtliche Nachfrage im Wesentlichen bestätigt, indem sie mitgeteilt hat, in der Regel täglich spätestens um 17:20 Uhr von einem der Kläger abgelöst zu werden. Auch hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung der Betreuung unterliegt die Beigeladene den Weisungen der Kläger. Zwar haben die Kläger zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Abstimmung zwischen Eltern und Betreuungsperson im Bereich der Kinderbetreuung typischerweise erfolgt. Allerdings liegen im vorliegenden Fall darüber hinausgehende Absprachen zwischen den Klägern und der Beigeladenen vor, die den eigenen Entscheidungsspielraum der Beigeladenen verengen und im Ergebnis für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung sprechen. So sieht der Tagespflegevertrag vor, dass in bestimmten Bereichen – konkret genannt werden Ernährung, Süßigkeiten, Fernsehen, Video und Computer – "nach Absprache" zwischen den Klägern und der Beigeladenen zu verfahren ist. Auf die Frage, ob es derartige Absprachen im Hinblick auf die Nutzung von Fernseher, Video oder Computer gibt, hat die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie sich insoweit durchaus an die Weisungen der Kläger gebunden fühle. Mit den Klägern sei konkret abgesprochen, dass die Kinder maximal eine Stunde am Tag fernsehen dürften. Bezüglich der Nutzung des Computers seien besondere Absprachen hinsichtlich der Nutzungsdauer deshalb nicht erforderlich, weil dieser so eingestellt sei, dass er nach einer gewissen Zeit automatisch herunterfahre. Für die Kammer belegt dies, dass die Beigeladene hinsichtlich der Gestaltung des Tagesablaufs an konkrete Vorgaben der Kläger gebunden ist und sich auch subjektiv an diese gebunden fühlt. Dies wird auch durch die im Verwaltungsverfahren gegenüber der Beklagten erfolgte schriftliche Stellungnahme der Beigeladenen bestätigt (Bl. 19 ff. der Verwaltungsakte). Denn auch dort hat sie angegeben, "den jeweiligen Tagesablauf und meine Tätigkeitsinhalte" mit den Klägern zu besprechen. Im Tagespflegevertrag wird darüber hinaus geregelt, dass beide Kinder sowohl den Spielplatz als auch Freunde in der Siedlung ohne Begleitung besuchen dürfen, wodurch das elterliche Weisungsrecht ebenfalls zum Ausdruck kommt. Der Umstand, dass die Beigeladene ihre Tätigkeit in eigener Person ohne Mitarbeiter zu verrichten hat, ist nach Überzeugung der Kammer ebenso ein Indiz für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1998, B 2 U 3/97 R). Auch die Vergütung nach Betreuungsstunden entspricht eher einem Arbeitsentgelt als einer Vergütung für eine selbstständige Tätigkeit, weist also auf das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses hin (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1998, B 2 U 3/97 R). Dass das Betreuungsverhältnis auf Vermittlung des Jugendamtes der Stadt Düren zustande gekommen ist und die Vergütung der Beigeladenen aufgrund der Vorschrift des § 23 Sozialgesetzbuch Achtes Buch – Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) unmittelbar durch die Stadt Düren erfolgt, spricht nicht gegen ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den Klägern und der Beigeladenden (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1998, B 2 U 3/97 R).
Für ein selbstständiges Tätigwerden spricht demgegenüber, dass die Beigeladene für die von ihr verrichtete Tätigkeit eine eigene Sammelhaftpflichtversicherung beim Tagesmüt-terverein Düren abgeschlossen hat. Das Fehlen eines vertraglichen Vergütungsanspruchs im Urlaubs- oder Krankheitsfall stellt nach Ansicht der Kammer hingegen kein Indiz für eine Selbstständigkeit der Beigeladenen dar. Insofern schließt sich die Kammer den Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid an, wonach der freiwillige Verzicht auf Leistungen nicht die Selbstständigkeit eines Dienstverpflichteten begründet; dies unabhängig davon, ob die entsprechende vertragliche Regelung nach arbeitsrechtlichen Vorschriften überhaupt wirksam ist. Auch der Umstand, dass die Beigeladene nach eigenen Angaben bei ihrer Krankenkasse als Selbstständige versichert ist, hat keine Bindungswirkung für ihren hier zu beurteilenden versicherungsrechtlichen Status.
Bei Würdigung des Gesamtbildes der Arbeitsleistung der Beigeladenen überwiegen für die Kammer die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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