Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 22 AL 1330/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller eine Arbeitserlaubnis-EU befristet bis zum Abschluss des Klageverfahrens (S 22 AL 1330/09) für die Beschäftigung im Rahmen der persönlichen Assistenz für behinderte Menschen beim A- e.V. zu erteilen.
Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Erteilung einer Arbeitserlaubnis EU.
Der Antragsteller ist am - 1986 geboren und polnischer Staatsangehöriger. Er war bis zum 31. März 2009 als Student im Studiengang Informatik immatrikuliert. Die Antragstellerin erteilte eine Arbeitserlaubnis EU für 26 Stunden wöchentlich als Pflegehelfer in der Zeit vom 10. bis 31. Dezember 2007. Der Antragsteller verfügt über eine Freizügigkeitsberechtigung gem. § 5 FreizüG/EU, wonach die Erwerbstätigkeit an 90 ganzen/180 halben Tagen sowie zur Ausübung einer studentischen Nebentätigkeit erlaubnisfrei ist. Der Antragsteller war vom 31. Januar 2007 bis 31. März 2009 neben dem Studium als Assistenzpfleger für Körperbehinderte beim A- e.V. als Pfleger beschäftigt. Er beantragte bei der Antragsgegnerin die Erteilung einer Arbeitserlaubnis EU für eine Beschäftigung beim selben Arbeitgeber für 80-120 Stunden monatlich zu einem Stundenlohn von 8,63 Euro brutto zzgl. Zuschläge für Sonn- und Feiertage.
Mit Bescheid vom 2. Februar 2009 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis-EU vom 15. Januar 2009 ab. Die Prüfung des Arbeitsmarktes habe ergeben, dass für die beabsichtigte Beschäftigung deutsche und gleichgestellte ausländische Arbeitnehmer zur Verfügung stehen. Die Voraussetzungen für die Erlaubniserteilung lägen nicht vor. Gründe für die Erlaubniserteilung unter Härtegesichtspunkten seien nicht vorgetragen oder erkennbar. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Antragstellers hiergegen als unbegründet zurück.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist am 2. April 2009 beim Sozialgericht Berlin eingegangen. Der Bevollmächtigte des Antragstellers macht im Wesentlichen geltend, der Antragsteller solle nach dem Ende des Studiums vom A.- e.V. als sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter übernommen werden. Ein deutscher Arbeitnehmer könne die Tätigkeit nicht ausüben. Der Antragsteller habe die interne Basisqualifizierung des Arbeitgebers bereits absolviert, zudem bestehe ein besonderes Vertrauensverhältnis zu Herrn M- dessen Pflege nur durch den Antragsteller zu gewährleisten sei. Ein Wechsel würde eine langwierige und ungewisse Umstellung für Herrn M-bedeuten, die nicht zumutbar sei. Der Antragsteller sei bereits seit Januar 2007 im Bundesgebiet erwerbsfähig, für ihn dürfe der Zugang zum Arbeitsmarkt nicht weiter beschränkt werden. Zudem würde der Antragsteller bei Ablehnung auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen sein und diese auch beanspruchen dürfen. Selbst wenn auf § 39 AufenthG zurückzugreifen wäre, sei nicht konkret nachgewiesen, dass bevorrechtigte Arbeitnehmer zur Verfügung stünden. Der Antragsteller würde einen unzumutbaren Nachteil erleiden durch das vorübergehende Angewiesensein auf Arbeitslosengeld II, das seinen Lebenslauf im Hinblick auf zukünftige Bewerbungen stark belasten würde.
Der Antragsteller hat u.a. eine Stellungnahme des Arbeitgebers vom 4. März 2009 eingereicht, wonach ihn keine andere Person ihn als persönlicher Assistent bei dem Kunden, bei dem er seit zwei Jahren kontinuierlich arbeite, ersetzen könne; ferner ein Schreiben von Herrn M- vom 19. Januar 2009 wonach dieser die Arbeit des Antragstellers sehr schätze.
Der Antragsteller beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm eine Arbeitserlaubnis EU im Wege der einstweiligen Anordnung zumindest bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahren zu erteilen.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzuweisen.
