S 70 AL 845/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
70
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 70 AL 845/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 532,30 Euro zu zahlen. 2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Die Berufung wird nicht zugelassen. 4. Der Streitwert wird auf 532,30 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Höhe einer Erstattungsforderung wegen einer von der Klägerin gezahlten Altersrente.

Der am ...1947 geborenen Versicherten, Frau E R, wurde im April 2006 durch die Beklagte Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) für die Zeit 08.04.2006 bis 05.03.2008 in Höhe von 1.193,40 Euro pro Monat gewährt. Auf ihren Antrag wurde ihr durch die Klägerin mit Bescheid vom 06.02.2008 Rente wegen Alters für die Zeit ab dem 01.03.2008 in Höhe von monatlich 694,62 Euro bewilligt.

Mit einem Schreiben vom 07. Mai 2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass aufgrund der Änderung des § 127 SGB III durch das Siebte SGB III-Änderungsgesetz der Arbeitslosengeldanspruch der Versicherten sich voraussichtlich bis zum 07.04.2008 verlängere. Die Versicherte habe ihr gegenüber telefonisch erklärt, das verlängerte Arbeitslosengeld anstelle der Rente beziehen zu wollen. Es werde um Mitteilung gebeten, für welchen Zeitraum und in welcher Höhe ein Erstattungsanspruch wegen der bewilligten Altersrente geltend gemacht werde.

Die Klägerin stellte daraufhin zum 31.07.2008 die Zahlung der bewilligten Rente ein und gewährte der Versicherten später mit Bescheid vom 18.09.2008 erneut Altersrente für den Zeitraum ab dem 01.05.2008.

Durch das Schreiben vom 18. Juni 2008 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch nach § 319c Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) für den Zeitraum 01.03.2008-30.04.2008 in Höhe von 1.389,24 Euro (2 Mo. á 694,62 EUR) geltend. Die Beklagte berechnete daraufhin die anteilige Rente für den Zeitraum 01.03.2008 bis 07.04.2008 und überwies den Betrag von 856,70 Euro (694,62 EUR plus 162,08 EUR) an die Klägerin. Der Klägerin teilte sie durch Schreiben vom 19. August 2008 mit, dass der Erstattungsanspruch nicht in voller Höhe befriedigt werden könne, da die Kundin nur bis zum 07.04.2008 Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt habe. Die anschließenden Aufforderungen der Klägerin zur Zahlung der weiteren 532,54 Euro blieben erfolglos. Die Beklagte verwies wiederum darauf, dass die Versicherte nur bis zum 07.04.2008 einen Arbeitslosengeldanspruch habe.

Mit einem am 25. Februar 2009 eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht erhoben und begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der noch offenen Forderung. Sie habe einen Erstattungsanspruch nach der Sondervorschrift des § 319c SGB VI. Für den Umfang des Erstattungsanspruchs seien die rentenrechtlichen Vorschriften maßgeblich. Danach gelte die kalendermonatsweise Betrachtung, weil Renten grundsätzlich für den vollen Kalendermonat gezahlt würden. Daher erstrecke sich der Erstattungsanspruch immer bis zum Ende des Kalendermonats, in dem der Anspruch auf Arbeitslosengeld ende.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 532,30 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie meint, die Klägerin habe einen Erstattungsanspruch nur in der bereits beglichenen Höhe von 856,70 Euro. Da Arbeitslosengeld nur bis zum 07.04.2008 zu gewähren sei, sei die Rente über diesen Zeitpunkt hinaus nicht zu erstatten. Es könne nicht mit den rentenrechtlichen Vorschriften auf den vollen Kalendermonat abgestellt werden. Diese Vorschriften würden durch § 319c SGB VI ausgehebelt, da es dort heiße, dass nach Ende des Arbeitslosengeldbezugs Rente zu leisten sei.

Bezüglich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die vorliegende Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Leistungsklage ist zulässig und begründet.

Der Klägerin steht ein Rechtsanspruch auf die Erstattung der Altersrente für beide Monate in vollem Umfang zu. Der Erstattungsanspruch folgt, wie die Klägerin zutreffend erkannt hat, aus § 319c SGB VI. Diese Vorschrift hat folgenden Wortlaut: "Anspruch auf eine Rente wegen Alters besteht nicht, wenn Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht, dessen Anspruchsdauer sich nach § 434r des Dritten Buches erhöht hat. Wurde eine Rente bereits geleistet, auf die nach Satz 1 kein Anspruch besteht, ist der zur Zahlung des Arbeitslosengeldes verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig. Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung geltenden Rechtsvorschriften. Der Rentenbescheid ist mit Wirkung vom Zeitpunkt des Beginns der Rente aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden. Nach Ende des Arbeitslosengeldbezuges ist Rente zu leisten, wenn die Anspruchsvoraussetzungen beim ursprünglichen Rentenbeginn erfüllt waren; bei der Rentenberechnung werden mindestens die der weggefallenen Rente zugrunde liegenden persönlichen Entgeltpunkte berücksichtigt."

Diese Regelung ist durch das 7. SGB III-Änderungsgesetz vom 08.04.2008 (BGBl. I 2008, 681) mit Wirkung vom 01.01.2008 in Kraft getreten. Damit werden die rentenrechtlichen Rechtsfolgen der nachträglichen Verlängerung der Dauer des Arbeitslosengeldbezugs bei älteren Arbeitslosen geregelt, die zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens des Änderungsgesetzes bereits Altersrente bezogen (vgl. hierzu und zum Folgenden die Gesetzesbegründung: BT-Drs. 16/7866, S. 19). Danach soll ausnahmsweise ein Wechsel vom Rentenbezug in die Arbeitslosenversicherung für diesen Personenkreis möglich sein. Zur Vermeidung von Doppelleistungen entfällt aber auch rückwirkend der Anspruch auf Rente, wenn ein längerer Arbeitslosengeldanspruch besteht. Die überzahlte Rente soll danach den Rententrägern durch die Bundesagentur für Arbeit erstattet werden. Es wird mit dieser Regelung ausgeschlossen, dass der Betroffene bereits erhaltene Rentenzahlungen an den Rententräger erstatten muss, auch wenn die Rente höher ist als das Arbeitslosengeld.

Die Voraussetzungen für den Erstattungsanspruch nach § 319c Satz 2 SGB VI sind erfüllt. Der Versicherten wurde eine Rente wegen Alters auf Grundlage des Bewilligungsbescheides vom 06.02.2008 gewährt, auf die sie nach § 319c Satz 1 SGB VI keinen Anspruch hatte. Durch die nachträgliche Verlängerung der Dauer des Arbeitslosengeldanspruchs nach § 434r SGB III hatte die Versicherte gem. § 319c Satz 1 SGB VI keinen Anspruch auf Altersrente. Dies gilt auch für den Zeitraum 08.04.2008-30.04.2008. Denn die nach der Aufhebung erneut zu gewährende Rente wegen Alters beginnt hier nach der Grundregel in § 99 Abs. 1 SGB VI erst ab dem 01.05.2008. Dies entspricht dem Kalendermonat, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt waren. Zu Beginn von April 2008 waren dagegen die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt, da die Arbeitslose im Zeitraum 01.04.2008 bis zum 07.04.2008 einen vorrangigen Anspruch auf Arbeitslosengeld hatte und somit die rentenrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen erst ab dem 08.04.2008 erfüllt waren. Daher war der Anspruch der Versicherten auf Rente bis einschließlich 30.04.2008 ausgeschlossen und wurde ihr für diesen Zeitraum zu Unrecht Rente gewährt. Somit ist die Beklagte als der für die Zahlung des Arbeitslosengeldes zuständige Leistungsträger zur Erstattung der im gesamten Zeitraum 01.03.2008-30.04.2008 geleisteten Altersrente verpflichtet.

