Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
174
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 174 AS 5694/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die Beigeladene wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin zu 1) die Übernahme der Mietkaution in Höhe von 457,50 EUR für die Wohnung in der Sch straße ..., B ..., zuzusichern. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen. 2. Die Beigeladene trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Unter dem 26.02.2009 stellten die Antragsteller beim Sozialgericht Berlin den Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern eine Zusicherung zum Umzug in die 3-Zimmer-Wohnung, Sch straße ..., B sowie eine Zusicherung zur Übernahme der sodann anfallenden Kaution für die neue Wohnung in Höhe von 915,00 EUR zu erteilen. Die Antragsgegnerin beantragte, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Zur Begründung führte Sie aus, dass die Antragstellerin zu 1) nach § 7 Abs. 4 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Leistungsbezug ausgeschlossen sei und das dem Antragsteller zu 2) unter dem 24.02.2009 die begehrten Zusicherungen bereits erteilt worden seien. Das Gericht hat den Antrag der Antragsteller dahingehend ausgelegt, dass die Antragstellerin zu 1) Leistungen entweder nach dem SGB II oder nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) begehrt. Mit Beschluss vom 09.03.2009 hat das Gericht das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin, Abteilung Soziales beigeladen [vgl. § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)]. Die Beigeladene beantragte mit Schriftsatz vom 10.03.2009, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Zur Begründung führte die Beigeladene aus, dass die Antragstellerin zu 1) nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten nach dem SGB XII gehöre, da sie erwerbsfähig sei.
II.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) voraus, dass die Voraussetzungen für einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden sind. Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn nach der Prüfung der materiellen Rechtslage überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Antragsteller mit seinem Begehren im hauptsächlichen Verwaltungs- oder Klageverfahren erfolgreich sein wird. Zum anderen muss eine gerichtliche Entscheidung deswegen dringend geboten sein, weil es dem Antragsteller wegen drohender schwerwiegender Nachteile nicht zuzumuten ist, den Ausgang eines Hauptverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund). Hinsichtlich des Antragstellers zu 2) fehlt es dem Eilantrag bereits am Rechtsschutzbedürfnis, so dass er insoweit bereits unzulässig ist. Denn ausweislich des Schreibens der Antragsgegnerin vom 24.02.2009 hat diese gegenüber dem Antragsteller zu 2) bereits eine Zusicherung zur Übernahme der hälftigen Kosten der neuen Unterkunft sowie der hälftigen Kaution erteilt. Hinsichtlich der Antragstellerin zu 1) ist der zulässige Eilantrag in dem tenorierten Umfang auch begründet, da insoweit ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht wurden. Nach § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II soll der erwerbsfähige Hilfebedürftige vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft die Zusicherung des für die Leistungserbringung bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Der kommunale Träger ist nur zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind (§ 22 Abs. 2 S. 2 SGB II). Nach § 22 Abs. 3 S. 1 SGB II kann eine Mietkaution bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger übernommen werden. Nach § 22 Abs. 3 S. 2 SGB II soll die Zusicherung erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst wurde oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Eine Mietkaution soll nach § 22 Abs. 3 S. 3 SGB II als Darlehen erbracht werden. Voraussetzung für einen Anspruch der Antragstellerin zu 1) auf Erteilung einer Zusicherung