Sie teilt u.a. mit, für die zu besetzende Stelle seien aktuell berlinweit 30 Arbeitnehmer in Bereich Krankenpflegehelfer/in –Behindertenpflege und 1000 arbeitslose Arbeitsuchende im Bereich der Gesundheits- und Krankenpflegehelfer/innen (schul. Ausbildung nach Landesrecht) gemeldet. Unberücksichtigt seien bei den Zahlen noch arbeitsuchend gemeldeten, von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmer und die examinierten Pflegekräfte, die ebenfalls zu den bevorrechtigten Arbeitnehmern zählen würden. Seit März habe ein Vermittlungsauftrag des Arbeitgebers für zwei Assistenzkräfte vorgelegen, acht Vermittlungsvorschläge seien unterbreitet und beide Stellen durch externe Bewerber besetzt werden. Die Bewerber hätten laut Vorgabe des Arbeitgebers als Minimalqualifikation den landesrechtlich geregelten Abschluss als Gesundheits- und Krankenpflegehelfer/in benötigt, über den der Antragsteller nicht verfügen, was einer eindeutigen Benachteiligung bevorrechtigter Arbeitnehmer gleichkomme. Die im Rahmen der studentischen Nebentätigkeit erteilte Erlaubnis verfolge einen anderen Zweck, eine Vorrangprüfung bevorrechtigter Arbeitnehmer erfolge insoweit nicht. Der Antragsteller hat am 6. April 2009 Klage in der Hauptsache erhoben. A- e.V. hat gegenüber dem Gericht am 19. Mai 2009 bestätigt, dass die Einstellung des Antragstellers weiterhin möglich ist, sofern die Genehmigung erteilt werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.
Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Entsprechend § 920 Abs. 2 ZPO, der nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG Anwendung findet, sind Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Vom Bestehen eines Anordnungsanspruchs ist auszugehen, wenn nach summarischer Prüfung die Hauptsache Erfolgsaussicht hat. Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn dem Antragsteller unter Abwägung seiner sowie der Interessen Dritter und des öffentlichen Interesses nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten.
Vorliegend bestehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund. Die Versagungsentscheidung der Antragsgegnerin im Bescheid vom 2. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2009 ist rechtswidrig, der Antragsteller hat Anspruch auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis-EU für die Tätigkeit als Pflegeassistent beim A- e.V, vorläufig befristet bis zum Abschluss der Hauptsache.
Nach § 284 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) dürfen Staatsangehörige u.a. der Republik Polen eine Beschäftigung nur mit Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit ausüben und von Arbeitgebern nur beschäftigt werden, wenn sie eine solche Genehmigung besitzen, soweit nach Maßgabe des EU-Beitrittsvertrages abweichende Regelungen als Übergangsregelungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit Anwendung finden.
§ 284 Abs. 2 und 3 SGB III regelt, dass die Genehmigung befristet als Arbeitserlaubnis-EU erteilt wird, wenn nicht Anspruch auf eine unbefristete Erteilung als Arbeitsberechtigung-EU besteht, die Genehmigung vor Aufnahme der Beschäftigung einzuholen ist und die Arbeitserlaubnis-EU nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 bis 4 und 6 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) erteilt werden kann.
Nach § 12a Abs. 1 der – entsprechend der Ermächtigung in § 288 SGB III ergangenen - Anordnung Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für ausländische Arbeitnehmer (ArGV) haben Staatsangehörige u.a. der Republik Polen, sofern sie am 1. Mai 2004 oder später für einen ununterbrochenen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten im Bundesgebiet zum Arbeitsmarkt zugelassen waren, abweichend von § 286 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch Anspruch auf eine Arbeitsberechtigung.
Die Erteilung der Arbeitsberechtigung ist vorliegend nach § 12a Abs. 1 ARGV nicht davon abhängig, dass die Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 bis 4 und 6 des AufenthG vorliegen, insbesondere, ob sich durch die Beschäftigung von Ausländern nachteilige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, insbesondere hinsichtlich der Beschäftigungsstruktur, der Regionen und der Wirtschaftszweige, nicht ergeben und ob für die Beschäftigung bevorrechtigte Arbeitnehmer nicht zur Verfügung stehen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1a und b AufenthG).
