Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
37
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 37 AS 31127/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 AS 2046/09
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, in welcher Höhe Beiträge zur privaten Krankenversicherung vom SGB II-Träger zu übernehmen sind, wenn auch ohne die Beitragslast Hilfebedürftigkeit besteht. Der 1980 geborene Kläger beantragte am 23. Juni 2009 Leistungen nach dem SGB II. Sein seit 2005 betriebenes Gewerbe als selbständiger Versicherungsvertreter, aus dem er im Jahr 2008 nur sehr geringe Einnahmen erzielt hatte, meldete er zum 30.6.2009 ganz ab. In der Gewerbe-Abmeldung werden als Grund für die Betriebsaufgabe "gesundheitliche Probleme" genannt. Der ledige, allein lebende Kläger ist bei der DKV privat kranken- und pflegeversichert. Der Beitrag zum Voll-Krankenversicherungsschutz im Normaltarif beträgt 280,61 EUR, dazu kommen eine Krankentagegeld- und eine Zusatzversicherung für Rehabilitationsleistungen mit einem Monatsbeitrag von 24,93 EUR. Der Beitrag zur privaten Pflegeversicherung beträgt 16,32 EUR monatlich. Bereits vor Eintritt in den Alg II-Bezug - Alg II ist mit Bescheid vom 6.7.2009 für die Zeit vom 23.9. bis 31.12.2009 bewilligt worden - hatte der Kläger Beitragsschulden in Höhe von 965,58 EUR angehäuft. Zur Bearbeitung seines Antrags auf Gewährung eines Beitragszuschusses zur Kranken- und Pflegeversicherung war der Kläger von der Beklagten aufgefordert worden, einen Nachweis über die Höhe des Beitrags im Basistarif nachzuweisen. In einem Schreiben der DKV vom 6. Juli 2009 wurde die Ermittlung eines fiktiven Beitrags im Basistarif mit der Begründung zurückgewiesen, alle Beiträge im Basistarif ohne Selbstbehalt lägen auch halbiert unter dem vom SGB II-Träger für privat krankenversicherte Hilfebedürftige maximal zu leistenden Zuschuss von 129,54 EUR (seit 1.7.2009 124,32 EUR). Ein Wechsel des Tarifs erscheine daher nicht sinnvoll. Gegen den vom Beklagten mit Änderungsbescheid vom 6.7.2009 festgesetzten Zuschuss zur Krankenversicherung in Höhe von 124,32 EUR (der Zuschuss zur Pflegeversicherung ist in voller Höhe übernommen worden) hat der Kläger, der bislang noch im Normaltarif geblieben ist, nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 17.8.2009) am 16.9.2009 Klage erhoben. Er macht geltend, infolge der Versicherungspflicht zur Privaten Krankenversicherung (PKV) und des verschlossenen Zugangs zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) müsse für Hilfebedürftige mit privatem KV-Schutz der volle Beitrag übernommen werden. Anderenfalls drohe eine massive Verschuldung und ein Ausfall des Versicherungsschutzes. Dazu hat der Kläger ein Schreiben der DKV vom 19.11.2009 vorgelegt, wonach die Zusatzversicherungen wegen Zahlungsverzug gekündigt seien. Für die Krankheitskostenversicherung ruhe derzeit der Versicherungsschutz. Gleichzeitig steige die Beitragsforderung - im November 2009 schon 1.725,01 EUR - stetig an.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 6.7.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.8.2009 zu verurteilen, den vollen KV-Beitrag von 280,61 EUR zu übernehmen.
Die Beklagtenvertreterin beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
Ergänzend wird zum übrigen Sach- und Streitstand auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die beigezogene Leistungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Ein Anspruch auf Gewährung eines höheren Zuschusses besteht nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 12 Abs. 1c VAG nicht. Eine erweiternde Auslegung ist wegen des klaren Wortlauts der Regelung nicht möglich. Es besteht auch keine von den Gerichten zu schließende Gesetzeslücke oder ein ergänzender Anspruch nach §§ 32, 73 SGB XII.
Die Begrenzung des Zuschusses auf den für pflichtversicherte Alg II-Bezieher nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V i. V. m. §§ 232a, 243 SGB V zu entrichtenden Beitrag ist nicht verfassungs-widrig. Seit 1.1.2009 sind Bezieher von Alg II, die unmittelbar vor dem Leistungsbezug privat krankenversichert waren, wie hier der Kläger, nicht mehr automatisch über den Alg II-Bezug in der GKV pflichtversichert. Die Übergangsregelung nach § 5 Abs. 5a Satz 2 SGB II kommt dem Kläger, der erstmals im Juni 2009 Alg II beantragte, nicht zugute. Die Voraussetzungen für einen freiwilligen Beitritt zur GKV nach § 9 SGB V sind ebenso wenig erfüllt wie die Bedingungen für eine Familienversicherung nach § 10 SGB V. Versicherungsschutz kann der Kläger somit nur in der PKV erlangen, seit 1.1.2009 ist er überdies zum Abschluss eines Krankenversicherungsvertrages im Umfang von Leistungen, die denen eines Pflichtversicherten in der GKV entsprechen bzw. zur Aufrechterhaltung einer solchen Versicherung verpflichtet (§ 193 Abs. 3 VVG). Infolgedessen hat er nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II einen Anspruch auf einen Zuschuss zu den Versicherungsbeiträgen. Die Höhe dieses Zuschusses ist in § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG genau festgelegt worden: "der zuständige Träger zahlt den Betrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist". Seit 1.7.2009 sind als Folge der Herabsetzung des allgemeinen GKV-Beitragssatzes von 14,9% auf 14,3% für pflichtversicherte Alg II-Bezieher 124,32 EUR für die Krankenversicherung aufzuwenden. Der Beklagte hat den Beitragszuschuss daher korrekt auf 34,54 EUR (anteilig für Juni 2009 aus dem bis Juni 2009 zu entrichtenden Pflichtbeitrag von 129,54 EUR) und auf 124,32 EUR monatlich für den Bewilligungsabschnitt Juli bis Dezember 2009 begrenzt. Eine Auslegung von § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG dahingehend, dass der SGB II-Träger einen Zuschuss bis in Höhe des halben Basistarifes zu erbringen hat – hierauf muss der Versicherer den Beitrag bei Eintritt von Hilfebedürftigkeit absenken - ist nicht möglich. Der eindeutige Wortlaut einer gesetzlichen Vorschrift