nach §§ 22 Abs. 2 und 3 SGB II ist zuvörderst, dass sie zum Kreis der Anspruchsberechtigten nach dem SGB II gehört. Dies ist aber nicht der Fall. Denn nach § 7 Abs. 4 S. 1 Hs. 1 Alt 1 SGB II sind vom Leistungsbezug Personen ausgeschlossen, die eine Rente wegen Alters erhalten. Die Antragstellerin zu 1) bezieht - nach eigenen Angaben im Antrag auf Leistungen der Grundsicherung - eine polnische Altersrente in Höhe von monatlich 330,00 EUR. Sie ist daher nach § 7 Abs. 4 S. 1 Hs. 1 Alt 1 SGB II vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen. Denn § 7 Abs. 4 S. 1 Hs. 1 Alt 1 SGB II spricht bereits nach seinem eindeutigen Wortlaut nicht von einer deutschen Rente bzw. einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (so auch Spellbrink in Eicher/Spellbrink SGB II, 2. Auflage, § 7, Rn. 72). Jedenfalls ergibt sich der Leistungsausschluss der Antragstellerin zu 1) hier aus § 7 Abs. 4 S. 1 Hs. 2 2 Alt. Denn danach sind Personen ausgeschlossen, die eine der Rente bzw. Knappschaftsausgleichleistung ähnliche Leistung öffentlich-rechtlicher Art erhalten. Nach Überzeugung der Gerichts stellt der Bezug einer polnischen Altersrente in jedem Fall eine der deutsche Rente ähnliche öffentlich-rechtliche Leistung dar (vgl. Urteil des BSG - zu der vergleichbaren Regelung des § 142 Abs. 1 Nr. 4 SGB III - vom 29.10.1997, 7 Rar 10/97BSG = SozR 4100 § 118 Nr. 3; Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 2. Auflage, § 7, Rn. 78). Für diese Auslegung spricht, dass nicht einleuchtet, weshalb eine Person mit ausländischer Rente anders als eine Person mit inländischer Rente behandelt werden sollte. Darüber hinaus ist der Bezug einer ähnlichen Leistung öffentlich-rechtlicher Art eines ausländischen Versicherungsträgers nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) dadurch gekennzeichnet, dass (1) die ausländische Rentenleistung durch einen öffentlich-rechtlichen Träger gewährt wird, (2) dass sie die gleichen und typischen Strukturen wie bei einer inländischen Rente aufweist, nämlich (a) bei Eintritt einer bestimmten Altersgrenze zugebilligt wird, (b) sich als Lohnersatzleistung darstellt und (c) so bemessen ist, dass sie im Allgemeinen den Lebensunterhalt sicher stellt (vgl. BSG zu der Bestimmung des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in SozR 3-4100 § 118 Nr 4 mwN; BSG Urteil vom 06.05.1994 - 7 RAr 70/93). Nach der allein im Rahmen des Eilverfahrens vorzunehmenden summarischen Prüfung ist das Gericht davon überzeugt, dass die Voraussetzungen vorliegen. Hinsichtlich der unter 2 (b) genannten Voraussetzung ist insbesondere darauf abzustellen, dass die polnische Rente geeignet sein muss, den Lebensunterhalt in Polen zusichern und nicht den allgemeinen Lebensunterhalt im Ausland. Jede andere Betrachtungsweise würde ansonsten schlechterdings zu einer leichten Möglichkeit der Umgehung des Leistungsausschlusses führen, nämlich stets dann, wenn der tatsächliche Aufenthalt von einem Land mit niedrigem Lebensstandard in die Bundesrepublik Deutschland verlegt werden würde. Soweit sowohl die Antragsgegnerin als auch die Beigeladene darauf hinweisen, es sei bei einem ausländischen Rentenbezug, der deutlich vor dem Renteneintrittsalter nach deutschem Recht liegt, im Einzelfall zu prüfen, ob der Hilfebedürftige weiterhin gewillt sei, bis zum Renteneintrittsalter nach deutschem Recht eine Beschäftigung aufzunehmen, ist dafür keine rechtliche Grundlage erkennbar. Dagegen spricht des Weiteren, wenn eine ausländische Rente als Rente wegen Alters oder als ähnliche Leistung öffentlich-rechtlicher Art anzusehen ist, es auf das Lebensalter des Antragsteller nicht mehr ankomme kann (so auch Spellbrink, in Eicher/Spellbrink a.a.O., § 7, Rn. 72).
Die Antragstellerin zu 1) gehört mithin nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten nach dem SGB II und hat somit auch keinen Anspruch auf die begehrte Zusicherung nach §§ 22 Abs. 2 und 3 SGB II gegenüber der Antragsgegnerin.
