S 13 KR 6/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 6/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 279/16
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 16.09.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2015 verurteilt, der Klägerin eine Brustaufbauoperation (Mammaaugmentation) und eine Bauchdeckenstraffung (Abdominoplastik) zu gewähren. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Durchführung einer postbariatrischen Brustaufbauoperation und einer Abdominoplastik als Sachleistung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

Die am 00.00.0000 geborene Klägerin litt 2013 an massivem Übergewicht. Sie wog 190 kg bei einer Größe von 170 cm. Dies entspricht einem Body-Mass-Index (BMI) von 65,7. Infolge eines vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) empfohlenen und von der Beklagten gewährten bariatrischen Operation (sog. Schlauchmagen-Operation) nahm die Klägerin binnen 2 Jahren 105 kg ab. Das Gewicht von 85 kg (BMI 29,4) wird von ihr gehalten. Durch die Gewichtsreduktion kam es zu erschlaffter, überschüssiger Haut mit Faltenbildung (sog. Fettschürzen) und wiederkehrenden Entzündungen in den Falten.

Mit Schreiben vom 07.07.2015, bei der Beklagten eingegangen am 10.07.2015, beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für folgende Operationen: &61485; Brachioplastik (Entfernung überschüssiger Haut der Oberarme), &61485; Abdominoplastik (Bauchdeckenstraffung), &61485; Bodylift (Körperstraffung), &61485; Dermolipektomie (Entfernung von Hautfettgewebe an beiden Beinen), &61485; Mammaaugmentation (Brustufbau). Sie legte hierzu befürwortende Stellungnahmen der Klinik für plastische Chirurgie des Universitätsklinikums B. (Prof. Dr. Q.), der Dermatologin T., des Plastischen Chirurgen Dr. U. und des Frauenarztes Dr. M. sowie Lichtbilder, die sie vor und nach der bariatrischen Operation zeigen, vor.

Mit Schreiben vom 16.07.2015 bestätigte die Beklagte der Klägerin den Eingang des Antrags und teilte ihr mit, dass zur weiteren Bearbeitung eine gutachterliche Stellungnahme des MDK erforderlich sei. Am selben Tag erteilte die Beklagte dem MDK einen Begutachtungsauftrag mit der Frage, ob die Operationen bzw. Korrekturen als medizinisch begründet empfohlen werden können und ob eine Krankheit im Sinne des Sozialgesetzbuches vorliege oder ob es sich um eine kosmetische Korrektur handele. Das Gutachtenauftragsformular enthält in Fettdruck den Hinweis "Fristende KK (5 Wochen): 14.08.2015". Mit Schreiben vom 24.07.2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, mit dem MDK sei ein Termin für den 04.08.2015 vereinbart worden, und bat die Klägerin, diesen wahrzunehmen; zugleich wies sie daraufhin, dass die Leistungsansprüche beeinträchtigt werden könnten, wenn dieser Einladung ohne wichtigen Grund nicht nachgekommen würde. Am 04.08.2015 untersuchte und begutachtete die MDK-Ärztin Dr. Mohnen die Klägerin. Sie kam zum Ergebnis, dass eine Indikation für eine Hautstraffung der Oberarme und Oberschenkel bestehe, nicht aber für eine Brustangleichung bzw. einen Brustaufbau und eine Bauchdeckenstraffung. Das MDK-Gutachten ging am 12.08.2015 bei der Beklagten ein.

Ohne der Klägerin zuvor weitere Mitteilungen zum Verfahrensgang zu machen, bewilligte die Beklagte durch Bescheid vom 16.09.2015 eine Hautstraffung an Oberarmen und Oberschenkeln, lehnte jedoch einen Brustaufbau und eine Bauchdeckenstraffung unter Hinweis auf die Stellungnahme des MDK ab.

Gegen die ablehnende Entscheidung erhob die Klägerin am 18.09.2015 Widerspruch. Sie trug vor, die Beklagte habe ihr keine hinreichenden Gründe für eine Verzögerung der Bearbeitung ihres Antrags genannt. Die gesetzliche Verpflichtung aus § 13 Abs. 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), innerhalb von drei Wochen bzw. fünf Wochen (bei Einbeziehung des MDK) zu entscheiden, sei ohne hinreichende Gründe überschritten worden. Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass im Hinblick darauf alle beantragten Leistungen als genehmigt gelten würden.

Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 14.12.2015 zurück. Sie meinte, die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V greife nur, wenn der Antrag eine grundsätzlich von der Krankenkasse innerhalb des Systems der GKV geschuldete Leistung betreffe und diese dem Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot entspreche. Die Beklagte stützte sich für ihre Auffassung u.a. auf den Beschluss des LSG NRW vom 26.05.2014 (L 16 KR 154/14 B ER).

Dagegen hat die Klägerin am 06.01.2016 Klage erhoben, ihre Rechtsauffassung zum Anwendungsgehalt des § 13 Abs. 3a SGB V vertieft und hierzu zahlreiche sozialgerichtliche Entscheidungen erster und zweiter Instanz zitiert, die ihre Auffassung stützen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 16.09.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2015 zu verurteilen, ihr eine Brustaufbauoperation (Mammaaugmentation) und eine Bauchdeckenstraffung (Abdominoplastik) zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verbleibt bei ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Rechtsauffassung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide insoweit beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), als die Beklagte eine Brustaufbauoperation und eine Bauchdeckenstraffung abgelehnt hat. Die Klägerin hat über die bewilligte Leistung einer Hautstraffung an den Oberarmen und Oberschenkeln hinaus Anspruch auf Durchführung einer Brustaufbauoperation (Mammaaugmentation) und einer Bauchdeckenstraffung (Abdominoplastik) als Sachleistung zu Lasten der GKV. Sowohl die Hautstraffung an Oberarmen und Oberschenkeln als auch der Brustaufbau und die Bauchdeckenstraffung waren bereits mit Ablauf des 14.08.2015 – fünf Wochen nach Eingang des Leistungsantrags am 10.07.2015 bei der Beklagten – gem. § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V genehmigt. Die Ablehnung der Brustaufbau- und Bauchdeckenstraffungsoperationen durch die angefochtenen Bescheide beinhaltet eine Rücknahme bzw. Aufhebung oder einen Widerruf der bereits erfolgten Genehmigung, für die die Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Vorschriften der §§ 44 bis 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht erfüllt sind. Weder war die Genehmigung der – später abgelehnten – Leistungen rechtswidrig, noch war die Beklagte berechtigt, die Genehmigung, wenn sie rechtmäßig war, zu widerrufen, noch ist in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die zum Zeitpunkt der Genehmigung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten, die die Aufhebung der Genehmigung gerechtfertigt hätte.

Nach § 13 Abs. 3a SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (Satz 1). Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (Satz 2). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (Satz 3). Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung (Satz 4). Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (Satz 7). Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden (Satz 8). Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14, 15 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbst beschaffter Leistungen (Satz 9). § 13 Abs. 3a SGB V ist durch Artikel 2 Nr.1 des "Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten" vom 20.02.2013 (BGBl. I 2013 S. 277) eingefügt worden und am 26.02.2013 in Kraft getreten. Nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers bezweckt diese Vorschrift "die Beschleunigung der Bewilligungsverfahren bei den Krankenkassen. Dies dient damit zum einen der schnelleren Klärung von Leistungsansprüchen, zum anderen erhalten die Versicherten bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen in kurzer Zeit ihre Leistungen. Bei nicht rechtzeitiger Leistungserbringung können Versicherte sich die erforderlichen Leistungen selbst beschaffen. Diese Ausnahme vom Sachleistungsprinzip stellt eine Sanktionsmöglichkeit gegen die Krankasse dar, die nicht in einem angemessenen Zeitraum entscheidet" (Bundestags-Drucksache 17/10488, S. 32).

Die Beklagte hat die hier einschlägige 5-Wochen-Frist nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V nicht eingehalten und der Klägerin die Gründe hierfür nicht vor Ablauf der Frist und damit rechtzeitig mitgeteilt. Die Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V beginnt nach § 26 Abs. 1 und 3 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i. V. m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch am auf den Antragseingang folgenden Tag und endet mit dem Ablauf des Tages, der nach seiner Benennung dem Tag des Antragseingangs entspricht. Der Antrag der Klägerin ist am 10.07.2015 bei der Beklagten eingegangen; hiernach lief die maßgebliche 5-Wochen-Frist am 14.08.2015 ab. Die Entscheidung der Beklagten über den Antrag des Klägers erfolgte aber erst am 16.09.2015 und damit außerhalb der fünfwöchigen Frist. Eine den Eintritt der Genehmigungsfiktion verhindernde schriftliche Mitteilung nach § 13 Abs. 3 a Satz 5 SGB V erfolgte nicht. Somit ist mit Ablauf des 14.08.2015 die Rechtsfolge des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V eingetreten: die am 10.07.2015 beantragten Leistungen gelten als genehmigt.

Die Beklagte hätte zur Vermeidung der Genehmigungsfiktion zwingend noch vor Ablauf der Frist mitteilen müssen, dass sie die Frist nicht würde einhalten können, und sie hätte die Gründe hierfür benennen müssen. Dies wäre insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil die Hinweispflicht der Krankenkasse eine wichtige Brückenfunktion zwischen der Bindung an die Entscheidungsfristen und den an die Überschreitung geknüpften Sanktionen nach § 13 Abs. 3a Satz 6 und 7 SGB V hat. Normzweck ist es, den Versicherten Klarheit darüber zu verschaffen, ob die Entscheidung fristgerecht erfolgt oder eine Selbstbeschaffung zulässig ist. Die vorgeschriebene Schriftform trägt der Bedeutung der Mitteilung Rechnung und hat Klarstellungs- und Beweisfunktion (vgl. SG Marburg, Urteil vom 15.01.2015 – S 6 KR 160/13; SG Lüneburg, Urteil vom 17.02.2015 – S 16 KR 96/14; abrufbar bei "juris"). Hervorzuheben ist insoweit, dass der Gesetzgeber ausdrücklich und unmissverständlich im Wortlaut von einer Mitteilung eines hinreichenden Grundes für die Nichteinhaltung der Frist spricht und damit an die benannte Warnfunktion anknüpft. Wenn das Nicht-Einhalten-Können der gesetzlichen 5-Wochen-Frist nicht mitgeteilt wird und auch keine dafür maßgeblichen Gründe aufgeführt werden, wird die mit § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V gesetzlich normierte Warnfunktion nicht erfüllt (SG Dortmund, Urteil vom 22.01.2016 – S 8 KR 435/14; abrufbar bei "juris").

Die Beklagte war sich auch über die Fristen des § 13 Abs. 3a SGB V im Klaren. Sie hat im Gutachtenauftragsformular vom 16.07.2015 für den MDK fettgedruckt vermerkt: "Fristende KK (5 Wochen): 14.08.2015".

Durch die Genehmigungsfiktion gilt die Genehmigung der beantragten Leistung durch einen fingierten Verwaltungsakt als erlassen. Fingierte Verwaltungsakte haben die gleichen Rechtswirkungen wie tatsächlich erlassene Verwaltungsakte (Noftz, in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: EL I/2014, § 13 Rn. 58l). Durch die Fiktion der Genehmigung ist die Leistungsberechtigung der Klägerin wirksam verfügt und die Beklagte mit allen Einwendungen ausgeschlossen.

Zu Inhalt, Umfang und Wirkung (Bedeutung) der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V sind inzwischen eine Vielzahl von Entscheidungen ergangen; einige davon stützen die Auffassung der Klägerin, andere die der Beklagten. Zuletzt hat die 8. Kammer des SG Dortmund durch Urteil vom 22.01.2016 (S 8 KR 435/14; abrufbar bei "juris") im Sinne der von der Klägerin vertretenen Rechtsauffassung entschieden, sich mit den unterschiedlichen Rechtsmeinungen auseinandergesetzt und ausgeführt (zitiert nach "juris", dort Rn. 20-22): "Die von der Beklagten und teilweise in der Rechtsprechung vertretene Ansicht, wonach die Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V nur bei einer Leistung greifen kann, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen habe (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 26.05.2014 - L 16 KR 154/14 B ER, L 16 KR155/14 B; SG Dortmund, Beschlüsse vom 16.07.2014 - S 40 KR 742/14 ER - und 31.01.2014 - S 28 KR 1/14 ER; SG Würzburg, Urteil vom 15.01.2015 - S 11 KR 100/14, jeweils juris), wird von der Kammer in Anlehnung an die Entscheidung des LSG NRW vom 23.05.2014 (Az.: L 5 KR 222/14 B ER) und anderer Sozialgerichte (vgl. SG Nürnberg, Urteil vom 30.04.2015 - S 7 KR 496/14; SG Mannheim, Urteile vom 27.03.2015 - S 9 KR 3123/14 - und 03.06.2014 - S 9 KR 3174/13; SG Koblenz, Urteil vom 23.03.2015 - S 13 KR 977/14; SG Heilbronn, Urteil vom 10.03.2015 - S 11 KR 2425/14; SG Düsseldorf, Urteil vom 02.03.2015 S 9 KR 903/14; SG Lüneburg, Urteil vom 17.02.2015 - S 16 KR 96/14; SG Gelsenkirchen, Urteile vom 05.02.2015 - S 17 KR 524/14 -, vom 29.01.2015 - S 17 KR 479/14 - und 02.10.2014 - S 11 KR 180/14; SG Marburg, Urteil vom 15.01.2015 - S 6 KR 160/13; SG Karlsruhe, Urteil vom 15.12.2014 - S 5 KR 2284/14; SG Augsburg, Urteile vom 27.11.2014 - S 12 KR 183/14 - und 12.11.2014 - S 12 KR 3/14; SG Osnabrück, Urteile vom 06.11.2014 - S 13 KR 164/14 und S 13 KR 189/14; SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 18.12.2013 - S 21 KR 282/13, SG Detmold, Urteil vom 09.07.2015 - S 24 KR 254/14; jeweils juris) nicht geteilt. Maßgebend für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den er hineingestellt ist (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. Urteil vom 21.05.1952 - 2 BvH 2/52; Beschluss vom 17.05.1960 - 2 BvL 11/59, 2 BvL 11/60; Urteil vom 20.03.2002 - 2 BvR 794/95; Urteil vom 19.03.2013 - 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2155/11-, jeweils juris). Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Unter ihnen hat keine einen unbedingten Vorrang vor einer anderen (vgl. BVerfG, Urteil vom 19.03.2013 – 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2155/11-, juris). Ausgangspunkt der Auslegung ist der Wortlaut der Vorschrift. Er gibt allerdings nicht immer hinreichende Hinweise auf den Willen des Gesetzgebers. Unter Umständen wird erst im Zusammenhang mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes oder anderen Auslegungsgesichtspunkten die im Wortlaut ausgedrückte, vom Gesetzgeber verfolgte Regelungskonzeption deutlich, der sich das Gericht nicht entgegenstellen darf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.01.2009 – 2 BvR 2044/07, juris). Dessen Aufgabe beschränkt sich darauf, die intendierte Regelungskonzeption bezogen auf den konkreten Fall möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.11.1997 - 1 BvR 479/92, 1 BvR 307/94, juris). In keinem Fall darf richterliche Rechtsfindung das gesetzgeberische Ziel der Norm in einem wesentlichen Punkt verfehlen oder verfälschen oder an die Stelle der Regelungskonzeption des Gesetzgebers gar eine eigene treten lassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.02.1988 - 1 BvL 23/86, juris). § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V kann nach den voranstehend genannten Kriterien aus Sicht der Kammer nur dahingehend ausgelegt werden, dass das Wirksamwerden der Genehmigungsfiktion nur von der Nichteinhaltung der Frist bzw. der unzureichenden oder fehlenden schriftlichen Mitteilung der Nichteinhaltung der Frist abhängt. Dies ergibt sich zunächst aus einer grammatikalischen Auslegung der Norm. Nach dem klaren Wortlaut gewährt § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V mittels einer Genehmigungsfiktion einen Sachleistungsanspruch, wohingegen § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V einen Kostenerstattungsanspruch für eine erforderliche Leistung zum Gegenstand hat. Der Wortlaut des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V knüpft die Genehmigungsfiktion ausschließlich daran, dass innerhalb der Frist keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes für die verzögerte Bearbeitung erfolgt. Eine Einschränkung dahingehend, dass sich diese Genehmigungsfiktion nur auf solche Leistungen bezieht, die grundsätzlich zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehören und die medizinisch notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich sind, enthält die Vorschrift semantisch und grammatikalisch eindeutig nicht. Dass dies kein "Redaktionsversehen" des Gesetzgebers gewesen sein kann, ergibt sich bereits daraus, dass dieser vielfach mit Genehmigungsfiktionen arbeitet. Diese sind weder dem Sozialrecht im Allgemeinen (vgl. § 88 Abs. 5 Satz 2 SGB XI, § 91 Abs. 3 Satz 2 SGB IX, § 6 Abs. 3 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), § 17 Abs. 2 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI), § 18 b Abs. 3 Satz 2 SGB XI) noch dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung im Speziellen (vgl. § 32 Abs. 1a Satz 3 Halbsatz 2 SGB V, § 110 Abs. 2 Satz 5 SGB V, § 116 Abs. 2 Satz 4 SGB V) fremd. Für diese Auslegung spricht auch die Legaldefinition, die der Gesetzgeber in § 42 a Verwaltungsverfahrensgesetz getroffen hat. Danach gilt eine beantragte Genehmigung nach Ablauf einer für die Entscheidung festgelegten Frist als erteilt (Genehmigungsfiktion), wenn dies durch Rechtsvorschrift angeordnet und der Antrag hinreichend bestimmt ist. Auch hier unterstellt das Gesetz, dass von der Behörde ein bestimmter Verwaltungsakt erlassen worden wäre ("fiktiver Verwaltungsakt"). Der Versicherte kann den Eintritt der Genehmigungsfiktion dann zum Anlass nehmen, entweder von der Krankenkasse die Leistung zu verlangen oder sich gemäß § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V die Leistung selbst zu beschaffen (vgl. SG Nürnberg, Urteil vom 30.04.2015 - S 7 KR 496/14 -, juris). Diese grammatikalische Auslegung wird durch eine systematische, historische und teleologische Auslegung bestätigt: Zwar hatte der Gesetzgeber zunächst lediglich einen Kostenerstattungsanspruch für erforderliche Leistungen vorgesehen, wie es sich aus dem Entwurf des Patientenrechtegesetz ergibt (BT-Drucks. 312/12, S. 46, siehe auch BT-Drucks. 17/10488, S. 32). Nachdem durch den Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestags im November 2012 mit dem Satz 6 eine Genehmigungsfiktion der Leistung bei Nichteinhaltung der Fristen neben der in Satz 7 geregelten Kostenerstattung aufgenommen worden war (BT-Drucks. 17/11710, S. 30), um es dem Versicherten zu erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen, wurden Satz 6 und Satz 7 - ohne weitere, den klaren Wortlaut einschränkende Erläuterungen - in der Gesetzesänderung aufgenommen. Beide Sätze stehen ihrem Wortlaut nach gleichberechtigt nebeneinander. Wäre der Geltungsbereich des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V lediglich auf einen Kostenerstattungsanspruch beschränkt, käme der Norm kein eigener Regelungsgehalt zu. Zudem schlösse eine solche Auslegung mittellose Versicherte, die nach Ablauf der Frist nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, entgegen des Gleichbehandlungsgebots nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz praktisch aus dem Schutzbereich des § 13 Abs. 3a SGB V aus (LSG NRW, Beschluss vom 23.05.2014 - L 5 KR 222/14 B ER m.w.N.). Nur auf diese Weise kann der Wunsch des Gesetzgebers, generalpräventiv die Zügigkeit des Verwaltungsverfahrens zu verbessern, umgesetzt werden. Dieses Ziel würde ins Leere laufen, könnte die Genehmigungsfiktion durch eine (außerhalb der Frist erfolgende) nachträgliche Prüfung der einzelnen Leistungsvoraussetzungen wieder erlöschen (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 23.05.2014 - L 5 KR 222/14 B ER; SG Heilbronn, Urteil vom 10.03.2015 - S 11 KR 2425/14; SG Gelsenkirchen, Urteil vom 29.01.2015 - S 17 KR 479/14; SG Augsburg, Urteil vom 27.11.2014 - S 12 KR 183/14; a.A. LSG NRW, Beschluss vom 26.05.2014 - L 16 KR 154/14 B ER, jeweils juris). Zudem hätte bei einer solchen Auslegung ein Versicherter ungeachtet eines Verstoßes der Krankenkasse gegen die in § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V normierte Hinweispflicht keine Gewissheit, dass die beantragte Leistung von der Krankenkasse bezahlt oder zumindest die Kosten hierfür erstattet werden. Dies kann nicht Sinn und Zweck des Patientenrechtegesetzes gewesen sein, welches gerade darauf abzielt, die Rechte des Patienten zu stärken. Im Übrigen hatte und hat es die Beklagte selbst in der Hand, die in § 13 Abs. 3a SGB V festgelegten Fristen einzuhalten, und, wenn sie dies nicht schafft, den Versicherten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich hierüber zu informieren. Die sprachliche Gestaltung von § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V steht der oben dargestellten Auslegung nicht entgegen. Soweit das Gesetz darin den Begriff des "Leistungsberechtigten" und der "erforderlichen" Leistung verwendet, erlaubt es nach Auffassung der Kammer nicht, den Kostenerstattungsanspruch (und die Wirkungen der vorgeschalteten Genehmigungsfiktion) an die materielle Leistungsberechtigung der Klägerin zu knüpfen bzw. nur auf solche Leistungen zu beschränken, die zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung rechnen (LSG NRW, Beschluss vom 23.05.2014 - L 5 KR 222/14 B ER, juris). Denn ein solches Vorgehen würde zwangsläufig dazu führen, dass § 13 Abs. 3a SGB V entgegen der besonderen Zielsetzung des Patientenrechtegesetzes weitgehend "leerlaufen" würde."

Dem schließt sich die erkennende Kammer für den Fall der Klägerin an.

Bei der Klägerin kommt hinzu, dass die streitbefangenen Leistungen bereits ihrer Art nach und grundsätzlich zum Leistungskatalog der GKV gehören. Würde man nicht nur als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 13 Abs. 3a SGB V verlangen, dass die beantragte Leistung zum grundsätzlichen Leistungskatalog der GKV gehören muss, wie dies vertreten wird, sondern darüber hinaus auch, dass für solche Leistungen – wie die Beklagte meint – die Genehmigungsfiktion nur eintreten kann, wenn die an sich bewilligungsfähige Leistung auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 Abs. 1 SGB V entspricht, hätte die Vorschrift des § 13 Abs. 3a SGB V keine größere Bedeutung als die eines Programmsatzes. Wenn nur diejenige Leistung von der Genehmigungsfiktion erfasst werden kann, die (medizinisch) notwendig und wirtschaftlich ist, also ohnehin bewilligt werden müsste, könnten die Krankenkassen die Vorgaben des § 13 Abs. 3a SGB V ignorieren, ohne irgendeinen Nachteil befürchten zu müssen (außer vielleicht einen "erhobenen Zeigefinger" oder eine "Rüge" von wem auch immer). Diese Wirkung aber hat der Gesetzgeber nicht gewollt und kann in die differenzierte Regelung der Vorschrift nicht hineininterpretiert werden, ohne den Rahmen zulässiger Auslegung zu überschreiten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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