ist die Grenze jeder Auslegung (Bundesverfassungs-gericht [BVerfG], E 54, 277, 299 f; 59, 330, 334; 93, 37, 81). Eine Auslegung gegen den klaren Wortlaut einer gesetzlichen Bestimmung ist unzulässig. Die vom Kläger angestrebte volle Beitragsübernahme lässt sich auch nicht im Wege einer richterlichen Rechtsfortbildung realisieren. Denn dies setzte voraus, dass das Gesetz insoweit lückenhaft ist, es also angesichts der erkennbaren Regelungsabsicht des Gesetzgebers "planwidrig" unvollständig ist - die Gerichte also nur das vom Gesetzgeber versehentlich unterbliebene Regelungsstück einfügen müssen (s. z. B. BSG vom 25.6.2009 – B 10 EG 8/08 R m. w. Nachw.) Eine derartige planwidrige Lücke weist das Regelungsgefüge des § 26 SGB II i.V.m. § 12 VAG aber nicht auf. Dem Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens (s. etwa das im Beschluss des LSG NRW – L 20 B 56/09 SO ER erwähnte Schreiben des BMAS vom 4.8.2008) und der nachfolgenden Debatte zur "Beitragslücke" (aufschlussreich dazu BT-Plenarprotokoll der 230. Sitzung vom 2.7.2009 zu Tagesordnungspunkt 45, 25925) lässt sich vielmehr entnehmen, dass die Lücke zwar gesehen, aber mangels Einigung, wie diese Problematik geregelt werden soll – im System der PKV oder zu Lasten der Allgemeinheit – nicht geschlossen wurde (zutreffend Brünner, LPK-SGB II, 3. Aufl. Rdnr. 21). In einer solchen Situation und einer in verschiedene Richtungen lösbaren Schließung der Beitragslücke ist den Gerichten eine vom Gesetzeswortlaut abweichende Entscheidung verwehrt (a. A. LSG Baden-Württemberg vom 16.9.2009 – L 3 AS 3934/09 ER-B, das eine erkennbare Regelungsabsicht des Gesetzgebers im Sinne einer vollen Beitragsübernahme seitens der SGB II-Träger annimmt). Schließlich ist der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auch nicht über einen Analogieschluss zu erreichen. Die allenfalls denkbare Analogie zu § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB II (Übernahme des Beitrags für freiwillig in der GKV versicherte Hilfebedürftige) führte zu keinem höheren Zuschuss. Denn § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB II betrifft nur Sozialgeldbezieher (nicht erwerbsfähige Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 SGB II), die sich in der GKV schon mit einem Beitrag von 120,12 EUR (seit 1.7.2009) versichern können. Der Mindestbeitrag für hauptberuflich Selbständige nach § 240 Abs. 3 Satz 3 SGB V (281,61 EUR) kann dagegen keine Referenzgröße für einen Beitragszuschuss nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II abgeben, weil hauptberuflich Selbständige, die in der GKV geblieben sind, im Fall der Hilfebedürftigkeit Alg II erhalten und die Pflichtversicherung über den Alg II-Bezug die freiwillige Versicherung in der GKV verdrängt. Alg II-Beziehern ergänzende Beitragszuschüsse über die §§ 32, 73 SGB XII zuzuerkennen, liefe auf eine Umgehung der abschließenden Vorschriften zum Beitragszuschuss für SGB II-Leistungsberechtigte hinaus. Überdies taugt weder § 32 SGB XII als eine für Alg II-Bezieher ausgeschlossene Regelung aus den allgemeinen Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel SGB XII noch § 73 SGB XII als Norm zur Bewältigung einer besonderen Lebenslage zur Behebung von Problemen, die der Gesetzgeber gesehen, aber bewusst offen gelassen hat. Einer Beiladung des SGB XII-Trägers bedurfte es daher nicht. Dem Gericht bliebe demnach nur der Weg einer Vorlage zum Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 GG, wenn es von der Verfassungswidrigkeit der Zuschussregelung für privat krankenversicherte Hilfebedürftige überzeugt wäre. Das ist indes nicht der Fall. Das im Zusammenhang zu sehende Regelungsgefüge der §§ 192 ff. VVG, des § 26 SGB II und des § 12 VAG verletzt weder das aus Art. 1, Art. 20 GG folgende Gebot einer ausreichenden medizinischen Versorgung hilfebedürftiger Personen, noch verstößt es wegen der Inkaufnahme auflaufender Beitragsschulden bei Anordnung einer Versicherungspflicht gegen Art. 2 GG und auch eine willkürliche Besserstellung von GKV-Versicherten, Beziehern eines Zuschusses, der allein zur Abwendung von Hilfebedürftigkeit gezahlt wird oder Beziehern von Leistungen nach dem SGBX II lässt sich nicht feststellen. Im Einzelnen: Art 1, Art. 20 GG Das BVerfG hat in seiner Entscheidung zur Einbeziehung von Vorsorgeaufwendungen in das steuerrechtliche Existenzminimum (2 BvL 1/06 vom 13.2.2008) herausgestellt, dass zur Quantifizierung der steuerfrei zu belassenden Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversorgung als Spiegelbild dessen, was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hat, "streng auf das sozialhilferechtlich gewährleistete Leistungsniveau als eine das Existenzminimum quantifizierende Vergleichsebene" (Rdnr. 110) abzustellen sei. Der Steuergesetzgeber sei danach nicht gehalten, die Beiträge zu "normalen" privaten Krankheitskostenversicherungen von Verfassungs wegen stets zu 100% zu berücksichtigen. Er müsse nur die zur Erlangung eines sozialhilfegleichen Lebensstandards erforderlichen Aufwendungen berücksichtigen und zwar selbst dann, wenn der Steuerpflichtige faktisch oder rechtlich zu höheren Aufwendungen verpflichtet ist (Rdnr. 135). Diese Ausführungen zum Vorsorge-Existenzminimum sind insofern auf den Alg II-Bezieher, der seine PKV-Beiträge nicht bezahlen kann, zu übertragen, als der Staat seinen Schutzauftrag aus Art 1, Art. 20 GG hier dadurch ausreichend erfüllt, dass er den privaten Versicherungs-unternehmen in § 193 VVG die Pflicht auferlegt, hilfebedürftigen Versicherten auch dann vollen Versicherungsschutz zu gewähren, wenn sie die PKV-Beiträge nur in Höhe des nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II gewährten Zuschusses entrichten. Wechseln die Versicherten in den Basistarif, worauf sie einen Anspruch haben, sind die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen nach § 75 Abs. 3 a Satz 1 SGB V zur Sicherstellung der Behandlung verpflichtet, im Gegenzug erlangen die