Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
61
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 61 AS 22110/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den bei ihm am 28. August 2007 einge-gangenen Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Leistungen zur Siche-rung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ab dem 21. August 2007 unver-züglich zu bescheiden. 2. Im übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abge-wiesen. 3. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller dessen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zur Hälfte zu erstatten.
Gründe:
1) Der vom Antragsteller, einem ungarischen Staatsangehörigen, am 10.10.2007 gestellte An-trag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem er begehrt, den Antragsgegner zu ver-pflichten, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu gewähren, ist insoweit als Antrag nach § 86b Absatz 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, zuläs-sig und begründet, als der Antragsgegner zu verpflichten ist, einen vom Antragsteller mit Schreiben vom 21.08.2007, beim Antragsgegner eingegangen am 28.08.2007, gestellten An-trag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ab dem 21.08.2007 unverzüglich zu bescheiden.
Entgegen der vom Antragsgegner im vorliegenden Verfahren vertretenen Auffassung bedarf ein Antrag auf Leistungen nach dem SGB II nach § 37 Absatz 1 SGB II keiner bestimmten Form. Hinreichend ist, dass eine Person schriftlich oder mündlich hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt, dass er die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II begehrt. Dies hat der Antragsteller in seinem Schreiben vom 21.08.2007 ge-tan, indem er unter Bezugnahme auf ein sich auf frühere Leistungsanträge bzw. einen früheren Leistungsbezug beziehendes Schreiben des Antragsgegners vom 11.05.2007 und einen zwi-schenzeitlichen Auslandaufenthalt in England vom 04.05.2007 bis 20.08.2007 geltend machte, dass er für die Zeit dieses Auslandaufenthaltes keine Leistungen des Antragsgegners begehre, es ihm aber immer noch um frühere Leistungsansprüche und " ... um Leistungen seit meiner Rückkehr" gehe. Wenn der Antragsgegner meint, es bedürfe für eine Antragstellung bzw. eine Entscheidung über einen Antrag noch der Einreichung bestimmter Unterlagen, ist er gehalten, diese vom Antragsteller nach dem eindeutig vorliegenden Leistungsantrag anzufordern. Er ist jedoch nicht berechtigt, wie im vorliegenden Fall geschehen die weitere Bearbeitung eines hin-reichend deutlich zum Ausdruck gebrachten Leistungsbegehrens und somit eines Leistungsan-trages nach § 37 Absatz 1 SGB II zu verweigern, bis vom Antragsgegner verwendete Antrags-formulare eingegangen sind. Hierfür gibt es keine gesetzliche Grundlage. Der Antrag wurde vom Antragsteller gestellt. Also ist der Antragsgegner verpflichtet, die notwendigen Ermittlun-gen durchzuführen und den Antrag anschließend unverzüglich zu bescheiden.
Die Notwendigkeit einer Verpflichtung des Antragsgegners, den mit Schreiben vom 21.08. 2007 gestellten Leistungsantrag des Antragstellers unverzüglich zu bescheiden, entfällt auch nicht dadurch, dass dieser zuletzt mit Schriftsatz vom 20.11.2007 die vom Antragsgegner ge-forderten Antragsformulare über das Gericht eingereicht hat. Denn auf der Grundlage des Vor-bringens des Antragsgegners im vorliegenden Verfahren und Erfahrungen der Kammer mit der Verwaltungspraxis des Antragsgegners in anderen Verfahren ist zu befürchten, dass dieser ei-nen Antrag auf Leistungen im Sinne von § 37 Absatz 1 SGB II erst mit dem Eingang der An-tragsformulare annimmt. Zu bescheiden ist jedoch der vom Antragsteller mit dem Zugang des Schreibens vom 21.08.2007 beim Antragsgegner am 28.08.2007 gestellte Leistungsantrag nach § 37 Absatz 1 SGB II, was Konsequenzen insbesondere für den Beginn einer eventuellen Leis-tungsgewährung hat, die nach § 37 Absatz 2 SGB II erst ab Antragstellung erfolgt.
