S 88 AY 32/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
88
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 88 AY 32/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.498,83 Euro zu zahlen. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Kosten etwaiger im dritten Quartal 2006 erbrachter Krankenbehandlungen von M M, alias M D, und Rn M, alias R M, zu erstatten. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Kostenerstattung für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungs-gesetz.

Am 24. August 2006 meldete sich die nach eigenen Angaben russische Staatsangehörige tsche-schenischer Volkszugehörigkeit unter dem Namen M M (im Folgenden: M.M.) zusammen mit ihrem minderjährigen Sohn (im Folgenden: R.M.) bei der Zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber Berlin (ZAA-Berlin) mit einem Asylbegehren. M.M. gab an, sie und ihr Sohn seien am Tag zuvor eingereist und hätten bisher noch keinen Asylantrag gestellt. Das Bundes-amt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) benannte am selben Tag als zuständige Aufnahme-einrichtung gemäß § 46 Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) die Aufnahmeeinrich-tung in Berlin. M.M. und ihr Sohn erhielten am 28. August 2006 eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens beschränkt auf das Land Berlin. Sie beantragten am 29. August 2006 beim Kläger Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, die ihnen die Zentrale Leistungsstelle für Asylbewerber (ZLA-Berlin) des Landesamtes für Gesundheit und Soziales aufgrund verschiedener Bescheide für die Zeit vom 24. August 2006 bis zum 30. Ok-tober 2006 in Höhe von insgesamt 1.498,83 Euro sowie durch Aushändigung eines Behand-lungsausweises für M.M. und R.M. zur ärztlichen und zahnärztlichen Behandlung im dritten Quartal 2006 gewährte.

Die ZLA-Berlin erhielt am 28. September 2006 vom BAMF die Mitteilung, dass M.M. und R.M. bereits am 23. Juni 2005 unter anderen Personalien Asyl begehrt hatten und die Erstauf-nahmeeinrichtung Chemnitz in Sachsen als zuständig benannt worden war. Das BAMF hatte unter dem 1. Juli 2005 eine entsprechende Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchende (BÜMA) ausgestellt. M.M. und R.M. hatten sich in der Folgezeit in der Erstaufnahmeeinrich-tung (EAE) in Chemnitz nicht gemeldet. Die ZLA-Berlin gewährte M.M. und R.M. noch am selben Tag die Kosten einer Bahnfahrkarte und forderte diese zugleich auf, sich nach Chemnitz zu begeben. In der Zentralen Aufnahmestelle Chemnitz meldeten sie sich am 4. Oktober 2006. Das BAMF teilte der EAE Chemnitz unter dem 5. Oktober 2006 mit, dass die Verteilentschei-dung nach Chemnitz gültig sei und erteilte M.M. und R.M. eine Aufenthaltsgestattung be-schränkt auf das Stadtgebiet Chemnitz. Das BAMF lehnte im Oktober 2006 die Anerkennung der M.M. und des R.M. als Asylberechtigte bestandskräftig ab und ordnete deren Abschiebung nach Belgien an.

Der Kläger forderte den Beklagten mit Schreiben vom 19. Februar 2007, präzisiert durch das Schreiben vom 27. April 2007, erfolglos auf, ihm die für die Asylsuchenden M.M. und R.M. entstandenen Kosten in Höhe von 1.498,83 Euro zu erstatten.

Mit der am 10. März 2008 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Hierzu trägt er im Wesentlichen vor: Die ZLA-Berlin habe für M.M. und R.M. als örtlich unzuständi-ge Behörde Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für die Zeit vom 24. August bis zum 30. Oktober 2006 erbracht. Wegen der Verteilungsentscheidung des BAMF im Erstan-tragsverfahren sei das Land Sachsen für diese Leistungen örtlich zuständig gewesen, nicht hin-gegen der Kläger. Die Kosten für etwaige Krankenbehandlungen aufgrund des für das dritte Quartal 2006 ausgehändigten Krankenscheins seien noch nicht bekannt und daher noch nicht bezifferbar.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.498,83 Euro zu zahlen, und

