S 112 KR 1764/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
112
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 112 KR 1764/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 19. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. November 2009 und der Bescheid vom 22. Januar 2010 werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Tätigkeit als Dozent für den Kläger in der Zeit vom 1. Februar 2004 bis 31. Mai 2009 nicht abhängig beschäftigt war. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

Tatbestand:

Streitig ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Beigeladenen zu 1) in seiner Tätigkeit als Dozent für den Kläger vom 1. Februar 2004 bis 31. Mai 2009.

Der klagende Verein ist ein freier und gemeinnütziger Bildungsträger in Berlin, der seit 1985 Fortbildungen, Umschulungen, Fernlehrgänge, Ausbildungen, Seminare und berufsbegleitende Weiterbildung anbietet. Die Schwerpunkte liegen in den Bereichen Betriebswirtschaft, Bürowirtschaft/EDV, Einzelhandel, Sport/Fitness, Gesundheit/Pflege, Immobilien, Kommunikation, Marketing, Medien, Naturkost, Soziales, Tourismus/Freizeit und Veranstaltung. Die Lehrgänge sind, soweit möglich, in den Rahmen der anerkannten Berufsabschlüsse eingegliedert und von der Bundesagentur für Arbeit (BA) anerkannt. Alle Umschulungen sind zusätzlich von der Industrie- und Handelskammer (IHK) anerkannt. Der Beigeladene zu 1) schloss 1986 ein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule für Wirtschaft in Berlin ab. Seit April 2003 war er Lehrbeauftragter für dieses Fachgebiet an der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW; seit 1. April 2009: Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin – HTW). Wegen der weiteren Einzelheiten seiner beruflichen Entwicklung wird auf den Lebenslauf vom 30. Januar 2010 verwiesen. Der Beigeladene zu 1) hatte zuletzt ab März 2003 – mehrmals unterbrochen durch die tageweise Übernahme von Lehraufträgen an der FHTW – Arbeitslosengeld bezogen. Im Dezember 2003 teilte er der BA mit, er werde ab 1. Januar 2004 eine selbstständige Tätigkeit von wöchentlich mehr als fünfzehn Stunden aufnehmen. Für die angestrebte Tätigkeit als "Dozent und Einzelhändler" beantragte der Beigeladene zu 1) gleichzeitig Überbrückungsgeld. Auf seine Angaben im Antragsvordruck wird Bezug genommen. Der Beigeladene zu 1) wies auf den bereits vorliegenden Gewerbeschein hin und teilte die Steuernummer mit, unter der er beim Finanzamt B-S geführt wird. Auf die Darstellung seines Gründungsvorhabens wird verwiesen. Die BA bewilligte ihm vom 1. Januar bis 30. Juni 2004 Überbrückungsgeld in Höhe von 1.579 EUR monatlich als Zuschuss. Seit Februar 2004 war der Beigeladene zu 1) beim Kläger als Dozent für die Fächer Buchführung, Rechnungswesen und kaufmännisches Rechnen tätig. Der Kontakt war über den Internet-Vermittlungsdienst dozentenpool24.de zustande gekommen, bei dem der Beigeladene zu 1) als selbstständiger Dozent registriert war. Er übernahm zunächst den bereits laufenden Kurs einer ausgefallenen Dozentin. In der Folgezeit beauftragte ihn der Kläger jeweils durch Dozenten-Honorar-Verträge in unterschiedlichem wöchentlichen Stundenumfang mit Umschulungslehrgängen, die zur Vorbereitung auf IHK-Prüfungen angeboten wurden. Die Wochentage und die genauen Unterrichtszeiten wurden nach Angaben des Klägers jeweils individuell vereinbart. Der Unterricht fand stets in Räumen des Klägers statt. Skripte und Arbeitsbögen hatte der Beigeladene zu 1) auf eigene Kosten selbst zu erstellen. Die Honorare für die von ihm betreuten Unterrichtsmaßnahmen stellte er dem Kläger jeweils mit Honorar-Note in Rechnung. Wegen der Beträge im Einzelnen wird auf die vom Beigeladenen zu 1) in Kopie überreichten Honorar-Noten und Jahresaufstellungen verwiesen. Zusätzlich war der Beigeladene zu 1) weiterhin – allerdings in geringerem Umfang – als Dozent für die FHTW/HTW und für die gemeinnützige Fortbildungsakademie der Wirtschaft (FAW; bis 2007) tätig. Seit Juni 2009 ist er als Arbeitsvermittler beim JobCenter Reinickendorf beschäftigt.