Bei seiner Entscheidung wird der Antragsgegner zu berücksichtigen haben, dass die Regelung zum Ausschluss von Leistungen des SGB II in § 7 Absatz 1 Satz 2 SGB II für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich alleine aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, bei EU-Ausländern we-gen des Vorrangs europäischen Rechts und des Diskriminierungsverbots in Art. 12 EGV einer gemeinschaftsrechtskonformen einschränkenden Auslegung dahingehend bedarf, dass der Aus-schlusstatbestand nicht greift, wenn sich ein Antragsteller bereits länger als 3 Monate erlaubt in Deutschland aufhält (so: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 25.04.2007 – L 19 B 116/07 AS ER -) und auch dann nicht einschlägig ist, wenn sich ein Aufenthaltsrecht eines EU-Bür-gers nicht nur aus § 2 Absatz 2 Nr. 1, 2. Alt FreizügG/EU (Freizügigkeit zu Zwecken der Ar-beitssuche) ergibt, sondern aus einem anderen Tatbestand des § 2 FreizügG/EU (LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Insbesondere greift der Leistungsausschlusstatbestand des § 7 Absatz 1 Satz 2 SGB II also nicht bei einem Aufenthaltsrecht von Arbeitnehmern nach § 2 Absatz 2 Nr. 1, 1. Alt FreizügG/EU, von niedergelassenen selbständigen Erwerbstätigen nach § 2 Absatz 2 Nr. 2 FreizügG/EU und bei sonstigen selbständig tätigen Anbietern von Dienstleistungen nach § 2 Absatz 2 Nr. 3 FreizügG/EU, wobei grundsätzlich auch solche beruflichen Tätigkeiten zu berücksichtigen sind, die lediglich geringfügigen Umfang haben (s. LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 14.11.2006 – L 14 B 963/06 AS ER -). Bisher ist nicht ersichtlich, dass sich der An-tragsgegner im Hinblick auf die vorstehenden Einschränkungen der Anwendung von § 7 Ab-satz 1 Satz 2 SGB auf EU-Bürger mit dem Vorbringen des Antragstellers, sich seit 1995 mit geringen Unterbrechungen in Deutschland aufgehalten zu haben, hiervon in den Jahren 1998 bis 2005 im Rahmen fester Partnerschaften, und zeitweise als Sozialarbeiter, Künstler sowie zuletzt als Übersetzer und Dolmetscher erwerbstätig gewesen zu sein, hinreichend auseinan-dergesetzt und dieses Vorbringen bei Zweifeln hieran durch entsprechende Ermittlungen über-prüft hätte, z.B. bei Sozialversicherungsträgern, ehemaligen Arbeitgebern oder den ehemaligen Partnerinnen des Antragstellers. Gleiches gilt für das Vorbringen des Antragstellers, sich gerade nicht nur zur Arbeitssuche in Deutschland aufzuhalten, wie dies der Ausschlusstatbestand des § 7 Absatz 1 Satz 2 SGB II voraussetzt, sondern auch, um den Kontakt mit seinem in Deutschland bei der Mutter und e-hemaligen Partnerin des Antragstellers in B lebenden Kind (J F) aufrechtzuerhalten und zu pflegen. In Frage steht insoweit ein Aufenthaltsrecht insbesondere aus § 2 Absatz 2 Nr. 7 Frei-zügG/EU und/oder aus § 2 Absatz 5 FreizügG/EU. Berücksichtigt man, dass der Antragsteller vorbringt, sich seit 1995 mit kurzen Unterbrechungen in Deutschland aufgehalten zu haben, hiervon einen erheblichen Teil in partnerschaftlichen Beziehungen, und die Vaterschaft für das Kind aus einer dieser Partnerschaften anerkannt zu haben, kann eine Zweckrichtung des Auf-enthalts ausschließlich zur Arbeitssuche im Sinne von § 7 Absatz 1 Satz 2 SGB II kaum ange-nommen werden. Insbesondere kann die familiäre Bindung an den Sohn nicht mit dem Argu-ment "vom Tisch gewischt werden", dass dieser in B. bei der Mutter lebe und eine gemein-same Erziehung nicht stattfinden kann (so die 94. Kammer des SG Berlin im Beschl. v. 14.08.2006 – S 94 AS 6528/06 ER – zu einem früheren ER-Antrag des Antragstellers gegen den Antragsgegner). Auch außerhalb einer gleichberechtigten gemeinschaftlichen Erziehung kann selbstverständlich ein nicht völlig zu vernachlässigender relevanter Kontakt zwischen dem Antragsteller und seinem Sohn als Zweck des Aufenthaltes in Deutschland bestehen, was gegebenenfalls vom Antragsgegner durch Nachfragen bei der Mutter zu überprüfen und in sei-ner Relevanz für die Anwendung von § 7 Absatz 1 Satz 2 SGB II in Verbindung mit den Be-stimmungen des § 2 FreizügG/EU zu würdigen wäre.