festzustellen, dass der Beklagte darüber hinaus verpflichtet ist, die Kosten für die der Asylbewerberin M M und ihrem Sohn für das dritte Quartal 2006 gewährten Leistungen der Krankenhilfe zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt im Wesentlichen vor, die Bundesstelle habe im Erstantragsverfahren keine Vertei-lungsentscheidung getroffen, sondern lediglich die zuständige Aufnahmeeinrichtung benannt. Die örtliche Zuständigkeit beginne erst mit der aufgrund dieser Benennung erfolgten "Vertei-lung", die erst mit der Ankunft des Betroffenen in der Aufnahmeeinrichtung und der Anrech-nung auf die Aufnahmequote des Landes mittels Buchung durch die für ihn zuständige Auf-nahmeeinrichtung erfolge. Dies entspreche unter Berücksichtigung des Ergebnisprotokolls des Arbeitskreises 4 der Länderflüchtlingsverwaltungen vom 9. Februar 1999, Ziffer II.5, dem – bis auf Berlin – bundesweit einhelligen Verständnis des Verteilungsbegriffs in § 10a AsylbLG. Eine Verteilung sei daher erst am 4. Oktober 2006 erfolgt, so dass der Beklagte für den vom Kläger behaupteten Anspruch örtlich nicht zuständig gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der Verwaltungsvorgänge des Klägers und des Be-klagten sowie denjenigen des BAMF, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entschei-dungsfindung waren.

Entscheidungsgründe:

Die als allgemeine Leistungsklage bzw. Feststellungsklage zulässige Klage, über die das Ge-richt mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhand-lung entscheidet, ist begründet.

Anspruchsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Erstattungs- bzw. Feststellungsan-spruch ist § 9 Abs. 3 AsylbLG i.V.m. § 105 SGB X. Die dort genannten Voraussetzungen lie-gen hinsichtlich der vom Kläger für M.M. und R.M. nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erbrachten und mit der vorliegenden Klage in Höhe von 1.498,83 Euro geltend gemachten Leistungen sowie in Bezug auf die der Höhe nach noch nicht bezifferten Leistungen für ärztli-che und zahnärztliche Behandlung vor.

Nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB X, auf den § 9 Abs. 3 AsylbLG verweist, ist in dem Fall, dass ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass, wie hier, die Vor-aussetzungen des § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.

Der Kläger hat Frau M.M. und ihrem Sohn R.M. vor dem 28. September 2006 für die Zeit vom 24. August bis zum 30. Oktober 2006 als örtlich unzuständige Behörde Leistungen nach §§ 3 ff. AsylbLG in der mit der Klage beanspruchten Höhe erbracht. Die örtliche Zuständigkeit für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz richtet sich nach § 10a Abs. 1 Satz 1 A-sylbLG. Diese Norm regelt bundeseinheitlich die Frage der örtlichen Zuständigkeit der Behör-den, die das Asylbewerberleistungsgesetz zu vollziehen haben, und damit in Bezug auf § 10 AsylbLG zugleich die Frage, wer die Kosten des Vollzugs und die der gewährten Leistungen zu tragen hat. Nach Satz 1 der Vorschrift ist örtlich zuständig die nach § 10 AsylbLG bestimm-te Behörde, in deren Bereich der Leistungsberechtigte auf Grund der Entscheidung der vom Bundesministerium des Innern bestimmten zentralen Verteilungsstelle verteilt oder von der im Land zuständigen Behörde zugewiesen worden ist. Die erste Alternative betrifft mithin diejeni-gen Fälle, in denen der Leistungsberechtigte im bundesweiten Verteilungsverfahren gemäß § 46 AsylVfG durch das BAMF als der für die zentrale Verteilung der Leistungsberechtigten aufgrund einer Entscheidung des Bundesministeriums des Innern zuständigen Behörde auf ei-nen bestimmten Ort verteilt wurde (vgl. Adolph in Linhart/Adolph, SGB II – SGBXII – A-sylbLG, 51. Stand: Dezember 2008, § 10a AsylbLG Rn. 9). Dies war hier nach einer entspre-chenden Verteilung durch die zentrale Verteilungsstelle im Juni 2005 der Beklagte. Erst im Rahmen der hier nicht einschlägigen Auffangvorschrift des Satzes 2 ist der tatsächliche Auf-enthaltsort des Ausländers für die Zuständigkeit erheblich.