Nach Auffassung des Gerichts ist die Beigeladene, nachdem die Antragstellerin zu 1) keine Ansprüche aus dem SGB II herleiten kann und sie ihren Bedarf unstreitig nicht aus dem ihr zur Verfügung stehenden Einkommen und Vermögen decken kann, zuständig. Die Antragstellerin zu 1) gehört – entgegen der Ansicht der Beigeladenen – zum Kreis der Anspruchsberechtigten nach dem SGB XII. Denn nach § 17 Abs. 1 S. 1 SGB XII besteht ein Anspruch auf Sozialhilfe, soweit bestimmt wird, dass die Leistung zu erbringen ist. Nach § 19 Abs. 1 S. 1 SGB XII ist leistungsberechtigt derjenige, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht aus eigen Mitteln, insbesondere Einkommen und Vermögen, beschaffen kann. Dies ist im Falle der Antragstellerin zu 1), welche lediglich über eine geringe Rente verfügt (s.o.), der Fall. Nach § 19 Abs. 2 SGB XII ist Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach den besonderen Voraussetzungen des Vierten Kapitels dieses Buches Personen zu leisten, die die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 erreicht haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da die Antragstellerin zu 1) als erwerbsunfähig anzusehen ist. Insoweit ist zwar denkbar, dass der Empfänger einer Rente wegen Alters [vgl. §§ 35 bis 42 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI)] noch erwerbsfähig i.S.v. § 8 SGB II ist, insbesondere, wenn die Altersrente vorzeitig, also vor Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. der neuen Altersgrenze [vgl. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. 7 a) (§ 35 SGB VI)] in Anspruch genommen wird. Dies ist etwa der Fall bei langjährig Versicherten (§ 36 SGB VI), Schwerbehinderten (§ 37 SGB VI), bei Arbeitslosigkeit und nach Altersteilzeit (§ 38 SGB VI) für Frauen (§ 39 SGB VI) und für langjährig unter Tage beschäftigte Personen (§ 40 SGB VI). Hier könnte über § 5 Abs. 2 SGB II gefolgert werden, dass damit zugleich ein Anspruch auf ergänzende Sozialhilfe neben der Altersrente ausgeschlossen sein soll. Das Gericht ist hingegen der Auffassung, dass § 7 Abs. 4 S. 1 Hs. 2 SGB II so auszulegen ist, dass hier die Erwerbsunfähigkeit i.S. des SGB II fingiert wird, so dass ein Bezug von Leistungen der Sozialhilfe möglich ist. Andernfalls würde ein Berechtigter über die Rentenantragstellung nach § 5 Abs. 3 SGB II aus dem System des SGB II ausscheiden, wäre aber auch bei Bezug einer Kleinstrente wegen § 5 Abs. 2 SGB II und § 21 SGB XII nicht in der Lage, einen Anspruch auf Sozialhilfe geltend zu machen. Insoweit entstünde – wie im Falle der Antragstellerin zu 1) – bis zum Erreichen der Altersgrenze des § 41 Abs. 2 SGB II eine nicht hinnehmbare Versorgungslücke.
Soweit die Antragstellerin zu 1) eine Zusicherung zur Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung vor Abschluss eines neuen Mietvertrages begehrt, bedarf es im SGB XII einer solchen aber nicht, da nach § 29 Abs. 1 S. 4 SGB XII vor Abschluss eines neuen Mietvertrages der Sozialleistungsträger nur in Kenntnis zu setzen ist, wenn die Unterkunft – was hier der Fall ist – angemessen ist (vgl. Grube /Wahrendorf, SGB II, 2. Auflage, § 29, Rn. 42). Dem Antrag fehlt es insoweit am Rechtsschutzbedürfnis.
Der Anspruch der Antragstellerin zu 1) auf die begehrten Zusicherung zur Übernahme der Mietkaution ergibt sich aus § 29 Abs. 1 S. 7 und 8 SGB XII. Danach soll eine Zustimmung zur Übernahme der Mietkaution erteilt werden, wenn der Umzug notwendig ist. Dies ist hier der Fall, da die Antragstellerin zu 1) nur übergangsweise (Notunterkunft) bei einer Cousine untergekommen sind.
Die Antragstellerin zu 1) hat schlussendlich auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht. Zwar darf eine Entscheidung im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens grundsätzlich nicht die Hauptsache vorwegnehmen (h.M.; vgl. etwa Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, Rn. 31 zu § 86 b), was bei einer Verpflichtung der Beigeladenen zur Erteilung der Zusicherung hier geschieht. Von diesem Grundsatz ist jedoch abzuweichen, wenn die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) es erfordert. Dies ist vorliegend der Fall. Würde man bis zur Entscheidung in der Hauptsache zuwarten, so stünde die von den Antragstellern in Aussicht genommene Wohnung nicht mehr zur Verfügung und die begehrte Zusicherung könnte nicht mehr erteilt werden. Das Recht der Familie, selbst zu bestimmen, wo und wie sie wohnt, wäre damit in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigt. Dass die Sache dringlich ist, also auch ein Anordnungsgrund im oben beschriebenen Sinne vorliegt, bedarf nach alledem keiner weiteren Erläuterung mehr.
Die Beigeladene konnte analog § 75 Abs. 5 SGG nach der wirksam gewordenen notwendigen Beiladung (Beschluss vom 09.03.20098) verpflichtet werden. Gemäß § 75 Abs. 5 SGG kann ein Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land nach Beiladung verurteilt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.
Gründe:
I.
Unter dem 26.02.2009 stellten die Antragsteller beim Sozialgericht Berlin den Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern eine Zusicherung zum Umzug in die 3-Zimmer-Wohnung, Sch straße ..., B sowie eine Zusicherung zur Übernahme der sodann anfallenden Kaution für die neue Wohnung in Höhe von 915,00 EUR zu erteilen. Die Antragsgegnerin beantragte, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Zur Begründung führte Sie aus, dass die Antragstellerin zu 1) nach § 7 Abs. 4 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Leistungsbezug ausgeschlossen sei und das dem Antragsteller zu 2) unter dem 24.02.2009 die begehrten Zusicherungen bereits erteilt worden seien. Das Gericht hat den Antrag der Antragsteller dahingehend ausgelegt, dass die Antragstellerin zu 1) Leistungen entweder nach dem SGB II oder nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) begehrt. Mit Beschluss vom 09.03.2009 hat das Gericht das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin, Abteilung Soziales beigeladen [vgl. § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)]. Die Beigeladene beantragte mit Schriftsatz vom 10.03.2009, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Zur Begründung führte die Beigeladene aus, dass die Antragstellerin zu 1) nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten nach dem SGB XII gehöre, da sie erwerbsfähig sei.
II.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) voraus, dass die Voraussetzungen für einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden sind. Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn nach der Prüfung der materiellen Rechtslage überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Antragsteller mit seinem Begehren im hauptsächlichen Verwaltungs- oder Klageverfahren erfolgreich sein wird. Zum anderen muss eine gerichtliche Entscheidung deswegen dringend geboten sein, weil es dem Antragsteller wegen drohender schwerwiegender Nachteile nicht zuzumuten ist, den Ausgang eines Hauptverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund). Hinsichtlich des Antragstellers zu 2) fehlt es dem Eilantrag bereits am Rechtsschutzbedürfnis, so dass er insoweit bereits unzulässig ist. Denn ausweislich des Schreibens der Antragsgegnerin vom 24.02.2009 hat diese gegenüber dem Antragsteller zu 2) bereits eine Zusicherung zur Übernahme der hälftigen Kosten der neuen Unterkunft sowie der hälftigen Kaution erteilt. Hinsichtlich der Antragstellerin zu 1) ist der zulässige Eilantrag in dem tenorierten Umfang auch begründet, da insoweit ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht wurden. Nach § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II soll der erwerbsfähige Hilfebedürftige vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft die Zusicherung des für die Leistungserbringung bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Der kommunale Träger ist nur zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind (§ 22 Abs. 2 S. 2 SGB II). Nach § 22 Abs. 3 S. 1 SGB II kann eine Mietkaution bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger übernommen werden. Nach § 22 Abs. 3 S. 2 SGB II soll die Zusicherung erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst wurde oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Eine Mietkaution soll nach § 22 Abs. 3 S. 3 SGB II als Darlehen erbracht werden. Voraussetzung für einen Anspruch der Antragstellerin zu 1) auf Erteilung einer Zusicherung nach §§ 22 Abs. 2 und 3 SGB II ist zuvörderst, dass sie zum Kreis der Anspruchsberechtigten nach dem SGB II gehört. Dies ist aber nicht der Fall. Denn nach § 7 Abs. 4 S. 1 Hs. 1 Alt 1 SGB II sind vom Leistungsbezug Personen ausgeschlossen, die eine Rente wegen Alters erhalten. Die Antragstellerin zu 1) bezieht - nach eigenen Angaben im Antrag auf Leistungen der Grundsicherung - eine polnische Altersrente in Höhe von monatlich 330,00 EUR. Sie ist daher nach § 7 Abs. 4 S. 1 Hs. 1 Alt 1 SGB II vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen. Denn § 7 Abs. 4 S. 1 Hs. 1 Alt 1 SGB II spricht bereits nach seinem eindeutigen Wortlaut nicht von einer deutschen Rente bzw. einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (so auch Spellbrink in Eicher/Spellbrink SGB II, 2. Auflage, § 7, Rn. 72). Jedenfalls ergibt sich der Leistungsausschluss der Antragstellerin zu 1) hier aus § 7 Abs. 4 S. 1 Hs. 2 2 Alt. Denn danach sind Personen ausgeschlossen, die eine der Rente bzw. Knappschaftsausgleichleistung ähnliche Leistung öffentlich-rechtlicher Art erhalten. Nach Überzeugung der Gerichts stellt der Bezug einer polnischen Altersrente in jedem Fall eine der deutsche Rente ähnliche öffentlich-rechtliche Leistung dar (vgl. Urteil des BSG - zu der vergleichbaren Regelung des § 142 Abs. 1 Nr. 4 SGB III - vom 29.10.1997, 7 Rar 10/97BSG = SozR 4100 § 118 Nr. 3; Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 2. Auflage, § 7, Rn. 78). Für diese Auslegung spricht, dass nicht einleuchtet, weshalb eine Person mit ausländischer Rente anders als eine Person mit inländischer Rente behandelt werden sollte. Darüber hinaus ist der Bezug einer ähnlichen Leistung öffentlich-rechtlicher Art eines ausländischen Versicherungsträgers nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) dadurch gekennzeichnet, dass (1) die ausländische Rentenleistung durch einen öffentlich-rechtlichen Träger gewährt wird, (2) dass sie die gleichen und typischen Strukturen wie bei einer inländischen Rente aufweist, nämlich (a) bei Eintritt einer bestimmten Altersgrenze zugebilligt wird, (b) sich als Lohnersatzleistung darstellt und (c) so bemessen ist, dass sie im Allgemeinen den Lebensunterhalt sicher stellt (vgl. BSG zu der Bestimmung des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in SozR 3-4100 § 118 Nr 4 mwN; BSG Urteil vom 06.05.1994 - 7 RAr 70/93). Nach der allein im Rahmen des Eilverfahrens vorzunehmenden summarischen Prüfung ist das Gericht davon überzeugt, dass die Voraussetzungen vorliegen. Hinsichtlich der unter 2 (b) genannten Voraussetzung ist insbesondere darauf abzustellen, dass die polnische Rente geeignet sein muss, den Lebensunterhalt in Polen zusichern und nicht den allgemeinen Lebensunterhalt im Ausland. Jede andere Betrachtungsweise würde ansonsten schlechterdings zu einer leichten Möglichkeit der Umgehung des Leistungsausschlusses führen, nämlich stets dann, wenn der tatsächliche Aufenthalt von einem Land mit niedrigem Lebensstandard in die Bundesrepublik Deutschland verlegt werden würde. Soweit sowohl die Antragsgegnerin als auch die Beigeladene darauf hinweisen, es sei bei einem ausländischen Rentenbezug, der deutlich vor dem Renteneintrittsalter nach deutschem Recht liegt, im Einzelfall zu prüfen, ob der Hilfebedürftige weiterhin gewillt sei, bis zum Renteneintrittsalter nach deutschem Recht eine Beschäftigung aufzunehmen, ist dafür keine rechtliche Grundlage erkennbar. Dagegen spricht des Weiteren, wenn eine ausländische Rente als Rente wegen Alters oder als ähnliche Leistung öffentlich-rechtlicher Art anzusehen ist, es auf das Lebensalter des Antragsteller nicht mehr ankomme kann (so auch Spellbrink, in Eicher/Spellbrink a.a.O., § 7, Rn. 72).
Die Antragstellerin zu 1) gehört mithin nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten nach dem SGB II und hat somit auch keinen Anspruch auf die begehrte Zusicherung nach §§ 22 Abs. 2 und 3 SGB II gegenüber der Antragsgegnerin.
Nach Auffassung des Gerichts ist die Beigeladene, nachdem die Antragstellerin zu 1) keine Ansprüche aus dem SGB II herleiten kann und sie ihren Bedarf unstreitig nicht aus dem ihr zur Verfügung stehenden Einkommen und Vermögen decken kann, zuständig. Die Antragstellerin zu 1) gehört – entgegen der Ansicht der Beigeladenen – zum Kreis der Anspruchsberechtigten nach dem SGB XII. Denn nach § 17 Abs. 1 S. 1 SGB XII besteht ein Anspruch auf Sozialhilfe, soweit bestimmt wird, dass die Leistung zu erbringen ist. Nach § 19 Abs. 1 S. 1 SGB XII ist leistungsberechtigt derjenige, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht aus eigen Mitteln, insbesondere Einkommen und Vermögen, beschaffen kann. Dies ist im Falle der Antragstellerin zu 1), welche lediglich über eine geringe Rente verfügt (s.o.), der Fall. Nach § 19 Abs. 2 SGB XII ist Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach den besonderen Voraussetzungen des Vierten Kapitels dieses Buches Personen zu leisten, die die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 erreicht haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da die Antragstellerin zu 1) als erwerbsunfähig anzusehen ist. Insoweit ist zwar denkbar, dass der Empfänger einer Rente wegen Alters [vgl. §§ 35 bis 42 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI)] noch erwerbsfähig i.S.v. § 8 SGB II ist, insbesondere, wenn die Altersrente vorzeitig, also vor Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. der neuen Altersgrenze [vgl. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. 7 a) (§ 35 SGB VI)] in Anspruch genommen wird. Dies ist etwa der Fall bei langjährig Versicherten (§ 36 SGB VI), Schwerbehinderten (§ 37 SGB VI), bei Arbeitslosigkeit und nach Altersteilzeit (§ 38 SGB VI) für Frauen (§ 39 SGB VI) und für langjährig unter Tage beschäftigte Personen (§ 40 SGB VI). Hier könnte über § 5 Abs. 2 SGB II gefolgert werden, dass damit zugleich ein Anspruch auf ergänzende Sozialhilfe neben der Altersrente ausgeschlossen sein soll. Das Gericht ist hingegen der Auffassung, dass § 7 Abs. 4 S. 1 Hs. 2 SGB II so auszulegen ist, dass hier die Erwerbsunfähigkeit i.S. des SGB II fingiert wird, so dass ein Bezug von Leistungen der Sozialhilfe möglich ist. Andernfalls würde ein Berechtigter über die Rentenantragstellung nach § 5 Abs. 3 SGB II aus dem System des SGB II ausscheiden, wäre aber auch bei Bezug einer Kleinstrente wegen § 5 Abs. 2 SGB II und § 21 SGB XII nicht in der Lage, einen Anspruch auf Sozialhilfe geltend zu machen. Insoweit entstünde – wie im Falle der Antragstellerin zu 1) – bis zum Erreichen der Altersgrenze des § 41 Abs. 2 SGB II eine nicht hinnehmbare Versorgungslücke.
Soweit die Antragstellerin zu 1) eine Zusicherung zur Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung vor Abschluss eines neuen Mietvertrages begehrt, bedarf es im SGB XII einer solchen aber nicht, da nach § 29 Abs. 1 S. 4 SGB XII vor Abschluss eines neuen Mietvertrages der Sozialleistungsträger nur in Kenntnis zu setzen ist, wenn die Unterkunft – was hier der Fall ist – angemessen ist (vgl. Grube /Wahrendorf, SGB II, 2. Auflage, § 29, Rn. 42). Dem Antrag fehlt es insoweit am Rechtsschutzbedürfnis.
Der Anspruch der Antragstellerin zu 1) auf die begehrten Zusicherung zur Übernahme der Mietkaution ergibt sich aus § 29 Abs. 1 S. 7 und 8 SGB XII. Danach soll eine Zustimmung zur Übernahme der Mietkaution erteilt werden, wenn der Umzug notwendig ist. Dies ist hier der Fall, da die Antragstellerin zu 1) nur übergangsweise (Notunterkunft) bei einer Cousine untergekommen sind.
Die Antragstellerin zu 1) hat schlussendlich auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht. Zwar darf eine Entscheidung im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens grundsätzlich nicht die Hauptsache vorwegnehmen (h.M.; vgl. etwa Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, Rn. 31 zu § 86 b), was bei einer Verpflichtung der Beigeladenen zur Erteilung der Zusicherung hier geschieht. Von diesem Grundsatz ist jedoch abzuweichen, wenn die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) es erfordert. Dies ist vorliegend der Fall. Würde man bis zur Entscheidung in der Hauptsache zuwarten, so stünde die von den Antragstellern in Aussicht genommene Wohnung nicht mehr zur Verfügung und die begehrte Zusicherung könnte nicht mehr erteilt werden. Das Recht der Familie, selbst zu bestimmen, wo und wie sie wohnt, wäre damit in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigt. Dass die Sache dringlich ist, also auch ein Anordnungsgrund im oben beschriebenen Sinne vorliegt, bedarf nach alledem keiner weiteren Erläuterung mehr.
Die Beigeladene konnte analog § 75 Abs. 5 SGG nach der wirksam gewordenen notwendigen Beiladung (Beschluss vom 09.03.20098) verpflichtet werden. Gemäß § 75 Abs. 5 SGG kann ein Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land nach Beiladung verurteilt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.
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