Leistungserbringer (Ärzte und Krankenhäuser) nach § 192 Abs. 7 VVG einen Vergütungsanspruch, den sie direkt gegen das Versicherungsunternehmen geltend machen können. Der im Basistarif Versicherte ist also nicht zwingend auf das Kostenerstattungsverfahren angewiesen, womit eine (unzulässige) Aufrechnung offener Beitragsansprüche mit Erstattungsansprüchen von vornherein aus-scheidet. Im Übrigen ist eine solche Aufrechnung auch im Normaltarif eine unzulässige Umgehung der Schutzregelung aus § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG (Klerks, info also 2009, S. 153 ff). Die Anhäufung von Beitragsschulden infolge der nur teilweisen Beitragsübernahme führt nach Überwindung der Hilfebedürftigkeit nicht zum Wegfall des KV-Schutzes in existenz-gefährdendem, sprich verfassungswidrigem Umfang. Denn trotz Ruhens des Versicherungs-vertrages erhält der unkündbare Versicherte die zur Beseitigung von Schmerzen und die zur Heilung von Krankheiten erforderlichen Behandlungen. Der Blick auf die Rechtsprechung zu § 4 AsylLbG, sofern sie auf dauerhaft Bleibeberechtigte überhaupt übertragbar ist, zeigt, dass der Umfang der Notfallbehandlung im ruhenden Versicherungsvertrag nicht zu eng ausgelegt werden darf (vgl. etwa SG Gießen vom 10.8.2006 – S 18 AY 6/06: Krankengymnastik und Wärmebehandlung zur Schmerztherapie). Selbst wenn man also der Auffassung folgen sollte, dass der Schutz des § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG nicht greift, wenn die Beitragsschulden Ausdruck der Hilfebedürftigkeit sind, die Hilfebedürftigkeit also nicht erst während des Ruhens eintritt (s. dazu die Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften BT-Drs. 16/12677, S. 17; gegen diese Auslegung mit beachtlichen Gründen SG Dresden vom 18.9.2009 – S 29 AS 4051/09 ER), erhielte der beitragssäumige Hilfebedürftige Krankenversicherungsschutz in einem das Existenzminimum wahrenden Umfang. Art. 2 GG Die in Art. 2 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit in ökonomischer Hinsicht könnte dadurch verletzt sein, dass einerseits in § 193 Abs. 3 VVG eine Pflicht zum Abschluss eines Versicherungsvertrages statuiert wird, der andererseits keine ausreichende Hilfe zur Seite steht, wenn die laut Vertrag geschuldeten Beiträge nicht mehr bezahlt werden können. Gegen die Annahme einer "strangulierenden" Vertragsbindung ist aber zunächst daran zu erinnern, dass der Kreis der genuin der PKV zugewiesenen Personen äußerst begrenzt ist. In der überragenden Zahl stellt sich das Problem der Beitragsverschuldung für Personen, die, als es ihnen wirtschaftlich und gesundheitlich gut ging, bewusst für die PKV optiert hatten. Werden sie aus wirtschaftlichen Gründen oder einer Verschlechterung ihres Versicherungs-risikos hilfebedürftig, geht es also nicht darum, ihnen über eine Versicherungspflicht und Sperrung der GKV eine unbezahlbare Privat-Versicherung aufzuzwingen, sondern um den Schutz der Allgemeinheit vor unschätzbaren Kosten, wenn die private Versicherung im Vertrauen auf eine Notfallhaftung der Allgemeinheit gekündigt würde- der in diesem Fall denkbare Haftungsanspruch nach § 34 SGB II liefe meist leer - und um den Schutz der Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten vor einer Kumulierung schlechter Risiken in der GKV. Beides hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 10.6.2009 – 1 BvR 706/08 als rechtmäßig und zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Zweisäulen-Modells der Krankenversicherung notwendig beurteilt (Rdnr. 175). Außerdem wird das Argument, die Kappung des Beitragszuschusses auf den Pflichtbeitrag nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V belaste den Privatversicherten mit einem monatlichen Eigenanteil von über 100 EUR, der Komplexität des Regelungsgefüges nicht gerecht. Zum einen können Versicherte mit einem guten Versicherungsrisiko die Pflicht zur ausreichenden Vorsorge gegen Krankheit auch in einer Krankenvollversicherung im Normaltarif erfüllen, der deutlich unter dem halbierten Höchstsatz des Basistarifs liegen kann. Zum anderen kann ein solcher Versicherter bei Wechsel in den Basistarif einen günstigeren Tarif mit Selbstbehalt wählen und damit die Beitragslücke verringern. Weiter ist zu beachten, dass lediglich die Höchstgrenze des Beitrags im Basistarif sowie dessen Halbierung für hilfebedürftige Versicherte gesetzlich geregelt wurde. Die Kalkulation des Basistarifs bzw. der Basistarife obliegt jedoch allein der Gestaltung der Versicherungsunternehmen; der Basistarif muss ja nicht stets auf den Höchstbeitrag der GKV bemessen werden. Die im BVerfG-Verfahren vorgebrachten Modellberechnungen, mit denen ein Ausbluten der Versicherung bzw. eine signifikante Beitragserhöhung der Normaltarife belegt werden sollte, wurden vom BVerfG als eher fern liegend einer Beobachtungspflicht des Gesetzgebers zur künftigen Entwicklung zugeordnet (treffend zum Gewicht dieser Beobachtungspflicht Wenner, SozSich 2009, S. 233). Bisher ist die Zahl der bundesweit abgeschlossenen Versicherungen zum Basistarif recht gering (ca. 4000) geblieben. Dies deutet darauf hin, dass eine günstigere Kalkulation des Basistarifs ohne Selbstbehalt und schlechtem Versicherungsrisiko das vom Äquivalenzprinzip gesteuerte System der Privatversicherung nicht überfordern würde. Die Kappung des Zuschusses kann so gesehen mit dem überragenden Gemeinwohlinteresse gerechtfertigt werden, die Versicherungswirtschaft mit in die Pflicht zu nehmen, eine systemimmanente Lösung für wirtschaftlich schwache Versicherte zu entwickeln, was sie ohne den Druck, ggf. dauerhaft Beitragsschulden in hohem Umfang verwalten zu müssen, nicht tun wird. Dass solidarische Ausgleichstarife die PKV bzw. die in ihr versicherten Menschen nicht unzumutbar belasten und dem Erhalt eines Zwei-Säulen-Modells dienen, hat das BVerfG in der Entscheidung vom 10.6.2009 überzeugend dargelegt (s. zur sozialstaatlichen Einbindung der PKV auch LSG NRW vom 16.10.2009 – L 20 B 56/98 SO ER).