Soweit die Beklagte offenbar in § 319c Satz 5 1. Hs. SGB VI eine Sondervorschrift mit der Wirkung eines Rentenbeginns am Tag nach dem Auslaufen des Arbeitslosengeldanspruchs am 08.04.2008 bzw. ab dem 01.04.2008 sieht, kann die Kammer dem nicht folgen. Diese Vorschrift modifiziert die Rentenbewilligung nur in der Weise, dass nach Ende des Arbeitslosengeldbezugs Rente von Amts wegen, also nicht erst nach erneuter Antragstellung durch den Versicherten, zu gewähren ist (vgl. BT-Drs. 16/7866, S. 19; von Koch in: Kreikebohm, SGB VI, 3. Aufl., § 319c Rn. 5). Die Grundregel des § 99 Abs. 1 SGB VI zum Rentenbeginn erfährt dagegen durch § 319c Satz 5 1. Hs. SGB VI keine weitergehende Abänderung. Dafür spricht auch, dass die Gesetzesbegründung zu § 319c Satz 5 1. Hs. SGB III keinen etwaigen Hinweis darauf enthält, dass damit eine Abweichung von dem Grundsatz in § 99 Abs. 1 SGB VI erfolgen sollte. Damit ist vorliegend die Rente wegen Alters auch unter Berücksichtigung der Spezialregelung in § 319 Satz 5 1. Hs. SGB VI erst ab dem Kalendermonats nach dem Ende der Arbeitslosengeldbewilligung erneut zu gewähren (ebenso: Reinhardt in: LPK-SGB VI, 2. Aufl., § 319c Rn. 8; Dünn in: GK-SGB VI, § 319c Rn. 25). Dieser nächste Kalendermonat war hier Mai 2008, so dass die Bewilligung von Altersrente auch für April 2008 insgesamt rechtswidrig war.

Schließlich entspricht die Verurteilung der Beklagten zur Erstattung der vollen Rentenzahlungen dem Sinn und Zweck der Regelung und dem Willen des Gesetzgebers. Dieser sieht eine umfassende Erstattungspflicht der Bundesagentur für Arbeit selbst dann vor, wenn die Rente höher ist als das Arbeitslosengeld (vgl. § 319c Satz 3 SGB VI). Danach war vom Gesetzgeber erkennbar beabsichtigt, nicht den Rententräger mit den Folgen der durch die Gesetzesänderung eingetretenen unrechtmäßigen Rentenzahlungen zu belasten, sondern ausschließlich die Bundesagentur für Arbeit. Würde in diesem Fall der Rententräger eine Erstattung seiner Zahlungen nur bis zum 07.04.2008 erhalten, würde dies eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Belastung der Rentenversicherung bedeuten.

Nach alledem ist mit der Klägerin davon auszugehen, dass der Erstattungsanspruch nach § 319c Satz 2 SGB VI sich immer bis zum Ende des Kalendermonats erstreckt, in dem der Bezug des verlängerten Arbeitslosengelds endet. Die geltend gemachte weitergehende Erstattungsforderung der Klägerin ist daher gegeben. Die Beklagte war somit antragsgemäß zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beklagte hat infolge ihres Unterliegens die Kosten des Verfahrens in vollem Umfang zu tragen.

Die Berufung gegen dieses Urteil ist nicht kraft Gesetzes zulässig, § 144 Abs. 1 SGG. Die Berufungssumme von über 10.000,00 Euro wird nicht erreicht, § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG. Nach Ansicht der Kammer bestand auch kein Grund zur Zulassung der Berufung gem. § 144 Abs. 2 SGG.

Die Bestimmung des Streitwertes erfolgt gemäß § 52 Abs. 1, Abs. 3 Gerichtskostengesetz - GKG - und beträgt ausgehend vom Wert der streitigen Geldleistung 532,30 EUR.
Rechtskraft
Aus
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