§ 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG definiert die "Verteilung" der vom Bundesministerium des In-nern bestimmten zentralen Verteilungsstelle nicht näher, sondern knüpft hiermit an die entspre-chende Bestimmung des Asylverfahrensgesetzes an. Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG be-nennt – wenn, wie hier die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht vorliegen – eine vom Bundesministerium des Innern bestimmte zentrale Verteilungsstelle auf Veranlas-sung einer Aufnahmeeinrichtung dieser die für die Aufnahme des Ausländers zuständige Auf-nahmeeinrichtung. Nach Satz 2 der Vorschrift sind dafür maßgebend die Aufnahmequoten nach § 45 AsylVfG, in diesem Rahmen die vorhandenen freien Unterbringungsplätze und so-dann die Bearbeitungsmöglichkeiten der jeweiligen Außenstelle des Bundesamtes in Bezug auf die Herkunftsländer der Ausländer. Damit wird nach dem geltenden Asylverfahrensgesetz von 1992 mit der Benennung der zuständigen Aufnahmeeinrichtung bereits das Bundesland, das den Asylbewerber aufzunehmen hat, bestimmt (während nach früherem Recht gemäß § 22 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG 1982 die Zuweisungsentscheidung erst nach der Asylantragstellung verfügt wurde). Der Gesetzgeber hat hierdurch ausdrücklich ein neues Verteilungsverfahren zur gleichmäßigen Auslastung der zur Verfügung stehenden Sammelunterkünfte sicherstellen wollen (vgl. BT-Drs. 12/2062, S. 26). Dies hat zur Folge, dass die bundesweite Verteilung der Asylbewerber bereits zu Beginn des Asylverfahrens stattfindet (vgl. BT-Drs. a.a.O.). Für die Begründung der örtlichen Zuständigkeit gemäß der ersten Alternative des § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG kommt es demzufolge allein auf diese Erstverteilungsentscheidung an. Der jeweils vom BAMF in der Erstverteilungsentscheidung benannte Zielort ist sodann gemäß § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG örtlich zuständig für die Unterbringung und Versorgung mit Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (vgl. Herbst in Mergler/Zink, SGB XII, 3. Lfg., Stand Januar 2005, § 10a Rn. 6; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Auflage 2008, § 10a Rn. 3; Hohm, K.-H., Gemeinschaftskommentar zum AsylbLG – GK-AsylbLG –, Stand: April 2008, § 10a Rn. 26; Adolph, a.a.O., Rn. 10).

Zwar setzt das in § 46 Abs. 2 Satz 1 AsylbLG geregelte Erstverteilungsverfahren voraus, dass in den Bundesländern die erforderlichen Aufnahmekapazitäten (unter Anwendung des "Kö-nigsteiner Schlüssels") vorhanden sind (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG; BT-Drs. 12/2718, S. 59). Dies zu steuern obliegt jedoch dem BAMF im Rahmen der Erstverteilung mithilfe eines EDV-gesteuerten Verteilungssystems (vgl. BT-Drs. 12/2062, S. 62) über welches vorliegend die EAE Chemnitz bereits im Juni 2005 benannt worden war (vgl. EASY [Erstverteilung von Asylbegehrenden] hier Options-Nr. BE0034384). Ist danach die Aufnahmeeinrichtung, in der der Asylbewerber erstmalig vorgesprochen hat nach der systemgesteuerten Zuweisung für sei-ne Aufnahme unzuständig, wird die nach § 46 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG vom BAMF "benannte" Aufnahmeeinrichtung zuständig. Die "Benennung" durch die zentralen Verteilungsstelle stellt insofern die maßgebliche Entscheidung bezüglich der Verteilung des Asylsuchenden dar und begründet hierdurch, wie bereits oben dargestellt wurde, die örtliche Zuständigkeit der nach § 10 AsylbLG bestimmten Behörde des nach § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG benannten Ortes (vgl. Herbst, a.a.O. Rn. 7, Wahrendorf, a.a.O., Adolph, a.a.O., Hohm, a.a.O.). Ist nach der verwal-tungsinternen Entscheidung des BAMF die vom Asylsuchenden aufgesuchte Aufnahmeeinrich-tung – hier die ZAA-Berlin im Juli 2005 – unzuständig, leitet diese den Asylsuchenden, wie vorliegend geschehen, an die als zuständig bestimmte Aufnahmeeinrichtung – hier die EAE Chemnitz – weiter (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 AsylVfG). Erst im Anschluss an die Been-digung der Wohnverpflichtung nach § 47 Abs. 1 AsylVfG folgt die hier nicht relevante bun-deslandinterne Verteilung nach § 50 AsylVfG bzw. gegebenenfalls länderübergreifende nach § 51 AsylVfG.