Der Antragsteller hat nach mehr als zwölfmonatiger Beschäftigung beim A- e.V. Anspruch eine Arbeitsberechtigung. Zwar war der Antragsteller seit seiner Einreise in die Bundesrepublik zu Studienzwecken nur in studentischer Nebentätigkeit beschäftigt und als solcher zum Arbeitsmarkt zuzulassen. Auch durch die Beschäftigung neben dem Studium hat der Antragsteller den europarechtlichen Arbeitnehmerstatus erworben, der ihm weiterhin den Zugang zum inländischen Arbeitsmarkt und ein daraus abgeleitetes Aufenthaltsrecht ermöglicht.
Hierbei ist die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH, Urteil vom 24. Januar 2008, Az. C-294/06, Fundstelle juris) im Vorabentscheidungsersuchen in den Rechtssachen Payir u.a. zu beachten. Der EuGH hat entschieden: "Der Umstand, dass einem türkischen Staatsangehörigen gestattet worden ist, als Au-pair-Kraft oder als Student in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einzureisen, kann ihm nicht die Eigenschaft als "Arbeitnehmer" nehmen und ihn nicht von der Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt im Sinne von Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation ausschließen. Dieser Umstand hindert den betreffenden Staatsangehörigen daher nicht daran, sich auf diese Vorschrift zu berufen, um eine Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis zu erhalten und in den Genuss eines dementsprechenden Aufenthaltsrechts zu kommen."
Der Antragsteller war als Arbeitnehmer zum Arbeitsmarkt zugelassen i.S.v. § 12a Abs. 1 ArGV. Arbeitnehmer ist nach dem EuGH in ständiger Rechtsprechung, wer eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei solche Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die wegen ihres geringen Umfangs völlig untergeordnet und unwesentlich sind. Wesentliches Merkmal des Arbeitsverhältnisses ist die weisungsgebundene Leistungserbringung für einen anderen Vergütung erhält (EuGH wie vor m.w.N.). Der Antragsteller war beim A- e.V. als Arbeitnehmer weisungsgebunden in einem nicht unerheblichen Umfang beschäftigt. Er hat nach der Bestätigung des Arbeitgebers in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. März 2009 als Assistenzpfleger gearbeitet, nach den vorgelegten Verdienstbescheinigungen z.B. im Januar 2009 80 Stunden im Februar 2009 61 Stunden gearbeitet. Er durfte (rechtlich) diese Beschäftigung auch ausüben auf der Grundlage der Freizügigkeitsberechtigung nach § 5 FreizüG/EU bzw. der temporär erteilten Arbeitserlaubnis-EU der Antragstellerin. Bei der Tätigkeit als Assistenzpfleger hat sich der Antragsteller auch an die rechtlichen Rahmenbedingungen gehalten. Er war während der Beschäftigung immatrikuliert und hat das Studium tatsächlich betrieben, wie der erfolgreiche Abschluss durch Diplom im Wintersemester 2008 hinreichend belegt.
Die Studenteneigenschaft nimmt ihm entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht die Arbeitnehmereigenschaft (vergl. EuGH wie vor). Der etwaige soziale Zweck des Studenten eingeräumten Rechts zu arbeiten ist kein Hindernis für die Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats, auch ist § 12a ArGV nicht dahingehend zu verstehen, dass der Arbeitnehmer bereits als solcher eingereist sein muss. Nach der Entscheidung des EuGH folgt auch nicht aus der Richtlinie 2004/114, dass Studenten, auch wenn sie eine bestimmte Zahl von Stunden arbeiten, nicht als Arbeitnehmer anzusehen seien und keinen Zugang zum Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats erlangen können sollen. Denn aufgrund ihres Art. 4 Abs. 1a findet diese Richtlinie nur vorbehaltlich günstigerer Bestimmungen in bi- oder multilateralen Übereinkünften zwischen der Gemeinschaft oder der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und einem oder mehreren Drittstaaten andererseits Anwendung.
Die sonstigen von der Antragsgegnerin dargelegten Einwände gegen die Erteilung der Erlaubnis rechtfertigen deren Ablehnung nicht. Der Arbeitgeber hat am heutigen Tage gegenüber dem Gericht auch schriftlich bestätigt, den Antragsteller weiterhin einstellen zu wollen. Das Gericht bejaht insoweit auch den besonderen Eilbedarf, denn dem Arbeitgeber ist nicht zuzumuten, die zu besetzende Stelle bis zum Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache freizuhalten. Für den Antragsteller droht insoweit ein unwiederbringlicher Rechtsverlust, als die Stelle u.U. durch einen anderen Bewerber besetzt werden könnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus der analogen Anwendung des § 193 SGG. Sie folgt dem Ausgang der Sachentscheidung.
Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Erteilung einer Arbeitserlaubnis EU.
Der Antragsteller ist am - 1986 geboren und polnischer Staatsangehöriger. Er war bis zum 31. März 2009 als Student im Studiengang Informatik immatrikuliert. Die Antragstellerin erteilte eine Arbeitserlaubnis EU für 26 Stunden wöchentlich als Pflegehelfer in der Zeit vom 10. bis 31. Dezember 2007. Der Antragsteller verfügt über eine Freizügigkeitsberechtigung gem. § 5 FreizüG/EU, wonach die Erwerbstätigkeit an 90 ganzen/180 halben Tagen sowie zur Ausübung einer studentischen Nebentätigkeit erlaubnisfrei ist. Der Antragsteller war vom 31. Januar 2007 bis 31. März 2009 neben dem Studium als Assistenzpfleger für Körperbehinderte beim A- e.V. als Pfleger beschäftigt. Er beantragte bei der Antragsgegnerin die Erteilung einer Arbeitserlaubnis EU für eine Beschäftigung beim selben Arbeitgeber für 80-120 Stunden monatlich zu einem Stundenlohn von 8,63 Euro brutto zzgl. Zuschläge für Sonn- und Feiertage.
Mit Bescheid vom 2. Februar 2009 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis-EU vom 15. Januar 2009 ab. Die Prüfung des Arbeitsmarktes habe ergeben, dass für die beabsichtigte Beschäftigung deutsche und gleichgestellte ausländische Arbeitnehmer zur Verfügung stehen. Die Voraussetzungen für die Erlaubniserteilung lägen nicht vor. Gründe für die Erlaubniserteilung unter Härtegesichtspunkten seien nicht vorgetragen oder erkennbar. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Antragstellers hiergegen als unbegründet zurück.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist am 2. April 2009 beim Sozialgericht Berlin eingegangen. Der Bevollmächtigte des Antragstellers macht im Wesentlichen geltend, der Antragsteller solle nach dem Ende des Studiums vom A.- e.V. als sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter übernommen werden. Ein deutscher Arbeitnehmer könne die Tätigkeit nicht ausüben. Der Antragsteller habe die interne Basisqualifizierung des Arbeitgebers bereits absolviert, zudem bestehe ein besonderes Vertrauensverhältnis zu Herrn M- dessen Pflege nur durch den Antragsteller zu gewährleisten sei. Ein Wechsel würde eine langwierige und ungewisse Umstellung für Herrn M-bedeuten, die nicht zumutbar sei. Der Antragsteller sei bereits seit Januar 2007 im Bundesgebiet erwerbsfähig, für ihn dürfe der Zugang zum Arbeitsmarkt nicht weiter beschränkt werden. Zudem würde der Antragsteller bei Ablehnung auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen sein und diese auch beanspruchen dürfen. Selbst wenn auf § 39 AufenthG zurückzugreifen wäre, sei nicht konkret nachgewiesen, dass bevorrechtigte Arbeitnehmer zur Verfügung stünden. Der Antragsteller würde einen unzumutbaren Nachteil erleiden durch das vorübergehende Angewiesensein auf Arbeitslosengeld II, das seinen Lebenslauf im Hinblick auf zukünftige Bewerbungen stark belasten würde.
Der Antragsteller hat u.a. eine Stellungnahme des Arbeitgebers vom 4. März 2009 eingereicht, wonach ihn keine andere Person ihn als persönlicher Assistent bei dem Kunden, bei dem er seit zwei Jahren kontinuierlich arbeite, ersetzen könne; ferner ein Schreiben von Herrn M- vom 19. Januar 2009 wonach dieser die Arbeit des Antragstellers sehr schätze.
Der Antragsteller beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm eine Arbeitserlaubnis EU im Wege der einstweiligen Anordnung zumindest bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahren zu erteilen.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzuweisen.
Sie teilt u.a. mit, für die zu besetzende Stelle seien aktuell berlinweit 30 Arbeitnehmer in Bereich Krankenpflegehelfer/in –Behindertenpflege und 1000 arbeitslose Arbeitsuchende im Bereich der Gesundheits- und Krankenpflegehelfer/innen (schul. Ausbildung nach Landesrecht) gemeldet. Unberücksichtigt seien bei den Zahlen noch arbeitsuchend gemeldeten, von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmer und die examinierten Pflegekräfte, die ebenfalls zu den bevorrechtigten Arbeitnehmern zählen würden. Seit März habe ein Vermittlungsauftrag des Arbeitgebers für zwei Assistenzkräfte vorgelegen, acht Vermittlungsvorschläge seien unterbreitet und beide Stellen durch externe Bewerber besetzt werden. Die Bewerber hätten laut Vorgabe des Arbeitgebers als Minimalqualifikation den landesrechtlich geregelten Abschluss als Gesundheits- und Krankenpflegehelfer/in benötigt, über den der Antragsteller nicht verfügen, was einer eindeutigen Benachteiligung bevorrechtigter Arbeitnehmer gleichkomme. Die im Rahmen der studentischen Nebentätigkeit erteilte Erlaubnis verfolge einen anderen Zweck, eine Vorrangprüfung bevorrechtigter Arbeitnehmer erfolge insoweit nicht. Der Antragsteller hat am 6. April 2009 Klage in der Hauptsache erhoben. A- e.V. hat gegenüber dem Gericht am 19. Mai 2009 bestätigt, dass die Einstellung des Antragstellers weiterhin möglich ist, sofern die Genehmigung erteilt werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.
Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Entsprechend § 920 Abs. 2 ZPO, der nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG Anwendung findet, sind Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Vom Bestehen eines Anordnungsanspruchs ist auszugehen, wenn nach summarischer Prüfung die Hauptsache Erfolgsaussicht hat. Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn dem Antragsteller unter Abwägung seiner sowie der Interessen Dritter und des öffentlichen Interesses nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten.
Vorliegend bestehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund. Die Versagungsentscheidung der Antragsgegnerin im Bescheid vom 2. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2009 ist rechtswidrig, der Antragsteller hat Anspruch auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis-EU für die Tätigkeit als Pflegeassistent beim A- e.V, vorläufig befristet bis zum Abschluss der Hauptsache.
Nach § 284 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) dürfen Staatsangehörige u.a. der Republik Polen eine Beschäftigung nur mit Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit ausüben und von Arbeitgebern nur beschäftigt werden, wenn sie eine solche Genehmigung besitzen, soweit nach Maßgabe des EU-Beitrittsvertrages abweichende Regelungen als Übergangsregelungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit Anwendung finden.
§ 284 Abs. 2 und 3 SGB III regelt, dass die Genehmigung befristet als Arbeitserlaubnis-EU erteilt wird, wenn nicht Anspruch auf eine unbefristete Erteilung als Arbeitsberechtigung-EU besteht, die Genehmigung vor Aufnahme der Beschäftigung einzuholen ist und die Arbeitserlaubnis-EU nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 bis 4 und 6 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) erteilt werden kann.
Nach § 12a Abs. 1 der – entsprechend der Ermächtigung in § 288 SGB III ergangenen - Anordnung Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für ausländische Arbeitnehmer (ArGV) haben Staatsangehörige u.a. der Republik Polen, sofern sie am 1. Mai 2004 oder später für einen ununterbrochenen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten im Bundesgebiet zum Arbeitsmarkt zugelassen waren, abweichend von § 286 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch Anspruch auf eine Arbeitsberechtigung.
Die Erteilung der Arbeitsberechtigung ist vorliegend nach § 12a Abs. 1 ARGV nicht davon abhängig, dass die Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 bis 4 und 6 des AufenthG vorliegen, insbesondere, ob sich durch die Beschäftigung von Ausländern nachteilige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, insbesondere hinsichtlich der Beschäftigungsstruktur, der Regionen und der Wirtschaftszweige, nicht ergeben und ob für die Beschäftigung bevorrechtigte Arbeitnehmer nicht zur Verfügung stehen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1a und b AufenthG).
Der Antragsteller hat nach mehr als zwölfmonatiger Beschäftigung beim A- e.V. Anspruch eine Arbeitsberechtigung. Zwar war der Antragsteller seit seiner Einreise in die Bundesrepublik zu Studienzwecken nur in studentischer Nebentätigkeit beschäftigt und als solcher zum Arbeitsmarkt zuzulassen. Auch durch die Beschäftigung neben dem Studium hat der Antragsteller den europarechtlichen Arbeitnehmerstatus erworben, der ihm weiterhin den Zugang zum inländischen Arbeitsmarkt und ein daraus abgeleitetes Aufenthaltsrecht ermöglicht.
Hierbei ist die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH, Urteil vom 24. Januar 2008, Az. C-294/06, Fundstelle juris) im Vorabentscheidungsersuchen in den Rechtssachen Payir u.a. zu beachten. Der EuGH hat entschieden: "Der Umstand, dass einem türkischen Staatsangehörigen gestattet worden ist, als Au-pair-Kraft oder als Student in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einzureisen, kann ihm nicht die Eigenschaft als "Arbeitnehmer" nehmen und ihn nicht von der Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt im Sinne von Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation ausschließen. Dieser Umstand hindert den betreffenden Staatsangehörigen daher nicht daran, sich auf diese Vorschrift zu berufen, um eine Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis zu erhalten und in den Genuss eines dementsprechenden Aufenthaltsrechts zu kommen."
Der Antragsteller war als Arbeitnehmer zum Arbeitsmarkt zugelassen i.S.v. § 12a Abs. 1 ArGV. Arbeitnehmer ist nach dem EuGH in ständiger Rechtsprechung, wer eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei solche Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die wegen ihres geringen Umfangs völlig untergeordnet und unwesentlich sind. Wesentliches Merkmal des Arbeitsverhältnisses ist die weisungsgebundene Leistungserbringung für einen anderen Vergütung erhält (EuGH wie vor m.w.N.). Der Antragsteller war beim A- e.V. als Arbeitnehmer weisungsgebunden in einem nicht unerheblichen Umfang beschäftigt. Er hat nach der Bestätigung des Arbeitgebers in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. März 2009 als Assistenzpfleger gearbeitet, nach den vorgelegten Verdienstbescheinigungen z.B. im Januar 2009 80 Stunden im Februar 2009 61 Stunden gearbeitet. Er durfte (rechtlich) diese Beschäftigung auch ausüben auf der Grundlage der Freizügigkeitsberechtigung nach § 5 FreizüG/EU bzw. der temporär erteilten Arbeitserlaubnis-EU der Antragstellerin. Bei der Tätigkeit als Assistenzpfleger hat sich der Antragsteller auch an die rechtlichen Rahmenbedingungen gehalten. Er war während der Beschäftigung immatrikuliert und hat das Studium tatsächlich betrieben, wie der erfolgreiche Abschluss durch Diplom im Wintersemester 2008 hinreichend belegt.
Die Studenteneigenschaft nimmt ihm entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht die Arbeitnehmereigenschaft (vergl. EuGH wie vor). Der etwaige soziale Zweck des Studenten eingeräumten Rechts zu arbeiten ist kein Hindernis für die Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats, auch ist § 12a ArGV nicht dahingehend zu verstehen, dass der Arbeitnehmer bereits als solcher eingereist sein muss. Nach der Entscheidung des EuGH folgt auch nicht aus der Richtlinie 2004/114, dass Studenten, auch wenn sie eine bestimmte Zahl von Stunden arbeiten, nicht als Arbeitnehmer anzusehen seien und keinen Zugang zum Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats erlangen können sollen. Denn aufgrund ihres Art. 4 Abs. 1a findet diese Richtlinie nur vorbehaltlich günstigerer Bestimmungen in bi- oder multilateralen Übereinkünften zwischen der Gemeinschaft oder der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und einem oder mehreren Drittstaaten andererseits Anwendung.
Die sonstigen von der Antragsgegnerin dargelegten Einwände gegen die Erteilung der Erlaubnis rechtfertigen deren Ablehnung nicht. Der Arbeitgeber hat am heutigen Tage gegenüber dem Gericht auch schriftlich bestätigt, den Antragsteller weiterhin einstellen zu wollen. Das Gericht bejaht insoweit auch den besonderen Eilbedarf, denn dem Arbeitgeber ist nicht zuzumuten, die zu besetzende Stelle bis zum Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache freizuhalten. Für den Antragsteller droht insoweit ein unwiederbringlicher Rechtsverlust, als die Stelle u.U. durch einen anderen Bewerber besetzt werden könnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus der analogen Anwendung des § 193 SGG. Sie folgt dem Ausgang der Sachentscheidung.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved