S 6 R 472/17

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 6 R 472/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 22.12.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2017 verurteilt, die vom Kläger im Beitrittsgebiet zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nach den Vorschriften des Fremdrentengesetzes (FRG) zu bewerten und ihm höhere Altersrente für langjährig Versicherte nach Maßgabe der gesetzlichen Vor-schriften zu gewähren. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer höheren Altersrente auf Basis des Fremdrentengesetzes in der Fassung vom 25. Februar 1960 (FRG).

Der am 00.00.0000 geborene Kläger arbeitete in der Zeit vom 01. Juli 1969 bis 13. April 1984 im Beitrittsgebiet und zahlte in die Rentenversicherung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) ein. Am 17. April 1984 siedelte er in die Bundesre-publik Deutschland (BRD) über. Hierdurch hat er die Ansprüche gegenüber der Ren-tenversicherung des Beitrittsgebietes verloren. Mit Bescheid vom 26. August 1985 erkannte die Bundesversicherungsanstalt für An-gestellte, als Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Zeiten vom 01. Juli 1969 bis 13. April 1984 auf Basis des § 15 FRG an. Ein gegen diesen Bescheid vom Kläger unter dem 04. September 1985 erhobener Widerspruch richtete sich gegen den genauen Zeitpunkt, ab welchem die Einstufung in die Leistungsgruppe 2 erfolgen sollte und wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 1985 bestandskräftig zurück-gewiesen.

Nach Verabschiedung des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetz-lichen Renten- und Unfallversicherung – Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) am 25. Juli 1991 erfragte der Kläger mit Schreiben vom 28. Mai 1997 bei der Rechtsvorgän-gerin der Beklagten, ob eine Neubewertung seiner FRG-Bewertungszeiten aufgrund dieser rentenrechtlichen Neuregelungen durchgeführt werde. In der Folge leitete die Rechtsvorgängerin der Beklagten ein Verfahren zur Klärung von Zeiten im Beitritts-gebiet ein und teilte dem Kläger mit Schreiben vom 12. September 1997 mit, dass die FRG-Zeiten nunmehr auf Basis des § 256a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) neu bewertet würden. Hiergegen legte der Kläger am 25. September 1997 Widerspruch mit der Begründung ein, dass weiterhin die Festlegung im Bescheid vom 26. August 1985 maßgeblich sei und eine Neube-wertung für ihn persönlich eine Schlechterstellung bedeuten würde. Mit Schreiben vom 20. November 1997 teilte die Rechtsvorgängerin der Beklagten daraufhin mit, dass man auf die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens verzichten werde, da ein Widerspruch als unzulässig zurückzuweisen wäre. In dem Schreiben vom 12. September 1997 sei lediglich ein Versicherungsverlauf enthalten. Dieser würde kei-nen Verwaltungsakt darstellen. Der Versicherungsverlauf solle ihm "lediglich Auskunft darüber geben, welche Zeiten der gesetzlichen Rentenversicherung im maschinellen Beitragskonto gespeichert" seien. Ferner teilte sie dem Kläger mit Schreiben vom 16. Dezember 1997 mit, dass es bei der Neubewertung der FRG-Zeiten auf Basis des § 256a SGB VI verbleiben werde.