Sollte unter Berücksichtigung der vorstehenden Darlegungen der Ausschlusstatbestand des § 7 Absatz 1 Satz 2 SGB II nicht zur Anwendung kommen, dürfte auch der weitere Ausschluss von Ansprüchen für Ausländer, denen die Aufnahme einer Beschäftigung nicht erlaubt wurde und auch nicht erlaubt werden könnte (§ 8 Absatz 2 SGB II) nicht zur Anwendung kommen. Zu-mindest die Möglichkeit, die Aufnahme einer Beschäftigung nach § 284 SGB III zu erlauben, wird man im Hinblick darauf, dass eine solche bisher nicht abgelehnt, sondern nach dem Vor-bringen des Antragstellers für eine von ihm ausgeübte Tätigkeit lediglich nicht für erforderlich gehalten wurde, bejahen müssen (ebenso: LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 07.09.2006 – L 18 B 772/06 AS ER – zu einem früheren Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweili-gen Anordnung).
2) Keinen Erfolg haben kann der Antrag des Antragstellers jedoch, soweit er mit ihm eine Ver-pflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB II begehrt.
a) Hinsichtlich Leistungszeiträumen vor der Antragstellung bei Gericht, also bis zum 09.10. 2007 folgt dies schon daraus, dass durch eine einstweilige Anordnung nach § 86b Absatz 2 Satz 2 SGG grundsätzlich nur eine Regelungen für die Zukunft (ab Antragstellung bei Gericht) getroffen, aber keine Verpflichtung, Leistungen für die Vergangenheit zu erbringen, begründet werden kann. Es fehlt hierfür unabhängig von der Frage, ob der geltend gemachte Leistungsan-spruch (Anordnungsanspruch) besteht, am erforderlichen Anordnungsgrund, der sich immer auf die Beseitigung in der Zukunft drohender Nachteile beziehen muss (ebenso: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04.05.2006 – L 5 B 1401/05 AS ER). Die einschlägige Regelung in § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sieht die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nämlich nur für den Fall vor, dass die beantragte einstweilige Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nach-teile nötig erscheint, weil es einem Antragsteller nicht zumutbar ist, eine Entscheidung über die ihm regulär zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe abzuwarten. Für die Zeit vor der Antrag-stellung bei Gericht können dem Antragsteller aber keine wesentlichen Nachteile mehr entste-hen, die sich noch abwenden ließen.
b) Für den Zeitraum ab Antragstellung bei Gericht, also ab dem 10.10.2007 kann die beantrag-te einstweilige Anordnung ebenfalls nicht erlassen werden. Einer solchen Sachentscheidung des Gerichts steht entgegen, dass der Antragsgegner bislang selbst noch keine Entscheidung über die vom Antragsteller geltend gemachten Leistungsansprüche nach dem SGB II getroffen hat. Ohne eine solche fehlt es nach zutreffender Auffassung ebenfalls an dem für den Erlass ei-ner einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsgrund (ähnlich: LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 07.09.2006 – L 18 B 772/06 AS ER –: fehlendes Rechtsschutzbedürf-nis).
Erforderlich zur Abwendung wesentlicher Nachteile im Sinne von § 86b Absatz 2 Satz 2 SGG kann vor einer leistungsablehnenden Entscheidung der Behörde unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Gewaltenteilungsprinzips, welches die Aufgabe der Judikative in der Kontrolle der Exekutive sieht, und nicht darin, an deren Stelle zu handeln, lediglich eine Ver-pflichtung der Behörde sein, diese Sachentscheidung zu treffen, nicht aber eine eigene Sach-entscheidung des Gerichts selbst.
Eine Ausnahme hiervon könnte nur im Fall einer akuten existentiellen Gefährdung des An-tragstellers gemacht werden, was jedoch in Anbetracht dessen, dass sich der Antragsteller nach seinem eigenen Vorbringen bereits seit vielen Jahren in Deutschland aufhält und in der Lage war, seinen Lebensunterhalt auf irgendeine Art und Weise auch ohne regelmäßige Erwerbsein-künfte zu bestreiten, nicht angenommen werden kann (ebenso: LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O. zu einem früheren Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung).
3) Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG. Sie folgt dem Ergebnis der Sachent-scheidung, weil keine Gesichtspunkte ersichtlich sind, die eine andere Bewertung rechtfertigen würden.
Gründe:
1) Der vom Antragsteller, einem ungarischen Staatsangehörigen, am 10.10.2007 gestellte An-trag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem er begehrt, den Antragsgegner zu ver-pflichten, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu gewähren, ist insoweit als Antrag nach § 86b Absatz 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, zuläs-sig und begründet, als der Antragsgegner zu verpflichten ist, einen vom Antragsteller mit Schreiben vom 21.08.2007, beim Antragsgegner eingegangen am 28.08.2007, gestellten An-trag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ab dem 21.08.2007 unverzüglich zu bescheiden.
Entgegen der vom Antragsgegner im vorliegenden Verfahren vertretenen Auffassung bedarf ein Antrag auf Leistungen nach dem SGB II nach § 37 Absatz 1 SGB II keiner bestimmten Form. Hinreichend ist, dass eine Person schriftlich oder mündlich hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt, dass er die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II begehrt. Dies hat der Antragsteller in seinem Schreiben vom 21.08.2007 ge-tan, indem er unter Bezugnahme auf ein sich auf frühere Leistungsanträge bzw. einen früheren Leistungsbezug beziehendes Schreiben des Antragsgegners vom 11.05.2007 und einen zwi-schenzeitlichen Auslandaufenthalt in England vom 04.05.2007 bis 20.08.2007 geltend machte, dass er für die Zeit dieses Auslandaufenthaltes keine Leistungen des Antragsgegners begehre, es ihm aber immer noch um frühere Leistungsansprüche und " ... um Leistungen seit meiner Rückkehr" gehe. Wenn der Antragsgegner meint, es bedürfe für eine Antragstellung bzw. eine Entscheidung über einen Antrag noch der Einreichung bestimmter Unterlagen, ist er gehalten, diese vom Antragsteller nach dem eindeutig vorliegenden Leistungsantrag anzufordern. Er ist jedoch nicht berechtigt, wie im vorliegenden Fall geschehen die weitere Bearbeitung eines hin-reichend deutlich zum Ausdruck gebrachten Leistungsbegehrens und somit eines Leistungsan-trages nach § 37 Absatz 1 SGB II zu verweigern, bis vom Antragsgegner verwendete Antrags-formulare eingegangen sind. Hierfür gibt es keine gesetzliche Grundlage. Der Antrag wurde vom Antragsteller gestellt. Also ist der Antragsgegner verpflichtet, die notwendigen Ermittlun-gen durchzuführen und den Antrag anschließend unverzüglich zu bescheiden.
Die Notwendigkeit einer Verpflichtung des Antragsgegners, den mit Schreiben vom 21.08. 2007 gestellten Leistungsantrag des Antragstellers unverzüglich zu bescheiden, entfällt auch nicht dadurch, dass dieser zuletzt mit Schriftsatz vom 20.11.2007 die vom Antragsgegner ge-forderten Antragsformulare über das Gericht eingereicht hat. Denn auf der Grundlage des Vor-bringens des Antragsgegners im vorliegenden Verfahren und Erfahrungen der Kammer mit der Verwaltungspraxis des Antragsgegners in anderen Verfahren ist zu befürchten, dass dieser ei-nen Antrag auf Leistungen im Sinne von § 37 Absatz 1 SGB II erst mit dem Eingang der An-tragsformulare annimmt. Zu bescheiden ist jedoch der vom Antragsteller mit dem Zugang des Schreibens vom 21.08.2007 beim Antragsgegner am 28.08.2007 gestellte Leistungsantrag nach § 37 Absatz 1 SGB II, was Konsequenzen insbesondere für den Beginn einer eventuellen Leis-tungsgewährung hat, die nach § 37 Absatz 2 SGB II erst ab Antragstellung erfolgt.