Art. 3 GG Eine willkürliche, d. h. sachfremde Besserstellung GKV-Versicherter besteht bei genauerer Betrachtung nicht. Denn die Übernahme des vollen Beitrags für diese Personen beruht schlicht auf der günstigen Bemessung der Beiträge für freiwillig Versicherte nach § 9 SGB V oder Auffangversicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V im System der GKV, das der Gesetzgeber für eine Leistung, die grundsätzlich eine Versicherungspflicht begründet, als Bezugssystem auswählen darf. Überdies gehören PKV-Versicherte, die hilfebedürftig werden, nicht typischerweise zu einer schwer vermittelbaren Personengruppe mit gesundheitlichen Problemen. In Erwartung einer absehbaren Überwindung der Hilfebedürftigkeit werden sie häufig im Normaltarif bleiben. Der gegenüber GKV-Versicherten zu zahlende Eigenbeitrag lässt sich für diesen Personenkreis dann ohne weiteres mit der bevorzugten Behandlung privat Krankenversicherter, mit der die PKV ja bewusst wirbt, rechtfertigen. Wie schon aufgezeigt wurde, bedeutet die Übernahme von Beiträgen freiwillig Versicherter in der GKV nach § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB II nicht, dass insoweit Zuschüsse bis zur Höhe des Mindestbeitrags für hauptberuflich Selbständige übernommen werden könnten. Diese sind im Fall des Eintritts von Hilfebedürftigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V mit einem Beitrag von derzeit 124,32 EUR pflichtversichert. Soweit in Rechtsprechung und Literatur für Bezieher von Leistungen nach dem SGB XII auf eine volle Übernahme des (halbierten) PKV-Beitrags im Basistarif erkannt wird, beruht dies auf einer sehr zweifelhaften Auslegung des § 12 Abs. 1c Satz 5 und 6 VAG. Richtig dürfte sein, dass auch für diesen Personenkreis nur ein Beitrag in Höhe des Pflichtbeitrags nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V übernommen werden kann (so mit sehr ausführlicher Begründung LSG NRW vom 16.10.2009 – L 20 b 56/09 SO ER). Doch selbst wenn man für den Personenkreis der nicht erwerbsfähigen Menschen aus dem VAG eine volle Beitragsübernahme herausliest, wäre dies keine sachfremde Privilegierung gegenüber Alg II-Beziehern. Denn die häufigsten Fälle für Beitragszuschüsse nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II dürften Selbständige sein, die wirtschaftlichen Schiffbruch erlitten haben; sie gehören zu einer arbeitsmarktnahen Personengruppe, für die typisierend unterstellt werden kann, dass sie zumindest bei Ausübung eines Minijobs über die Einkommensbereinigung und die Freibeträge nach § 11, 30 SGB II Reserven zur Eigenbeteiligung am PKV-Beitrag haben oder einen Basistarif mit Eigenbeteiligung wählen können und überdies nicht mit einem so langen Verbleib im SGB II rechnen müssen, dass Beitragsschulden in sehr großer Höhe auflaufen. Schließlich ist die Beitragskappung auch im Vergleich zu Personen, die allein wegen der Entrichtung des PKV-Beitrags hilfebedürftig würden – für sie wird der Beitrag bis zu der Höhe übernommen, die den Eintritt von Hilfebedürftigkeit abwendet – nicht willkürlich. Denn für Menschen, die ihren Grundbedarf (Regelleistung und Unterkunftskosten) aus eigenen Mitteln bestreiten können, ist der Zuschuss nach § 26 Abs. 2 Nr. 2 zweiter Halbsatz SGB II kein Alg II. Trotz Zuschuss können sie deshalb Wohngeld und Kinderzuschlag nach § 6a BKGG erhalten. In der überwiegenden Zahl der Fälle wird der Beitragszuschuss für diesen Personenkreis daher nicht deutlich über dem Pflichtbeitrag nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V liegen. Überdies kann der Gesetzgeber gegenüber diesem Personenkreis in verstärktem Maß einen Anreiz zur Beibehaltung der grundbedarfsdeckenden Einkommensquelle fördern. Erweisen sich die angefochtenen Bescheide nach alldem als rechtmäßig und verfassungs-konform, musste die Klage abgewiesen werden. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Berufung wird zugelassen, weil der Rechtsstreit grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende, Bedeutung hat.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, in welcher Höhe Beiträge zur privaten Krankenversicherung vom SGB II-Träger zu übernehmen sind, wenn auch ohne die Beitragslast Hilfebedürftigkeit besteht. Der 1980 geborene Kläger beantragte am 23. Juni 2009 Leistungen nach dem SGB II. Sein seit 2005 betriebenes Gewerbe als selbständiger Versicherungsvertreter, aus dem er im Jahr 2008 nur sehr geringe Einnahmen erzielt hatte, meldete er zum 30.6.2009 ganz ab. In der Gewerbe-Abmeldung werden als Grund für die Betriebsaufgabe "gesundheitliche Probleme" genannt. Der ledige, allein lebende Kläger ist bei der DKV privat kranken- und pflegeversichert. Der Beitrag zum Voll-Krankenversicherungsschutz im Normaltarif beträgt 280,61 EUR, dazu kommen eine Krankentagegeld- und eine Zusatzversicherung für Rehabilitationsleistungen mit einem Monatsbeitrag von 24,93 EUR. Der Beitrag zur privaten Pflegeversicherung beträgt 16,32 EUR monatlich. Bereits vor Eintritt in den Alg II-Bezug - Alg II ist mit Bescheid vom 6.7.2009 für die Zeit vom 23.9. bis 31.12.2009 bewilligt worden - hatte der Kläger Beitragsschulden in Höhe von 965,58 EUR angehäuft. Zur Bearbeitung seines Antrags auf Gewährung eines Beitragszuschusses zur Kranken- und Pflegeversicherung war der Kläger von der Beklagten aufgefordert worden, einen Nachweis über die Höhe des Beitrags im Basistarif nachzuweisen. In einem Schreiben der DKV vom 6. Juli 2009 wurde