Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Altenburg (FST)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
30
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 30 KR 4015/09
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er legte am 2. Dezember 2008 in der Aesculap-Apotheke in G. eine kassenärztliche Verordnung für das Medikament "Eti-lefrin" Tropfen vor. Die Apotheke händigte ihm daraufhin das Medikament aus und verein-nahmte vom Kläger die Zuzahlung von ? 5,00. Nachdem die Beklagte die vertragsärztliche Verordnung zunächst ordnungsgemäß gegenüber der Apotheke innerhalb der Zehntagesfrist abrechnete, kam es später zu einer Retaxierung mit der Folge, dass die Beklagte ? 8,90 ver-rechnete. Mit am 13. Oktober 2009 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben verlangte der Prozessbevollmächtigte des Klägers von ihr die Rückzahlung der Zuzahlung.
Am 5. November 2010 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, dass er erst jetzt erfahren habe, dass die Beklagte von der Apotheke die aufgrund des Rezeptes geleis-tete Zahlung einschließlich seiner Zuzahlung i.H.v. ? 5,00 zurückgefordert habe, weil es sich um ein nichtverschreibungspflichtiges Arzneimittel gehandelt habe. Diese seien nach § 34 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 5. Teil (SGB V) von der Arzneimittelversorgung ausgeschlos-sen. Sein Rückzahlungsanspruch beruhe auf einem öffentlich-rechtlichen Bereicherungsan-spruch. Ein Versicherter erfülle mit einer Zuzahlung eine aus dem Sozialrechtsverhältnis re-sultierende, leistungsabhängige Zahlungspflicht gegenüber der eine Sachleistung gewähren-den Krankenkasse. Die Beklagte habe hier aber keine Sachleistung gewährt. Wäre das ver-ordnete Mittel noch nicht verbraucht, müsste er es dem Apotheker zurückgeben, da kein Rechtsgrund zum Behalten bestehe. Der Ausnahmefall, dass sich der Versicherte mit dem Apotheker darauf geeinigt habe, das verordnete Mittel selbst zu bezahlen, falls die Kranken-kasse nicht zahle, liege nicht vor.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn ? 5,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24. Oktober 2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Auffassung des Klägers, dass eine Sachleistung nicht erbracht worden sei, könne nicht zugestimmt werden. Eine Sachleistung liege immer vor, wenn Sachen oder Sachgesamtheiten, wie z.B. Arzneimittel, tatsächlich zur Verfügung gestellt worden seien. Mit der Aushändigung des verordneten Arzneimittels von der Apotheke an den Kläger sei die Sachleistung erbracht worden. Die nachfolgende Retaxierung, in deren Folge auch die Erstattung der Zuzahlung verlangt worden sei, sei ein davon zu unterscheidendes öffentlich-rechtliches Erstattungsver-hältnis, welches allein das Verhältnis zwischen Beklagter und Apotheke als Leistungserbrin-gerin betreffe. Dies bedeute nicht die vollständige Rückabwicklung des Sachleistungsvor-gangs. Dass die Zuzahlung aus praktischen Gründen auf die ursprüngliche Kaufpreisschuld der Beklagten gegenüber der Apotheke angerechnet werde, berühre die Sachleistungserbrin-gung an den Kläger nicht. Es bestehe auch keine weitergehende Verpflichtung des Klägers, im Fall von Retaxierungen etwa das ärztlich verordnete Medikament selbst zu bezahlen oder zurückzugeben. Rechtsgrundlage für das Behaltendürfen der Zuzahlung sei § 31 Abs. 3 SGB V. Der Kläger habe das als Sachleistung erbrachte Medikament gemäß der ärztlichen Verordnung nutzen können. Der Verstoß der Apotheke gegen allein von ihr zu be-achtende Abgabevorschriften berühre den Kläger nicht. Die Apotheke habe ihren Schaden letztlich selbst zu tragen. Da die Zuzahlung lediglich auf den Kaufpreis angerechnet worden sei, bedeute die Retaxierung auch für die Apotheke keinen zusätzlichen Schaden. Würde man hingegen dem Kläger die gesetzliche Zuzahlung erstatten, könnte dieser im Ergebnis das Me-dikament behalten und wäre letztlich unrechtmäßig bereichert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten so-wie den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Der Durchführung eines Vorverfahrens nach § 78 SGG bedurfte es nicht, da die einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches nicht den Erlass eines Verwaltungsaktes erfordert.
Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der Zuzahlung gegenüber der Beklagten. Die Voraussetzungen des öffentlich - rechtlichen Erstattungsanspruches liegen nicht vor. Danach ist derjenige, der durch Leistung eines ande-ren etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat, diesem zur Herausgabe verpflichtet. Vorausset-zung für die Rückabwicklung eines öffentlich-rechtlichen Leistungsverhältnisses ist, dass der Leistungszweck nicht erreicht wurde oder ansonsten ein rechtlicher Grund für die durch die Leistung eingetretene Vermögensverschiebung nicht besteht. An dieser Voraussetzung fehlt es, weil der Kläger das von der Beklagten als Sachleistung erbrachte Medikament gemäß der ärztlichen Verordnung nutzen konnte. Dass der Apotheker durch Aushändigung des Medika-ments gegen Abgabevorschriften verstoßen hat und es daher im Verhältnis zwischen Apothe-ke und Krankenkasse zu einer Retaxierung einschließlich des Zuzahlungsbetrages des Klägers gekommen ist, berührt das Verhältnis zwischen Kläger und Beklagter nicht. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:
Bei der Zurverfügungstellung von Arzneimitteln, auf welche gesetzlich Versicherte gem. § 31 Abs. 1 S. 1 SGB V Anspruch haben, ist zu unterscheiden zwischen der Leistungs-ebene zwischen Apotheker und gesetzlicher Krankenkasse einerseits und der Krankenkasse und dem jeweiligen Versicherten andererseits. Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs eines Apothekers gegen eine Krankenkasse wegen der Abgabe eines vertragsärztlich verord-neten Arzneimittels an einen ihrer Versicherten ist § 129 SGB V i.V.m. den ergänzenden ver-traglichen Vereinbarungen. Solche Vereinbarungen sind der Rahmenvertrag auf Bundesebene nach § 129 Abs. 2 SGB V sowie der jeweilige Landesvertrag nach § 129 Abs. 5 S. 1 SGB V. Der Vergütungsanspruch des Apothekers hat seine Grundlage unmittelbar im öffentlichen Recht. § 129 SGB V begründet im Zusammenspiel mit den genannten vertraglichen Verein-barungen eine öffentlich-rechtliche Leistungsberechtigung und -verpflichtung für die Apothe-ken zur Abgabe von vertragsärztlich verordneten Arzneimitteln an die Versicherten. Daher steht den Apotheken ein vertraglich näher ausgestalteter gesetzlicher Anspruch auf Vergütung gegen die Krankenkassen zu (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 3 KR 13/08 R, BSGE 105,157-170; BSG Urteil vom 28. September 2010, B 1 KR 3/10 R, zitiert nach Juris). In diesem Verhältnis ist ein Vergütungsanspruch des Apothekers im vorliegenden Fall bereits deshalb nicht entstanden, weil es sich bei dem verordneten Medikament um ein nicht ver-schreibungspflichtiges Arzneimittel handelt, welches daher nicht vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst wird. Da die Beklagte der Apotheke das Medika-ment innerhalb der 10-Tages-Frist nach dem anwendbaren Arzneilieferungsvertrag vergütet hat, hat sie im Rahmen einer späteren Überprüfung zu Recht den entsprechenden Betrag reta-xiert. Das Recht zur Rechnungs- und Taxberichtigung und die damit verbundene Möglichkeit zur Aufrechnung gegen spätere Zahlungsansprüche aus Arzneilieferungen besteht nicht nur bei Verstößen gegen Abgabebestimmungen nach den Arzneilieferungsverträgen, sondern auch dann, wenn ein Medikament, wie hier, nicht vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst wird (BSG, Urteil vom 3. August 2006, B 3 KR 6/06 R, zitiert nach Juris). Die Apotheke kann in diesem Fall von der Beklagten eine Vergütung der Medi-kamente auch nicht aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten, beispielsweise ungerechtfertigte Bereicherung oder Geschäftsführung ohne Auftrag, beanspruchen. Hintergrund hierfür ist, dass die Regelungen des Leistungserbringungsrechts über die Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen der Leistungserbringung ihre Steuerungsfunktion nicht erfüllen können, wenn eine rechtswidrig bewirkte Leistung im Ergebnis dennoch vergütet werden müsste (BSG, Urteil vom 17. März 2005, B 3 KR 2/05 R, BSGE 94, 213/221).
