S 37 AS 20804/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
37
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 37 AS 20804/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Mai 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2007 verurteilt, die Betriebskostennachforderung von 1.463,10 EUR nebst Zinsen, Anwalts- und Voll-streckungskosten des Vermieters auf der Grundlage des Grund-Streitwerts von 1.463,10 EUR zu übernehmen. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf Übernahme einer Betriebskostennachforderung.

Die Kläger beziehen seit Januar 2005 laufend Alg II und Sozialgeld. Am 14.12.2006 beantragten sie die Übernahme einer Betriebskostennachforderung vom 27.12.2004 für das Jahr 2003, gegen die sie Widerspruch eingelegt hatten, auf den der Vermieter zunächst nur mit zwei Zahlungserinnerungen vom 18.9.2006 und 11.12.2006 reagierte.

Erst mit Schreiben vom 22.3.2007 beantwortete der Vermieter das Widerspruchsschreiben dahingehend, dass nach erneuter Überprüfung der Abrechnung kein Fehler festzustellen sei; die Nachforderung in Höhe von 1.463,10 EUR sei zur Vermeidung weitergehender Schritte umgehend zu überweisen.

Mit Bescheid vom 14.5.2007 lehnte der Beklagte die Kostenübernahme mit der Begründung ab, die Nachforderung sei vom Vermieter zu spät erstellt worden und daher unbeachtlich.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren erklärte der Kläger zu 1), die Betriebskosten-abrechnung sei am 27.12.2004 noch fristgemäß erstellt worden. Der Einwand gegen die Forderung beziehe sich auf die nicht nachvollziehbare Berechnung. Dem Widerspruch war ein Schreiben des Vermieters beigefügt worden, worin dieser ausführt, das Job Center müsse die "unstrittig" rechtzeitig erstellte Betriebskostennachforderung erfüllen. Bei Nichtzahlung werde ein Mahnverfahren eingeleitet.

Der Widerspruch blieb jedoch erfolglos; im Widerspruchsbescheid vom 16.8.2007 führte der Beklagte aus, Betriebskostennachforderungen aus Zeiträumen vor Inkrafttreten des SGB II (1.1.2005) könnten nicht übernommen werden.

Mit der am 3.9.2007 beim Sozialgericht Berlin erhobenen Klage bekräftigen die Kläger ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren. Das Sozialamt habe sie an das für die Kostenüber-nahme zuständige Job Center verwiesen.

Im Verlauf des Klageverfahrens sind die Kläger mit Urteil des Amtsgerichts Pankow/Weißensee zur Zahlung der Nachforderung nebst Zinsen und Anwaltskosten (im Übrigen war PKH bewilligt worden) verurteilt worden. Eine Zwangsvollstreckung wurde am 9.7.2008 eingeleitet.

Die Kläger beantragen nach sachdienlicher Auslegung ihres Vorbringens,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Mai 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2007 zu verurteilen, die Betriebskostennach- forderung von 1.463,10 EUR nebst Zinsen, Anwalts- und Vollstreckungskosten des Vermieters zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach dem Verteidigungsvorbringen der Kläger im Zivilprozess sei die Betriebs- und Heizkostenabrechnung 2003 außerhalb der Frist des § 556 BGB zugegangen. Dass die Amtsrichterin dies als nicht ausreichend nachgewiesen gewertet habe, sei unerheblich.

Zum übrigen Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die beigezogene Verwaltungsakt verwiesen.

Die Beteiligten sind zu einer Entscheidung mit Gerichtsbescheid angehört worden.

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Klageverfahrens ist die Betriebskostennachforderung aus 2003. Die mit dem Urteil des Amtsgerichts Pankow/Weißensee außerdem bestätige Mietzinsnachforderung für Dezember 2004 betrifft einen gesonderten Streit, über den der Beklagte bislang noch gar nicht entschieden hat.

Die insoweit zulässige Klage ist auch begründet. Nach dem Urteil des AG Pankow/Weißensee steht fest, dass die Kläger zur Zahlung der Betriebskostenforderung aus 2003 verpflichtet sind. Die Forderung ist erst nach Inkrafttreten des SGB II fällig geworden, so dass an der Zuständig-keit des Beklagten keinerlei Zweifel bestehen. Dass die Forderung aus Zeiträumen vor dem 1.1.2005 stammt, ist unerheblich. Nach dem Gegenwärtigkeitsprinzip kommt es auf die Fällig-keit der Forderung an, wie es auch in den Schreiben des Sozialamtes zutreffend dargelegt wurde. Die Forderung betrifft auch die noch aktuell genutzte Wohnung.

Die Kläger hatten in 2003 ergänzend zur Arbeitslosenhilfe des Klägers zu 1) Sozialhilfe bezogen. Aus einem Sozialhilfebescheid von 5/2004 (Bl. 21 L-Akte) geht hervor, dass die Unterkunfts- und Heizkosten direkt an den Vermieter gingen und die Energiepauschalen abgezogen worden waren.

Die Nachforderung, die Betriebs- und Heizkosten umfasst, bezieht sich somit auf einen infolge unzureichend kalkulierter Vorauszahlungen aufgelaufenen Betrag, der nach § 22 Abs. 1 SGB II als Bestandteil der Regelleistung darlehensfrei zu übernehmen ist. Nach BSG-Rechtsprechung, der das erkennende Gericht folgt, kann nur die im Regelsatz enthaltene Pauschale für Haus-haltsenergie abgezogen werden, was bereits im laufenden Sozialhilfebezug erfolgte. Hinweise auf einen unangemessenen Verbrauch an Heizenergie sind nicht ersichtlich oder vom Beklagten geltend gemacht worden. Die Nachforderung ist somit in der errechneten Höhe von 1463,10 EUR zu übernehmen.

Eine bestimmte Frist zur Beantragung der Nachforderung hatten die Kläger nicht einzuhalten, zumal sie mit dem Antrag zu einem Zeitpunkt der Mahnung bei laufendem Einspruch gegen die Forderung sachgerecht vorgegangen sind. Sie haben auch in der Folgezeit den Beklagten über den Schriftwechsel mit dem Vermieter auf dem Laufenden gehalten, so dass der Beklagte ausreichend Gelegenheit hatte, sich mit dem Anspruch auf Kostenübernahme auseinander zu setzen

Infolge der unrechtmäßigen Ablehnung der Kostenübernahme sind den Klägern trotz PKH-Bewilligung Kosten in Form von Zinsen, Anwaltsgebühren des Vermieters sowie der Beauftragung eines Gerichtsvollziehers entstanden. Diese Kosten sind ebenfalls vom Beklagten zu übernehmen, bezogen auf die Forderung von 1463,10 EUR. Sie sind als Bestandteil der Unter-kunftskosten zu werten. Mit einer Ablehnung dieser Kosten verhielte sich der Beklagte über-dies treuwidrig. Denn er kann nicht einerseits und zu Recht fordern, dass sich ein Hilfebedürf-tiger gegen zweifelhafte Vermieterforderungen wehrt, im Fall einer erfolglosen Gegenwehr dann aber eine Kostenverantwortung zurückweisen.

Zwar wird im Regelfall gefordert werden dürfen, dass der Hilfebedürftige vor Anstrengung einer kostenpflichtigen Klage das Kostenrisiko mit dem SGB II-Träger klärt, hierauf kann sich der Beklagte jedoch nicht berufen, da die Kläger ihrem Widerspruch ein Schreiben des Vermieters beigefügt hatten, in dem bei Nichtzahlung auf weitere Schritte hingewiesen wurde und auf das der Beklagte mit der von Anfang an rechtsirrtümlichen Auffassung reagiert hatte, Forderungen aus 2003 könnten generell nicht übernommen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Haupt- sache.
Rechtskraft
Aus
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