Im August 2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 1) und reichte hierzu eine Tätigkeitsbeschreibung sowie weitere Unterlagen ein. Durch Bescheide vom 19. Februar 2009 stellte die Beklagte den Beteiligten gegenüber fest, dass der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit als Dozent im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zum Kläger ausübe. Er habe sich nach dem Rahmenlehrplan zu richten und detaillierte Nebenpflichten zu erfüllen. Dem Beigeladenen zu 1) werde Ort und Zeit der Arbeitsverrichtung vorgegeben und ihm würden Weisungen zur Art und Weise der Tätigkeit erteilt. Als Vergütung werde eine erfolgsunabhängige Pauschalvergütung gezahlt. Ein Unternehmerrisiko habe der Beigeladene zu 1) nicht zu tragen. Nach Gesamtwürdigung aller beurteilungsrelevanten Tatsachen sprächen mehr Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Der Kläger hat erfolglos Widerspruch eingelegt (Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2009).

Mit der am 2. November 2009 erhobenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Bescheide der Beklagten und begehrt die Feststellung, der Beigeladene zu 1) habe seine Tätigkeit als Dozent nicht abhängig, sondern selbstständig ausgeübt. Die Beklagte habe die tatsächlichen Verhältnisse nicht angemessen berücksichtigt. Die Einhaltung von Unterrichtszeiten sei der Dozententätigkeit immanent. Hieraus könne für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung nichts gefolgert werden. Dem Beigeladenen zu 1) werde nicht vorgegeben, die Kurse in den Räumen des Klägers durchzuführen. Dies geschehe nur aus Praktikabilitätsgründen. Anweisungen zur Ausgestaltung der Art und Weise der Kurse gebe es nicht, lediglich die Kurse an sich würden vereinbart. Der Beigeladene zu 1) setze eigene Technik und Peripherie ein. Skripte und Arbeitsbögen erstelle er auf eigene Kosten selbst. Bei Auslastung durch andere Auftraggeber könne er Aufträge ablehnen. Der selbstständige Status des Beigeladenen zu 1) werde bestätigt durch dessen Angaben in einem Fragebogen vom 4. Februar 2005. Ergänzend wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 24. September 2010 nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Beklagte hat während des Klageverfahrens den Bescheid vom 19. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2009 dahingehend abgeändert, dass in der in Rede stehenden Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) vom 1. Februar 2004 bis 31. Mai 2009 Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung bestand (Bescheid vom 22. Januar 2010).

Der Kläger beantragt,

1. den Bescheid der Beklagten vom 19. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2009 und den Bescheid vom 22. Januar 2010 aufzuheben, 2. festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Tätigkeit für den Kläger in der Zeit vom 1. Februar 2004 bis 31. Mai 2009 nicht abhängig beschäftigt war und 3. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Bescheide für zutreffend. Die Weisungsgebundenheit eines Auftragnehmers sei nicht dadurch ausgeschlossen, dass er mehrere Vertragsverhältnisse eingegangen ist. Die Möglichkeit der Ablehnung eines Auftrages sei für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung irrelevant. Der Darstellung, wonach dem Beigeladenen zu 1) keine Weisungen erteilt worden seien, könne nicht gefolgt werden. Der Unterrichtszweck, die Schüler auf eine Externen-Prüfung bei der IHK vorzubereiten, bedinge seine Einordnung in die Organisation des Schulbetriebes. Ergänzend wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 29. Dezember 2009 verwiesen.