die Ermittlung eines fiktiven Beitrags im Basistarif mit der Begründung zurückgewiesen, alle Beiträge im Basistarif ohne Selbstbehalt lägen auch halbiert unter dem vom SGB II-Träger für privat krankenversicherte Hilfebedürftige maximal zu leistenden Zuschuss von 129,54 EUR (seit 1.7.2009 124,32 EUR). Ein Wechsel des Tarifs erscheine daher nicht sinnvoll. Gegen den vom Beklagten mit Änderungsbescheid vom 6.7.2009 festgesetzten Zuschuss zur Krankenversicherung in Höhe von 124,32 EUR (der Zuschuss zur Pflegeversicherung ist in voller Höhe übernommen worden) hat der Kläger, der bislang noch im Normaltarif geblieben ist, nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 17.8.2009) am 16.9.2009 Klage erhoben. Er macht geltend, infolge der Versicherungspflicht zur Privaten Krankenversicherung (PKV) und des verschlossenen Zugangs zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) müsse für Hilfebedürftige mit privatem KV-Schutz der volle Beitrag übernommen werden. Anderenfalls drohe eine massive Verschuldung und ein Ausfall des Versicherungsschutzes. Dazu hat der Kläger ein Schreiben der DKV vom 19.11.2009 vorgelegt, wonach die Zusatzversicherungen wegen Zahlungsverzug gekündigt seien. Für die Krankheitskostenversicherung ruhe derzeit der Versicherungsschutz. Gleichzeitig steige die Beitragsforderung - im November 2009 schon 1.725,01 EUR - stetig an.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 6.7.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.8.2009 zu verurteilen, den vollen KV-Beitrag von 280,61 EUR zu übernehmen.
Die Beklagtenvertreterin beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
Ergänzend wird zum übrigen Sach- und Streitstand auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die beigezogene Leistungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Ein Anspruch auf Gewährung eines höheren Zuschusses besteht nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 12 Abs. 1c VAG nicht. Eine erweiternde Auslegung ist wegen des klaren Wortlauts der Regelung nicht möglich. Es besteht auch keine von den Gerichten zu schließende Gesetzeslücke oder ein ergänzender Anspruch nach §§ 32, 73 SGB XII.
Die Begrenzung des Zuschusses auf den für pflichtversicherte Alg II-Bezieher nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V i. V. m. §§ 232a, 243 SGB V zu entrichtenden Beitrag ist nicht verfassungs-widrig. Seit 1.1.2009 sind Bezieher von Alg II, die unmittelbar vor dem Leistungsbezug privat krankenversichert waren, wie hier der Kläger, nicht mehr automatisch über den Alg II-Bezug in der GKV pflichtversichert. Die Übergangsregelung nach § 5 Abs. 5a Satz 2 SGB II kommt dem Kläger, der erstmals im Juni 2009 Alg II beantragte, nicht zugute. Die Voraussetzungen für einen freiwilligen Beitritt zur GKV nach § 9 SGB V sind ebenso wenig erfüllt wie die Bedingungen für eine Familienversicherung nach § 10 SGB V. Versicherungsschutz kann der Kläger somit nur in der PKV erlangen, seit 1.1.2009 ist er überdies zum Abschluss eines Krankenversicherungsvertrages im Umfang von Leistungen, die denen eines Pflichtversicherten in der GKV entsprechen bzw. zur Aufrechterhaltung einer solchen Versicherung verpflichtet (§ 193 Abs. 3 VVG). Infolgedessen hat er nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II einen Anspruch auf einen Zuschuss zu den Versicherungsbeiträgen. Die Höhe dieses Zuschusses ist in § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG genau festgelegt worden: "der zuständige Träger zahlt den Betrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist". Seit 1.7.2009 sind als Folge der Herabsetzung des allgemeinen GKV-Beitragssatzes von 14,9% auf 14,3% für pflichtversicherte Alg II-Bezieher 124,32 EUR für die Krankenversicherung aufzuwenden. Der Beklagte hat den Beitragszuschuss daher korrekt auf 34,54 EUR (anteilig für Juni 2009 aus dem bis Juni 2009 zu entrichtenden Pflichtbeitrag von 129,54 EUR) und auf 124,32 EUR monatlich für den Bewilligungsabschnitt Juli bis Dezember 2009 begrenzt. Eine Auslegung von § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG dahingehend, dass der SGB II-Träger einen Zuschuss bis in Höhe des halben Basistarifes zu erbringen hat – hierauf muss der Versicherer den Beitrag bei Eintritt von Hilfebedürftigkeit absenken - ist nicht möglich. Der eindeutige Wortlaut einer gesetzlichen Vorschrift ist die Grenze jeder Auslegung (Bundesverfassungs-gericht [BVerfG], E 54, 277, 299 f; 59, 330, 334; 93, 37, 81). Eine Auslegung gegen den klaren Wortlaut einer gesetzlichen Bestimmung ist unzulässig. Die vom Kläger angestrebte volle Beitragsübernahme lässt sich auch nicht im Wege einer richterlichen Rechtsfortbildung realisieren. Denn dies setzte voraus, dass das Gesetz insoweit lückenhaft ist, es also angesichts der erkennbaren Regelungsabsicht des Gesetzgebers "planwidrig" unvollständig ist - die Gerichte also nur das vom Gesetzgeber versehentlich unterbliebene Regelungsstück einfügen müssen (s. z. B. BSG vom 25.6.2009 – B 10 EG 8/08 R m. w. Nachw.) Eine derartige planwidrige Lücke weist das Regelungsgefüge des § 26 SGB II i.V.m. § 12 VAG aber nicht auf. Dem Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens (s. etwa das im Beschluss des LSG NRW – L 20 B 56/09 SO ER erwähnte Schreiben des BMAS vom 4.8.2008) und der nachfolgenden Debatte zur "Beitragslücke" (aufschlussreich dazu BT-Plenarprotokoll der 230. Sitzung vom 2.7.2009 zu Tagesordnungspunkt 45, 