Auf Antrag des Klägers vom 12. November 2012 wurde durch die Beklagte ein Kon-tenklärungsverfahren eingeleitet, in dessen Rahmen eine Prüfung der versicherungs-rechtlichen Voraussetzungen verschiedener (Alters-)Renten erfolgte. Ferner stellte der Kläger am 04. Dezember 2015 einen Antrag auf Versichertenrente. Mit Bescheid vom 22. Dezember 2015 bewilligte die Beklagte ihm eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte beginnend ab dem 01. März 2016 in Höhe von 1.934,86 Euro. Die im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten wurden dabei nach Maß-gabe des § 256a SGB VI bewertet.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 20. Januar 2016 Widerspruch ein und führte aus, das RÜG finde in seinem Fall keine Anwendung. Vielmehr seien die im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten weiterhin auf Basis des FRG zu berechnen, da er bereits vor dem 18. Mai 1990 als Übersiedler in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei und in der Folge etwaige Rentenansprüche in der DDR verloren habe. Zu diesem Sachverhalt werde auch eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundes-verfassungsgericht unter dem Aktenzeichen 1 BvR 713/13 geführt. Aufgrund dieser Verfassungsbeschwerde einigten sich die Beteiligten dahingehend, das Wider-spruchsverfahren zum Ruhen zu bringen, um die Entscheidung des Bundesverfas-sungsgerichts abzuwarten. Am 13. Dezember 2016 hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbe-schwerde durch Nichtannahmebeschluss zurückgewiesen. In seiner Entscheidung führte das Gericht aus, dass in der Neuberechnung der im Beitrittsgebiet zurückge-legten rentenversicherungsrechtlichen Zeiten auch für Übersiedler vor dem 19. Mai 1990 keine Verletzung der Artikel 14 und 3 Grundgesetz (GG) zu sehen sei. Mit Wi-derspruchsbescheid vom 18. Juli 2017 wies die Beklagte sodann den Widerspruch des Klägers vom 20. Januar 2016 zurück. Zur Begründung verwies sie auf die Aus-führungen des BVerfG im bereits benannten Nichtannahmebeschluss.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 18. August 2017 unter Intensivierung sei-nes bisherigen Vortrages Klage erhoben. Die Neubewertung seiner im Beitrittsgebiet zurückgelegten Rentenzeiten benachteili-ge ihn, da es ihm aufgrund der Umsiedlung im Jahr 1984 nicht möglich sei, zusätzli-che Rentenansprüche gegenüber der vormaligen DDR geltend zu machen. Zudem verletze sie ihn in seinen Rechten aus Art. 14 und Art. 3 Grundgesetz (GG). An die-ser Bewertung ändere auch der Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsge-richts nichts. Das Gericht habe sich zumindest nicht mit der Frage auseinanderge-setzt, ob die Einbeziehung der Berechnung der Rentenansprüche, die in der DDR erworben worden seien, auf Basis des RÜG zu berechnen seien. Auch mangele es an einem Beschluss des Bundestages, der regele, dass das RÜG auch für Übersied-ler vor dem 19. Mai 1990 gelten solle. Daher müsse es bei einer Berechnung auf Basis des FRG verbleiben.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 22.12.2015 in der Fas-sung des Widerspruchsbescheides vom 18.078.2017 zu verurteilen, die von ihm im Beitrittsgebiet zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nach den Vor-schriften des Fremdrentengesetzes (FRG) zu bewerten und ihm höhere Al-tersrente für langjährig Versicherte nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschrif-ten zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt sie Bezug auf die von ihr erlassenen Bescheide.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Ge-richtsakte sowie der beigezogenen die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug ge-nommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger wird durch die angefochtenen Be-scheide im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie rechtswidrig sind. Ihm ist eine höhere Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren, da die von ihm im Beitrittsgebiet zurück-gelegten rentenrechtlichen Zeiten vorliegend weiterhin auf Basis des § 15 FRG zu berechnen sind.

Es kann dabei vorliegend dahingestellt bleiben, ob auch die im Beitrittsgebiet zurück-gelegten Zeiten von Übersiedlern, welche vor dem 19. Mai 1990 in die Bundesrepub-lik einreisten, per se auf Basis der RÜG neu zu berechnen sind oder dieses von vor-neherein auf sie keine Anwendung findet. Denn jedenfalls ist im vorliegenden Fall der ursprüngliche Bescheid der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 26. August 1985 mangels Aufhebung oder Erledigung weiterhin bestandskräftig und daher für die Be-rechnung der im Beitrittsgebiet zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten des Klägers maßgeblich.

