S 166 KR 527/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
166
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 166 KR 527/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 26. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. März 2010 wird festgestellt, dass der Kläger seit dem 29. September 2009 pflichtversichertes Mitglied der Beklagten ist. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Klägers ab Beginn seines Bezuges von Arbeitslosengeld II.

Der 1965 in der Türkei geborene Kläger begehrt die Aufnahme als pflichtversichertes Mitglied bei der Beklagten nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Streit besteht in diesem Zusammenhang darüber, ob dieser Aufnahme ein Ausschluss der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 5a SGB V mit der Folge entgegensteht, dass der Kläger mit der Beigeladenen zu 2) eine private Krankenversicherung zum Basistarif abschließen müsste und gegenüber dem Beigeladenen zu 1) einen Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses nach § 26 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zur privaten Krankenversicherung geltend machen könnte.

Der Kläger lebt seit 1979 in Deutschland und ist deutscher Staatsangehöriger. Nach einer Ausbildung zum Kfz-Lackierer machte er sich 1996 mit einer ".-Station Fahrzeuginstandsetzungen GmbH" selbständig (HRB B). Bis 2004 war er durchgehend bei der Beklagten versichert. Ab Ende 2004 versicherte sich der Kläger privat bei der W Krankenversicherung AG. Diese kündigte dem Kläger aufgrund von Beitragsrückständen die Versicherung zum 29. Januar 2008.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 10. Juli 2009 ( /09) wurde am 24. August 2009 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der vom Kläger als (Allein-)Gesellschafter-Geschäftsführer geführten GmbH eröffnet. Der Kläger meldete sein Gewerbe mit Wirkung zum 30. Juni 2009 ab. Seit dem 01. Juli 2009 führt die Tochter des Klägers die.-Station als Einzelfirma weiter.

Der Kläger bezieht seit dem 29. September 2009 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II. Im November 2009 bat er die Beklagte um Prüfung, ob für ihn eine Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung bestehe. Mit Schreiben vom 26. November 2009 teilte ihm die Beklagte mit, dass eine Mitgliedschaft bei ihr nicht möglich sei, weil der Kläger unmittelbar vor dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II privat versichert gewesen sei. Hiergegen erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 17. Dezember 2009 "vorsorglich" Widerspruch. Am selben Tag stellte der Kläger bei der Beigeladenen zu 2) einen Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrages. Die Beigeladene zu 2) lehnte mit Schreiben vom 22. Dezember 2009 ab, dem Kläger Versicherungsschutz zu gewähren. In der Folgezeit stellte der Kläger Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei dem Sozialgericht Berlin. In zwei Verfahren (S 72 KR /10 ER und S 166 KR 527/10 ER) wurde die Beklagte jeweils verpflichtet, dem Kläger einstweilen Leistungen wie einem pflichtversicherten Mitglied zu gewähren. Beide Beschlüsse wurden rechtskräftig. In einem weiteren Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte die 130. Kammer des Sozialgerichts Berlin einen gegen den Beigeladenen zu 1) gerichteten Antrag des Klägers auf Gewährung eines Zuschusses zum Krankenversicherungsbeitrag nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 12 Abs. 1c S. 6 des Gesetzes über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz - VAG -) für die Dauer des Bezuges von Grundsicherungsleistungen ab (S 130 AS./09 ER). Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte keinen Erfolg; sie wurde mit Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg (L 14 AS /10 B ER) zurückgewiesen.

Den Widerspruch des Klägers vom 17. Dezember 2009 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09. März 2010 zurück. Zur Begründung dieser Entscheidung führte sie an, der Kläger gehöre zu dem Personenkreis, der ab dem 01. Januar 2009 nach § 193 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) eine Krankheitskostenversicherung in der privaten Krankenversicherung abzuschließen habe. Der Gesetzgeber habe insoweit vorgesehen, dass die privaten Krankenversicherungen seit 2009 einen bezahlbaren Basistarif im Umfang des Leistungsangebotes der gesetzlichen Krankenversicherung für Personen anbieten müssten, die privat krankenversichert seien oder sein könnten. Es erscheine daher nicht länger erforderlich, Bezieher von Arbeitslosengeld II auch dann in die Versicherungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (KV) einzubeziehen, wenn sie unmittelbar vor dem Leistungsbezug privat krankenversichert gewesen seien oder als hauptberuflich selbständig Erwerbstätige dem Personenkreis angehörten, der grundsätzlich der privaten KV zuzuordnen sei.