Danach sind M.M. und R.M. bereits am 23. Juni 2005 in den Zuständigkeitsbereich der Be-klagten "verteilt" worden. Denn das BAMF als zentrale Verteilungsstelle des Bundes hat an diesem Tag auf Veranlassung der ZAA-Berlin die EAE Chemnitz gemäß § 46 Abs. 2 AsylVfG als zuständige Aufnahmeeinrichtung benannt und damit die (Erst-) Verteilungsentscheidung abschließend getroffen.

Insoweit ist es unerheblich, dass die Asylsuchenden M.M und R.M. im Jahre 2005 der Weiter-leitungsanordnung der ZAA-Berlin keine Folge geleistet hatten und in der EAE Chemnitz tat-sächlich nicht erschienen waren. Nach Wortlaut, Sinn und Zweck sowie Systematik des § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit allein nach der Verteilungs-entscheidung der zentralen Verteilungsstelle des Bundes (gemäß § 46 Abs. 2 AsylVfG). Weite-re oder abweichende Voraussetzungen wie etwa das Folgeleisten einer Weiterleitungsanord-nung der unzuständigen Aufnahmeeinrichtung oder das tatsächliche Aufsuchen der zuständi-gen Aufnahmeeinrichtung durch den Asylsuchenden enthält die Vorschrift nicht (vgl. VG Ans-bach, Beschluss vom 4. November 1998, InfAuslR 1999, 315, 316). Dieser Auslegung des Begriffs "verteilt" in § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG steht auch das Ergebnisprotokoll des Ar-beitskreises 4 der Länderflüchtlingsverwaltungen unter Ziffer II. 5, abgedruckt in GK-AsylbLG, § 10a Rn. 122, nicht entgegen. Dort heißt es: "Für Asylfolgeanträge ist die Behörde am Ort der Zuweisung des vorherigen Asylverfahrens als Behörde nach § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG zuständig. Hält sich der Betroffene an einem anderen Ort als dem Zuweisungsort des vorherigen Verfahrens auf, gilt unter Berücksichtigung des § 71 Abs. 7 AsylVfG die letzte räumliche Beschränkung fort mit der Folge, dass § 11 Abs. 2 AsylbLG Anwendung findet. Dies bedeutet, dass für diese Leistungen die Behörde am tatsächlichen Aufenthaltsort nach § 11 Abs. 2 in Verbindung mit § 10a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG auch zuständige Behörde ist (Dop-pelzuständigkeit). Daher kommt eine Kostenerstattung nicht in Betracht." Abgesehen davon, dass das Gericht im Rahmen der allein nach Wortlaut, Sinn und Zweck sowie Gesetzessyste-matik vorzunehmenden Auslegung des Gesetzes nicht an den Inhalt des genannten Ergebnis-protokolls gebunden ist, regelt der genannte Auszug lediglich den Fall, dass die Behörde des tatsächlichen Aufenthaltsortes im Falle des fiktiven Folgeantrags im Sinne des § 71 AsylVfG für die unabweisbar gebotene Hilfe nach § 11 Abs. 2 AsylbLG zuständig ist, nicht hingegen für sämtliche Leistungen nach §§ 3 ff. AsylbLG (vgl. hierzu VG Gießen, Urteil vom 28. März 2000 – 6 E 1592/98 – Juris). Um die vom Kläger an M.M. und R.M. darüber hinaus gewährte unabweisbare Hilfe in Form der Fahrtkosten nach Chemnitz geht es vorliegend jedoch nicht. Denn die Kosten für eine Bahnfahrt von Berlin nach Chemnitz in Höhe von 31,31 Euro werden nicht im Wege der Erstattung geltend gemacht; für diese wurde vielmehr ausweislich des Schreibens des Klägers an den Beklagten vom 27. April 2007 die originäre Zuständigkeit sei-ner selbst gemäß § 11 Abs. 2 AsylbLG erkannt.

Im Übrigen hat die ursprüngliche Verteilungsentscheidung nach Chemnitz auch nach den asyl-verfahrensrechtlichen Vorschriften aufgrund des ersten Asylbegehrens der M.M. und ihres Sohnes weiterhin Gültigkeit. Nach § 56 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG bleiben räumliche Beschrän-kungen nach Erlöschen der Aufenthaltsgestattung in Kraft, bis sie aufgehoben werden oder der abgelehnte und vollziehbar ausreisepflichtige, aber noch nicht ausgereiste Asylbewerber einen Aufenthaltstitel erhalten hat (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. Mai 2007 – 3 S 23.07 – Juris; VGH Kassel, Beschluss vom 25. August 2006 – 8 TG 1617/06.A – Juris). Sie bleiben auch dann in Kraft, wenn der Asylsuchende, wie hier M.M. und ihr Sohn, der Weiter-leitungsanordnung nicht Folge leistet und aufgrund dessen ein Asylverfahren nicht eingeleitet wird (vgl. Marx, AsylVfG, 7. Auflage 2009, § 56 Rn. 35-37; OVG Berlin-Brandenburg, Be-schluss vom 4. Mai 2007, a.a.O.; OVG Hamburg, Beschluss vom 19. Oktober 2005 – 4 Bs 215/05 – Juris). Denn die räumliche Beschränkung der Aufenthaltsgestattung durch § 56 Abs. 1 AsylVfG besteht nicht erst für die Zeit ab der Stellung des Asylantrages nach § 14 AsylVfG. Vielmehr ist der Aufenthalt des Asylsuchenden bereits infolge der Anbringung seines Asylge-suchs auf den Bezirk der von der bundesweiten zentralen Verteilstelle gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG zugewiesenen Ausländerbehörde beschränkt. Die so begründete räumliche Be-schränkung des Aufenthalts wird nicht dadurch gegenstandslos, dass der Asylsuchende die Weiterleitungs- und Meldeanordnung entgegen seiner Verpflichtung nach § 20 Abs. 1 A-sylVfG nicht befolgt und sich infolgedessen nicht bei der ihm zugewiesenen Aufnahmeeinrich-tung meldet. Zwar ist die durch die Anbringung des Asylgesuchs entstandene gesetzliche Auf-enthaltsgestattung gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG erloschen, wenn der Antragsteller inner-halb von zwei Wochen, nachdem er um Asyl nachgesucht hat, keinen Asylantrag in dem Ort der Erstverteilung gestellt hat. Die räumliche Beschränkung bleibt hingegen auch nach Erlö-schen der Aufenthaltsgestattung nach § 56 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG weiterhin in Kraft. So liegt der Fall hier. Die räumliche Beschränkung aus dem Asylerstverfahren auf den Bezirk der EAE Chemnitz hat weiterhin Gültigkeit. Sie ist auch nicht etwa durch die im Jahre 2006 M.M. und R.M. ausgehändigte Aufenthaltsgestattung, die eine räumliche Beschränkung auf das Bundes-land Berlin enthielt, aufgehoben worden. Denn infolge der Verwendung von Aliaspersonalien hatte die die Aufenthaltsgestattung ausstellende Behörde keinerlei Kenntnis von der bereits bestehenden räumlichen Beschränkung. Dementsprechend hat auch das BAMF die zweite Meldung der M.M. und ihres Sohnes als Asylsuchende in der ZAA-Berlin im Jahr 2006 (unter anderen Personalien) nach Durchführung der erkennungsdienstlichen Ermittlungen und Fest-stellung der Aliaspersonalien zutreffend gemäß § 20 Abs. 2 AsylVfG als Asylfolgeantrag im Sinne des § 71 AsylVfG gewertet und gegenüber der Aufnahmeeinrichtung Chemnitz festge-stellt, dass die frühere Verteilungsentscheidung nach Chemnitz gültig ist.

Entgegen der Auffassung des Beklagten folgt eine örtliche Zuständigkeit des Klägers nicht aus § 10a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG. Danach ist im Übrigen die Behörde zuständig, in deren Bereich sich der Leistungsberechtigte tatsächlich aufhält. Nach dem eindeutigen Wortlaut, der systema-tischen Stellung sowie dem Sinn und Zweck dieser Regelung ("im Übrigen") greift diese als allgemeine Auffangbestimmung in einer derartigen Konkurrenzsituation nur, wenn keine örtli-che Zuständigkeit nach Satz 1 der Vorschrift begründet wurde. Dies ist jedoch nach den obigen Ausführungen der Fall. Denn es liegt eine abschließende Verteilungsentscheidung vor, so dass es auf den tatsächlichen Aufenthalt der Asylsuchenden im hier entscheidenden Zeitraum nicht ankommt (vgl. Adoloph, a.a.O. Rn. 17).

Die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 SGB X sind auch im Übrigen gegeben. Insbesondere hat der Kläger in der geltend gemachten Höhe Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsge-setz an M.M. und R.M. erbracht. Der Beklagte seinerseits hat in dem hier maßgeblichen Zeit-raum keine dahingehenden Leistungen gewährt. Anhaltspunkte dafür, dass die Leistungen des Klägers höher waren als diejenigen, die durch den zuständigen Leistungsträger hätten erbracht werden müssen, bestehen weder noch wurde dies vom Beklagten behauptet oder die Höhe des Erstattungsanspruchs im Übrigen bestritten.

Das Feststellungsbegehren des Klägers ist ebenfalls begründet. Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann mit der Feststellungsklage das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Darunter sind auch die Fälle einzuordnen, in denen die Feststellung erst künf-tig entstehender oder fällig werdender Ansprüche begehrt wird (BSG, Urteil vom 25. Novem-ber 1998 – B 6 KA 75/97 R – Juris). So liegt es hier. Seit Klageerhebung war der Kläger noch nicht in der Lage, den ihm infolge etwaiger ärztlicher oder zahnärztlicher Krankenbehandlun-gen von M.M. und R.M. entstandenen Erstattungsanspruch zu beziffern. Aus Gründen der Pro-zessökonomie ist es jedoch erforderlich – zumal hier die Kosten erst durch die Krankenkasse zu ermitteln wären – die zugrunde liegende, gegenwärtig allein streitige Zuständigkeitsfrage im Sinne des § 10a Abs. 1 AsylbLG i.V.m. § 105 SGB X bereits im Rahmen der vorliegenden Klage zu entscheiden. Der Beklagte war im hier maßgeblichen Zeitraum des Jahres 2006 auch für die nach § 4 Abs. 1 AsylbLG zu erbringenden Leistungen bei Krankheit örtlich gemäß § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG zuständig. Auf die obigen Ausführungen wird insoweit verwiesen. Derartige Leistungen hat der Kläger als unzuständige Behörde dadurch erbracht, dass er M.M. und R.M. Behandlungsausweise für ärztliche und zahnärztliche Behandlungen in Bezug auf das dritte Quartal 2006 ausgestellt hat. Demzufolge ist der Beklagte dem Grunde nach ver-pflichtet, hierdurch gegebenenfalls entstandene Kosten zu erstatten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Rechtskraft
Aus
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