Des Weiteren ist zu beachten, dass eine Krankenkasse im Falle einer Retaxierung nach stän-diger Rechtsprechung einen Rückzahlungsanspruch gegen den Apotheker unter Einschluss der Zuzahlung des Versicherten hat (BSG, Urteil vom 3. August 2006, B 3 KR 6/06 R, zitiert nach Juris). Hintergrund hierfür ist, dass eine Apotheke gem. § 43 b Abs. 1 S. 1 SGB V ver-pflichtet ist, den Anspruch der Krankenkasse auf die von ihr einzuziehenden Zuzahlungen mit ihrem Vergütungsanspruch gegen die Krankenkasse zu verrechnen. Der Zuzahlungsbetrag verbleibt aus rein praktischen Gründen bei der Apotheke und wird nicht an die Krankenkasse weitergeleitet. Grundsätzlich schuldet allein die Krankenkasse den Kaufpreis für das abgege-bene Arzneimittel und hätte deshalb Anspruch darauf, dass die Zuzahlungsbeträge ihrem Vermögen zugeführt werden.
Von diesem Leistungsverhältnis zu unterscheiden ist jedoch das Verhältnis zwischen dem Versicherten und seiner gesetzlichen Krankenkasse. Eine Zuzahlung nach § 31 Abs. 3 SGB V i.V.m. § 61 SGB V dient dazu, eine aus dem Sozialrechtsverhältnis resultierende leistungsab-hängige Zahlungspflicht des Versicherten gegenüber der eine Sachleistung gewährenden Krankenkasse zu erfüllen (BSG, Urteil vom 3. August 2006, B 3 KR 6/06 R, zitiert nach Juris Rdnr. 32). Dem Apotheker kommt dabei nur die Funktion einer Einziehungsstelle zu. Dieses Verhältnis wird jedoch durch die vorgenommene Retaxierung im Verhältnis zwischen Kran-kenkasse und Apotheke nicht berührt. Die von der Beklagten geschuldete Sachleistung, hier die Zurverfügungstellung eines bestimmten Arzneimittels, wurde erbracht. Dem Kläger wur-de das ärztlich verordnete Medikament tatsächlich zur Verfügung gestellt. Der Kläger konnte das Medikament bestimmungsgemäß nutzen. Der Kläger läuft auch nicht Gefahr, gegenüber der Apotheke selbst zur Zahlung des Kaufpreises für das Medikament verpflichtet zu werden. Der Kläger wäre gegenüber der abgebenden Apotheke nur dann zur Zahlung des Kaufpreises für das Medikament verpflichtet, wenn er dies so vereinbart hätte. Anhaltspunkte dafür beste-hen nicht. Dies ist auch deshalb fernliegend, weil bei Einlösung des Rezepts der Kläger davon ausgehen konnte, dass es sich um ein Kassenrezept handelt und er nur die Zuzahlung leisten muss. Insoweit ist ein privatrechtlicher Kaufvertrag gerade nicht zustande gekommen (eine vertragliche Vereinbarung ebenfalls verneinend: BSG, Urteil vom 3. August 2006, B 3 KR 6/06 R, zitiert nach Juris Rn.14).
Dass die Beklagte als gesetzliche Krankenkasse im Ergebnis den Zuzahlungsbetrag behalten und nicht an den Apotheker weiterleiten muss, ist letztlich eine Konsequenz daraus, dass eine Krankenkasse gegen einen Apotheker einen Rückzahlungsanspruch unter Einschluss der Zu-zahlung des Versicherten hat, wenn sich herausstellt, dass der Apotheker das Arzneimittel unter Verstoß gegen Abgabevorschriften herausgegeben hat. In einem solchen Fall sind, wie bereits dargelegt, auch Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen die Krankenkasse ausgeschlossen. Die Regelungen über die Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen der Leistungs-erbringung können nur funktionieren, wenn der Leistungserbringer die rechtswidrig bewirkte Leistung im Ergebnis nicht doch über einen Wertersatz vergütet erhält. Insoweit ist es hinzu-nehmen, dass in derartigen Fällen die Krankenkasse Aufwendungen erspart, die ihr sonst durch die von ihr dem Versicherten gegenüber geschuldete Behandlung entstanden wären. Die gesetzliche Krankenversicherung hat den Zweck, den Versicherten von Krankheitskosten zu entlasten. Es gehört hingegen nicht zu ihren Aufgaben, Leistungserbringer im Gesund-heitswesen vor ungedeckten Kosten zu schützen, wenn diese an Versicherte unter Verstoß gegen Abgabevorschriften Leistungen erbringen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Tatbestand:
Der Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er legte am 2. Dezember 2008 in der Aesculap-Apotheke in G. eine kassenärztliche Verordnung für das Medikament "Eti-lefrin" Tropfen vor. Die Apotheke händigte ihm daraufhin das Medikament aus und verein-nahmte vom Kläger die Zuzahlung von ? 5,00. Nachdem die Beklagte die vertragsärztliche Verordnung zunächst ordnungsgemäß gegenüber der Apotheke innerhalb der Zehntagesfrist abrechnete, kam es später zu einer Retaxierung mit der Folge, dass die Beklagte ? 8,90 ver-rechnete. Mit am 13. Oktober 2009 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben verlangte der Prozessbevollmächtigte des Klägers von ihr die Rückzahlung der Zuzahlung.