25925) lässt sich vielmehr entnehmen, dass die Lücke zwar gesehen, aber mangels Einigung, wie diese Problematik geregelt werden soll – im System der PKV oder zu Lasten der Allgemeinheit – nicht geschlossen wurde (zutreffend Brünner, LPK-SGB II, 3. Aufl. Rdnr. 21). In einer solchen Situation und einer in verschiedene Richtungen lösbaren Schließung der Beitragslücke ist den Gerichten eine vom Gesetzeswortlaut abweichende Entscheidung verwehrt (a. A. LSG Baden-Württemberg vom 16.9.2009 – L 3 AS 3934/09 ER-B, das eine erkennbare Regelungsabsicht des Gesetzgebers im Sinne einer vollen Beitragsübernahme seitens der SGB II-Träger annimmt). Schließlich ist der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auch nicht über einen Analogieschluss zu erreichen. Die allenfalls denkbare Analogie zu § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB II (Übernahme des Beitrags für freiwillig in der GKV versicherte Hilfebedürftige) führte zu keinem höheren Zuschuss. Denn § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB II betrifft nur Sozialgeldbezieher (nicht erwerbsfähige Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 SGB II), die sich in der GKV schon mit einem Beitrag von 120,12 EUR (seit 1.7.2009) versichern können. Der Mindestbeitrag für hauptberuflich Selbständige nach § 240 Abs. 3 Satz 3 SGB V (281,61 EUR) kann dagegen keine Referenzgröße für einen Beitragszuschuss nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II abgeben, weil hauptberuflich Selbständige, die in der GKV geblieben sind, im Fall der Hilfebedürftigkeit Alg II erhalten und die Pflichtversicherung über den Alg II-Bezug die freiwillige Versicherung in der GKV verdrängt. Alg II-Beziehern ergänzende Beitragszuschüsse über die §§ 32, 73 SGB XII zuzuerkennen, liefe auf eine Umgehung der abschließenden Vorschriften zum Beitragszuschuss für SGB II-Leistungsberechtigte hinaus. Überdies taugt weder § 32 SGB XII als eine für Alg II-Bezieher ausgeschlossene Regelung aus den allgemeinen Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel SGB XII noch § 73 SGB XII als Norm zur Bewältigung einer besonderen Lebenslage zur Behebung von Problemen, die der Gesetzgeber gesehen, aber bewusst offen gelassen hat. Einer Beiladung des SGB XII-Trägers bedurfte es daher nicht. Dem Gericht bliebe demnach nur der Weg einer Vorlage zum Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 GG, wenn es von der Verfassungswidrigkeit der Zuschussregelung für privat krankenversicherte Hilfebedürftige überzeugt wäre. Das ist indes nicht der Fall. Das im Zusammenhang zu sehende Regelungsgefüge der §§ 192 ff. VVG, des § 26 SGB II und des § 12 VAG verletzt weder das aus Art. 1, Art. 20 GG folgende Gebot einer ausreichenden medizinischen Versorgung hilfebedürftiger Personen, noch verstößt es wegen der Inkaufnahme auflaufender Beitragsschulden bei Anordnung einer Versicherungspflicht gegen Art. 2 GG und auch eine willkürliche Besserstellung von GKV-Versicherten, Beziehern eines Zuschusses, der allein zur Abwendung von Hilfebedürftigkeit gezahlt wird oder Beziehern von Leistungen nach dem SGBX II lässt sich nicht feststellen. Im Einzelnen: Art 1, Art. 20 GG Das BVerfG hat in seiner Entscheidung zur Einbeziehung von Vorsorgeaufwendungen in das steuerrechtliche Existenzminimum (2 BvL 1/06 vom 13.2.2008) herausgestellt, dass zur Quantifizierung der steuerfrei zu belassenden Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversorgung als Spiegelbild dessen, was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hat, "streng auf das sozialhilferechtlich gewährleistete Leistungsniveau als eine das Existenzminimum quantifizierende Vergleichsebene" (Rdnr. 110) abzustellen sei. Der Steuergesetzgeber sei danach nicht gehalten, die Beiträge zu "normalen" privaten Krankheitskostenversicherungen von Verfassungs wegen stets zu 100% zu berücksichtigen. Er müsse nur die zur Erlangung eines sozialhilfegleichen Lebensstandards erforderlichen Aufwendungen berücksichtigen und zwar selbst dann, wenn der Steuerpflichtige faktisch oder rechtlich zu höheren Aufwendungen verpflichtet ist (Rdnr. 135). Diese Ausführungen zum Vorsorge-Existenzminimum sind insofern auf den Alg II-Bezieher, der seine PKV-Beiträge nicht bezahlen kann, zu übertragen, als der Staat seinen Schutzauftrag aus Art 1, Art. 20 GG hier dadurch ausreichend erfüllt, dass er den privaten Versicherungs-unternehmen in § 193 VVG die Pflicht auferlegt, hilfebedürftigen Versicherten auch dann vollen Versicherungsschutz zu gewähren, wenn sie die PKV-Beiträge nur in Höhe des nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II gewährten Zuschusses entrichten. Wechseln die Versicherten in den Basistarif, worauf sie einen Anspruch haben, sind die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen nach § 75 Abs. 3 a Satz 1 SGB V zur Sicherstellung der Behandlung verpflichtet, im Gegenzug erlangen die Leistungserbringer (Ärzte und Krankenhäuser) nach § 192 Abs. 7 VVG einen Vergütungsanspruch, den sie direkt gegen das Versicherungsunternehmen geltend machen können. Der im Basistarif Versicherte ist also nicht zwingend auf das Kostenerstattungsverfahren angewiesen, womit eine (unzulässige) Aufrechnung offener Beitragsansprüche mit Erstattungsansprüchen von vornherein aus-scheidet. Im Übrigen ist eine solche Aufrechnung auch im Normaltarif eine unzulässige Umgehung der Schutzregelung aus § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG (Klerks, info also 2009, S. 153 ff). Die Anhäufung von Beitragsschulden infolge der nur teilweisen Beitragsübernahme führt nach Überwindung der Hilfebedürftigkeit nicht zum Wegfall des KV-Schutzes in existenz-gefährdendem, sprich verfassungswidrigem Umfang. Denn trotz Ruhens des Versicherungs-vertrages erhält der unkündbare Versicherte die zur Beseitigung von Schmerzen und die zur Heilung von Krankheiten erforderlichen Behandlungen. Der Blick auf die Rechtsprechung zu § 4 AsylLbG, sofern sie auf dauerhaft Bleibeberechtigte überhaupt übertragbar ist, zeigt, dass der Umfang der Notfallbehandlung im ruhenden Versicherungsvertrag nicht zu eng ausgelegt werden darf (vgl. etwa SG Gießen vom 10.8.2006 – S 18 AY 6/06: Krankengymnastik und Wärmebehandlung zur Schmerztherapie). Selbst wenn man also der Auffassung folgen sollte, dass der Schutz des § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG nicht greift, wenn die Beitragsschulden Ausdruck der Hilfebedürftigkeit sind, die Hilfebedürftigkeit also nicht erst während des Ruhens eintritt (s. dazu die Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften BT-Drs. 16/12677, S. 17; gegen diese Auslegung mit beachtlichen Gründen SG Dresden vom 18.9.2009 – S 29 AS 4051/09 ER), erhielte der beitragssäumige Hilfebedürftige Krankenversicherungsschutz in einem das Existenzminimum wahrenden Umfang. Art. 2 GG Die in Art. 2 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit in ökonomischer Hinsicht könnte dadurch verletzt sein, dass einerseits in § 193 Abs. 3 VVG eine Pflicht zum Abschluss eines Versicherungsvertrages statuiert wird, der andererseits keine ausreichende Hilfe zur Seite steht, wenn die laut Vertrag geschuldeten Beiträge nicht mehr bezahlt werden können. Gegen die Annahme einer "strangulierenden" Vertragsbindung ist aber zunächst daran zu erinnern, dass der Kreis der genuin der PKV zugewiesenen Personen äußerst begrenzt ist. In der überragenden Zahl stellt sich das Problem der Beitragsverschuldung für Personen, die, als es ihnen wirtschaftlich und gesundheitlich gut ging, bewusst für die PKV optiert hatten. Werden sie aus wirtschaftlichen Gründen oder einer Verschlechterung ihres Versicherungs-risikos hilfebedürftig, geht es also nicht darum, ihnen über eine Versicherungspflicht und Sperrung der GKV eine unbezahlbare Privat-Versicherung aufzuzwingen, sondern um den Schutz der Allgemeinheit vor unschätzbaren Kosten, wenn die private Versicherung im Vertrauen auf eine Notfallhaftung der Allgemeinheit gekündigt würde- der in diesem Fall denkbare Haftungsanspruch nach § 34 SGB II liefe meist leer - und um den Schutz der Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten vor einer Kumulierung schlechter Risiken in der GKV. Beides hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 10.6.2009 – 1 BvR 706/08 als rechtmäßig und zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Zweisäulen-Modells der Krankenversicherung notwendig beurteilt (Rdnr. 175). Außerdem wird das Argument, die Kappung des Beitragszuschusses auf den Pflichtbeitrag nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V belaste den Privatversicherten mit einem monatlichen Eigenanteil von über 100 EUR, der Komplexität des Regelungsgefüges nicht gerecht. Zum einen können Versicherte mit einem guten Versicherungsrisiko die Pflicht zur ausreichenden Vorsorge gegen Krankheit auch in einer Krankenvollversicherung im Normaltarif erfüllen, der deutlich unter dem halbierten Höchstsatz des Basistarifs liegen kann. Zum anderen kann ein solcher Versicherter bei Wechsel in den Basistarif einen günstigeren Tarif mit Selbstbehalt wählen und damit die Beitragslücke verringern. Weiter ist zu beachten, dass lediglich die Höchstgrenze des Beitrags im Basistarif sowie dessen Halbierung für hilfebedürftige Versicherte gesetzlich geregelt wurde. Die Kalkulation des Basistarifs bzw. der Basistarife obliegt jedoch allein der Gestaltung der Versicherungsunternehmen; der Basistarif muss ja nicht stets auf den Höchstbeitrag der GKV bemessen werden. Die im BVerfG-Verfahren vorgebrachten Modellberechnungen, mit denen ein Ausbluten der Versicherung bzw. eine signifikante Beitragserhöhung der Normaltarife belegt werden sollte, wurden vom BVerfG als eher fern liegend einer Beobachtungspflicht des Gesetzgebers zur künftigen Entwicklung zugeordnet (treffend zum Gewicht dieser Beobachtungspflicht Wenner, SozSich 2009, S. 233). Bisher ist die Zahl der bundesweit abgeschlossenen Versicherungen zum Basistarif recht gering (ca. 4000) geblieben. Dies deutet darauf hin, dass eine günstigere Kalkulation des Basistarifs ohne Selbstbehalt und schlechtem Versicherungsrisiko das vom Äquivalenzprinzip gesteuerte System der Privatversicherung nicht überfordern würde. Die Kappung des Zuschusses kann so gesehen mit dem überragenden Gemeinwohlinteresse gerechtfertigt werden, die Versicherungswirtschaft mit in die Pflicht zu nehmen, eine systemimmanente Lösung für wirtschaftlich schwache Versicherte zu entwickeln, was sie ohne den Druck, ggf. dauerhaft Beitragsschulden in hohem Umfang verwalten zu müssen, nicht tun wird. Dass solidarische Ausgleichstarife die PKV bzw. die in ihr versicherten Menschen nicht unzumutbar belasten und dem Erhalt eines Zwei-Säulen-Modells dienen, hat das BVerfG in der Entscheidung vom 10.6.2009 überzeugend dargelegt (s. zur sozialstaatlichen Einbindung der PKV auch LSG NRW vom 16.10.2009 – L 20 B 56/98 SO ER).