Der Beigeladene zu 1) hat auf Anforderung des Gerichts diverse Unterlagen eingereicht. Einen Antrag stellt er ebenso wie die übrigen Beigeladenen nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens und zur Ergänzung des Sachverhalts wird schließlich Bezug genommen auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist. Vorgelegen hat außerdem die den Beigeladenen zu 1) betreffende Leistungsakte der beigeladenen BA.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Anfechtungs- und Feststellungsklage ist begründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig. Die Beklagte hat zu Unrecht festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) in der für den Kläger ausgeübten Tätigkeit abhängig beschäftigt war bzw. auf Grund dieser Tätigkeit der Versicherungspflicht in der Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung unterlag.

Gegenstand des Klageverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 19. Februar 2009 in der Fassung, die er durch den Bescheid vom 22. Januar 2010 erhalten hat. Der zuletzt genannte Bescheid ist gemäß § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden (zur Einbeziehung von Bescheiden, die der beklagte Rentenversicherungsträger in Reaktion auf die neuere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 11. März 2009 – B 12 R 11/07 R – juris) in Konstellationen der vorliegenden Art erlassen hat vgl. Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. März 2010 – L 9 KR 13/08 – juris).

Der Bescheid vom 22. Januar 2010 unterliegt schon aus formellen Gründen der Kassation, weil es an einer Rechtsgrundlage für die Feststellungen der Beklagten zur Versicherungspflicht in den einzelnen Sozialversicherungszweigen fehlt. § 28p Abs. 1 Satz 5 Halbsatz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) scheidet insoweit aus. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung gegenüber den Arbeitgebern im Rahmen der (Betriebs-)Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide. Die Vorschrift trägt den streitgegenständlichen Bescheid nicht. Denn die Beklagte hat die Feststellungen nicht im Rahmen einer Arbeitgeberprüfung erlassen. Sie kann den Bescheid auch nicht auf § 7a SGB IV stützen. Die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund (DRVBu) ist im Rahmen des sog. Anfrageverfahrens nicht ermächtigt, Feststellungen zur Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen zu treffen. Sie hat nur zu entscheiden, ob eine (entgeltliche) Beschäftigung vorliegt. Für diese Auslegung sprechen der Wortlaut, die Systematik und der Zweck der Regelung; sie entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Die gegenteilige Auffassung des BSG (u. a. Urteil vom 11. März 2009 – B 12 KR 11/07 R – juris) überzeugt nicht. Ihr kann nicht gefolgt werden.

Bereits der Wortlaut des § 7a SGB IV lässt die Auslegung des BSG nicht zu. Insgesamt vier Mal wird der Inhalt der von der DRVBu zu treffenden Entscheidung dahin umschrieben, "dass" bzw. "ob eine Beschäftigung vorliegt" (Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 6 Satz 2, Abs. 7 Satz 1). Der Gesetzgeber weicht damit konsequent von der Formulierung für die übrigen im SGB IV geregelten Statusverfahren ab: Im Einzugsstellenverfahren ist "über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung" zu entscheiden (§ 28h Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB IV). Im Verfahren der Arbeitgeberprüfung nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV sind "Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung" zu erlassen. Das Gesetz legt den Entscheidungsinhalt in jenen Verfahren mit nahezu identischem Wortlaut fest. Wenn gewollt gewesen wäre, auch im Anfrageverfahren über die Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen zu entscheiden, hätte es nahegelegen, wiederum diesen Wortlaut zu verwenden. Der durchgängig abweichende Wortlaut in § 7a SGB IV spricht deswegen deutlich für einen anderen Gegenstand des Anfrageverfahrens. Zweifel an dieser Auslegung kommen nicht durch einen (angeblich) "uneinheitliche(n) Sprachgebrauch des § 7a SGB IV" (BSG, Urteil vom 11. März 2009 – B 12 KR 11/07 R – juris –, Rn. 19) auf. Zwar wird in Abs. 6 Satz 1 a. a. O. für den Eintritt der Versicherungspflicht tatbestandlich vorausgesetzt, dass "die Deutsche Rentenversicherung Bund ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis" festgestellt hat. Im Hinblick auf den Verfahrensgegenstand bewirkt dies jedoch eine Modifizierung nur in der Weise, als durch die DRVBu festzustellen ist, ob eine Beschäftigung – im hiesigen Zusammenhang synonym: ein Beschäftigungsverhältnis – gegen Arbeitsentgelt ausgeübt wird. Nur insoweit wird ein Bezug zu den Versicherungspflichttatbeständen der einzelnen Versicherungszweige hergestellt, die allesamt auf eine entgeltliche Beschäftigung abstellen (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Regelung 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung, § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung, § 1 Satz 1 Halbsatz 1 Regelung 1 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI), § 20 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 Halbsatz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung). Dem kann nicht entgegengehalten werden, damit würden Feststellungen um ihrer selbst Willen ermöglicht und eine unabsehbare Belastung der Verwaltung in Kauf genommen (so aber BSG, a. a. O., Rn. 20). Klärungsbedarf haben die Antragsberechtigten des Verfahrens nach § 7a SGB IV regelmäßig nur hinsichtlich der Frage, ob eine (bestimmte) Tätigkeit in abhängiger Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wird. Wegen des Interesses der Beteiligten an der Beantwortung dieser zentralen statusrechtlichen Frage besteht nicht die "Gefahr von Feststellungen ins Blaue hinein" (BSG, a. a. O.).