Am 5. November 2010 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, dass er erst jetzt erfahren habe, dass die Beklagte von der Apotheke die aufgrund des Rezeptes geleis-tete Zahlung einschließlich seiner Zuzahlung i.H.v. ? 5,00 zurückgefordert habe, weil es sich um ein nichtverschreibungspflichtiges Arzneimittel gehandelt habe. Diese seien nach § 34 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 5. Teil (SGB V) von der Arzneimittelversorgung ausgeschlos-sen. Sein Rückzahlungsanspruch beruhe auf einem öffentlich-rechtlichen Bereicherungsan-spruch. Ein Versicherter erfülle mit einer Zuzahlung eine aus dem Sozialrechtsverhältnis re-sultierende, leistungsabhängige Zahlungspflicht gegenüber der eine Sachleistung gewähren-den Krankenkasse. Die Beklagte habe hier aber keine Sachleistung gewährt. Wäre das ver-ordnete Mittel noch nicht verbraucht, müsste er es dem Apotheker zurückgeben, da kein Rechtsgrund zum Behalten bestehe. Der Ausnahmefall, dass sich der Versicherte mit dem Apotheker darauf geeinigt habe, das verordnete Mittel selbst zu bezahlen, falls die Kranken-kasse nicht zahle, liege nicht vor.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn ? 5,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24. Oktober 2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Auffassung des Klägers, dass eine Sachleistung nicht erbracht worden sei, könne nicht zugestimmt werden. Eine Sachleistung liege immer vor, wenn Sachen oder Sachgesamtheiten, wie z.B. Arzneimittel, tatsächlich zur Verfügung gestellt worden seien. Mit der Aushändigung des verordneten Arzneimittels von der Apotheke an den Kläger sei die Sachleistung erbracht worden. Die nachfolgende Retaxierung, in deren Folge auch die Erstattung der Zuzahlung verlangt worden sei, sei ein davon zu unterscheidendes öffentlich-rechtliches Erstattungsver-hältnis, welches allein das Verhältnis zwischen Beklagter und Apotheke als Leistungserbrin-gerin betreffe. Dies bedeute nicht die vollständige Rückabwicklung des Sachleistungsvor-gangs. Dass die Zuzahlung aus praktischen Gründen auf die ursprüngliche Kaufpreisschuld der Beklagten gegenüber der Apotheke angerechnet werde, berühre die Sachleistungserbrin-gung an den Kläger nicht. Es bestehe auch keine weitergehende Verpflichtung des Klägers, im Fall von Retaxierungen etwa das ärztlich verordnete Medikament selbst zu bezahlen oder zurückzugeben. Rechtsgrundlage für das Behaltendürfen der Zuzahlung sei § 31 Abs. 3 SGB V. Der Kläger habe das als Sachleistung erbrachte Medikament gemäß der ärztlichen Verordnung nutzen können. Der Verstoß der Apotheke gegen allein von ihr zu be-achtende Abgabevorschriften berühre den Kläger nicht. Die Apotheke habe ihren Schaden letztlich selbst zu tragen. Da die Zuzahlung lediglich auf den Kaufpreis angerechnet worden sei, bedeute die Retaxierung auch für die Apotheke keinen zusätzlichen Schaden. Würde man hingegen dem Kläger die gesetzliche Zuzahlung erstatten, könnte dieser im Ergebnis das Me-dikament behalten und wäre letztlich unrechtmäßig bereichert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten so-wie den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Der Durchführung eines Vorverfahrens nach § 78 SGG bedurfte es nicht, da die einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches nicht den Erlass eines Verwaltungsaktes erfordert.
Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der Zuzahlung gegenüber der Beklagten. Die Voraussetzungen des öffentlich - rechtlichen Erstattungsanspruches liegen nicht vor. Danach ist derjenige, der durch Leistung eines ande-ren etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat, diesem zur Herausgabe verpflichtet. Vorausset-zung für die Rückabwicklung eines öffentlich-rechtlichen Leistungsverhältnisses ist, dass der Leistungszweck nicht erreicht wurde oder ansonsten ein rechtlicher Grund für die durch die Leistung eingetretene Vermögensverschiebung nicht besteht. An dieser Voraussetzung fehlt es, weil der Kläger das von der Beklagten als Sachleistung erbrachte Medikament gemäß der ärztlichen Verordnung nutzen konnte. Dass der Apotheker durch Aushändigung des Medika-ments gegen Abgabevorschriften verstoßen hat und es daher im Verhältnis zwischen Apothe-ke und Krankenkasse zu einer Retaxierung einschließlich des Zuzahlungsbetrages des Klägers gekommen ist, berührt das Verhältnis zwischen Kläger und Beklagter nicht. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:
Bei der Zurverfügungstellung von Arzneimitteln, auf welche gesetzlich Versicherte gem. § 31 Abs. 1 S. 1 SGB V Anspruch haben, ist zu unterscheiden zwischen der Leistungs-ebene zwischen Apotheker und gesetzlicher Krankenkasse einerseits und der Krankenkasse und dem jeweiligen Versicherten andererseits. Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs eines Apothekers gegen eine Krankenkasse wegen der Abgabe eines vertragsärztlich verord-neten Arzneimittels an einen ihrer Versicherten ist § 129 SGB V i.V.m. den ergänzenden ver-traglichen Vereinbarungen. Solche Vereinbarungen sind der Rahmenvertrag auf Bundesebene nach § 129 Abs. 2 SGB V sowie der jeweilige Landesvertrag nach § 129 Abs. 5 S. 1 SGB V. Der Vergütungsanspruch des Apothekers hat seine Grundlage unmittelbar im öffentlichen Recht. § 129 SGB V begründet im Zusammenspiel mit den genannten vertraglichen Verein-barungen eine öffentlich-rechtliche Leistungsberechtigung und -verpflichtung für die Apothe-ken zur Abgabe von vertragsärztlich verordneten Arzneimitteln an die Versicherten. Daher steht den Apotheken ein vertraglich näher ausgestalteter gesetzlicher Anspruch auf Vergütung gegen die Krankenkassen zu (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 3 KR 13/08 R, BSGE 105,157-170; BSG Urteil vom 28. September 2010, B 1 KR 3/10 R, zitiert nach Juris). In diesem Verhältnis ist ein Vergütungsanspruch des Apothekers im vorliegenden Fall bereits deshalb nicht entstanden, weil es sich bei dem verordneten Medikament um ein nicht ver-schreibungspflichtiges Arzneimittel handelt, welches daher nicht vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst wird. Da die Beklagte der Apotheke das Medika-ment innerhalb der 10-Tages-Frist nach dem anwendbaren Arzneilieferungsvertrag vergütet hat, hat sie im Rahmen einer späteren Überprüfung zu Recht den entsprechenden Betrag reta-xiert. Das Recht zur Rechnungs- und Taxberichtigung und die damit verbundene Möglichkeit zur Aufrechnung gegen spätere Zahlungsansprüche aus Arzneilieferungen besteht nicht nur bei Verstößen gegen Abgabebestimmungen nach den Arzneilieferungsverträgen, sondern auch dann, wenn ein Medikament, wie hier, nicht vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst wird (BSG, Urteil vom 3. August 2006, B 3 KR 6/06 R, zitiert nach Juris). Die Apotheke kann in diesem Fall von der Beklagten eine Vergütung der Medi-kamente auch nicht aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten, beispielsweise ungerechtfertigte Bereicherung oder Geschäftsführung ohne Auftrag, beanspruchen. Hintergrund hierfür ist, dass die Regelungen des Leistungserbringungsrechts über die Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen der Leistungserbringung ihre Steuerungsfunktion nicht erfüllen können, wenn eine rechtswidrig bewirkte Leistung im Ergebnis dennoch vergütet werden müsste (BSG, Urteil vom 17. März 2005, B 3 KR 2/05 R, BSGE 94, 213/221).
Des Weiteren ist zu beachten, dass eine Krankenkasse im Falle einer Retaxierung nach stän-diger Rechtsprechung einen Rückzahlungsanspruch gegen den Apotheker unter Einschluss der Zuzahlung des Versicherten hat (BSG, Urteil vom 3. August 2006, B 3 KR 6/06 R, zitiert nach Juris). Hintergrund hierfür ist, dass eine Apotheke gem. § 43 b Abs. 1 S. 1 SGB V ver-pflichtet ist, den Anspruch der Krankenkasse auf die von ihr einzuziehenden Zuzahlungen mit ihrem Vergütungsanspruch gegen die Krankenkasse zu verrechnen. Der Zuzahlungsbetrag verbleibt aus rein praktischen Gründen bei der Apotheke und wird nicht an die Krankenkasse weitergeleitet. Grundsätzlich schuldet allein die Krankenkasse den Kaufpreis für das abgege-bene Arzneimittel und hätte deshalb Anspruch darauf, dass die Zuzahlungsbeträge ihrem Vermögen zugeführt werden.
Von diesem Leistungsverhältnis zu unterscheiden ist jedoch das Verhältnis zwischen dem Versicherten und seiner gesetzlichen Krankenkasse. Eine Zuzahlung nach § 31 Abs. 3 SGB V i.V.m. § 61 SGB V dient dazu, eine aus dem Sozialrechtsverhältnis resultierende leistungsab-hängige Zahlungspflicht des Versicherten gegenüber der eine Sachleistung gewährenden Krankenkasse zu erfüllen (BSG, Urteil vom 3. August 2006, B 3 KR 6/06 R, zitiert nach Juris Rdnr. 32). Dem Apotheker kommt dabei nur die Funktion einer Einziehungsstelle zu. Dieses Verhältnis wird jedoch durch die vorgenommene Retaxierung im Verhältnis zwischen Kran-kenkasse und Apotheke nicht berührt. Die von der Beklagten geschuldete Sachleistung, hier die Zurverfügungstellung eines bestimmten Arzneimittels, wurde erbracht. Dem Kläger wur-de das ärztlich verordnete Medikament tatsächlich zur Verfügung gestellt. Der Kläger konnte das Medikament bestimmungsgemäß nutzen. Der Kläger läuft auch nicht Gefahr, gegenüber der Apotheke selbst zur Zahlung des Kaufpreises für das Medikament verpflichtet zu werden. Der Kläger wäre gegenüber der abgebenden Apotheke nur dann zur Zahlung des Kaufpreises für das Medikament verpflichtet, wenn er dies so vereinbart hätte. Anhaltspunkte dafür beste-hen nicht. Dies ist auch deshalb fernliegend, weil bei Einlösung des Rezepts der Kläger davon ausgehen konnte, dass es sich um ein Kassenrezept handelt und er nur die Zuzahlung leisten muss. Insoweit ist ein privatrechtlicher Kaufvertrag gerade nicht zustande gekommen (eine vertragliche Vereinbarung ebenfalls verneinend: BSG, Urteil vom 3. August 2006, B 3 KR 6/06 R, zitiert nach Juris Rn.14).
Dass die Beklagte als gesetzliche Krankenkasse im Ergebnis den Zuzahlungsbetrag behalten und nicht an den Apotheker weiterleiten muss, ist letztlich eine Konsequenz daraus, dass eine Krankenkasse gegen einen Apotheker einen Rückzahlungsanspruch unter Einschluss der Zu-zahlung des Versicherten hat, wenn sich herausstellt, dass der Apotheker das Arzneimittel unter Verstoß gegen Abgabevorschriften herausgegeben hat. In einem solchen Fall sind, wie bereits dargelegt, auch Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen die Krankenkasse ausgeschlossen. Die Regelungen über die Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen der Leistungs-erbringung können nur funktionieren, wenn der Leistungserbringer die rechtswidrig bewirkte Leistung im Ergebnis nicht doch über einen Wertersatz vergütet erhält. Insoweit ist es hinzu-nehmen, dass in derartigen Fällen die Krankenkasse Aufwendungen erspart, die ihr sonst durch die von ihr dem Versicherten gegenüber geschuldete Behandlung entstanden wären. Die gesetzliche Krankenversicherung hat den Zweck, den Versicherten von Krankheitskosten zu entlasten. Es gehört hingegen nicht zu ihren Aufgaben, Leistungserbringer im Gesund-heitswesen vor ungedeckten Kosten zu schützen, wenn diese an Versicherte unter Verstoß gegen Abgabevorschriften Leistungen erbringen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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