S 102 AS 4364/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
102
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 102 AS 4364/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 14. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2006 verurteilt, der Klägerin zusätzlich einen Betrag von 67,50 EUR als Fahrtkostenerstattung zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Fahrtkosten als Weiterbildungskosten für Fahrten zwischen Wohnung und Bildungsstätte.

Die Klägerin nahm in der Zeit vom 19. September 2005 bis 11. November 2005 während ihrer Teilnahme an einer Trainingsmaßnahme EDV-Rechnungswesen teil. Die Entfernung zwischen der Wohnung der Klägerin und der Unterrichtsstätte betrug 11 km.

Am 16. August 2005 hatte die Klägerin bei dem Beklagten die Bewilligung von Fahrtkosten beantragt und mitgeteilt, dass sie zur Bildungsstätte mit dem Auto fahren werde.

Mit Bescheid vom 14. September 2005 bewilligte der Beklagte die Teilnahme an der Trainingsmaßnahme und Fahrtkosten in Höhe des Berlin-Ticket S für drei Monate (Monatspreis 33,50 EUR).

Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. April 2006 zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, es stehe in seinem Ermessen, ob und ggf. in welchem Umfang er Fahrtkosten für Bildungsmaßnahmen gewähre.

Mit der hiergegen gerichteten Klage macht die Klägerin geltend, anderen Teilnehmern an der Bildungsmaßnahme seien die Fahrtkosten für die Benutzung des Autos erstattet worden.

Dem schriftsätzlichen Vorbringen der Klägerin ist sinngemäß der Antrag zu entnehmen, den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 14. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2006 zu verurteilen ihr eine Entfernungspauschale von 352,80 EUR für die Fahrten zwischen Wohnung und Bildungsstätte (2 x 11 km/täglich) in der Zeit vom 19. September 2005 bis 11. November 2005 (42 Unterrichtstage) zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf den Widerspruchsbescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die vorgelegen hat und dessen wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage, über die das Gericht in Abwesenheit der Klägerin verhandeln und entscheiden durfte, weil sie mit der Ladung hierauf hingewiesen wurde (vgl. Eicher/Spellbrink, SGG, § 126 Rdnr. 4), ist in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.

Der angegriffene Bescheid ist teilweise rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Gewährung einer Entfernungspauschale in Höhe von 67,50 EUR für die Fahrten zwischen ihrer Wohnung und der von ihr aufgesuchten Bildungsstätte.

Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung kann die Agentur für Arbeit u.a. alle im Sechsten Abschnitt des Vierten Kapitels des SGB III geregelten Leistungen erbringen. Soweit das SGB II für die einzelnen Leistungen keine abweichenden Voraussetzungen regelt, gelten nach § 16 Abs. 1 Satz 3 SGB II diejenigen des SGB III. Gemäß § 81 Abs. 1 Nr. 1 SGB III i.V.m. §§ 77, 79 SGB III können Fahrtkosten für Fahrten zwischen Wohnung und Bildungsstätte (Pendelfahrten) als Weiterbildungskosten übernommen werden. Gemäß § 81 Abs. 2 Satz 1 sind als Fahrtkosten für jeden Tag, an dem der Teilnehmer die Bildungsmaßnahme aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Bildungsstätte von 0,36 EUR für die ersten zehn Kilometer und 0,40 für jeden weiteren Kilometer anzusetzen.

Die Entscheidung, ob Fahrtkosten übernommen werden, steht sowohl nach der Regelung des § 81 Abs. 1 SGB III als auch nach § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II im Ermessen des zuständigen Leistungsträgers. Das Ermessen ist ausschließlich ein Entschließungsermessen, welches sich auf das ob der Leistung bezieht. Entgegen der Auffassung des Beklagten steht dem Leistungs-träger im Rahmen der Leistungsgewährung nach § 16 Abs. 1 SGB II kein Auswahlermessen dahingehend zu, in welchem Umfang eine Fahrkostenbeteiligung erbracht wird (vgl. Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 16 Rdnr. 62; a.A. Niewald in LPK-SGB II, § 16 Rdnr. 6). Dies legt bereits der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II nahe. Demnach ist der Leistungsträger bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen berechtigt, lediglich bestimmte in den genannten Vorschriften des SGB III geregelte Leistungen zu erbringen. Dass § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II als Rechtsfolgenverweisung zu verstehen ist, bestätigt nunmehr auch § 16 Abs. 1 a SGB II in der seit 1. August 2006 geltenden Fassung. Demnach gelten, soweit das SGB II nichts Abweichendes regelt, für die Leistungen nach § 16 Abs. 1 SGB II grundsätzlich die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des SGB III. Da dieser Regelung nach dem Willen des Gesetzgebers lediglich eine klarstellende und keine rechtsändernde Funktion zukommt(vgl. BT-Drucksache 16/1410 S 22, zu Nummer 14, Buchstabe a, a. E. zum gleichlautenden § 16 Abs. 1 Satz 7 des ursprünglichen Gesetzentwurfes), gilt für § 16 Abs. 1 SGB II in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung nichts Anderes.

Hiervon ausgehend steht der Klägerin eine Fahrtkostenpauschale in Höhe von 4 EUR täglich zu (10 km x 0,36, 1 km x 0,40). Ausgehend von 42 Unterrichtstagen ergibt sich somit eine Fahrtkostenpauschale von 168 EUR. Da der Beklagte Fahrtkosten in Höhe des Berlin-Ticket S mit einem Wert von 3 x 33,50 EUR, insgesamt also Leistungen im Wert 100,50 EUR bewilligt hatte, ergibt sich ein Differenzbetrag von 67,50 EUR. Dieser Betrag ist der Klägerin nachträglich zu bewilligen.

Ein weitergehender Leistungsanspruch steht der Klägerin nicht zu. Bemessungsgrundlage für die Pauschale ist die Entfernung zwischen Wohnung und Bildungsstätte. Mit der Pauschale werden sowohl Hin- als auch Rückweg abgegolten. Demnach kann vorliegend für die Bemessung nur eine Wegstrecke von 11 km und nicht von 22 km berücksichtigt werden. Eine Gewährung der vollen Pauschale in Höhe von 168 EUR neben dem Berlin-Ticket S kommt ebenfalls nicht in Betracht, da dieses zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Aufstockung der Leistungen führen würde.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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