Auch die systematische Stellung des § 7a SGB IV spricht dafür, dass im Anfrageverfahren nur über das (Nicht-)Vorliegen einer (entgeltlichen) abhängigen Beschäftigung zu entscheiden ist. Die Norm ist innerhalb des SGB IV verortet im Ersten Abschnitt, Zweiter Titel, der überschrieben ist mit "Beschäftigung und selbständige Tätigkeit", und zwar unmittelbar im Anschluss an § 7, der das in allen Zweigen der Sozialversicherung relevante Tatbestandsmerkmal der Beschäftigung erläutert. Der systematische Blick auf § 336 SGB III führt zu keiner anderen Auslegung. Die Vorschrift lautet in der ab dem 1. Oktober 2005 geltenden Fassung: "Stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund im Verfahren nach § 7a Abs. 1 des Vierten Buches die Versicherungspflicht nach diesem Buch durch Verwaltungsakt fest, ist die Bundesagentur hinsichtlich der Zeiten, für die der die Versicherungspflicht feststellende Verwaltungsakt wirksam ist, an diese Feststellung leistungsrechtlich gebunden". Eine Kompetenz der DRVBu, über die Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen zu entscheiden, ergibt sich schon nach dem Wortlaut nicht. Tatbestandliche Voraussetzung für eine leistungsrechtliche Bindung der BA ist eine Feststellung der Versicherungspflicht "nach diesem Buch", d. h. nach dem SGB IV. Auch die Gesetzeshistorie spricht gegen die Rückschlüsse des BSG aus § 336 SGB III. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen der 81. Kammer des Sozialgerichts Berlin im Urteil vom 13. April 2010 – S 81 KR 176/08 – juris – (Berufung anhängig unter L 9 KR 179/10) verwiesen. In der Entscheidung ist ferner überzeugend herausgearbeitet worden, dass die Gesetzesmaterialien zu § 7a SGB IV selbst ebenfalls keinen Hinweis zugunsten der Auslegung des BSG geben. Im Gegenteil: Ausdrücklich abweichend vom Einzugsstellenverfahren hat der Gesetzgeber andere Versicherungsträger im Verfahren nach § 7a SGB IV nicht als Beteiligte angesehen (vgl. BT-Drucks. 14/1855, S. 7).

Die hier vertretene Auslegung entspricht schließlich dem Sinn und Zweck des § 7a SGB IV. Die Vorschrift wurde eingeführt mit dem Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20. Dezember 1999 (BGBl. 2000 I, S. 2). Damit hatte der Gesetzgeber auf die in der Praxis entstandenen Verunsicherungen und unterschiedlichen Interpretationen der Neuregelungen – insbesondere der neuen Vermutungsregelung (§ 7 Abs. 4 SGB IV) – des Gesetzes zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 10. Dezember 1998 (Korrekturgesetz, BGBl. I, S. 3843) reagiert. Durch die Einführung eines bundeseinheitlichen Statusanfrageverfahrens in der alleinigen Zuständigkeit der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte sollte es den Verfahrensbeteiligten ermöglicht werden, eine schnelle, unkomplizierte und nach einheitlichen Bewertungsmaßstäben getroffene Entscheidung über den sozialversicherungsrechtlichen Status einer Erwerbsperson zu erreichen. Das Verfahren wurde zusätzlich zum Einzugsstellenverfahren etabliert; Abs. 1 Satz 1 des § 7a SGB IV enthält insoweit eine Kollisionsregel. Schon der Umstand, dass der Gesetzgeber die Schaffung eines zusätzlichen Statusverfahrens für erforderlich gehalten hat, spricht für einen Unterschied zwischen beiden Verfahren. Das Anfrageverfahren wäre überflüssig, wenn darin über die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung zu entscheiden wäre. Eine solche Entscheidung konnten und können die Beteiligten durch die Einzugsstelle erhalten. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll das Verfahren nach § 7a SGB IV zudem schnell und unkompliziert sein (vgl. BT-Drucks. 14/1855, S. 6f.). Dies kann wirksam nur durch eine Beschränkung des Verfahrensgegenstandes auf die Frage erreicht werden, ob eine (entgeltliche) Beschäftigung vorliegt. Dem entspricht es, dass die antragsberechtigten Beteiligten in aller Regel nur insoweit Klärungsbedarf haben. Der Zweck der Vorschrift, die Rechtssicherheit für die Beteiligten zu verbessern, wird schon durch die Klärung dieses zentralen Tatbestandsmerkmals erreicht (a. A. Merten, § 7a SGB IV , SGb 2010, 271, 274).

Die streitgegenständlichen Bescheide sind auch in der Sache rechtswidrig. Der Beigeladene zu 1) war beim Kläger im streitbetroffenen Zeitraum nicht abhängig beschäftigt.

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag (BSGE 45, 199, 200 ff = SozR 2200 § 1227 Nr. 8, S. 16; SozR 3-2400 § 7 Nr. 13, S. 31 f und Nr. 19, S. 69 f, jeweils m. w. N; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung BVerfG, Kammerbeschluss, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).

Diese Kriterien sind nach der ständigen Rechtsprechung des BSG auch auf den Beruf eines Lehrers bzw. Dozenten zu übertragen, weil dieser Beruf nach der Gesetzgebung zur Sozialversicherung sowohl in Form abhängiger Beschäftigung als auch in Form selbständiger Tätigkeit ausgeübt werden kann (vgl. hierzu ausführlich BSG, Urteil vom 12. Februar 2004 – B 12 KR 26/02 R – veröffentlicht: Die Beiträge Beilage 2004, 154-160 mit zahlreichen Nachweisen auch aus der Rechtsprechung das Bundesarbeitsgerichts).

Hiervon ausgehend ist die Kammer nach dem Gesamtergebnis der Ermittlungen davon überzeugt, dass der Beigeladene zu 1) im streitbetroffenen Zeitraum nicht abhängig beschäftigt, sondern selbstständig tätig gewesen ist. Für die Bewertung der Tätigkeit als selbstständig spricht zunächst, dass er mit dem Kläger keinen "klassischen" Arbeitsvertrag, sondern jeweils Dozenten-Honorar-Verträge über die Unterrichtung bestimmter Themen im Rahmen von befristeten Lehrgängen bzw. Maßnahmen geschlossen hat. Der Beigeladene zu 1) ist in den Verträgen jeweils als freier Mitarbeiter bezeichnet worden. Die Erteilung von methodischen und/oder didaktischen Weisungen wurde ausdrücklich vertraglich ausgeschlossen (Ziffer 2, dritter Absatz). Der Beigeladene zu 1) hat nach den Verträgen keinen Anspruch auf Lohn oder Arbeitsentgelt, sondern auf ein Honorar, welches erst nach Rechnungsstellung fällig wird (Ziffer 3.3). Zwar ist für die rechtliche Einordnung nicht allein der Wille der Vertragsparteien ausschlaggebend. Der Vertragsbezeichnung kommt im Rahmen der Gesamtwürdigung jedoch jedenfalls dann indizielle Bedeutung zu, wenn sie dem sonstigen tatsächlichen Verhältnis nicht offensichtlich widerspricht und sie durch weitere Aspekte gestützt wird (BSG, a. a. O.). So liegt es hier. Der Beigeladene zu 1) war unstreitig in der Unterrichtsgestaltung methodisch und didaktisch weisungsfrei. Die Verträge sind auch insoweit tatsächlich umgesetzt worden, als er nur die von ihm erbrachten Leistungen jeweils stundengenau in Rechnung gestellt und eine Vergütung nur für diese Leistungen erhalten hat. Der Kläger hatte sich vertraglich vorbehalten, Termine unter bestimmten Bedingungen kurzfristig zu streichen (Ziffer 4.2). Andererseits hatte der Beigeladene zu 1) die Möglichkeit Aufträge abzulehnen. Für den Fall kurzer Erkrankungen war vereinbart, dass sich beide Seiten um Dozentenersatz oder Tausch von Unterricht bemühen (Ziffer 4.4). Der Kläger hat schriftliche Vermerke eingereicht, die belegen, dass tatsächlich so verfahren worden ist. Der Beigeladene zu 1) war selbst dafür verantwortlich, Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten und seine Einnahmen zu versteuern. Ausweislich der Steuerbescheide der Jahre 2004 bis 2008 wurden die Dozenten-Honorare vom Finanzamt als Einkünfte aus selbständiger Arbeit behandelt. Für eine selbstständige Tätigkeit spricht ferner, dass dem Beigeladenen zu 1) kein bezahlter Urlaub gewährt wurde und dass er keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall hatte.

Für eine Übereinstimmung der getroffenen Vereinbarungen mit der gelebten Beziehung sprechen des Weiteren die Angaben, die der Beigeladene zu 1) gegenüber der BA gemacht hat. Er hat im Dezember 2003 mitgeteilt, ab Januar 2004 eine selbstständige Tätigkeit von mehr als 15 Stunden wöchentlich aufzunehmen. Die Darstellung seines Gründungsvorhabens und die weiteren Angaben im Leistungsverfahren wegen der Gewährung von Überbrückungsgeld lassen keine Zweifel daran aufkommen, dass der Beigeladene zu 1) nach seinem Selbstverständnis als Selbstständiger am Markt auftreten wollte und aufgetreten ist. Dies ist besonders deutlich im Jahr 2004, als er zusätzlich zu seiner Dozententätigkeit noch mitunternehmerisch eine Gaststätte und einen Weinhandel betrieben hat. Schon die Anbahnung des Kontakts mit dem Kläger erfolgte im Übrigen über eine Vermittlungsplattform für Selbstständige. Im Rahmen seiner Dozententätigkeit war der Beigeladene zu 1) – wenn auch in geringerem Umfang – für weitere Auftraggeber (FHTW, FAW) tätig. Seine Angaben in dem Anfang 2005 ausgefüllten "Fragebogen zum Einsatz freier Mitarbeiter/innen als Honorarkräfte" bestätigen das Fehlen einer persönlichen Abhängigkeit vom Kläger.

Die Beklagte macht allerdings zu Recht Aspekte geltend, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen. So ist als Lehrort in den Verträgen jeweils der Betriebssitz des Klägers genannt. Der Beigeladene zu 1) ist in den Rahmenlehrplan des Klägers eingebunden. Die im Stundenplan des Lehrganges bzw. der Maßnahmen festgelegten Zeiten waren für den Beigeladenen zu 1) verbindlich (Ziffer 4.1 der Dozenten-Honorar-Verträge). Er unterlag Nebenpflichten, wie beispielsweise dem Führen eines Unterrichtsblattes (Ziffer 3.3). Ein mit dem Einsatz von Kapital verbundenes unternehmerisches Risiko hatte der Beigeladene zu 1) nicht zu tragen. Den genannten Gesichtspunkten kommt jedoch entgegen der Auffassung der Beklagten kein zur Annahme von persönlicher Abhängigkeit führendes Gewicht zu. Durch die Rechtsprechung des BSG ist geklärt, dass die Tätigkeit eines Dozenten nicht allein deshalb als abhängige Beschäftigung anzusehen ist, weil der Bildungsträger den äußeren Ablauf der Lehrtätigkeit bestimmt. Aus der insoweit geminderten Autonomie des Dozenten oder aus der Tatsache, dass Dozenten sich bei der Gestaltung ihres Unterrichts an Prüfungserfordernissen ausrichten müssen, darf noch nicht auf ihre Weisungsgebundenheit geschlossen werden. Maßgeblich ist, ob die Handlungsmöglichkeiten durch Einzelanordnungen oder durch eher generell-abstrakte Regeln oder Normen eingeschränkt ist (BSG, Urteil vom 12. Februar 2004 – B 12 KR 26/02 R – veröffentlicht: Die Beiträge Beilage 2004, 154-160). Eine in diesem Sinne gegebene Weisungsgebundenheit des Beigeladenen zu 1) lässt sich nicht feststellen. Der Sachverhalt liegt hier deutlich anders als jener, der dem Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 7. Juni 2006 – L 9 KR 105/02 – juris – zu Grunde lag. Dem Dozenten in jenem Verfahren waren nicht nur die Arbeitszeiten und der Ort der Leistungserbringung genau vorgegeben; er unterlag darüber hinaus zahlreichen sonstigen Anweisungen und konkreten Vorgaben (a. a. O., Rn. 24 ff.). Derartige Einzelanordnungen wurden vorliegend nicht erteilt. Der klagende Bildungsträger konnte vereinbarte Unterrichtszeiten nicht einseitig ändern. Er war auch weder befugt, den Beigeladenen zu 1) zur Übernahme anderer als der vereinbarten Unterrichtseinheiten zu verpflichten noch konnte er von ihm (einseitig) die Vertretung verhinderter Dozenten verlangen oder ihn für andere Kurse einsetzen. Der Kläger konnte auch nicht die Teilnahme des Beigeladenen zu 1) an Konferenzen, Sprechtagen oder anderen Veranstaltungen anordnen. Die konkreten Arbeitsumstände des Beigeladenen zu 1) unterschieden sich insoweit signifikant von denjenigen der fest angestellten Dozenten des Klägers.

Die streitgegenständlichen Bescheide erweisen sich damit sachlich-rechtlich als rechtswidrig und waren, weil der Kläger hierdurch beschwert ist, antragsgemäß aufzuheben. Gleichzeitig war die begehrte Feststellung auszusprechen. Ob die Beklagte bei Rechtskraft des Urteils an einer Feststellung der Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) nach § 2 SGB VI gehindert ist, weil nur der Kläger den an ihn gerichteten Bescheid vom 19. Februar 2009 angefochten hat, ist vom Gericht nicht zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Soweit die Beklagte eine Kostentragungspflicht für unbillig hält, weil der Beigeladene zu 1) die im Antragsvordruck unter Ziffer 2.7 gestellte Frage nach dem Bezug von Überbrückungsgeld unzutreffend verneint hat und es bei richtiger Beantwortung zu einer anderen Statusentscheidung gekommen wäre, kann sie damit nicht durchdringen. Denn sie hat trotz des mittlerweile feststehenden Bezuges dieser Leistung in der mündlichen Verhandlung die Abweisung der Klage beantragt und ist mit diesem Antrag im Sinne von § 154 Abs. 1 VwGO unterlegen. Für Billigkeitserwägungen ist insoweit kein Raum.

Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren folgt aus §§ 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG, 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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