Am 30. März 2010 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er vorträgt: Aufgrund seines Bezuges von Arbeitslosengeld II bestehe eine Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V. Diese Pflichtmitgliedschaft sei vorliegend nicht gem. § 5 Abs. 5a SGB V ausgeschlossen. Zwar sei er unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II weder privat noch gesetzlich krankenversichert gewesen; er gehöre jedoch nicht zu den in § 5 Abs. 5 SGB V genannten Personen, da er weder gegenwärtig noch zum Zeitpunkt des Beginns der Leistungen nach dem SGB II hauptberuflich selbständig erwerbstätig gewesen sei. Er habe sein Gewerbe bereits mit Wirkung zum 30. Juni 2009, mithin drei Monate vor Beginn des Leistungsbezuges, abgemeldet.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 26. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. März 2010 festzustellen, dass er seit dem 29. September 2009 pflichtversichertes Mitglied der Beklagten ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf die Gründe des angefochtenen Widerspruchsbescheides.

Der Beigeladene zu 1) stellt keinen Antrag und hat sich in der Sache nicht geäußert.

Die Beigeladene zu 2) stellt ebenfalls keinen Antrag. Sie schließt sich in der Sache den Ausführungen des Klägers an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorliegenden Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten S 86 KR /10, S 130 AS .../09 ER und S 166 KR 527/10 ER sowie der Verwaltungsakte der Beklagten und des Beigeladenen zu 1), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte ohne Anwesenheit der Beigeladenen zu 2) in der mündlichen Verhandlung entscheiden, da diese hierauf in der Terminsmitteilung hingewiesen worden war (vgl. § 126 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Streitgegenstand des Verfahrens ist alleine die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Krankenversicherung ab Beginn seines Bezuges von Arbeitslosengeld II am 29. September 2009. Über die Versicherungspflicht zur sozialen Pflegeversicherung war nicht zu entscheiden, nachdem die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung einen entsprechenden Verfahrensvergleich geschlossen haben. Auf die Sitzungsniederschrift wird insoweit Bezug genommen. Des Weiteren war nicht über eine Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen KV nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V in der Zeit vor Beginn des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II zu entscheiden. Diese ist vielmehr Gegenstand des noch anhängigen Klageverfahrens S 86 KR /10. Der mit der vorliegenden Klage angefochtene Bescheid der Beklagten vom 26. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. März 2010 ist rechtswidrig. Die Beklagte hat als zuständige gesetzliche Krankenkasse zu Unrecht festgestellt, dass der Kläger nicht der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) unterliegt. Vielmehr war festzustellen, dass Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V seit dem 29. September 2009 besteht. Der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V 1. Halbsatz "Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Buch beziehen, soweit sie nicht familienversichert sind, es sei denn, dass diese Leistung nur darlehensweise gewährt wird oder nur Leistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 1 des Zweiten Buches bezogen werden". Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im Falle des Klägers erfüllt, da er Arbeitslosengeld II nach den §§ 20, 22 SGB II als verlorenen Zuschuss bezieht und nicht familienversichert ist.

Ein Ausschluss der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 5a SGB V liegt nicht vor.

Gemäß § 5 Abs. 5a Satz 1 SGB V ist "nach Abs. 1 Nr. 2a ( ) nicht versicherungspflichtig, wer unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert war oder weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehört ( )" (Unterstreichung durch das Gericht). Das Tatbestandsmerkmal "unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II" bezieht sich sowohl auf die erste als auch auf die zweite Alternative der Vorschrift. Angesichts der Zeit, die zwischen der Kündigung der privaten Krankenversicherung des Klägers am 29. Januar 2008 und dem Beginns des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II am 29. September 2009 verstrichen ist, lag beim Kläger eine private Krankenversicherung im Sinne der Alternative 1 nicht vor. Denn selbst wenn aus der Formulierung "unmittelbar" nicht der Schluss zu ziehen sein sollte, dass der Hilfebedürftige am Tag vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert gewesen sein muss, sondern auch ein geringfügig längerer Zeitraum zwischen privater KV und dem Leistungsbezug nach dem SGB II die Zuständigkeit der privaten KV begründen könnte (vgl. hierzu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21.05.2010 – L 9 KR 33/10 B ER -, abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de), ist jedenfalls davon auszugehen, dass bei einem Zeitraum von 19 Monaten eine "Unmittelbarkeit" im Sinne des § 5 Abs. 5a S. 1 SGB V nicht mehr vorliegt. - Auch die Voraussetzungen der Alt. 2 sind nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 5a Satz 1 SGB V im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Zwar war der Kläger unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II weder gesetzlich noch privat versichert. Aber er gehörte seit dem 01. Juli 2009 und damit zu dem maßgeblichen Zeitpunkt des Beginns des Leistungsbezuges am 29. September 2009 seit rund drei Monaten nicht mehr dem Kreis der hauptberuflich Selbständigen nach § 5 Abs. 5 SGB V an. Eine Zugehörigkeit zum Kreis der in § 6 Abs. 1 oder 2 SGB V genannten Personen ist nicht ersichtlich.

Entgegen der Auffassung der Beklagten fällt der Kläger auch nicht aufgrund seiner früheren Zugehörigkeit zur privaten KV und der seit 01. Januar 2009 bestehenden Pflicht zum Abschluss einer privaten KV für nicht gesetzliche Krankenversicherte (vgl. § 193 Abs. 3 VVG) in den Kreis derjenigen, die privat zu versichern sind. Denn dies ließe sich mit dem insofern eindeutigen Gesetzeswortlaut (vgl. die vorstehenden Ausführungen) nicht vereinbaren.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Gesetzessystematik, insbesondere nicht aus einer Zusammenschau der Regelungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2a, Abs. 5a SGB V und des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Die (zeitgleich beschlossenen) (Neu-)Regelungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2a, Abs. 5a SGB V und des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sind Ausdruck des gesetzgeberischen Willens, das Verhältnis von gesetzlicher und privater Krankenversicherung neu zu ordnen und insbesondere mit der Einführung der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V auf die wachsende Zahl der Menschen ohne Absicherung im Krankheitsfall zu reagieren. Der Krankenversicherungsschutz soll durch ein vielfältig gegliedertes System gewährleistet werden, das auf die beiden Säulen der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung gegründet ist. Diesen wesentlichen Trägern sollen Personen ohne Absicherung im Krankheitsfall zugewiesen werden. Sie werden entweder in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogen oder der privaten Krankenversicherung zugeordnet. Eine dritte Personengruppe, die keinem der beiden Säulen des Krankenversicherungsschutzes zuzuordnen ist, wollte der Gesetzgeber nicht schaffen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.06.2010 – L 5 KR 5046/09 -, abrufbar unter juris). Bei der Aufteilung auf die Systeme stand und steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Mit der Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V hat der Gesetzgeber in Ausübung dieses Gestaltungsspielraumes eine grundsätzliche Zuordnung von Personen, die Arbeitslosengeld II beziehen, zur GKV vorgenommen. Nur im Ausnahmefall sollen sie der privaten Krankenversicherung (PKV) zugeordnet werden (vgl. § 5 Abs. 5a SGB V). Für zahlreiche weitere Personengruppen (Bsp: Studenten, vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V) hat der Gesetzgeber eine gesonderte Zuordnung zur GKV vorgenommen. Um möglichst alle Menschen in Deutschland am Versicherungsschutz teilhaben zu lassen, hat er des Weiteren in § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V einen Auffangtatbestand für diejenigen Personen geschaffen, die keinen Anspruch auf eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall haben. Dieser Auffangtatbestand greift aber nur dann ein, wenn die zu versichernde Person nicht die Voraussetzungen einer der Spezialregelungen erfüllt. Angesichts dessen, dass der Kläger vorliegend als Empfänger von Arbeitslosengeld II zu der von § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V erfassten Personengruppe gehört, ist der Auffangtatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bei ihm nicht zu prüfen. Aus der Gesetzessystematik ergibt sich mithin kein Anhaltspunkt für die Annahme der Beklagten, der Kläger müsse sich privat versichern.

Schließlich führt auch eine Auslegung des § 5 Abs. 1 Nr. 2a i.V.m. Abs. 5a SGB V nach Sinn und Zweck der Regelung nicht zu der Annahme, der Kläger gehöre dem Kreis der privat zu Versichernden an.

Insbesondere lassen sich entgegen der Auffassung der Beklagten die Vorstellungen des Gesetzgebers, die der Schaffung des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V zugrunde lagen, nicht ohne Weiteres auf die Vorschriften des § 5 Abs. 1 Nr. 2a i.V.m. Abs. 5a SGB V übertragen. Nach der Begründung des Gesetzgebers zu § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V soll nach einer absicherungslosen Zeit in das System der GKV zurückkehren, wer im System der gesetzlichen Krankenversicherung versichert war und deswegen zu diesem einen konkreten sachlichen Bezug aufweist (§ 5 Abs. 1 Nr. 13a SGB V). Wer weder privat noch gesetzlich krankenversichert war (§ 5 Abs. 1 Nr. 13b SGB V), wird den Krankenversicherungssystemen nach seinem (abstrakten) gesetzlichen Versicherungsstatus zugeordnet (vgl. BT-Drs. 16/3100, S. 94). Deswegen ist das System der privaten Krankenversicherung insbesondere für versicherungsfreie Beamte (§ 6 Abs. 2 SGB V) oder für nicht versicherungspflichtige hauptberuflich selbständig Erwerbstätige (§ 5 Abs. 5 SGB V) zuständig; den genannten Personen ist der Zugang zum System der gesetzlichen Krankenversicherung verwehrt. Aus dieser in § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V zum Ausdruck kommenden Zuordnung möchte die Beklagte ableiten, dass im vorliegenden Fall auch für den Kläger aufgrund seiner früheren Zugehörigkeit zum Kreis der hauptberuflich selbständig Erwerbstätigen nunmehr eine Versicherungspflicht in der PKV bestehe. Dieser Rückschluss ist indes aus Sicht der Kammer unzutreffend. Die gesetzgeberischen Wertungen, die der Schaffung des Auffangtatbestandes zugrunde liegen, sind nicht vollständig kongruent mit denen, die für die Schaffung der Spezialregelung des § 5 Abs. 1 Nr. 2a i.V.m. Abs. 5a SGB V Ausschlag gebend waren, und müssen dies auch nicht sein. Wie bereits aufgezeigt, dienen die Regelungen des § 5 SGB V der Zuordnung von Personengruppen zu den beiden Säulen des Krankenversicherungsschutzes. Dabei reicht es aus, vergleichbare Personengruppen vergleichbar zu behandeln. Vorliegend hat der Gesetzgeber mit der Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V seine Grundentscheidung zum Ausdruck gebracht, die Bezieher von Arbeitslosengeld II als klar abgrenzbarer Personengruppe der GKV zuzuordnen. Mit der Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V wollte er dagegen die Personengruppe derjenigen erfassen, die "keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben". Für diese Personengruppe sollten eigene Kriterien gelten. In diesem Zusammenhang ist nicht zu beanstanden, dass der Zuordnung der Personengruppen zu den beiden Systemen der Krankenversicherung in § 5 Abs. 1 Nr. 2a i.V.m. Abs. 5a SGB V und § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V unterschiedliche Wertungen zugrunde liegen (so auch SG Berlin, Beschluss vom 01.03.2010 – S 36 KR 182/10 ER -, zur Veröffentlichung anstehend, und nachfolgend bestätigend LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.05.2010 – L 9 KR 102/10 B ER -); ein Gleichlauf muss nicht erzielt werden. Vor diesem Hintergrund sprechen auch die Gesetzesmotive nicht für eine Zuordnung des Klägers zum Kreis der privat Versicherten. Für eine analoge Anwendung des § 5 Abs. 5a Satz 1 SGB V auf den vorliegenden Sachverhalt fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. Ein Analogieschluss setzt voraus, dass die geregelte Norm analogiefähig ist und das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält. Zudem muss eine Vergleichbarkeit des zu beurteilenden Sachverhalts mit dem vom Gesetzgeber geregelten Tatbestand in rechtlicher Hinsicht bestehen. Analogie in diesem Sinn ist die Übertragung der Rechtsfolge eines geregelten Tatbestandes auf einen ihm ähnlichen, aber ungeregelten Sachverhalt. Dieser beruht dann - in Anlehnung an Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) - auf der Forderung normativer Gerechtigkeit, Gleichartiges gleich zu behandeln (st. Rspr., vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 12.01.2010 – B 2 U 35/08 R -, SozR 4-0000). Eine analoge Anwendung eines Gesetzes kann nicht schon allein mit einer vergleichbaren Interessenlage begründet werden. Erforderlich ist vielmehr zunächst eine planwidrige Regelungslücke. Von einer solchen ist auszugehen, wenn der zu beurteilende Sachverhalt vom Gesetzgeber übersehen wurde oder er sich erst nach Erlass des Gesetzes durch eine Veränderung der Lebensverhältnisse ergeben hat. Beides ist vorliegend nicht ersichtlich. Dass der Gesetzgeber die Frage des Versicherungsschutzes von Personen, die vor Beginn des Bezuges von Arbeitslosengeld II keinen Krankenversicherungsschutz haben, aber aufgrund ihrer früheren Zugehörigkeit zur privaten KV die Pflicht zum Abschluss einer privaten KV gehabt hätten (vgl. § 193 Abs. 3 VVG), übersehen hat, kann nicht angenommen werden. Denn er hat ausdrücklich in § 5 Abs. 5a Satz 1 Alt. 2 SGB V die Personen erwähnt, die unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II weder gesetzlich noch privat krankenversichert waren (Hervorhebung durch das Gericht; vgl. SG Augsburg, Beschluss vom 01.09.2009 – S 12 KR 235/09 ER -, abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de). Damit hat der Gesetzgeber auf die faktischen und nicht die rechtlichen Verhältnisse abgestellt. Dafür, dass der Gesetzgeber dies bewusst und im Wissen darum, dass viele Personen der rechtlichen Verpflichtung zum Abschluss einer privaten KV in der Vergangenheit nicht nachgekommen sind, getan hat, sprechen die Gesetzesmotive (vgl. hierzu ausführlich SG Berlin im o.a. Beschluss vom 01.03.2010). In der Begründung des Gesetzgebers zu § 5 Abs. 5a Satz 1 SGB V (vgl. BT-Drs. 16/3100, S. 94 unten und S. 95 oben) wird nämlich ausdrücklich zwischen den Personen unterschieden, die privat versichert sind oder sein können. Der Gesetzgeber wollte ausweislich der Begründung sowohl diejenigen Arbeitslosengeld II-Bezieher erfassen, die unmittelbar vor Beginn des Leistungsbezuges privat krankenversichert waren als auch diejenigen, die unmittelbar vor dem Leistungsbezug als hauptberuflich selbständig Erwerbstätige oder als versicherungsfreie Personen zu dem Kreis gehören, der grundsätzlich der privaten Krankenversicherung zuzuordnen ist (aber faktisch nicht privat versichert ist). Vor diesem Hintergrund ist eine Regelungslücke nicht erkennbar.

Nach alledem besteht zur Überzeugung der Kammer seit Beginn des Bezuges von Arbeitslosengeld II am 29. September 2009 eine Versicherungspflicht des Klägers in der GKV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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