Art. 3 GG Eine willkürliche, d. h. sachfremde Besserstellung GKV-Versicherter besteht bei genauerer Betrachtung nicht. Denn die Übernahme des vollen Beitrags für diese Personen beruht schlicht auf der günstigen Bemessung der Beiträge für freiwillig Versicherte nach § 9 SGB V oder Auffangversicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V im System der GKV, das der Gesetzgeber für eine Leistung, die grundsätzlich eine Versicherungspflicht begründet, als Bezugssystem auswählen darf. Überdies gehören PKV-Versicherte, die hilfebedürftig werden, nicht typischerweise zu einer schwer vermittelbaren Personengruppe mit gesundheitlichen Problemen. In Erwartung einer absehbaren Überwindung der Hilfebedürftigkeit werden sie häufig im Normaltarif bleiben. Der gegenüber GKV-Versicherten zu zahlende Eigenbeitrag lässt sich für diesen Personenkreis dann ohne weiteres mit der bevorzugten Behandlung privat Krankenversicherter, mit der die PKV ja bewusst wirbt, rechtfertigen. Wie schon aufgezeigt wurde, bedeutet die Übernahme von Beiträgen freiwillig Versicherter in der GKV nach § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB II nicht, dass insoweit Zuschüsse bis zur Höhe des Mindestbeitrags für hauptberuflich Selbständige übernommen werden könnten. Diese sind im Fall des Eintritts von Hilfebedürftigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V mit einem Beitrag von derzeit 124,32 EUR pflichtversichert. Soweit in Rechtsprechung und Literatur für Bezieher von Leistungen nach dem SGB XII auf eine volle Übernahme des (halbierten) PKV-Beitrags im Basistarif erkannt wird, beruht dies auf einer sehr zweifelhaften Auslegung des § 12 Abs. 1c Satz 5 und 6 VAG. Richtig dürfte sein, dass auch für diesen Personenkreis nur ein Beitrag in Höhe des Pflichtbeitrags nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V übernommen werden kann (so mit sehr ausführlicher Begründung LSG NRW vom 16.10.2009 – L 20 b 56/09 SO ER). Doch selbst wenn man für den Personenkreis der nicht erwerbsfähigen Menschen aus dem VAG eine volle Beitragsübernahme herausliest, wäre dies keine sachfremde Privilegierung gegenüber Alg II-Beziehern. Denn die häufigsten Fälle für Beitragszuschüsse nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II dürften Selbständige sein, die wirtschaftlichen Schiffbruch erlitten haben; sie gehören zu einer arbeitsmarktnahen Personengruppe, für die typisierend unterstellt werden kann, dass sie zumindest bei Ausübung eines Minijobs über die Einkommensbereinigung und die Freibeträge nach § 11, 30 SGB II Reserven zur Eigenbeteiligung am PKV-Beitrag haben oder einen Basistarif mit Eigenbeteiligung wählen können und überdies nicht mit einem so langen Verbleib im SGB II rechnen müssen, dass Beitragsschulden in sehr großer Höhe auflaufen. Schließlich ist die Beitragskappung auch im Vergleich zu Personen, die allein wegen der Entrichtung des PKV-Beitrags hilfebedürftig würden – für sie wird der Beitrag bis zu der Höhe übernommen, die den Eintritt von Hilfebedürftigkeit abwendet – nicht willkürlich. Denn für Menschen, die ihren Grundbedarf (Regelleistung und Unterkunftskosten) aus eigenen Mitteln bestreiten können, ist der Zuschuss nach § 26 Abs. 2 Nr. 2 zweiter Halbsatz SGB II kein Alg II. Trotz Zuschuss können sie deshalb Wohngeld und Kinderzuschlag nach § 6a BKGG erhalten. In der überwiegenden Zahl der Fälle wird der Beitragszuschuss für diesen Personenkreis daher nicht deutlich über dem Pflichtbeitrag nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V liegen. Überdies kann der Gesetzgeber gegenüber diesem Personenkreis in verstärktem Maß einen Anreiz zur Beibehaltung der grundbedarfsdeckenden Einkommensquelle fördern. Erweisen sich die angefochtenen Bescheide nach alldem als rechtmäßig und verfassungs-konform, musste die Klage abgewiesen werden. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Berufung wird zugelassen, weil der Rechtsstreit grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende, Bedeutung hat.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved