S 20 SF 70/16 E

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 SF 70/16 E
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 SO 604/16 B
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Die dem beigeordneten Rechtsanwalt für das erstinstanzliche Verfahren S 20 SO 98/12 ER zu zahlende Vergütung wird auf 856,80 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Streitgegenstand des erledigten Eilverfahrens war ein Anspruch auf Übernahme erforderlicher Bestattungskosten in Spanien. Der Antragstellerin war durch Beschluss der Kammer vom 14.05.2012 für das Eilverfahren S 20 SO 98/12 ER Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt L. bewilligt worden. Mit Schriftsatz vom 23.12.2015 beantragte dieser die Festsetzung seiner Vergütung für das erstinstanzliche Eilverfahren wie folgt: - Verfahrensgebühr (Nr. 3103 VV RVG) 320,00 EUR - Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG) 380,00 EUR - Pauschale (Nr. 7002 VV RVG) 20,00 EUR - Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) 136,80 EUR 856,80 EUR

Am 23.05.2016 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen für das Eilverfahren S 20 SO 98/12 ER auf 856,80 EUR fest. Zur Begründung führte er u.a. aus, dass die Terminsgebühr aufgrund richterlicher Telefongespräche mit beiden Seiten entstanden sei. Zuvor hatte er die Verfahrensbeteiligten angehört und den Kammervorsitzenden um eine Einschätzung gebeten. Dieser hatte in einem Vermerk am 18.05.2016 erklärt, dass es sich bei den Telefonaten am 14.04.2012 um solche gehandelt habe, die auf Einigung zwischen den Beteiligten gerichtet gewesen seien, und er deshalb die Terminsgebühr für gerechtfertigt halte.

Gegen die Festsetzung hat der Erinnerungsführer am 22.08.2016 Erinnerung eingelegt, der die Urkundsbeamtin nicht abgeholfen hat. Der Erinnerungsführer wendet sich gegen die Festsetzung der Terminsgebühr. Er ist der Auffassung, dass Grundvoraussetzung für die Entstehung einer Terminsgebühr sei, dass für das Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgesehen ist; dass sei aber im Falle eines ER-Verfahrens gerade nicht der Fall, weshalb in einem solchen Verfahren eine "fiktive" Terminsgebühr nie entstehen könne; sie entstehe lediglich dann, wenn ein gerichtlicher Termin stattgefunden habe.

Der Erinnerungsführer beantragt seinem schriftlichen Vorbringen nach,

die dem beigeordneten Rechtsanwalt zustehende Vergütung für das Eilverfahren S 20 SO 98/12 ER auf 404,60 EUR festzusetzen.

Der Erinnerungsgegner beantragt sinngemäß,

die Erinnerung zurückzuweisen und die Vergütung auf 856,80 EUR festzusetzen.

II.

Die gemäß § 56 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) zulässige Erinnerung ist nicht begründet.

Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch der Erinnerungsführerin ist § 45 Abs. 1 RVG. Danach haben die im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwälte in Verfahren vor Gerichten eines Landes Anspruch auf die gesetzliche Vergütung aus der Landeskasse. Gemäß § 14 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Dabei ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen und sie unbillig ist (§ 14 Abs.1 Satz 4 RVG). Kostenrechtlich erfolgt dementsprechend in der gerichtlichen Kostenentscheidung lediglich eine Überprüfung der vom Anwalt geltend gemachten Gebühren im Rahmen der Vorschrift des § 14 Abs.1 Satz 4 RVG, also zur Frage der Unbilligkeit der seitens des Rechtsanwalts getroffenen Bestimmung. Im Rahmen der Prüfung des Tatbestandsmerkmales Unbilligkeit gemäß § 14 Abs.1 Satz 4 RVG sind Toleranzgrenzen zu berücksichtigen, d. h. eine Abweichung von bis zu 20 % gegenüber der als billig erscheinenden Gebühr ist noch als verbindlich anzusehen und nicht als unbillig im Sinne der vorgenannten Vorschrift zu qualifizieren (BayLSG, Beschluss vom 21.03.2011 - Az.: L 15 SF 240/09 B E m.w.N.).

Das Gericht schließt sich den im Wesentlichen sachlich und rechtlich zutreffenden Ausführungen im Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 23.05.2016 an. Dies gilt auch und insbesondere in Bezug auf die Festsetzung der Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG bei Anwendung der Anlage 1 (zu § 2 Abs. 2 RVG), Teil 3 Vorbemerkung 3 Absatz 3 in der hier maßgeblichen bis 31.05.2013 geltenden (alten) Fassung. Diese lautet: "Die Terminsgebühr entsteht für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin oder die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins oder die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber." Die von den Verfahrensbeteiligten mit dem Kammervorsitzenden am 14.04.2015 geführten Telefonate erfüllen den Tatbestand der Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechungen; der Zusatz "auch ohne Beteiligung des Gerichts" in der Vorbemerkung bedeutet, dass eine Mitwirkung mit und ohne Beteiligung des Gerichts die Gebühr auslösen kann.

Die Rechtsauffassung des Erinnerungsführers, dass es hier um eine "fiktive" Terminsgebühr gehe und im Übrigen eine solche nach Nr. 3106 VV RVG in einem ER-Verfahren nie entstehen könne, findet im Gesetz keine Stütze. Der Erinnerungsgegner macht keine "fiktive" Terminsgebühr, sondern eine tatsächliche Terminsgebühr im Sinne des RVG geltend. Soweit der Gebührentatbestand dieser Gebührenziffer unter Ziffer 1. auf ein Verfahren abstellt, "für das eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist", folgt daraus nicht, dass die Terminsgebühr – auch wenn es ihre Bezeichnung nahe legt – in Verfahren, in denen keine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, nicht entstehen kann. Dies ergibt sich zum einen aus den Ziffern 2. und 3. des Gebührentatbestandes zu Nr. 3106, zum anderen aus der Einleitungsformel ("Die Gebühr entsteht auch, wenn"). Durch das Wort "auch" wird deutlich, dass es auch andere Tatbestände gibt, die die Gebühr auslösen können. Diese werden allgemein in der zitierten Vorbemerkung beschrieben.

Nach alledem setzt sich die dem beigeordneten Rechtsanwalt (Erinnerungsgegner) zustehende Vergütung für das Eilverfahren S 20 SO 98/12 ER wie folgt zusammen: - Verfahrensgebühr (Nr. 3103 VV RVG) 320,00 EUR - Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG) 380,00 EUR - Pauschale (Nr. 7002 VV RVG) 20,00 EUR - Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) 136,80 EUR 856,80 EUR
Rechtskraft
Aus
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