Bei seiner Entscheidung wird der Antragsgegner zu berücksichtigen haben, dass die Regelung zum Ausschluss von Leistungen des SGB II in § 7 Absatz 1 Satz 2 SGB II für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich alleine aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, bei EU-Ausländern we-gen des Vorrangs europäischen Rechts und des Diskriminierungsverbots in Art. 12 EGV einer gemeinschaftsrechtskonformen einschränkenden Auslegung dahingehend bedarf, dass der Aus-schlusstatbestand nicht greift, wenn sich ein Antragsteller bereits länger als 3 Monate erlaubt in Deutschland aufhält (so: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 25.04.2007 – L 19 B 116/07 AS ER -) und auch dann nicht einschlägig ist, wenn sich ein Aufenthaltsrecht eines EU-Bür-gers nicht nur aus § 2 Absatz 2 Nr. 1, 2. Alt FreizügG/EU (Freizügigkeit zu Zwecken der Ar-beitssuche) ergibt, sondern aus einem anderen Tatbestand des § 2 FreizügG/EU (LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Insbesondere greift der Leistungsausschlusstatbestand des § 7 Absatz 1 Satz 2 SGB II also nicht bei einem Aufenthaltsrecht von Arbeitnehmern nach § 2 Absatz 2 Nr. 1, 1. Alt FreizügG/EU, von niedergelassenen selbständigen Erwerbstätigen nach § 2 Absatz 2 Nr. 2 FreizügG/EU und bei sonstigen selbständig tätigen Anbietern von Dienstleistungen nach § 2 Absatz 2 Nr. 3 FreizügG/EU, wobei grundsätzlich auch solche beruflichen Tätigkeiten zu berücksichtigen sind, die lediglich geringfügigen Umfang haben (s. LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 14.11.2006 – L 14 B 963/06 AS ER -). Bisher ist nicht ersichtlich, dass sich der An-tragsgegner im Hinblick auf die vorstehenden Einschränkungen der Anwendung von § 7 Ab-satz 1 Satz 2 SGB auf EU-Bürger mit dem Vorbringen des Antragstellers, sich seit 1995 mit geringen Unterbrechungen in Deutschland aufgehalten zu haben, hiervon in den Jahren 1998 bis 2005 im Rahmen fester Partnerschaften, und zeitweise als Sozialarbeiter, Künstler sowie zuletzt als Übersetzer und Dolmetscher erwerbstätig gewesen zu sein, hinreichend auseinan-dergesetzt und dieses Vorbringen bei Zweifeln hieran durch entsprechende Ermittlungen über-prüft hätte, z.B. bei Sozialversicherungsträgern, ehemaligen Arbeitgebern oder den ehemaligen Partnerinnen des Antragstellers. Gleiches gilt für das Vorbringen des Antragstellers, sich gerade nicht nur zur Arbeitssuche in Deutschland aufzuhalten, wie dies der Ausschlusstatbestand des § 7 Absatz 1 Satz 2 SGB II voraussetzt, sondern auch, um den Kontakt mit seinem in Deutschland bei der Mutter und e-hemaligen Partnerin des Antragstellers in B lebenden Kind (J F) aufrechtzuerhalten und zu pflegen. In Frage steht insoweit ein Aufenthaltsrecht insbesondere aus § 2 Absatz 2 Nr. 7 Frei-zügG/EU und/oder aus § 2 Absatz 5 FreizügG/EU. Berücksichtigt man, dass der Antragsteller vorbringt, sich seit 1995 mit kurzen Unterbrechungen in Deutschland aufgehalten zu haben, hiervon einen erheblichen Teil in partnerschaftlichen Beziehungen, und die Vaterschaft für das Kind aus einer dieser Partnerschaften anerkannt zu haben, kann eine Zweckrichtung des Auf-enthalts ausschließlich zur Arbeitssuche im Sinne von § 7 Absatz 1 Satz 2 SGB II kaum ange-nommen werden. Insbesondere kann die familiäre Bindung an den Sohn nicht mit dem Argu-ment "vom Tisch gewischt werden", dass dieser in B. bei der Mutter lebe und eine gemein-same Erziehung nicht stattfinden kann (so die 94. Kammer des SG Berlin im Beschl. v. 14.08.2006 – S 94 AS 6528/06 ER – zu einem früheren ER-Antrag des Antragstellers gegen den Antragsgegner). Auch außerhalb einer gleichberechtigten gemeinschaftlichen Erziehung kann selbstverständlich ein nicht völlig zu vernachlässigender relevanter Kontakt zwischen dem Antragsteller und seinem Sohn als Zweck des Aufenthaltes in Deutschland bestehen, was gegebenenfalls vom Antragsgegner durch Nachfragen bei der Mutter zu überprüfen und in sei-ner Relevanz für die Anwendung von § 7 Absatz 1 Satz 2 SGB II in Verbindung mit den Be-stimmungen des § 2 FreizügG/EU zu würdigen wäre.
Sollte unter Berücksichtigung der vorstehenden Darlegungen der Ausschlusstatbestand des § 7 Absatz 1 Satz 2 SGB II nicht zur Anwendung kommen, dürfte auch der weitere Ausschluss von Ansprüchen für Ausländer, denen die Aufnahme einer Beschäftigung nicht erlaubt wurde und auch nicht erlaubt werden könnte (§ 8 Absatz 2 SGB II) nicht zur Anwendung kommen. Zu-mindest die Möglichkeit, die Aufnahme einer Beschäftigung nach § 284 SGB III zu erlauben, wird man im Hinblick darauf, dass eine solche bisher nicht abgelehnt, sondern nach dem Vor-bringen des Antragstellers für eine von ihm ausgeübte Tätigkeit lediglich nicht für erforderlich gehalten wurde, bejahen müssen (ebenso: LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 07.09.2006 – L 18 B 772/06 AS ER – zu einem früheren Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweili-gen Anordnung).
2) Keinen Erfolg haben kann der Antrag des Antragstellers jedoch, soweit er mit ihm eine Ver-pflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB II begehrt.
a) Hinsichtlich Leistungszeiträumen vor der Antragstellung bei Gericht, also bis zum 09.10. 2007 folgt dies schon daraus, dass durch eine einstweilige Anordnung nach § 86b Absatz 2 Satz 2 SGG grundsätzlich nur eine Regelungen für die Zukunft (ab Antragstellung bei Gericht) getroffen, aber keine Verpflichtung, Leistungen für die Vergangenheit zu erbringen, begründet werden kann. Es fehlt hierfür unabhängig von der Frage, ob der geltend gemachte Leistungsan-spruch (Anordnungsanspruch) besteht, am erforderlichen Anordnungsgrund, der sich immer auf die Beseitigung in der Zukunft drohender Nachteile beziehen muss (ebenso: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04.05.2006 – L 5 B 1401/05 AS ER). Die einschlägige Regelung in § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sieht die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nämlich nur für den Fall vor, dass die beantragte einstweilige Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nach-teile nötig erscheint, weil es einem Antragsteller nicht zumutbar ist, eine Entscheidung über die ihm regulär zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe abzuwarten. Für die Zeit vor der Antrag-stellung bei Gericht können dem Antragsteller aber keine wesentlichen Nachteile mehr entste-hen, die sich noch abwenden ließen.
b) Für den Zeitraum ab Antragstellung bei Gericht, also ab dem 10.10.2007 kann die beantrag-te einstweilige Anordnung ebenfalls nicht erlassen werden. Einer solchen Sachentscheidung des Gerichts steht entgegen, dass der Antragsgegner bislang selbst noch keine Entscheidung über die vom Antragsteller geltend gemachten Leistungsansprüche nach dem SGB II getroffen hat. Ohne eine solche fehlt es nach zutreffender Auffassung ebenfalls an dem für den Erlass ei-ner einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsgrund (ähnlich: LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 07.09.2006 – L 18 B 772/06 AS ER –: fehlendes Rechtsschutzbedürf-nis).
Erforderlich zur Abwendung wesentlicher Nachteile im Sinne von § 86b Absatz 2 Satz 2 SGG kann vor einer leistungsablehnenden Entscheidung der Behörde unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Gewaltenteilungsprinzips, welches die Aufgabe der Judikative in der Kontrolle der Exekutive sieht, und nicht darin, an deren Stelle zu handeln, lediglich eine Ver-pflichtung der Behörde sein, diese Sachentscheidung zu treffen, nicht aber eine eigene Sach-entscheidung des Gerichts selbst.
Eine Ausnahme hiervon könnte nur im Fall einer akuten existentiellen Gefährdung des An-tragstellers gemacht werden, was jedoch in Anbetracht dessen, dass sich der Antragsteller nach seinem eigenen Vorbringen bereits seit vielen Jahren in Deutschland aufhält und in der Lage war, seinen Lebensunterhalt auf irgendeine Art und Weise auch ohne regelmäßige Erwerbsein-künfte zu bestreiten, nicht angenommen werden kann (ebenso: LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O. zu einem früheren Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung).
3) Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG. Sie folgt dem Ergebnis der Sachent-scheidung, weil keine Gesichtspunkte ersichtlich sind, die eine andere Bewertung rechtfertigen würden.
Rechtskraft
Aus
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