Mit ihrem bindend gewordenen Bescheid vom 26. August 1985 hat die Rechtsvor-gängerin der Beklagten außerhalb des Leistungsfeststellungsverfahrens Versiche-rungsunterlagen für rentenrechtliche Zeiten erstellt, die nach dem FRG anrechenbar waren. Sie hat hierbei die vom Kläger zurückgelegten, nach dem Recht der ehemali-gen DDR versicherungspflichtigen, Zeiten entsprechend der zum Zeitpunkt des Er-lasses des Bescheides vom 26. August 1985 maßgeblichen Rechtslage als Beitrags-zeiten im Sinne des § 15 Abs. 1 FRG anerkannt. An diese Bewertung ist auch die Beklagte, als Rechtsnachfolgerin der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, gebunden.

Der Bescheid vom 26. August 1985 ist wirksam gemäß § 39 Abs. 1 Sozialgesetz-buch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) ergangen und damit nach Eintritt der Unanfechtbarkeit im Sinne des § 77 Sozialge-richtsgesetz (SGG) zwischen den Beteiligten in der Sache bindend geworden. Weder der vom Kläger gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobene Widerspruch, noch der hierauf folgende Widerspruchsbescheid vom 28. November 1985 vermögen an die-ser Anerkennung etwas zu ändern. Denn der Widerspruch zielte von vorneherein nicht auf die Berechnung auf Basis des FRG ab, sondern ausschließlich auf den Zeitpunkt, ab welchem die Einordnung in die Leistungsgruppe 2 zu erfolgen hatte. Auch der Widerspruchsbescheid vom 28. November 1985 setzt sich in der Folge nur mit diesem Aspekt auseinander, ohne dabei die Berechnung auf Basis des FRG in Frage zu stellen oder aufzuheben.

Der Bescheid vom 26. August 1985 ist auch nicht in der Folgezeit unwirksam gewor-den. Gemäß § 39 Abs. 2 SGB X bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und so-weit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeit-ablauf oder auf andere Weise erledigt ist. An einem die Wirksamkeit und die Bin-dungswirkung des Bescheides vom 26. August 1985 beseitigenden Tatbestand fehlt es jedoch vorliegend. Weder hat sich der Bescheid unmittelbar kraft Gesetzes, etwa durch die Änderung des § 15 FRG in Verbindung mit Art. 38 RÜG auf andere Weise im Sinne des § 39 Abs. 2 SGB X erledigt, noch wurde er nach § 48 SGB X oder Art. 38 RÜG aufgehoben.

Nach Art. 38 RÜG sind Bescheide, die außerhalb einer Rentenbewilligung aufgrund des FRG Feststellungen getroffen haben, zu überprüfen, ob sie mit den zum Zeit-punkt des Rentenbeginns geltenden Vorschriften des SGB VI oder des Fremdrenten-rechts übereinstimmen (Satz 1). Beginnt eine Rente nach dem 31. Juli 1991, ist die für diese Rente nach diesem Zeitpunkt maßgebende Fassung des SGB VI und des Fremdrentenrechts von ihrem Beginn an auch dann anzuwenden, wenn der Feststel-lungsbescheid nach Satz 1 noch nicht durch einen neuen Feststellungsbescheid er-setzt ist (Satz 2, 1. Halbsatz). Der Feststellungsbescheid ist im Rentenbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit ohne Rücksicht auf die Voraussetzungen der §§ 24 und 48 SGB X aufzuheben (Satz 2, 2. Halbsatz). Die Vorschrift des Art. 38 RÜG kann demnach bereits ihrem Wortlaut nach nicht dahingehend ausgelegt werden, dass Feststellungsbescheide, soweit sie mit dem SGB VI nicht mehr übereinstim-mende Regelungen enthalten, vor Erteilung eines Rentenbescheides überhaupt nicht aufzuheben wären. Vielmehr ermächtigt Satz 2 der Vorschrift die Beklagte lediglich dazu, die Aufhebung früherer Feststellungsbescheide zunächst zurückzustellen und eine Aufhebung erst im Rentenbescheid vorzunehmen, wenn sich ihre Verwaltung mit den Vorgängen ohnehin zu beschäftigten hat. Feststellungsbescheide müssen bei Erteilung des Rentenbescheides noch nicht aufgehoben sein. Der Aufhebungsakt muss zeitlich nicht vorgelagert und bei Erteilung des Rentenbewilligungsbescheides nicht bereits abgeschlossen sein. Er ist als solcher aber nicht entbehrlich (siehe be-reits BSG, Urteil vom 16. Dezember 1997 – 4 RA 56/96 = juris, Rn. 21).

Zudem wurde auch in der Begründung des Gesetzentwurfs zu Art. 38 Sätze 1 und 2 RÜG ausgeführt, dass die Vorschrift § 11a VuVO und Art. 6 § 4 Abs. 3a des Frem-drenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes entspreche, die durch Art. 3 und 4 des Rentenanpassungsgesetzes 1990 eingeführt worden sind. Sie bestimme, dass die Ersetzung der ergangenen Feststellungsbescheide erst mit Wirkung vom Rentenbeginn an erfolgen muss, damit nur das letztlich maßgebende Recht anzu-wenden ist. Dadurch werde zugleich sichergestellt, dass die für die Umsetzung der Rentenreform 1992 und das RÜG erforderlichen Kapazitäten nicht vorher durch die Überprüfung früherer Feststellungsbescheide gebunden werden (vgl. BT-Drucks 12/405, S 187 zu Art 36 des Entwurfs). Durch Art. 14 des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes vom 24. Juni 1993 wurde dem Satz 2 des Art. 38 RÜG der Halbsatz 2 angefügt, wonach der Feststellungsbescheid – spätestens – im Renten-bescheid aufzuheben ist. Zur Begründung dieser Ergänzung wurde im Gesetzentwurf ausgeführt (vgl. BT-Drucks 12/4810, S 39 zu Art 15 des Entwurfs), die Vorschrift diene der Klarstellung dahingehend, "dass die bisherigen Feststellungsbescheide aufgrund des nach dem 31. Juli 1991 geltenden neuen Rechts ab Beginn der Rente aufgehoben werden müssen". Aus dieser Ausführung sowie aus den geschilderten Motiven zur ursprünglichen Fassung des Art. 38 RÜG kann mithin nicht der Schluss gezogen werden, durch Art. 38 Satz 2 RÜG werde die Bestandskraft von Bescheiden ohne weiteres "von Gesetzes wegen storniert" oder die "Bindungswirkung für Fest-stellungsbescheide nach FRG oder VuVO" beseitigt. Vielmehr wird das Erfordernis einer Aufhebung im Gesetzestext bekräftigt und lediglich die Aufhebungsvorausset-zungen hinsichtlich der Anhörung nach § 24 SGB X und - soweit dies überhaupt in Betracht kommt - bei einer Aufhebung für die Vergangenheit bezüglich § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X modifiziert (BSG, Urteil vom 16. Dezember 1997 - 4 RA 56/96 = juris, Rn. 22).

An einer solchen Aufhebung des Bescheides vom 26. August 1985 fehlt es jedoch im vorliegenden Falle insgesamt. Weder im Schriftverkehr zwischen der Rechtsvorgän-gerin der Beklagten und dem Kläger im Jahr 1997 (konkret in den Schriftsätzen der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 12. September, 20. November und 16. De-zember 1997), noch in dem Rentenbescheid vom 22. Dezember 2015 oder dem Wi-derspruchsbescheid vom 20. Januar 2016 wird der ursprüngliche Bescheid vom 26. August 1985 aufgehoben.

Eine Aufhebung des Bescheides vom 26. August 1985 kann zunächst nicht in den Schreiben der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 12. September 1997 und dem 20. November 1997 gesehen werden. In letzterem Schreiben teilte die Rechtsvor-gängerin der Beklagten dem Kläger – im Gegenteil – sogar mit, dass man auf die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens verzichten werde, da in dem Schreiben vom 12. September 1997 lediglich ein Versicherungsverlauf enthalten sei und dieser gerade keinen für den Kläger verbindlichen Verwaltungsakt darstellen würde. Der Versicherungsverlauf solle ihm "lediglich Auskunft darüber geben, welche Zeiten der gesetzlichen Rentenversicherung im maschinellen Beitragskonto gespeichert" seien. Durch diese Aussage hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten jedoch ein Vertrauen des Klägers in die Unverbindlichkeit des Schreibens vom 12. September 1997 be-gründet, an welches sich nun auch die Beklagte selbst festhalten lassen muss. Vor dem Hintergrund des Schreibens vom 20. November 1997 kann auch in dem nach-folgenden Schreiben vom 16. Dezember 1997 keine Aufhebung des ursprünglichen Bescheides gesehen werden. Denn in diesem Schreiben bestätigt die Rechtsvorgän-gerin der Beklagten lediglich, dass sie weiterhin von einer Neuberechnung der im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten auf Basis des § 256a SGB VI ausgehe. Dass diese Bewertung nunmehr – entgegen der ausdrücklichen Auskunft im Schreiben vom 20. November 1997 – verbindlich geschehen und der Bescheid vom 26. August 1985 insoweit aufgehoben werden soll, lässt sich dem Schreiben hingegen in keiner Weise entnehmen.

Eine ausdrückliche oder konkludente Aufhebung des ursprünglichen Bescheides kann auch nicht in dem Rentenbescheid vom 22. Dezember 2015 in Gestalt des Wi-derspruchsbescheides vom 18. Juli 2017 gesehen werden. Zwar werden durch die Beklagte im Rentenbescheid selbst verschiedene Regelungen getroffen, jedoch kei-ne des Inhalts, dass der Bescheid vom 26. August 1985 aufgehoben werde. Ein Verwaltungsakt dieses Inhalts müsste – wie jeder andere Verwaltungsakt auch – die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 SGB X erfüllen. Demnach ist ein Verwal-tungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Als Maßnahme ist in Über-einstimmung mit § 33 Abs. 2 SGB X auch jedes Verhalten zu verstehen, welches nicht durch Worte, sondern durch Zeichen, Körperbewegungen oder andere Mittel – etwa durch konkludentes Verhalten – etwas zum Ausdruck bringen soll (v. Wulf-fen/Schütze/Engelmann SGB X, § 31, Rn. 41-55, beck-online).

Eine ausdrückliche Aufhebung früherer Bescheide kommt im Rentenbewilligungsbe-scheid vom 22. Dezember 2015 in keiner Weise zum Ausdruck. Vielmehr werden der Bescheid vom 26. August 1985 und die in diesem enthaltene ursprüngliche Berech-nung auf Basis des § 15 FRG an keiner Stelle des Bescheides thematisiert.

Auch das Vorliegen einer Aufhebung des Bescheides vom 26. August 1985 durch konkludentes Verhalten im Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2016 ist im Er-gebnis zu verneinen. Es kann dabei vorliegend dahingestellt bleiben, ob der Wider-spruchsausschuss der Beklagten zuständig und befugt gewesen wäre, insoweit eine Widerspruchsentscheidung oder – anstelle der Ausgangsbehörde – eine erstmalige (Aufhebungs-)Entscheidung zu treffen. Denn jedenfalls ist eine solche Aufhebungs-entscheidung vorliegend nicht getroffen worden.

Dem Widerspruchsbescheid der Beklagten kann zwar noch mit hinreichender Deut-lichkeit entnommen werden, dass die Beklagte jedenfalls im Widerspruchsverfahren davon ausging, nicht länger an den Bescheid vom 26. August 1985 gebunden zu sein. Aus dem Widerspruchsbescheid geht jedoch nicht hervor, ob die Beklagte sich zur diesem Vorgehen gerade deshalb berechtigt glaubte, weil sie von einer Aufhe-bung des Bescheides vom 26. August 1985 im Rahmen des Widerspruchsbescheids ausging, oder ob sie glaubte, Art. 38 Satz 2, 2. Halbsatz RÜG lasse eine Rentenfest-stellung auch ohne vorherige Aufhebung entgegenstehender Bescheide zu. Sie hat somit nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie zum Wegfall der Bindungswirkung des ursprünglichen Bescheides gerade auf dem Weg einer Aufhebung eben dieses ge-langt ist. Letzteres wäre aber zwingend erforderlich, um im Widerspruchsbescheid eine konkludente Aufhebung des Bescheides vom 26. August 1985 sehen zu kön-nen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved