Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
71
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 71 KA 12/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2008, ausgefertigt am 17. Dezember 2008, wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger ab dem Quartal II/2007 und bis zum Quartal IV/2008 ein höheres Individualbudget unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu gewähren. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch des Klägers auf Neufestsetzung seines Individualbudgets bzw. auf Gewährung eines höheren Punktzahlvolumens.
Der Kläger nimmt seit dem 1. April 1998 als Facharzt für Allgemeinmedizin im Verwaltungsbezirk K-T an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Bis zum 31. März 2007 bestand eine Praxisgemeinschaft des Klägers mit der Fachärztin für Allgemeinmedizin Frau Dr. med. K. Zum 1. April 2007 schied Frau Dr. K aus Altersgründen aus der Praxisgemeinschaft aus. Für das Quartal II/2007 ließ sie sich im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) "Praxisklinik am ..." – dem hier Beigeladenen - anstellen. Ab dem Quartal III/2007 war Frau Dr. T auf dem Angestelltensitz von Frau Dr. K tätig.
Die Beklagte ermittelte für den Kläger folgende Individualbudget-Punkte je Quartal (unter Berücksichtigung des Gewichtungsfaktors):
Quartal Primärkassen Ersatzkassen III/2003 299.705 213.040 IV/2003 339.579 245.540 I/2004 326.899 231.793 II/2004 298.661 232.277
Die Fachgruppengrenzwerte gemäß § 9 Absatz 7, § 16 Absatz 2 c Honorarverteilungsmaßstab (HVM) beliefen sich für den Bereich der Ersatzkassen auf 324.004 Punkte und für den Bereich der Primärkassen auf 243.005 Punkte.
Mit Schreiben vom 4. Juli 2007 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Neufestsetzung seines Individualbudgets. Seine Fallzahlen seien durch die Übernahme von 115 ehemaligen Patienten von Frau Dr. K deutlich angestiegen. Die Patientenakten seien ihm von Frau Dr. K übergeben worden. Seinen Antrag ergänzte der Kläger mit Listen von insgesamt 115 namentlich aufgeführten Patienten, die er im Quartal II/2007 von Frau Dr. K übernommen habe. Im Folgenden ergänzte der Kläger seinen Antrag mit einem Verweis auf seine Abrechnungsdaten aus dem Quartal III/2007. Demzufolge sei die Anzahl der von Frau Dr. K übernommenen Patienten auf 167 angestiegen. Seit dem Quartal II/2007 würden seine Patientenzahlen kontinuierlich ansteigen. Er sei an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit gelangt. Im Gegensatz zu ihm würde in K kein Hausarzt wegen Überschreitung seines Individualbudgets neue Patienten aufnehmen.
Mit Bescheid vom 31. Januar 2008 gab die Beklagte dem Antrag vom 4. Juli 2007 auf Neufestsetzung des Individualbudgets des Klägers teilweise statt. Die Regelungen des ab dem 1. Juli 2007 geltenden HVM gemäß § 9 Absatz 8 b – in Verbindung mit den Voraussetzungen des § 10 HVM für einen erhöhten Zuwachs des Individualbudgets bis zum Fachgruppendurchschnitt – seien erfüllt worden. Dem Kläger werde daher eine Erhöhung des Individualbudgets entsprechend der Wachstumsregelungen für Altpraxen auf den Fachgruppendurchschnitt zugebilligt, da durch die Übernahme der Patienten von Frau Dr. K seine Fallzahlen gegenüber denen des Bemessungszeitraumes des Jahres 2002 um ca. 20% angestiegen seien. Eine dokumentierte Patientenübernahme würde jedoch nicht vorliegen.
Dagegen legte der Kläger mit am 14. Februar 2008 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben Widerspruch ein. Die ihm zugebilligte Erhöhung seines Individualbudgets sei nicht ausreichend und werde seiner individuellen Situation nicht gerecht. Er beantrage eine Neufestsetzung seines Individualbudgets gemäß § 9 Absätze 12 und 13 HVM wegen Praxisschließung ohne Praxisnachfolge bzw. Praxisumzug im Umfeld des Antragstellers. Zusätzlich legte er Listen mit 215 namentlich aufgeführten Patienten vor, die er im Zeitraum vom 1. April 2007 bis zum 7. Februar 2008 von Frau Dr. K übernommen habe.
Mit Schreiben vom 12. Juni 2008 bat die Beklagte den Beigeladenen, das MVZ "Praxisklinik am ", in das Frau Dr. K ihren Arztsitz verlegt hatte, um Auskunft, ob eine Vereinbarung zur Patientenübernahme getroffen worden sei oder ob Patientenakten an das MVZ abgegeben worden seien. Mit am 23. Juni 2008 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben antwortete die Beigeladene, dass durch eine mündliche Vereinbarung alle Patienten zu der Nachfolgerin auf dem Arztsitz von Frau Dr. K in dem MVZ, Frau Dr. M T , zur Behandlung kommen konnten und alle Hausbesuche von ihr übernommen worden seien. Die Beklagte wies den Beigeladenen im Folgenden darauf hin, dass ggf. mit einer Kürzung des Individualbudgets zu rechnen sei, wenn nicht alle ehemaligen Patienten von Frau Dr. K übernommen worden wären. Eine Überprüfung habe ergeben, dass Frau Dr. T weniger Patienten behandeln würde als ihre Vorgängerin. Um eine namentliche Aufstellung der übernommenen Patienten werde daher gebeten. Der Beigeladene bestätigte daraufhin die Übernahme aller Patienten von Frau Dr. K. Frau Dr. T erklärte, dass alle Patienten von Frau Dr. K die Möglichkeit gehabt hätten, sich von ihr behandeln zu lassen. Eine Übernahme aller Hausbesuchspatienten sei gewährleistet worden. Frau Dr. K erklärte ihrerseits, dass für alle ihre Patienten die Möglichkeit bestanden habe, sich bei dem Beigeladenen behandeln zu lassen. Der Kläger ergänzte seinen Vortrag im Folgenden durch die Angabe, er habe sein angefordertes Punktzahlvolumen in den Quartalen II/2007 und III/2007 gegenüber den beiden Quartalen IV/2006 und I/2007 vor der Patientenübernahme um 13,1% steigern können. Gegenüber den beiden Vorjahresquartalen II/2006 und III/2006 habe sich eine Steigerung um 20,2% ergeben. Eine dokumentierte Vereinbarung zur Patientenübernahme halte er für realitätsfern. Zwar seien ihm von Frau Dr. K die entsprechenden Patientenakten übergeben worden, eine schriftliche Vereinbarung darüber habe sie jedoch abgelehnt. Er bitte daher, die von Frau Dr. T aus dem MVZ "Praxisklinik am " behandelten Patienten mit seinen Listen der übernommenen Patienten zu überprüfen. Er könne ebenfalls nicht nachvollziehen, dass die hauptsächlich älteren Patienten von Frau Dr. K die neue 5 km entfernte Praxis einer wohnortnahen hausärztlichen Versorgung vorziehen würden.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte aufgrund ihrer Sitzung vom 18. November 2008 durch am 17. Dezember 2008 ausgefertigten Widerspruchsbescheid zurück. Nach ihren, das Ermessen näher definierenden und der Gleichbehandlung dienenden Bearbeitungsrichtlinien vom 27. August 2003 könne eine Neufestsetzung des Individualbudgets aufgrund der Übernahme von Patienten aus geschlossenen Arztpraxen ohne Praxisnachfolge nur dann gerechtfertigt sein, wenn die vertragsärztliche Praxis den angeforderten Leistungsbedarf in Punkten bzw. die Fallzahl in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Quartalen um mindestens 10% gegenüber dem Bemessungszeitraum gesteigert habe und gleichzeitig mit dieser Leistungssteigerung um 10% oberhalb des Wachstums der Fachgruppe liege. Zudem müsse der Antragsteller anhand der Benennung der übernommenen Patienten glaubhaft machen können, dass sein erkennbarer Fallzahlanstieg tatsächlich aus der Übernahme von Patienten einer geschlossenen Praxis resultiere. Vorliegend fehle es weiterhin an einer dokumentierten Patientenübernahmevereinbarung. Um eine ggf. erforderliche Kürzung auf Seiten der Patienten abgebenden Praxis umsetzen zu können, sei es erforderlich, dass diese Praxis mit der Übernahme der konkret geltend gemachten Patienten einverstanden sei. Dies könne zum Beispiel durch eine Unterschrift der abgebenden Praxis auf der Patientenliste geschehen. Zwar liege eine Liste des Klägers mit ehemaligen Patienten von Frau Dr. K vor, jedoch sei diese nicht von ihr bestätigt worden. Hinsichtlich der Verlegung des Arztsitzes von Frau Dr. K sei weiterhin festzustellen, dass sich der von Frau Dr. T im MVZ "Praxisklinik am " fortgeführte Arztsitz lediglich 5 km entfernt vom ehemaligen Praxisstandort befinde. Aufgrund der relativ kurzen Distanz zum neuen Praxissitz sei die Weiterbehandlung zumindest wesentlicher Teile des Patientenstammes möglich. Zudem lägen Erklärungen von Frau Dr. K , Frau Dr. T sowie des beigeladenen MVZ über die Weiterbehandlung der ehemaligen Patienten von Frau Dr. K durch ihre Nachfolgerin vor. Dem Kläger sei bereits ab dem II. Quartal 2007 ein Individualbudget in Höhe des Fachgruppendurchschnitts zugestanden worden. Die Zuordnung des Fachgruppendurchschnitts als Budgetobergrenze erscheine auch unter Berücksichtigung seiner Fallzahlen im Verhältnis zu den Fallzahlen seiner Fachgruppe gerechtfertigt. So beziffere sich die durchschnittliche Fallzahl des Klägers im Jahr 2007 auf 720, während die Fachgruppe in diesem Zeitraum 710 Fälle je Quartal abgerechnet habe. Im I. Quartal 2008 seien durch den Kläger 772 Fälle zur Abrechnung eingereicht worden, während sich die durchschnittliche Fallzahl auf 743 beziffere. Zwar liege seine Fallzahl des I. Quartals 2008 somit etwas oberhalb des Fachgruppendurchschnittswertes, jedoch träten quartalsweise Überschreitungen des Mittelwertes in Höhe von ca. 20-30 Patienten auch bei Kollegen seiner Fachgruppe auf, ohne dass hieraus ein Anspruch auf Erhöhung des Individualbudgets über den Fachgruppendurchschnitt hinaus entstehen könne.
Am 7. Januar 2009 erhob der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten Klage vor dem Sozialgericht Berlin. Seit dem Zeitpunkt der Beendigung der Praxisgemeinschaft habe er einen erheblichen Teil der vormaligen Patienten von Frau Dr. K übernommen, und zwar im Quartal II/2007: 115 ehemalige Patienten von Frau Dr. K , im Quartal III/2007: 167 ehemalige Patienten von Frau Dr. K , im Quartal IV/2007: 210 ehemalige Patienten von Frau Dr. K , im Quartal I/2008: 215 ehemalige Patienten von Frau Dr. K. Auch in absoluten Zahlen lasse sich eine erhebliche Steigerung der Behandlungsfälle verzeichnen. Noch im Jahr 2006 habe die durchschnittliche Fallzahl in seiner Praxis 624 pro Quartal betragen. Diese durchschnittliche Fallzahl habe derjenigen des für die Berechnung des Individualbudgets relevanten Jahres 2002 entsprochen. Seit der Beendigung der Praxisgemeinschaft mit Frau Dr. K habe seine Fallzahl signifikant höher gelegen, und zwar 730 Behandlungsfälle im Quartal II/2007, 725 Behandlungsfälle im Quartal III/2007, 805 Behandlungsfälle im Quartal IV/2007 und 775 Behandlungsfälle im Quartal I/2008. Auch ein Vergleich der angeforderten Punkte belege einen Anstieg der Punktmengen seit der Patientenübernahme von Frau Dr. K. Die in der einschlägigen Vorschrift des HVM als Tatbestandsmerkmal genannte Voraussetzung einer Patientenübernahme sei erfüllt. Es komme nicht darauf an, ob diese Patientenübernahme auch in der Art und Weise dokumentiert sei, wie es die Beklagte verlange. Selbst wenn man davon ausginge, dass der Wille der Patienten abgebenden Praxis von Bedeutung sei, so sei doch unberücksichtigt geblieben, dass Frau Dr. K ihm die Akten der betreffenden Patienten persönlich übergeben habe. Damit habe sie konkludent ihr Einverständnis mit der Weiterbehandlung dieser Patienten durch ihn – den Kläger – zum Ausdruck gebracht. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass eine rein privatrechtliche Vereinbarung zwischen Vertragsärzten regelmäßig ohne Einfluss auf die öffentlich-rechtlichen Positionen des Vertragsarztrechts sei. Die Beklagte gehe weiterhin unzutreffend davon aus, dass neben dem Erfordernis der Leistungs- bzw. Fallzahlsteigerung gegenüber dem Bemessungszeitraum auch ein solches der gleichzeitigen Leistungssteigerung oberhalb des Fachgruppendurchschnitts bestehe. Zudem fänden sich in dem Bescheid keine Ausführungen dazu, ob er – entsprechend der Richtlinien der Beklagten – "in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen einen gegenüber dem Bemessungszeitraum um 10% gesteigerten Leistungsbedarf" in Punkten bzw. Fallzahl aufweise und ob seine Leistungssteigerung das Wachstum der Fachgruppe um 10% überschreite. Tatsächlich seien diese Kriterien erfüllt. Die Beklagte übersehe weiterhin, dass eine Erhöhung des Individualbudgets wegen einer Praxisschließung ohne Nachfolge im Sinne des § 9 Absatz 12 HVM nicht nur dann zu gewähren sei, wenn der seine Praxis schließende Leistungserbringer endgültig aus der vertragsärztlichen Versorgung ausscheide. Maßgeblich sei vielmehr, dass die geschlossene Praxis nicht mehr zur Versorgung der Versicherten beitragen könne. Denn eine Erhöhung des Individualbudgets sei gemäß § 9 Absatz 12 Spiegelstrich 2 HVM auch wegen Praxisumzügen im Umfeld des Antragstellers und entsprechender Patientenübernahme zu gewähren. Die Übernahme der Patienten von Frau Dr. K stelle auch keine Leistungsmengenausweitung dar. Denn gemäß § 95 Absatz 3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bewirke die Zulassung, dass der Vertragsarzt zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet sei. Mit Schriftsatz vom 29. Januar 2010 wurde eine Liste derjenigen Patienten, die der Kläger von Frau Dr. K übernommen haben will, übergeben, die mit weiterem Schriftsatz vom 24. Februar 2010 ergänzt wurde. Selbst wenn – auf der Grundlage des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. März 2010, Aktenzeichen B 6 KA 43/08 R – die Honorarverteilung in der Zeit vom Quartal II/2005 bis zum Ende des Quartals IV/2008 rechtswidrig auf der Grundlage von Individualbudgets erfolgt sein sollte, sei die Klage dennoch begründet. Im Ergebnis beantrage er, dass die der Abrechnung zugrunde gelegten Instrumente der Leistungsmengenbegrenzung derart angepasst werden, dass die durch die Patientenübernahme verursachten Mehrleistungen angemessen vergütet würden. Er begehre also die Zuweisung höherer maximal abrechenbarer Punktzahlvolumina für die Quartale II/2007 bis IV/2008. Dieses Begehren könne einerseits durch eine Erhöhung des Individualbudgets für die Quartale II/2007 bis IV/2008, aber andererseits auch durch die Zuweisung eines den Vorgaben des § 85 Absatz 4 SGB V gerecht werdenden Instruments der Leistungsmengensteuerung wie beispielsweise einem Regelleistungsvolumen (RLV) erfüllt werden. Einer Anwendung eines den Vorgaben des § 85 Absatz 4 SGB V gerecht werdenden Instruments der Leistungsmengensteuerung könne auch nicht entgegengehalten werden, dass die Honorarbescheide der Quartale II/2007 bis IV/2008 bereits bestandskräftig seien.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2008, ausgefertigt am 17. Dezember 2008, aufzuheben und
die Beklagte zu verpflichten, ihm ab dem Quartal II/2007 und bis zum Quartal IV/2008 ein höheres Individualbudget bzw. ein höheres abrechenbares Punktzahlvolumen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entgegen der Auffassung des Klägers reiche es für eine Patientenübernahme im Sinne des § 9 Nr. 12 HVM nicht aus, dass die Patienten tatsächlich aus einer anderen Praxis im Umfeld kommen. Vielmehr müsse diese Patientenübernahme auf einer ausdrücklichen Übernahmevereinbarung mit der geschlossenen Praxis beruhen. Es liege auch keine Praxisschließung ohne Nachfolge vor; denn bei einem Umzug scheide ein Leistungserbringer nicht endgültig aus der vertragsärztlichen Versorgung aus. Davon abgesehen könne ein Leistungserbringer nur dann einen Ausgleich für eine budgetmäßig nicht berücksichtigte Belastung beanspruchen, wenn diese Belastung nicht auf eine Leistungsmengenausweitung zurückzuführen sei. Die Entscheidung des Klägers, Patienten aus der Praxis Dr. K zu übernehmen, stelle sich aber als eine Leistungsmengenausweitung dar, da der Kläger zu einer entsprechenden Weiterversorgung nicht verpflichtet gewesen sei. Trotz des Grundsatzes einer freien Arztwahl sei kein Leistungserbringer verpflichtet, über seine Kapazität hinaus tätig zu werden. Festzuhalten sei ferner, dass der Kläger erst nach der tatsächlichen Übernahme von Patienten seiner ehemaligen Praxisgemeinschafts-Partnerin im Wesentlichen die durchschnittliche Fallzahl einer hausärztlichen Praxis in Berlin erreiche. Hierfür sei ihm auch ein Individualbudget in Höhe des Fachgruppendurchschnitts zugeteilt worden.
Im Hinblick auf die Entscheidung des BSG vom 17. März 2009 in dem Verfahren B 6 KA 43/08 R gelte, dass diese auf den HVM der KV Berlin nicht übertragbar sei. Das Urteil des BSG betreffe lediglich den HVM der KV Nord-Württemberg und sei durch dessen Besonderheiten geprägt. Die rechtlichen Grundlagen der Honorarverteilung in Berlin ab dem Quartal II/2005 hätten weiterhin Bestand.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Die Gerichts- und Verwaltungsakten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten sowie des übrigen Inhalts wird auf sie Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2008, ausgefertigt am 17. Dezember 2008, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Neufestsetzung seines Individualbudgets ab dem Quartal II/2007 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.
Diesem Anspruch steht nicht entgegen, dass bereits das Regelungskonzept der Individualbudgets ab dem hier streitgegenständlichen Quartal II/2007 rechtswidrig gewesen wäre. Die Kammer hält das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. März 2010 in dem Verfahren B 6 KA 43/08 R, das zu den Honorarverteilungsregelungen des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung Nord-Württemberg ergangen ist, im Ergebnis nicht auf die ab dem Quartal II/2007 geltenden Honorarverteilungsregelungen im Bezirk der Beklagten übertragbar. Die für den streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Honorarverteilungsregelungen der Beklagten verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht.
Die Honorarverteilungsregelungen, die die Beklagte und die Krankenkassen für den Zeitraum ab dem II. Quartal 2007 vereinbart hatten, entsprachen zwar nicht den Vorgaben des § 85 Absatz 4 Satz 7 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Nach dieser Bestimmung sind in der Honorarverteilung "insbesondere arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina)". Kernpunkt dieser Bestimmung sind zwei Vorgaben, nämlich die Festlegung arztgruppenspezifischer Grenzwerte und fester Punktwerte, - und gemäß § 85 Absatz 4 Satz 8 SGB V kommt hinzu, dass für die darüber hinaus gehenden Leistungsmengen abgestaffelte Punktwerte vorzusehen sind.
Von den beiden Elementen "arztgruppenspezifische Grenzwerte" und "feste Punktwerte" wichen die ab dem Quartal II/2007 geltenden Honorarverteilungsregelungen der Beklagten ab.
Da es vor dem Hintergrund der Voraussetzungen der Übergangsregelung in Teil III Nr. 2.2. des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 – wonach eine Rechtmäßigkeit der Honorarverteilungsregelungen trotz Abweichungen von den Vorgaben des § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V dann in Betracht kommt, wenn bisherige Steuerungsinstrumente fortgeführt werden, deren Auswirkungen mit den Vorgaben des § 85 Absatz 4 SGB V vergleichbar sind (vgl. dazu unten) – auf einen Vergleich der Bestimmungen des ab dem Quartal II/2007 geltenden HVM mit den davor geltenden Honorarverteilungsregelungen ankommt, sind auch diese in eine Bewertung im Lichte der Vorgaben des § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V miteinzubeziehen:
Zum 1. Juli 2003 erfolgte auf der Grundlage des HVM in der Fassung vom 19. Juni 2003 durch die Beklagte erstmalig die Honorarverteilung auf Grundlage sogenannter Individualbudgets. Das Individualbudget als maximal abrechenbares individuelles Punktzahlvolumen wurde aus den individuellen Umsätzen im Bemessungszeitraum der Quartale I/2002 bis IV/2002 getrennt nach Primär- und Ersatzkassen ermittelt. Die ermittelten Umsätze wurden mit dem Faktor 10/0,511292 EUR multipliziert. Dieses Produkt wurde durch 4 dividiert. Daraus ergab sich das für ein Quartal geltende Individualbudget, das lediglich mit einem Gewichtungsfaktor an die Quartalsschwankungen angepasst wurde. Nach § 9 Absatz 2 HVM wurden Leistungen, die Ärzte über das ihnen zugeordnete maximal abrechenbare individuelle Punktzahlvolumen hinaus abrechneten, auf dieses Punktvolumen gekürzt. Die nach Kürzung verbleibenden maximal zulässigen punktzahlbewerteten Leistungen wurden mit einer Fachgruppenquote multipliziert. Die Fachgruppenquote ergab sich, indem die zur Verfügung stehende Honorarsumme der Fachgruppe durch das Produkt des maximal zulässigen Punktzahlvolumens der Fachgruppe mit 5,112929 Cent dividiert wurde. Das sich daraus ergebende individuelle Punktzahlvolumen des Arztes wurde mit 5,112929 Cent vergütet. Wurde dieses maximal abrechenbare Punktzahlvolumen im Abrechnungsquartal von einer Praxis unterschritten, trat die abgerechnete Leistungsmenge an die Stelle des maximal abrechenbaren Punktzahlvolumens. Überschritt das abgerechnete Punktzahlvolumen eines Arztes das maximal abrechenbare individuelle Punktzahlvolumen, ergaben sich von 5,11929 Cent abweichende praxisindividuelle Punktwerte. Im Ergebnis bedeutet dies, dass für die Vergütung der Leistungen mit einem Punktwert von 5,112929 Cent nicht allein das nach § 9 Absatz 1 HVM ermittelte Punktzahlvolumen maßgeblich war. Eine Verminderung des nach § 9 Absatz 1 HVM ermittelten Punktzahlvolumens trat dann ein, wenn die Summe der auf der Grundlage der Umsätze des Jahres 2002 ermittelten Punktzahlen aller Ärzte der Fachgruppe größer war als die in Punkte umgerechnete zur Vergütung zur Verfügung stehende Honorarsumme der Fachgruppe und damit die Fachgruppenquote kleiner 1 war. Die Fachgruppenquote war in jedem Abrechnungsquartal verschieden und ergab sich erst nach Abschluss des Abrechnungsquartals, so dass vor dem jeweiligen Abrechnungsquartal dem Arzt nicht bekannt war, welche Punktmenge mit welchem Punktwert vergütet wird. Es gab also keine vorab dem Arzt bekannten festen Punktwerte.
Mit Wirkung zum 1. Juli 2005 ist der ab dem 1. Juli 2003 geltende HVM durch einen neuen HVM ersetzt worden. Dieser neue HVM sah auch weiterhin eine Vergütung auf der Grundlage von Individualbudgets vor. Nach der Vorschrift des § 9 Absatz 1 HVM sollten die abgerechneten Leistungen bis zum Erreichen der Grenze des Individualbudgets mit einem festen Punktwert von 4,15 Cent vergütet werden. Die über die Grenzen des Individualbudgets hinaus abgerechneten Leistungen sollten mit einem Restpunktwert vergütet werden. Das Individualbudget wurde nach den Regelungen des § 9 Absatz 2 HVM ermittelt. Dazu wurden wiederum zunächst die individuellen Umsätze im Bemessungszeitraum der Quartale I/2002 bis IV/2002 getrennt nach Primär- und Ersatzkassen ermittelt. Die ermittelten Umsätze wurden mit dem Faktor 10/0,511292 EUR multipliziert. Dieses Produkt wurde wiederum durch 4 dividiert. Daraus ergab sich das für ein Quartal geltende Individualbudget, das lediglich mit einem Gewichtungsfaktor an die Quartalsschwankungen angepasst wurde. Dieses Individualbudget wurde jedoch nicht der Vergütung im Abrechnungsquartal zugrunde gelegt. Vielmehr wurde das nach § 9 Absatz 2 HVM ermittelte Individualbudget mit der Fachgruppenquote multipliziert (§ 9 Absatz 5 HVM). Erst dieses Produkt ergab die Punktzahl, die dann im konkreten Abrechnungsquartal mit einem Punktwert von 4,15 Cent vergütet wurde. Dieses Punktzahlvolumen war jedoch Schwankungen unterworfen, denn die Fachgruppenquote wurde in jedem Quartal neu berechnet. So wurden die jeweils zur Verfügung stehenden Honorarfonds zunächst um 3,9% bei den Hausärzten und 5% bei den Fachärzten gekürzt, um mit den aus der Kürzung resultierenden Beträgen den Restpunktwert zu finanzieren. Das verbleibende Honorar für eine Fachgruppe wurde durch 4,15 Cent dividiert, so dass sich daraus die Punktmenge der Fachgruppe ergab, die mit einem Punktwert von 4,15 Cent vergütet wurde. Sodann wurde dieses Punktvolumen durch die Summe der für die Ärzte nach § 9 Absatz 2 HVM ermittelten Punktvolumen geteilt. Dieser Quotient war die Fachgruppenquote. Der Betrag der Fachgruppenquote war also von dem jeweils im Abrechnungsquartal zur Verfügung stehenden Honorar der Fachgruppe abhängig. Das tatsächlich mit einem Punktwert von 4,15 Cent vergütete Punktzahlvolumen war somit nur dann mit dem auf der Grundlage der Umsätze des Jahres 2002 ermittelten Punktzahlvolumen identisch, wenn die Fachgruppenquote gleich 1 war. War aber die Fachgruppenquote kleiner 1, wurde gemäß § 9 Absatz 5 lit. a) HVM das gemäß § 9 Absatz 2 ermittelte Punktzahlvolumen durch die Multiplikation mit dem Fachgruppenquotienten vermindert und damit weniger Punkte mit einem Punktwert von 4,15 Cent vergütet als die Berechnung nach § 9 Absatz 2 HVM ergab. Die übrigen Punkte wurden mit dem Restpunktwert vergütet. Da die Fachgruppenquote dem abrechnenden Arzt erst mit seinem Honorarbescheid bekannt wurde, wusste der Arzt bei seiner Leistungserbringung nicht, welche Punktmenge mit dem Punktwert von 4,15 Cent und welche Punktmenge mit dem Restpunktwert vergütet würde. Einen vorab feststehenden Punktwert gab es also auch nach dem ab dem 1. Juli 2005 geltenden HVM nicht.
Auch in dem hier maßgeblichen Zeitraum ab dem Quartal II/2007 galt ein HVM, der die Regelungen des ab dem 1. Juli 2005 geltenden HVM zur Vergütung auf Grundlage von Individualbudgets fortführte. Damit ergab sich der Punktwert für den einzelnen Arzt aus dem Honorarvolumen für die Arztgruppe dividiert durch die Summe der den Ärzten der Gruppe zuerkannten Punktzahlen. Somit hing die Höhe des Punktwertes davon ab, wie sich das Verhältnis zwischen dem Honorarvolumen für die Arztgruppe zu der Summe der den Ärzten der Gruppe zuerkannten Punktzahlen verhielt: Je nachdem, ob diese von den Ärzten abgerechnete Punktmenge größer oder kleiner war, errechnete sich ein geringerer oder höherer Punktwert. Somit war ein sogenannter floatender Punktwert nach Maßgabe des der Arztgruppe zugeordneten Honorarvolumens vorgegeben. Dieser stand in Widerspruch zu der Vorgabe fester Punktwerte in der Regelung des § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V.
Zudem fehlten in den Honorarverteilungsregelungen der Beklagten auch arztgruppenspezifische Festlegungen. Das Merkmal arztgruppenspezifischer Grenzwerte im Sinne des § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB erfordert, dass in die Regelung jedenfalls auch ein Element arztgruppeneinheitlicher Festlegung einfließt. Hierfür reicht nicht aus, dass jeder Arztgruppe ein gemeinschaftliches Honorarkontingent zugeordnet ist. Vielmehr müsste die Regelung zum Beispiel jedenfalls auf arztgruppeneinheitlichen Fallpunktzahlen aufbauen, und zwar dergestalt, dass eine arztgruppeneinheitliche Festlegung nur bei den Fallpunktzahlen vorgegeben wird und deren Multiplikation mit den individuellen Behandlungsfallzahlen dann zu praxisindividuellen Grenzwerten führt (vgl. BSG, andere Angaben oben, Randnummern 15 und 17 des bei Juris veröffentlichten Urteils). Bei der Bemessung des Individualbudgets auf der Grundlage der Honorarverteilungsregelungen der Beklagten war die Arztgruppenzugehörigkeit des jeweiligen Arztes jedoch unbeachtlich.
Ob die Honorarverteilungsregelungen der Beklagten dieselben Ziele wie die Regelung in § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V verfolgen, ist nicht maßgeblich. Allein eine möglicherweise gleichwertige Zielsetzung kann nicht den Mangel ausgleichen, dass es an den nach dem Wortlaut des § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V erforderlichen Regelungen – feste Punktwerte und arztgruppenspezifische Grenzwerte – fehlt.
Die Honorarverteilungsregelungen, die die Beklagte und die Krankenkassen für den Zeitraum ab dem II. Quartal 2007 vereinbart hatten, erfüllten jedoch die Voraussetzungen der Übergangsregelung in Teil III Nr. 2.2. des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004. Diese Regelung ist auch – wie das BSG in dem vorgenannten Urteil vom 17. März 2010 entschieden hat (vgl. Randnummer 20-22 des bei Juris veröffentlichten Urteils) – von der Ermächtigung des § 85 Absatz 4a Satz 1 letzter Teilsatz in Verbindung mit Absatz 4 Satz 6 bis 8 SGB V gedeckt. Die in dieser Übergangsregelung festgelegte Voraussetzung, dass bisherige Steuerungsinstrumente fortgeführt werden müssen, deren Auswirkungen mit den Vorgaben des § 85 Absatz 4 SGB V vergleichbar sind, ist erfüllt: Die oben dargestellten Honorarverteilungsregelungen entfernen sich – chronologisch betrachtet – nicht von den Vorgaben fester Punktwerte und arztgruppenspezifischer Grenzwerte. Insoweit unterscheiden sie sich von dem HVM des KV-Bezirks Nord-Württemberg, den das oben genannte Urteil des BSG zum Gegenstand hatte. Die dort bis zum 31. März 2005 geltenden Honorarverteilungsbestimmungen enthielten keine Regelung über einen floatenden Punktwert und waren daher dem System, das in § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V angelegt ist, näher als die Bestimmungen des ab dem 1. April 2005 geltenden HVM (vgl. hierzu BSG, andere Angaben oben, Randnummer 16 und 24 des bei Juris veröffentlichten Urteils). Insofern führten die ab dem 1. April 2005 im Bezirk der KV Nord-Württemberg geltenden Bestimmungen von der Zielrichtung der Realisierung von Regelleistungsvolumina weg und waren deshalb nicht von der Übergangsregelung in Teil III Nr. 2.2 des Beschlusses des Bewertungsausschusses gedeckt. Vorhandene Steuerungsinstrumente wurden nicht "fortgeführt".
Für die im Bezirk der Beklagten geltenden Honorarverteilungsregelungen gilt indes Folgendes: im Unterschied zu dem bis zum 30. Juni 2005 gültigen HVM sieht der ab dem 1. Juli 2005 gültige HVM zwar keinen festen Punktwert, wohl aber bereits einen Zielpunktwert in Höhe von 4,15 Cent vor (§ 9 Absatz 1 HVM). Dieser Zielpunktwert wurde – wie aus der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 13. September 2010 zu den Akten gereichten Aufstellung hervorgeht – relativ stabil erreicht und in einigen Quartalen sogar übertroffen. Annäherungsweise konnte somit Kalkulationssicherheit für die Ärzte bei der Verteilung des Honorars geschaffen werden, so dass die Einhaltung der gemäß § 85 Absatz 4 SGB V geforderten Steuerungswirkung im Wesentlichen – noch - möglich war.
Zum anderen wurden die Leistungen, die über das maximal abrechenbare Punktzahlvolumen abgerechnet worden sind, gemäß § 9 Absätze 1, 3 und 6 HVM zu einem abgestaffelten Punktwert – Restpunktwert – vergütet. Auch insoweit werden Vorgaben des § 85 Absatz 4 SGB V – und zwar diejenige aus Satz 8 der genannten Vorschrift – bereits teilweise umgesetzt.
Auch ab dem III. Quartal 2007 galten die gleichen Vergütungsmodalitäten wie ab dem III. Quartal 2005, das heißt insbesondere Vergütung der abgerechneten Leistungen mit einem zwar nicht festen Punktwert, wohl aber mit einem Zielpunktwert hinsichtlich der innerhalb des Individualbudgets abgerechneten Leistungen und mit einem Restpunktwert hinsichtlich der das Individualbudget überschreitenden Leistungsmenge.
Vor diesem Hintergrund führten die von der Beklagten in den maßgeblichen Honorarverteilungsregelungen vorgenommenen Änderungen von den Vorgaben des in § 85 Absatz 4 Satz 6 bis 8 genannten Zielsetzungen nicht weg, sondern stellten eine schrittweise - und nach Auffassung der Kammer gerade noch ausreichende - Annäherung an diese Vorgaben dar. Bei der Auslegung der Ermächtigung des § 85 Absatz 4a Satz 1 letzter Teilsatz SGB V ist auch zu berücksichtigen, dass es unter dem Gesichtspunkt des Interesses der Ärzte an einer Kontinuität des Honorierungsumfangs und aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität problematisch gewesen wäre, eine sofortige volle Übereinstimmung mit den Vorgaben des § 85 SGB V erreichen zu wollen. Vielmehr ist es – wie auch das BSG in dem vorgenannten Urteil vom 17. März 2010 vertritt (vgl. Randnummer 21 des bei Juris veröffentlichten Urteils) – bei solchen Anpassungen sachgerecht, eine nur allmähliche Anpassung genügen zu lassen und übergangsweise Abweichungen zu tolerieren. Dass dies auch im Interesse der Vertragsärzte war, zeigt sich, wenn man bedenkt, dass – um sofort einen festen Punktwert garantieren zu können – die Höhe der Individualbudgets hätte signifikant abgesenkt werden müssen. Konsequenz wäre eine geringere Vergütung gewesen, als dies mit der Festlegung von Zielpunktwerten der Fall war.
Nicht hinnehmbar wäre es indes gewesen, dass sich eine Honorarverteilungsregelung gegenüber der bisherigen – sei es auch nur vorübergehend – weiter von den Vorgaben des § 85 Absatz 4 Satz 6 bis 8 SGB V entfernt. Dies ist hier – wie oben dargelegt – nicht der Fall gewesen.
Ist das Regelungskonzept der Individualbudgets in der Ausprägung, wie es die hier maßgeblichen Honorarverteilungsmaßstäbe der Beklagten vorgesehen haben, in dem Zeitraum vom II. Quartal 2007 bis zum IV. Quartal 2008 gemessen an den Vorgaben des § 85 Absatz 4 Sätze 7 und 8 SGB V in Verbindung mit der Übergangsregelung in Teil III Nr. 2.2. des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 als – noch – rechtmäßig anzusehen, so kann der Kläger aus diesem grundsätzlich auch einen Anspruch auf Neufestsetzung seines Individualbudgets herleiten.
Die Honorarverteilungsmaßstäbe verstoßen – soweit mit ihnen Individualbudgets festgesetzt wurden - auch nicht gegen höherrangiges Recht. Sie sind als Berufsausübungsregelung an Art. 12 Grundgesetz (GG) zu messen und müssen im Hinblick auf das verfolgte Ziel insbesondere verhältnismäßig sein. Danach ist die Einführung von Individualbudgets grundsätzlich nicht zu beanstanden (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003, B 6 KA 54/02 R). Es ist im Hinblick auf das Ziel der Punktwertstabilisierung, der Vermeidung der Punktmengenausweitung (sogenannter "Hamsterradeffekt") und damit der finanziellen Stabilität des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung von dem einzelnen Vertragsarzt hinzunehmen, dass ihm Leistungsmengenausweitungen grundsätzlich verwehrt werden. Individualbudgets und Fallzahlzuwachsbegrenzungen verhindern wirkungsvoll die Ausweitung einer Praxis in einen Bereich, in dem eine sachgerechte und qualitativ hochwertige Versorgung der Patienten allein wegen deren großer Zahl nicht mehr gewährleistet ist. Auch die Honorarverteilungsgerechtigkeit bleibt hierdurch gewahrt (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003, B 6 KA 54/02 R).
Bei diesem Eingriff darf der Vertragsarzt jedoch nicht pauschal auf bestimmte, in der Vergangenheit erzielte oder für die Zukunft zu erwartende Umsätze beschränkt werden. Grundsätzlich rechtfertigt sich die Einführung von Individualbudgets zwar darin, dass der in der Vergangenheit erreichte Praxisumsatz bei typisierender Betrachtung ein maßgebendes Indiz für den Umfang ist, auf den der Vertragsarzt seine vertragsärztliche Tätigkeit ausgerichtet hat. Dennoch muss für besondere Fallkonstellationen die Möglichkeit bestehen, ausnahmsweise eine Neufestsetzung des einmal gewährten Individualbudgets zu erreichen.
Gründe für eine Neufestsetzung können die in § 9 Absatz 12 HVM (in der Fassung vom 8. Juni 2007 bzw. die gleichlautenden Vorschriften der Honorarverteilungsmaßstäbe vom 23. Januar 2008 und vom 10. April 2006) enumerativ genannten Tatbestände sein. Danach kann ein Leistungserbringer in begründeten Fällen beim Vorstand der Beklagten eine Neufestsetzung seines Individualbudgets beantragen, insbesondere
-wegen Praxisschließungen ohne Praxisnachfolge im Umfeld des Antragstellers und entsprechender Patientenübernahme, -wegen Praxisumzügen im Umfeld des Antragstellers und entsprechender Patientenübernahme, -wegen Erlöschen von Ermächtigungen von Krankenhausärzten, -wegen längerer Erkrankung im Bemessungszeitraum oder -wegen veränderter Praxisstruktur.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift liegen hier vor. Es ist ein Fall der Patientenübernahme wegen Praxisumzügen im Umfeld des Antragstellers gegeben (§ 9 Absatz 12, 2. Spiegelstrich HVM in der Fassung vom 8. Juni 2007 bzw. die gleichlautenden Vorschriften der Honorarverteilungsmaßstäbe vom 23. Januar 2008 und vom 10. April 2006, im Folgenden nur: HVM).
Der Kläger betrieb mit Frau Dr. K bis zum Ende des Quartals I/2007 eine Praxisgemeinschaft, das heißt, beide Praxen teilten Räumlichkeiten am selben Ort. Bereits dieser Umstand legt es nahe, dass sich nach dem Wegzug der Praxis Dr. K an einen rund 5 km entfernten Standort eine Vielzahl von Patienten der Praxis Dr. K in die Behandlung des Klägers an dem vertrauten Standort begeben würden. Durch die vorgelegten Patientenlisten in Verbindung mit den dauerhaft gestiegenen Fallzahlen hat der Kläger auch nachgewiesen, dass er Patienten aus der verzogenen Praxis von Frau Dr. K übernommen hat. Der Kläger hat nachvollziehbar vorgetragen, im Quartal II/2007 115 ehemalige Patienten von Frau Dr. K ... in seine Behandlung übernommen zu haben. In den folgenden Quartalen wuchs die Anzahl übernommener Patienten – in chronologischer Reihenfolge für die Quartale III/2007, IV/2007 und I/2008 – nach seinen plausiblen Angaben auf 167, 210 und 215 an. Während sich die durchschnittliche Fallzahl des Klägers im Jahr 2006 noch auf 624 Behandlungsfälle pro Quartal belief und damit in etwa derjenigen des für die Berechnung des Individualbudgets maßgeblichen Jahres 2002 entsprach, stieg diese im Quartal II/2007 sprunghaft auf 730 Behandlungsfälle an, um in den folgenden Quartalen Werte von 725, 805 bzw. 775 Behandlungsfällen zu erreichen. Für den Jahreszeitraum II/2007 bis I/2008 lag somit eine durchschnittliche Behandlungsfallzahl von 759 vor, was gegenüber dem Jahr 2006 einen Anstieg pro Quartal um durchschnittlich 21,6% bedeutet. Die Übernahme der Patienten erfolgte auch dauerhaft. Dies ist durch den über das Jahr 2007 hinaus andauernden Fallzahlanstieg belegt. Ein bloß morbiditätsbedingter Anstieg in den Behandlungsfallzahlen kann bei dieser, einen Zeitraum von mindestens vier Quartalen umfassenden Sichtweise, so gut wie ausgeschlossen werden. Dieses Bild wird eindrucksvoll und überzeugend durch die von dem Kläger am 2. Februar 2010 vorgelegten Erklärungen von 199 Patienten gestützt, die bestätigt haben, bis zum Anfang des Jahres 2007 Patienten von Frau Dr. K gewesen zu sein und sich dann ab dem Folgequartal in die Behandlung des Klägers begeben zu haben. Zu weiteren 16 Patienten trug der Kläger vor, dass diese auf seine Bitte um eine schriftliche Bestätigung nicht reagiert hätten. Weitere 30 namentlich genannte Patienten konnten durch den Kläger aus unterschiedlichen Gründen nicht erreicht werden. Unter dem 25. Februar 2010 reichte der Kläger Erklärungen von drei weiteren Patienten ein, die bestätigten, sich infolge des Wegzugs der Praxis Dr. K aus ihrer Behandlung in seine – des Klägers - Behandlung begeben zu haben. Addiert man diese drei Erklärungen zu den 199 Erklärungen hinzu, ergibt sich eine Anzahl von 202 Patienten, die nach den plausiblen Angaben des Klägers aus der Praxis Dr. K tatsächlich in seine Behandlung übernommen wurden.
Die Beklagte selbst stellt diesen Fallzahlzuwachs nicht grundsätzlich in Abrede, wenn nach ihren eigenen Angaben auch geringfügig niedrigere Behandlungsfallzahlen in den einzelnen, hier streitgegenständlichen Quartalen gegeben waren.
Das gleiche Bild ergibt sich, wenn man die Leistungssteigerung in Punkten betrachtet: Im Bemessungszeitraum des Jahres 2002 forderte der Kläger insgesamt 2.649.325 Punkte an, in den Quartalen II/2007 bis I/2008 hingegen 3.749.720. Auch wenn man die Punktmengen im Jahr 2006 mit den vier auf die Patientenübernahme folgenden Quartalen II/2007 bis I/2008 vergleicht, zeigt sich deutlich ein mit dem Anstieg der Behandlungsfallzahlen korrelierendes Bild:
Punktmengen:
I/2006 II/2006 III/2006 IV/2006 Durchschnitt 789.110 743.300 708.445 787.825 757.170 II/2007 III/2007 IV/2007 I/2008 Durchschnitt 878.050 866.735 950.765 1.054.170 937.430
Die von dem Kläger zur Substantiierung des vorgetragenen Fallzahlanstiegs vorgelegten Unterschriftenlisten lassen ihrem Inhalt nach auch erkennen, dass sich die dort genannten Patienten gerade aufgrund der Verlegung der Praxis von Frau Dr. K ... und in zeitlich engem Zusammenhang hierzu in seine Behandlung begeben haben. Eine Übernahme im Anschluss an die Praxisverlegung der Frau Dr. K und eine Kausalität zwischen der Verlegung des Praxissitzes und einer Übernahme der Patienten durch den Kläger wird hinreichend deutlich. Es erscheint vor diesem Hintergrund ausgeschlossen, dass die Praxis des Klägers etwa nur durch die Qualität und Attraktivität der Behandlung oder auch durch eine bessere Organisation neue Patienten für sich gewonnen hat, so dass vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003, - B 6 KA 54/02 R - BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 5) eine Erhöhung des Individualbudgets nur nach den Grundsätzen des Wachstums für Altpraxen zum Fachgruppendurchschnitt in Betracht kommen würde.
Dass die Fall- und Punktzahlerhöhung mit dem Praxisumzug der Frau Dr. K in engem Zusammenhang steht bzw. ursächlich auf diesen zurückzuführen ist, ergibt sich hinreichend deutlich aus den von dem Kläger vorgelegten Patientenlisten, in denen ehemalige Patienten der Praxis Dr. K durch ihre jeweiligen Unterschriften bestätigen, sich in die Behandlung des Klägers begeben zu haben. Ein weitergehender Nachweis des Praxiswechsels ist nicht notwendig und wäre aus Sicht der Kammer für den Kläger auch kaum bzw. gar nicht zu führen. Die von der Beklagten aufgestellten Anforderungen an den Nachweis der Patientenübernahme sind überhöht. Insbesondere die geforderte Übernahmevereinbarung mit der die Patienten abgebenden Praxis wird kaum zu erbringen sein. Denn wegen der Gefahr der Budget-Kürzung für die abgebende Praxis ist es realitätsfern anzunehmen, dass es je zu einer solchen Vereinbarung kommen würde (vgl. hierzu auch das Urteil der Kammer vom 22. Juni 2009 – Az. S 71 KA 382/07 - sowie dasjenige vom 16. September 2009 – Az. S 71 KA 152/06). Im Übrigen kann jeder Patient seinen Arzt grundsätzlich frei wählen und wäre an eine Patientenübernahme-Vereinbarung nicht gebunden. Auch das Interesse der Beklagten an einer stichhaltigen Tatsachengrundlage, um der abgebenden Praxis das Leistungsvolumen entziehen zu können, kann nicht dazu führen, dass der Nachweis der Übernahme praktisch unmöglich gemacht wird. Für das Vorliegen einer Übernahmevereinbarung besteht insoweit auch kein Bedarf. Denn der Beklagten ist es auf Grundlage einer Patientenliste möglich, anhand der Abrechnungsdaten von abgebender und übernehmender Praxis die Patientenwanderung nachzuvollziehen und einen ausreichenden Nachweis zu erbringen, der gegebenenfalls die Kürzung des Individualbudgets der abgebenden Praxis ermöglicht.
Schließlich spricht - ohne dass es neben den vorgelegten Patientenlisten noch entscheidend darauf ankäme – auch der Umstand deutlich für eine Patientenübernahme, dass der Kläger im Besitz entsprechender Patientenunterlagen war, die ihm von Frau Dr. K überlassen worden waren. Dies bestätigte auch die Zeugin Frau Dr. K bei ihrer Vernehmung in der mündlichen Verhandlung. Sie sagte aus, dass sich ihre Patientenunterlagen noch bis Ende Februar 2008 – und damit fast ein Jahr seit Auflösung der Praxisgemeinschaft - in den Räumlichkeiten der (ehemaligen) Praxisgemeinschaft befanden und dass der Kläger für den Fall der Behandlung ehemaliger Patienten aus ihrer Praxis Zugriff auf diese hatte, den sie auch ausdrücklich billigte. Erst Ende Februar 2008 seien die Behandlungsunterlagen in ihre Privaträume verbracht und seien von dem Beigeladenen dort im Oktober 2008 abgeholt worden. Der Beigeladene muss sich vor diesem Hintergrund fragen lassen, weshalb er – so denn der Großteil der Patienten der ehemaligen Praxis Dr. K ... von ihm weiterbehandelt worden sein sollten – die Behandlungsunterlagen der Patienten über einen Zeitraum von rund anderthalb Jahren hinweg offenbar nicht benötigte. Die Antwort auf diese Frage kann nach Auffassung der Kammer nur sein, dass die Patientenunterlagen für den Beigeladenen entbehrlich waren, da sich der ganz überwiegende Anteil der früheren Patienten der Praxis Dr. K eben gerade nicht bei ihm zum Zwecke der Weiterbehandlung eingefunden hatten.
Der Vortrag der Zeugin Frau Dr. K ..., dass die bei dem Beigeladenen angestellte Ärztin Frau Dr. T etwa 20 bis 30 Hausbesuchspatienten sowie einige weitere Patienten aus ihrer Praxis weiterbehandelt hat, widerspricht dem zuvor Gesagten nicht. Es wird auch durch den Kläger selbst keineswegs behauptet – und wäre vor dem Hintergrund der freien Arztwahl auch lebensfern -, dass er ausnahmslos alle Patienten der Praxis Dr. K weiterbehandelt hat. Dass er jedoch einen ganz maßgeblichen Anteil des früheren Patientenstammes der Praxis Dr. K übernommen hat, lässt sich durch den Umstand einer Weiterbehandlung einzelner Patienten durch Frau Dr. T nicht in Abrede stellen.
Diesen Feststellungen stehen auch die Angaben der bei dem Beigeladenen anstelle von Frau Dr. K angestellten Frau Dr. T nicht entgegen. Diese gab in ihrem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 10. September 2008 an, dass "allen Patienten (der Praxis Dr. K ...) die Möglichkeit gegeben wurde und alle Patienten ausdrücklich hingewiesen wurden, den Praxiswechsel mit zu vollziehen". Übereinstimmend hiermit erklärte Frau Dr. K in ihrem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom gleichen Tage, dass "alle meine Patienten die Möglichkeit (gehabt haben), mir in die neuen Praxisräume zu folgen". Hierauf seien sie durch direkte Ansprache und durch schriftliche Information aufmerksam gemacht worden. Weder durch Frau Dr. T , noch durch Frau Dr. K wird somit behauptet, dass ein Großteil der Patienten – geschweige denn alle Patienten – tatsächlich in die Praxis des Beigeladenen gefolgt wären.
Im Übrigen ist seitens des Beigeladenen keine Reaktion auf die gerichtliche Aufforderung mit Schreiben vom 12. Oktober 2009 erfolgt, substantiiert dazu vorzutragen, ob und ggf. welche Patienten nach dem Ausscheiden von Frau Dr. K aus der Praxisgemeinschaft mit dem Kläger dort weiter behandelt worden sein sollen. Der Beigeladene wurde von Seiten des Gerichts darauf hingewiesen, dass der Kläger mit Nichtwissen bestreitet, er - der Beigeladene – sei im Besitz umfangreicher, nicht digitalisierter Patientenakten von Frau Dr. K. Dem Beigeladenen wurde vor diesem Hintergrund Gelegenheit gegeben, die von dem Kläger vorgelegten Patientenlisten mit den Namen der dort behandelten Patienten abzugleichen und das Ergebnis dieses Abgleichs dem Gericht mitzuteilen. Eine Reaktion des Beigeladenen darauf erfolgte nicht und der Beigeladene erschien auch nicht in der mündlichen Verhandlung. Für die Kammer ergeben sich vor diesem Hintergrund keine Anhaltspunkte dafür, dass der Vortrag des Klägers zur tatsächlichen Übernahme eines Großteils der Patienten von Frau Dr. K unzutreffend sein könnte.
Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es entscheidend auf diese tatsächliche Übernahme der Patienten der Frau Dr. K durch den Kläger an, nicht jedoch darauf, ob ein Wechsel der Patienten in die neue Praxis des Beigeladenen angeregt, gewünscht oder zwischen zwei Vertragsärzten vereinbart worden wäre. Eine rein privatrechtliche Vereinbarung zwischen Vertragsärzten ist grundsätzlich ohne Einfluss auf die öffentlich-rechtlichen Positionen des Vertragsarztrechts. So hat das BSG ausdrücklich für den Fall der Gemeinschaftspraxis entschieden, dass die zulassungsrechtlichen Belange unabhängig von den hinter der Gemeinschaftspraxis stehenden gesellschaftsrechtlichen Gestaltungen sind (BSG, Urteil vom 19. August 1992 – B 6 RKa 36/90). Diese Entscheidung beinhaltet nach Auffassung der Kammer den Grundsatz, dass vertragsarztrechtliche Fragen, zu denen auch die Zuweisung von Individualbudgets zählt, auf der Grundlage des Vertragsarztrechts und nicht des Zivilrechts zu entscheiden sind. Entscheidend sind somit nicht privatrechtliche Vereinbarungen bezüglich einer Übernahme von Patienten, sondern vielmehr die tatsächlichen Umstände.
Dem Kläger kann durch die Beklagte auch keine reine Leistungsmengenausweitung entgegengehalten werden. Gemäß § 95 Absatz 3 Satz 1 SGB V bewirkt die Zulassung, dass der Vertragsarzt zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist. Die Behandlung eines gesetzlich Krankenversicherten kann nach der für den Vertragsarzt verbindlichen Vorschrift des § 13 Absatz 7 BMV-Ä nur in den Fällen abgelehnt werden, in denen ein Versicherter, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, vor der Behandlung seine elektronische Gesundheitskarte nicht vorlegt oder die in den gemäß § 28 Absatz 4 SGB V in Verbindung mit § 18 Absatz 1 BMV-Ä vorgesehenen Fällen notwendige Zuzahlung nicht leistet. Gemäß § 13 Absatz 7 Satz 2 BMV-Ä darf ein Vertragsarzt die Behandlung eines Versicherten im Übrigen nur in begründeten Fällen ablehnen. Das BSG hat hierzu in seinem Urteil vom 14. März 2001 – Az. B 6 KA 36/00 R – ausgeführt, dass sich Gründe für eine solche Ablehnung jedenfalls nicht aus finanziellen Gesichtspunkten ergeben können. Vor diesem Hintergrund ist es unzutreffend, wenn die Beklagte dem Kläger pauschal eine fehlende rechtliche Verpflichtung, die Patienten von Frau Dr. K zu versorgen, entgegenhält.
Soweit die Beklagte darauf verweist, dass es keine Praxisschließung ohne Praxisnachfolge gegeben habe, weil Frau Dr. K ab dem II. Quartal 2007 ihre Praxis an einem anderen Standort eingebracht habe – demjenigen des Beigeladenen – so kann dies allenfalls zur Verneinung der Voraussetzungen der Fallgruppe des § 9 Absatz 12, 1. Spiegelstrich HVM führen. Die Argumentation trifft aber erkennbar nicht auf die hier zur Beurteilung stehende Fallgruppe der Praxisumzüge zu, der immanent ist, dass die Praxis weiterhin betrieben wird, nur eben an einem anderen, von dem bisherigen Praxissitz entfernten Standort – hier im Berliner Stadtteil O. Im Rahmen dieser Fallgruppe kann es auch nicht darauf ankommen, ob und in welchem Maße in der Fachgruppe eine Überversorgung in Berlin oder im betroffenen Verwaltungsbezirk besteht. Anderenfalls wäre für die Fallgruppe der Praxisumzüge von vornherein kaum ein Anwendungsfall denkbar, weil sich zumindest die Versorgungssituation im gesamten Zulassungsbereich Berlin im Falle eines Praxisumzugs nie ändert. Aber auch auf die Versorgungslage im Verwaltungsbezirk bzw. im Umfeld des beantragenden Arztes kann es nicht ankommen. Denn die Regelung stellt eine individuelle Härtefallregelung dar, die es ermöglichen soll, vom Vertragsarzt nicht verursachte bzw. nicht steuerbare Leistungsmengenausweitungen angemessen auszugleichen, wozu Änderungen in der Versorgungsstruktur einer Region (vgl. BSGE 83, 52, 61; BSG, Urteil vom 28. Januar 2009 – B 6 KA 5/08 R -, zitiert nach Juris Randnummern 42 und 43) oder im Umfeld der Praxis (vgl. BSGE 92,10, Randnummer 33) gehören können. Es ist mithin auf die individuelle Versorgungssituation der Praxis und nicht auf die allgemeine Versorgungslage abzustellen.
Die nähere Ausgestaltung der Anhebung des Individualbudgets liegt im Ermessen der Beklagten. Bei der Neuentscheidung kann die Beklagte den Umfang der übernommenen Patienten im Verhältnis zur Fallzahl im Bemessungszeitraum und den mit dieser Übernahme verbundenen Punktzuwachs berücksichtigen. Denkbar ist aber auch, einen auf die gewechselten Patienten entfallenden fiktiven Anteil am Individualbudget der abgebenden Praxis zu berechnen und diesen auf die übernehmende Praxis zu übertragen. Sofern die Beklagte dem Vortrag des Klägers zur Anzahl der übernommenen Patienten anhand der Patientenliste nicht im Wesentlichen folgen will – danach ist eine Übernahme von jedenfalls 202 Patienten durch entsprechende Erklärungen bestätigt – wird sie genauere Zahlen anhand der ihr vorliegenden Abrechnungsdaten ermitteln müssen. Sie kann die dem Kläger bereits gewährte Individualbudget-Anhebung gegebenenfalls angemessen berücksichtigen, darf aber nicht außer Acht lassen, dass dem Kläger über die Patientenübernahme hinaus unter dem Gesichtspunkt des Wachstums von Altpraxen (Zulassung von mehr als 20 Quartalen im Bereich der KV Berlin) gemäß § 9 Absatz 8b HVM ein Anspruch auf Wachstum bis zum Fachgruppendurchschnitt zusteht, und zwar jährlich in Höhe von 10% bezogen auf den Fachgruppendurchschnitt.
Bei der Neufestsetzung des Individualbudgets kommt es nicht auf die in dem Widerspruchsbescheid der Beklagten in Bezug genommenen Bearbeitungsrichtlinien an. Diesen Richtlinien zufolge kann eine Neufestsetzung des Individualbudgets nur dann erfolgen, wenn die vertragsärztliche Praxis den angeforderten Leistungsbedarf in Punkten bzw. die Fallzahl in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Quartalen um mindestens 10% gegenüber dem Bemessungszeitraum gesteigert hat und gleichzeitig mit dieser Leistungssteigerung um 10% oberhalb des Wachstums der Fachgruppe liegt. Nach den eigenen Angaben der Beklagten finden diese Richtlinien jedoch nur dann Anwendung, wenn es um einen Anspruch auf Neufestsetzung des Individualbudgets aufgrund der Übernahme von Patienten aus geschlossenen Arztpraxen ohne Praxisnachfolge geht. Diese Fallgruppe ist jedoch bereits – wie oben ausgeführt – hier nicht einschlägig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 154 Absatz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nach § 197a SGG, § 162 Absatz 3 VwGO nur erstattungsfähig, wenn das Gericht sie aus Billigkeit dem unterliegenden Beteiligten oder der Staatskasse auferlegt. Der Beigeladene hat sich im Verfahren nicht zum Sach- und Streitstand geäußert und mangels Antragstellung auch kein eigenes Kostenrisiko übernommen (vgl. § 154 Absatz 3 VwGO), so dass kein Grund ersichtlich ist, seine Kosten den Hauptbeteiligten aufzuerlegen.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch des Klägers auf Neufestsetzung seines Individualbudgets bzw. auf Gewährung eines höheren Punktzahlvolumens.
Der Kläger nimmt seit dem 1. April 1998 als Facharzt für Allgemeinmedizin im Verwaltungsbezirk K-T an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Bis zum 31. März 2007 bestand eine Praxisgemeinschaft des Klägers mit der Fachärztin für Allgemeinmedizin Frau Dr. med. K. Zum 1. April 2007 schied Frau Dr. K aus Altersgründen aus der Praxisgemeinschaft aus. Für das Quartal II/2007 ließ sie sich im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) "Praxisklinik am ..." – dem hier Beigeladenen - anstellen. Ab dem Quartal III/2007 war Frau Dr. T auf dem Angestelltensitz von Frau Dr. K tätig.
Die Beklagte ermittelte für den Kläger folgende Individualbudget-Punkte je Quartal (unter Berücksichtigung des Gewichtungsfaktors):
Quartal Primärkassen Ersatzkassen III/2003 299.705 213.040 IV/2003 339.579 245.540 I/2004 326.899 231.793 II/2004 298.661 232.277
Die Fachgruppengrenzwerte gemäß § 9 Absatz 7, § 16 Absatz 2 c Honorarverteilungsmaßstab (HVM) beliefen sich für den Bereich der Ersatzkassen auf 324.004 Punkte und für den Bereich der Primärkassen auf 243.005 Punkte.
Mit Schreiben vom 4. Juli 2007 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Neufestsetzung seines Individualbudgets. Seine Fallzahlen seien durch die Übernahme von 115 ehemaligen Patienten von Frau Dr. K deutlich angestiegen. Die Patientenakten seien ihm von Frau Dr. K übergeben worden. Seinen Antrag ergänzte der Kläger mit Listen von insgesamt 115 namentlich aufgeführten Patienten, die er im Quartal II/2007 von Frau Dr. K übernommen habe. Im Folgenden ergänzte der Kläger seinen Antrag mit einem Verweis auf seine Abrechnungsdaten aus dem Quartal III/2007. Demzufolge sei die Anzahl der von Frau Dr. K übernommenen Patienten auf 167 angestiegen. Seit dem Quartal II/2007 würden seine Patientenzahlen kontinuierlich ansteigen. Er sei an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit gelangt. Im Gegensatz zu ihm würde in K kein Hausarzt wegen Überschreitung seines Individualbudgets neue Patienten aufnehmen.
Mit Bescheid vom 31. Januar 2008 gab die Beklagte dem Antrag vom 4. Juli 2007 auf Neufestsetzung des Individualbudgets des Klägers teilweise statt. Die Regelungen des ab dem 1. Juli 2007 geltenden HVM gemäß § 9 Absatz 8 b – in Verbindung mit den Voraussetzungen des § 10 HVM für einen erhöhten Zuwachs des Individualbudgets bis zum Fachgruppendurchschnitt – seien erfüllt worden. Dem Kläger werde daher eine Erhöhung des Individualbudgets entsprechend der Wachstumsregelungen für Altpraxen auf den Fachgruppendurchschnitt zugebilligt, da durch die Übernahme der Patienten von Frau Dr. K seine Fallzahlen gegenüber denen des Bemessungszeitraumes des Jahres 2002 um ca. 20% angestiegen seien. Eine dokumentierte Patientenübernahme würde jedoch nicht vorliegen.
Dagegen legte der Kläger mit am 14. Februar 2008 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben Widerspruch ein. Die ihm zugebilligte Erhöhung seines Individualbudgets sei nicht ausreichend und werde seiner individuellen Situation nicht gerecht. Er beantrage eine Neufestsetzung seines Individualbudgets gemäß § 9 Absätze 12 und 13 HVM wegen Praxisschließung ohne Praxisnachfolge bzw. Praxisumzug im Umfeld des Antragstellers. Zusätzlich legte er Listen mit 215 namentlich aufgeführten Patienten vor, die er im Zeitraum vom 1. April 2007 bis zum 7. Februar 2008 von Frau Dr. K übernommen habe.
Mit Schreiben vom 12. Juni 2008 bat die Beklagte den Beigeladenen, das MVZ "Praxisklinik am ", in das Frau Dr. K ihren Arztsitz verlegt hatte, um Auskunft, ob eine Vereinbarung zur Patientenübernahme getroffen worden sei oder ob Patientenakten an das MVZ abgegeben worden seien. Mit am 23. Juni 2008 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben antwortete die Beigeladene, dass durch eine mündliche Vereinbarung alle Patienten zu der Nachfolgerin auf dem Arztsitz von Frau Dr. K in dem MVZ, Frau Dr. M T , zur Behandlung kommen konnten und alle Hausbesuche von ihr übernommen worden seien. Die Beklagte wies den Beigeladenen im Folgenden darauf hin, dass ggf. mit einer Kürzung des Individualbudgets zu rechnen sei, wenn nicht alle ehemaligen Patienten von Frau Dr. K übernommen worden wären. Eine Überprüfung habe ergeben, dass Frau Dr. T weniger Patienten behandeln würde als ihre Vorgängerin. Um eine namentliche Aufstellung der übernommenen Patienten werde daher gebeten. Der Beigeladene bestätigte daraufhin die Übernahme aller Patienten von Frau Dr. K. Frau Dr. T erklärte, dass alle Patienten von Frau Dr. K die Möglichkeit gehabt hätten, sich von ihr behandeln zu lassen. Eine Übernahme aller Hausbesuchspatienten sei gewährleistet worden. Frau Dr. K erklärte ihrerseits, dass für alle ihre Patienten die Möglichkeit bestanden habe, sich bei dem Beigeladenen behandeln zu lassen. Der Kläger ergänzte seinen Vortrag im Folgenden durch die Angabe, er habe sein angefordertes Punktzahlvolumen in den Quartalen II/2007 und III/2007 gegenüber den beiden Quartalen IV/2006 und I/2007 vor der Patientenübernahme um 13,1% steigern können. Gegenüber den beiden Vorjahresquartalen II/2006 und III/2006 habe sich eine Steigerung um 20,2% ergeben. Eine dokumentierte Vereinbarung zur Patientenübernahme halte er für realitätsfern. Zwar seien ihm von Frau Dr. K die entsprechenden Patientenakten übergeben worden, eine schriftliche Vereinbarung darüber habe sie jedoch abgelehnt. Er bitte daher, die von Frau Dr. T aus dem MVZ "Praxisklinik am " behandelten Patienten mit seinen Listen der übernommenen Patienten zu überprüfen. Er könne ebenfalls nicht nachvollziehen, dass die hauptsächlich älteren Patienten von Frau Dr. K die neue 5 km entfernte Praxis einer wohnortnahen hausärztlichen Versorgung vorziehen würden.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte aufgrund ihrer Sitzung vom 18. November 2008 durch am 17. Dezember 2008 ausgefertigten Widerspruchsbescheid zurück. Nach ihren, das Ermessen näher definierenden und der Gleichbehandlung dienenden Bearbeitungsrichtlinien vom 27. August 2003 könne eine Neufestsetzung des Individualbudgets aufgrund der Übernahme von Patienten aus geschlossenen Arztpraxen ohne Praxisnachfolge nur dann gerechtfertigt sein, wenn die vertragsärztliche Praxis den angeforderten Leistungsbedarf in Punkten bzw. die Fallzahl in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Quartalen um mindestens 10% gegenüber dem Bemessungszeitraum gesteigert habe und gleichzeitig mit dieser Leistungssteigerung um 10% oberhalb des Wachstums der Fachgruppe liege. Zudem müsse der Antragsteller anhand der Benennung der übernommenen Patienten glaubhaft machen können, dass sein erkennbarer Fallzahlanstieg tatsächlich aus der Übernahme von Patienten einer geschlossenen Praxis resultiere. Vorliegend fehle es weiterhin an einer dokumentierten Patientenübernahmevereinbarung. Um eine ggf. erforderliche Kürzung auf Seiten der Patienten abgebenden Praxis umsetzen zu können, sei es erforderlich, dass diese Praxis mit der Übernahme der konkret geltend gemachten Patienten einverstanden sei. Dies könne zum Beispiel durch eine Unterschrift der abgebenden Praxis auf der Patientenliste geschehen. Zwar liege eine Liste des Klägers mit ehemaligen Patienten von Frau Dr. K vor, jedoch sei diese nicht von ihr bestätigt worden. Hinsichtlich der Verlegung des Arztsitzes von Frau Dr. K sei weiterhin festzustellen, dass sich der von Frau Dr. T im MVZ "Praxisklinik am " fortgeführte Arztsitz lediglich 5 km entfernt vom ehemaligen Praxisstandort befinde. Aufgrund der relativ kurzen Distanz zum neuen Praxissitz sei die Weiterbehandlung zumindest wesentlicher Teile des Patientenstammes möglich. Zudem lägen Erklärungen von Frau Dr. K , Frau Dr. T sowie des beigeladenen MVZ über die Weiterbehandlung der ehemaligen Patienten von Frau Dr. K durch ihre Nachfolgerin vor. Dem Kläger sei bereits ab dem II. Quartal 2007 ein Individualbudget in Höhe des Fachgruppendurchschnitts zugestanden worden. Die Zuordnung des Fachgruppendurchschnitts als Budgetobergrenze erscheine auch unter Berücksichtigung seiner Fallzahlen im Verhältnis zu den Fallzahlen seiner Fachgruppe gerechtfertigt. So beziffere sich die durchschnittliche Fallzahl des Klägers im Jahr 2007 auf 720, während die Fachgruppe in diesem Zeitraum 710 Fälle je Quartal abgerechnet habe. Im I. Quartal 2008 seien durch den Kläger 772 Fälle zur Abrechnung eingereicht worden, während sich die durchschnittliche Fallzahl auf 743 beziffere. Zwar liege seine Fallzahl des I. Quartals 2008 somit etwas oberhalb des Fachgruppendurchschnittswertes, jedoch träten quartalsweise Überschreitungen des Mittelwertes in Höhe von ca. 20-30 Patienten auch bei Kollegen seiner Fachgruppe auf, ohne dass hieraus ein Anspruch auf Erhöhung des Individualbudgets über den Fachgruppendurchschnitt hinaus entstehen könne.
Am 7. Januar 2009 erhob der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten Klage vor dem Sozialgericht Berlin. Seit dem Zeitpunkt der Beendigung der Praxisgemeinschaft habe er einen erheblichen Teil der vormaligen Patienten von Frau Dr. K übernommen, und zwar im Quartal II/2007: 115 ehemalige Patienten von Frau Dr. K , im Quartal III/2007: 167 ehemalige Patienten von Frau Dr. K , im Quartal IV/2007: 210 ehemalige Patienten von Frau Dr. K , im Quartal I/2008: 215 ehemalige Patienten von Frau Dr. K. Auch in absoluten Zahlen lasse sich eine erhebliche Steigerung der Behandlungsfälle verzeichnen. Noch im Jahr 2006 habe die durchschnittliche Fallzahl in seiner Praxis 624 pro Quartal betragen. Diese durchschnittliche Fallzahl habe derjenigen des für die Berechnung des Individualbudgets relevanten Jahres 2002 entsprochen. Seit der Beendigung der Praxisgemeinschaft mit Frau Dr. K habe seine Fallzahl signifikant höher gelegen, und zwar 730 Behandlungsfälle im Quartal II/2007, 725 Behandlungsfälle im Quartal III/2007, 805 Behandlungsfälle im Quartal IV/2007 und 775 Behandlungsfälle im Quartal I/2008. Auch ein Vergleich der angeforderten Punkte belege einen Anstieg der Punktmengen seit der Patientenübernahme von Frau Dr. K. Die in der einschlägigen Vorschrift des HVM als Tatbestandsmerkmal genannte Voraussetzung einer Patientenübernahme sei erfüllt. Es komme nicht darauf an, ob diese Patientenübernahme auch in der Art und Weise dokumentiert sei, wie es die Beklagte verlange. Selbst wenn man davon ausginge, dass der Wille der Patienten abgebenden Praxis von Bedeutung sei, so sei doch unberücksichtigt geblieben, dass Frau Dr. K ihm die Akten der betreffenden Patienten persönlich übergeben habe. Damit habe sie konkludent ihr Einverständnis mit der Weiterbehandlung dieser Patienten durch ihn – den Kläger – zum Ausdruck gebracht. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass eine rein privatrechtliche Vereinbarung zwischen Vertragsärzten regelmäßig ohne Einfluss auf die öffentlich-rechtlichen Positionen des Vertragsarztrechts sei. Die Beklagte gehe weiterhin unzutreffend davon aus, dass neben dem Erfordernis der Leistungs- bzw. Fallzahlsteigerung gegenüber dem Bemessungszeitraum auch ein solches der gleichzeitigen Leistungssteigerung oberhalb des Fachgruppendurchschnitts bestehe. Zudem fänden sich in dem Bescheid keine Ausführungen dazu, ob er – entsprechend der Richtlinien der Beklagten – "in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen einen gegenüber dem Bemessungszeitraum um 10% gesteigerten Leistungsbedarf" in Punkten bzw. Fallzahl aufweise und ob seine Leistungssteigerung das Wachstum der Fachgruppe um 10% überschreite. Tatsächlich seien diese Kriterien erfüllt. Die Beklagte übersehe weiterhin, dass eine Erhöhung des Individualbudgets wegen einer Praxisschließung ohne Nachfolge im Sinne des § 9 Absatz 12 HVM nicht nur dann zu gewähren sei, wenn der seine Praxis schließende Leistungserbringer endgültig aus der vertragsärztlichen Versorgung ausscheide. Maßgeblich sei vielmehr, dass die geschlossene Praxis nicht mehr zur Versorgung der Versicherten beitragen könne. Denn eine Erhöhung des Individualbudgets sei gemäß § 9 Absatz 12 Spiegelstrich 2 HVM auch wegen Praxisumzügen im Umfeld des Antragstellers und entsprechender Patientenübernahme zu gewähren. Die Übernahme der Patienten von Frau Dr. K stelle auch keine Leistungsmengenausweitung dar. Denn gemäß § 95 Absatz 3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bewirke die Zulassung, dass der Vertragsarzt zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet sei. Mit Schriftsatz vom 29. Januar 2010 wurde eine Liste derjenigen Patienten, die der Kläger von Frau Dr. K übernommen haben will, übergeben, die mit weiterem Schriftsatz vom 24. Februar 2010 ergänzt wurde. Selbst wenn – auf der Grundlage des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. März 2010, Aktenzeichen B 6 KA 43/08 R – die Honorarverteilung in der Zeit vom Quartal II/2005 bis zum Ende des Quartals IV/2008 rechtswidrig auf der Grundlage von Individualbudgets erfolgt sein sollte, sei die Klage dennoch begründet. Im Ergebnis beantrage er, dass die der Abrechnung zugrunde gelegten Instrumente der Leistungsmengenbegrenzung derart angepasst werden, dass die durch die Patientenübernahme verursachten Mehrleistungen angemessen vergütet würden. Er begehre also die Zuweisung höherer maximal abrechenbarer Punktzahlvolumina für die Quartale II/2007 bis IV/2008. Dieses Begehren könne einerseits durch eine Erhöhung des Individualbudgets für die Quartale II/2007 bis IV/2008, aber andererseits auch durch die Zuweisung eines den Vorgaben des § 85 Absatz 4 SGB V gerecht werdenden Instruments der Leistungsmengensteuerung wie beispielsweise einem Regelleistungsvolumen (RLV) erfüllt werden. Einer Anwendung eines den Vorgaben des § 85 Absatz 4 SGB V gerecht werdenden Instruments der Leistungsmengensteuerung könne auch nicht entgegengehalten werden, dass die Honorarbescheide der Quartale II/2007 bis IV/2008 bereits bestandskräftig seien.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2008, ausgefertigt am 17. Dezember 2008, aufzuheben und
die Beklagte zu verpflichten, ihm ab dem Quartal II/2007 und bis zum Quartal IV/2008 ein höheres Individualbudget bzw. ein höheres abrechenbares Punktzahlvolumen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entgegen der Auffassung des Klägers reiche es für eine Patientenübernahme im Sinne des § 9 Nr. 12 HVM nicht aus, dass die Patienten tatsächlich aus einer anderen Praxis im Umfeld kommen. Vielmehr müsse diese Patientenübernahme auf einer ausdrücklichen Übernahmevereinbarung mit der geschlossenen Praxis beruhen. Es liege auch keine Praxisschließung ohne Nachfolge vor; denn bei einem Umzug scheide ein Leistungserbringer nicht endgültig aus der vertragsärztlichen Versorgung aus. Davon abgesehen könne ein Leistungserbringer nur dann einen Ausgleich für eine budgetmäßig nicht berücksichtigte Belastung beanspruchen, wenn diese Belastung nicht auf eine Leistungsmengenausweitung zurückzuführen sei. Die Entscheidung des Klägers, Patienten aus der Praxis Dr. K zu übernehmen, stelle sich aber als eine Leistungsmengenausweitung dar, da der Kläger zu einer entsprechenden Weiterversorgung nicht verpflichtet gewesen sei. Trotz des Grundsatzes einer freien Arztwahl sei kein Leistungserbringer verpflichtet, über seine Kapazität hinaus tätig zu werden. Festzuhalten sei ferner, dass der Kläger erst nach der tatsächlichen Übernahme von Patienten seiner ehemaligen Praxisgemeinschafts-Partnerin im Wesentlichen die durchschnittliche Fallzahl einer hausärztlichen Praxis in Berlin erreiche. Hierfür sei ihm auch ein Individualbudget in Höhe des Fachgruppendurchschnitts zugeteilt worden.
Im Hinblick auf die Entscheidung des BSG vom 17. März 2009 in dem Verfahren B 6 KA 43/08 R gelte, dass diese auf den HVM der KV Berlin nicht übertragbar sei. Das Urteil des BSG betreffe lediglich den HVM der KV Nord-Württemberg und sei durch dessen Besonderheiten geprägt. Die rechtlichen Grundlagen der Honorarverteilung in Berlin ab dem Quartal II/2005 hätten weiterhin Bestand.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Die Gerichts- und Verwaltungsakten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten sowie des übrigen Inhalts wird auf sie Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2008, ausgefertigt am 17. Dezember 2008, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Neufestsetzung seines Individualbudgets ab dem Quartal II/2007 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.
Diesem Anspruch steht nicht entgegen, dass bereits das Regelungskonzept der Individualbudgets ab dem hier streitgegenständlichen Quartal II/2007 rechtswidrig gewesen wäre. Die Kammer hält das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. März 2010 in dem Verfahren B 6 KA 43/08 R, das zu den Honorarverteilungsregelungen des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung Nord-Württemberg ergangen ist, im Ergebnis nicht auf die ab dem Quartal II/2007 geltenden Honorarverteilungsregelungen im Bezirk der Beklagten übertragbar. Die für den streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Honorarverteilungsregelungen der Beklagten verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht.
Die Honorarverteilungsregelungen, die die Beklagte und die Krankenkassen für den Zeitraum ab dem II. Quartal 2007 vereinbart hatten, entsprachen zwar nicht den Vorgaben des § 85 Absatz 4 Satz 7 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Nach dieser Bestimmung sind in der Honorarverteilung "insbesondere arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina)". Kernpunkt dieser Bestimmung sind zwei Vorgaben, nämlich die Festlegung arztgruppenspezifischer Grenzwerte und fester Punktwerte, - und gemäß § 85 Absatz 4 Satz 8 SGB V kommt hinzu, dass für die darüber hinaus gehenden Leistungsmengen abgestaffelte Punktwerte vorzusehen sind.
Von den beiden Elementen "arztgruppenspezifische Grenzwerte" und "feste Punktwerte" wichen die ab dem Quartal II/2007 geltenden Honorarverteilungsregelungen der Beklagten ab.
Da es vor dem Hintergrund der Voraussetzungen der Übergangsregelung in Teil III Nr. 2.2. des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 – wonach eine Rechtmäßigkeit der Honorarverteilungsregelungen trotz Abweichungen von den Vorgaben des § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V dann in Betracht kommt, wenn bisherige Steuerungsinstrumente fortgeführt werden, deren Auswirkungen mit den Vorgaben des § 85 Absatz 4 SGB V vergleichbar sind (vgl. dazu unten) – auf einen Vergleich der Bestimmungen des ab dem Quartal II/2007 geltenden HVM mit den davor geltenden Honorarverteilungsregelungen ankommt, sind auch diese in eine Bewertung im Lichte der Vorgaben des § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V miteinzubeziehen:
Zum 1. Juli 2003 erfolgte auf der Grundlage des HVM in der Fassung vom 19. Juni 2003 durch die Beklagte erstmalig die Honorarverteilung auf Grundlage sogenannter Individualbudgets. Das Individualbudget als maximal abrechenbares individuelles Punktzahlvolumen wurde aus den individuellen Umsätzen im Bemessungszeitraum der Quartale I/2002 bis IV/2002 getrennt nach Primär- und Ersatzkassen ermittelt. Die ermittelten Umsätze wurden mit dem Faktor 10/0,511292 EUR multipliziert. Dieses Produkt wurde durch 4 dividiert. Daraus ergab sich das für ein Quartal geltende Individualbudget, das lediglich mit einem Gewichtungsfaktor an die Quartalsschwankungen angepasst wurde. Nach § 9 Absatz 2 HVM wurden Leistungen, die Ärzte über das ihnen zugeordnete maximal abrechenbare individuelle Punktzahlvolumen hinaus abrechneten, auf dieses Punktvolumen gekürzt. Die nach Kürzung verbleibenden maximal zulässigen punktzahlbewerteten Leistungen wurden mit einer Fachgruppenquote multipliziert. Die Fachgruppenquote ergab sich, indem die zur Verfügung stehende Honorarsumme der Fachgruppe durch das Produkt des maximal zulässigen Punktzahlvolumens der Fachgruppe mit 5,112929 Cent dividiert wurde. Das sich daraus ergebende individuelle Punktzahlvolumen des Arztes wurde mit 5,112929 Cent vergütet. Wurde dieses maximal abrechenbare Punktzahlvolumen im Abrechnungsquartal von einer Praxis unterschritten, trat die abgerechnete Leistungsmenge an die Stelle des maximal abrechenbaren Punktzahlvolumens. Überschritt das abgerechnete Punktzahlvolumen eines Arztes das maximal abrechenbare individuelle Punktzahlvolumen, ergaben sich von 5,11929 Cent abweichende praxisindividuelle Punktwerte. Im Ergebnis bedeutet dies, dass für die Vergütung der Leistungen mit einem Punktwert von 5,112929 Cent nicht allein das nach § 9 Absatz 1 HVM ermittelte Punktzahlvolumen maßgeblich war. Eine Verminderung des nach § 9 Absatz 1 HVM ermittelten Punktzahlvolumens trat dann ein, wenn die Summe der auf der Grundlage der Umsätze des Jahres 2002 ermittelten Punktzahlen aller Ärzte der Fachgruppe größer war als die in Punkte umgerechnete zur Vergütung zur Verfügung stehende Honorarsumme der Fachgruppe und damit die Fachgruppenquote kleiner 1 war. Die Fachgruppenquote war in jedem Abrechnungsquartal verschieden und ergab sich erst nach Abschluss des Abrechnungsquartals, so dass vor dem jeweiligen Abrechnungsquartal dem Arzt nicht bekannt war, welche Punktmenge mit welchem Punktwert vergütet wird. Es gab also keine vorab dem Arzt bekannten festen Punktwerte.
Mit Wirkung zum 1. Juli 2005 ist der ab dem 1. Juli 2003 geltende HVM durch einen neuen HVM ersetzt worden. Dieser neue HVM sah auch weiterhin eine Vergütung auf der Grundlage von Individualbudgets vor. Nach der Vorschrift des § 9 Absatz 1 HVM sollten die abgerechneten Leistungen bis zum Erreichen der Grenze des Individualbudgets mit einem festen Punktwert von 4,15 Cent vergütet werden. Die über die Grenzen des Individualbudgets hinaus abgerechneten Leistungen sollten mit einem Restpunktwert vergütet werden. Das Individualbudget wurde nach den Regelungen des § 9 Absatz 2 HVM ermittelt. Dazu wurden wiederum zunächst die individuellen Umsätze im Bemessungszeitraum der Quartale I/2002 bis IV/2002 getrennt nach Primär- und Ersatzkassen ermittelt. Die ermittelten Umsätze wurden mit dem Faktor 10/0,511292 EUR multipliziert. Dieses Produkt wurde wiederum durch 4 dividiert. Daraus ergab sich das für ein Quartal geltende Individualbudget, das lediglich mit einem Gewichtungsfaktor an die Quartalsschwankungen angepasst wurde. Dieses Individualbudget wurde jedoch nicht der Vergütung im Abrechnungsquartal zugrunde gelegt. Vielmehr wurde das nach § 9 Absatz 2 HVM ermittelte Individualbudget mit der Fachgruppenquote multipliziert (§ 9 Absatz 5 HVM). Erst dieses Produkt ergab die Punktzahl, die dann im konkreten Abrechnungsquartal mit einem Punktwert von 4,15 Cent vergütet wurde. Dieses Punktzahlvolumen war jedoch Schwankungen unterworfen, denn die Fachgruppenquote wurde in jedem Quartal neu berechnet. So wurden die jeweils zur Verfügung stehenden Honorarfonds zunächst um 3,9% bei den Hausärzten und 5% bei den Fachärzten gekürzt, um mit den aus der Kürzung resultierenden Beträgen den Restpunktwert zu finanzieren. Das verbleibende Honorar für eine Fachgruppe wurde durch 4,15 Cent dividiert, so dass sich daraus die Punktmenge der Fachgruppe ergab, die mit einem Punktwert von 4,15 Cent vergütet wurde. Sodann wurde dieses Punktvolumen durch die Summe der für die Ärzte nach § 9 Absatz 2 HVM ermittelten Punktvolumen geteilt. Dieser Quotient war die Fachgruppenquote. Der Betrag der Fachgruppenquote war also von dem jeweils im Abrechnungsquartal zur Verfügung stehenden Honorar der Fachgruppe abhängig. Das tatsächlich mit einem Punktwert von 4,15 Cent vergütete Punktzahlvolumen war somit nur dann mit dem auf der Grundlage der Umsätze des Jahres 2002 ermittelten Punktzahlvolumen identisch, wenn die Fachgruppenquote gleich 1 war. War aber die Fachgruppenquote kleiner 1, wurde gemäß § 9 Absatz 5 lit. a) HVM das gemäß § 9 Absatz 2 ermittelte Punktzahlvolumen durch die Multiplikation mit dem Fachgruppenquotienten vermindert und damit weniger Punkte mit einem Punktwert von 4,15 Cent vergütet als die Berechnung nach § 9 Absatz 2 HVM ergab. Die übrigen Punkte wurden mit dem Restpunktwert vergütet. Da die Fachgruppenquote dem abrechnenden Arzt erst mit seinem Honorarbescheid bekannt wurde, wusste der Arzt bei seiner Leistungserbringung nicht, welche Punktmenge mit dem Punktwert von 4,15 Cent und welche Punktmenge mit dem Restpunktwert vergütet würde. Einen vorab feststehenden Punktwert gab es also auch nach dem ab dem 1. Juli 2005 geltenden HVM nicht.
Auch in dem hier maßgeblichen Zeitraum ab dem Quartal II/2007 galt ein HVM, der die Regelungen des ab dem 1. Juli 2005 geltenden HVM zur Vergütung auf Grundlage von Individualbudgets fortführte. Damit ergab sich der Punktwert für den einzelnen Arzt aus dem Honorarvolumen für die Arztgruppe dividiert durch die Summe der den Ärzten der Gruppe zuerkannten Punktzahlen. Somit hing die Höhe des Punktwertes davon ab, wie sich das Verhältnis zwischen dem Honorarvolumen für die Arztgruppe zu der Summe der den Ärzten der Gruppe zuerkannten Punktzahlen verhielt: Je nachdem, ob diese von den Ärzten abgerechnete Punktmenge größer oder kleiner war, errechnete sich ein geringerer oder höherer Punktwert. Somit war ein sogenannter floatender Punktwert nach Maßgabe des der Arztgruppe zugeordneten Honorarvolumens vorgegeben. Dieser stand in Widerspruch zu der Vorgabe fester Punktwerte in der Regelung des § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V.
Zudem fehlten in den Honorarverteilungsregelungen der Beklagten auch arztgruppenspezifische Festlegungen. Das Merkmal arztgruppenspezifischer Grenzwerte im Sinne des § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB erfordert, dass in die Regelung jedenfalls auch ein Element arztgruppeneinheitlicher Festlegung einfließt. Hierfür reicht nicht aus, dass jeder Arztgruppe ein gemeinschaftliches Honorarkontingent zugeordnet ist. Vielmehr müsste die Regelung zum Beispiel jedenfalls auf arztgruppeneinheitlichen Fallpunktzahlen aufbauen, und zwar dergestalt, dass eine arztgruppeneinheitliche Festlegung nur bei den Fallpunktzahlen vorgegeben wird und deren Multiplikation mit den individuellen Behandlungsfallzahlen dann zu praxisindividuellen Grenzwerten führt (vgl. BSG, andere Angaben oben, Randnummern 15 und 17 des bei Juris veröffentlichten Urteils). Bei der Bemessung des Individualbudgets auf der Grundlage der Honorarverteilungsregelungen der Beklagten war die Arztgruppenzugehörigkeit des jeweiligen Arztes jedoch unbeachtlich.
Ob die Honorarverteilungsregelungen der Beklagten dieselben Ziele wie die Regelung in § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V verfolgen, ist nicht maßgeblich. Allein eine möglicherweise gleichwertige Zielsetzung kann nicht den Mangel ausgleichen, dass es an den nach dem Wortlaut des § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V erforderlichen Regelungen – feste Punktwerte und arztgruppenspezifische Grenzwerte – fehlt.
Die Honorarverteilungsregelungen, die die Beklagte und die Krankenkassen für den Zeitraum ab dem II. Quartal 2007 vereinbart hatten, erfüllten jedoch die Voraussetzungen der Übergangsregelung in Teil III Nr. 2.2. des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004. Diese Regelung ist auch – wie das BSG in dem vorgenannten Urteil vom 17. März 2010 entschieden hat (vgl. Randnummer 20-22 des bei Juris veröffentlichten Urteils) – von der Ermächtigung des § 85 Absatz 4a Satz 1 letzter Teilsatz in Verbindung mit Absatz 4 Satz 6 bis 8 SGB V gedeckt. Die in dieser Übergangsregelung festgelegte Voraussetzung, dass bisherige Steuerungsinstrumente fortgeführt werden müssen, deren Auswirkungen mit den Vorgaben des § 85 Absatz 4 SGB V vergleichbar sind, ist erfüllt: Die oben dargestellten Honorarverteilungsregelungen entfernen sich – chronologisch betrachtet – nicht von den Vorgaben fester Punktwerte und arztgruppenspezifischer Grenzwerte. Insoweit unterscheiden sie sich von dem HVM des KV-Bezirks Nord-Württemberg, den das oben genannte Urteil des BSG zum Gegenstand hatte. Die dort bis zum 31. März 2005 geltenden Honorarverteilungsbestimmungen enthielten keine Regelung über einen floatenden Punktwert und waren daher dem System, das in § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V angelegt ist, näher als die Bestimmungen des ab dem 1. April 2005 geltenden HVM (vgl. hierzu BSG, andere Angaben oben, Randnummer 16 und 24 des bei Juris veröffentlichten Urteils). Insofern führten die ab dem 1. April 2005 im Bezirk der KV Nord-Württemberg geltenden Bestimmungen von der Zielrichtung der Realisierung von Regelleistungsvolumina weg und waren deshalb nicht von der Übergangsregelung in Teil III Nr. 2.2 des Beschlusses des Bewertungsausschusses gedeckt. Vorhandene Steuerungsinstrumente wurden nicht "fortgeführt".
Für die im Bezirk der Beklagten geltenden Honorarverteilungsregelungen gilt indes Folgendes: im Unterschied zu dem bis zum 30. Juni 2005 gültigen HVM sieht der ab dem 1. Juli 2005 gültige HVM zwar keinen festen Punktwert, wohl aber bereits einen Zielpunktwert in Höhe von 4,15 Cent vor (§ 9 Absatz 1 HVM). Dieser Zielpunktwert wurde – wie aus der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 13. September 2010 zu den Akten gereichten Aufstellung hervorgeht – relativ stabil erreicht und in einigen Quartalen sogar übertroffen. Annäherungsweise konnte somit Kalkulationssicherheit für die Ärzte bei der Verteilung des Honorars geschaffen werden, so dass die Einhaltung der gemäß § 85 Absatz 4 SGB V geforderten Steuerungswirkung im Wesentlichen – noch - möglich war.
Zum anderen wurden die Leistungen, die über das maximal abrechenbare Punktzahlvolumen abgerechnet worden sind, gemäß § 9 Absätze 1, 3 und 6 HVM zu einem abgestaffelten Punktwert – Restpunktwert – vergütet. Auch insoweit werden Vorgaben des § 85 Absatz 4 SGB V – und zwar diejenige aus Satz 8 der genannten Vorschrift – bereits teilweise umgesetzt.
Auch ab dem III. Quartal 2007 galten die gleichen Vergütungsmodalitäten wie ab dem III. Quartal 2005, das heißt insbesondere Vergütung der abgerechneten Leistungen mit einem zwar nicht festen Punktwert, wohl aber mit einem Zielpunktwert hinsichtlich der innerhalb des Individualbudgets abgerechneten Leistungen und mit einem Restpunktwert hinsichtlich der das Individualbudget überschreitenden Leistungsmenge.
Vor diesem Hintergrund führten die von der Beklagten in den maßgeblichen Honorarverteilungsregelungen vorgenommenen Änderungen von den Vorgaben des in § 85 Absatz 4 Satz 6 bis 8 genannten Zielsetzungen nicht weg, sondern stellten eine schrittweise - und nach Auffassung der Kammer gerade noch ausreichende - Annäherung an diese Vorgaben dar. Bei der Auslegung der Ermächtigung des § 85 Absatz 4a Satz 1 letzter Teilsatz SGB V ist auch zu berücksichtigen, dass es unter dem Gesichtspunkt des Interesses der Ärzte an einer Kontinuität des Honorierungsumfangs und aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität problematisch gewesen wäre, eine sofortige volle Übereinstimmung mit den Vorgaben des § 85 SGB V erreichen zu wollen. Vielmehr ist es – wie auch das BSG in dem vorgenannten Urteil vom 17. März 2010 vertritt (vgl. Randnummer 21 des bei Juris veröffentlichten Urteils) – bei solchen Anpassungen sachgerecht, eine nur allmähliche Anpassung genügen zu lassen und übergangsweise Abweichungen zu tolerieren. Dass dies auch im Interesse der Vertragsärzte war, zeigt sich, wenn man bedenkt, dass – um sofort einen festen Punktwert garantieren zu können – die Höhe der Individualbudgets hätte signifikant abgesenkt werden müssen. Konsequenz wäre eine geringere Vergütung gewesen, als dies mit der Festlegung von Zielpunktwerten der Fall war.
Nicht hinnehmbar wäre es indes gewesen, dass sich eine Honorarverteilungsregelung gegenüber der bisherigen – sei es auch nur vorübergehend – weiter von den Vorgaben des § 85 Absatz 4 Satz 6 bis 8 SGB V entfernt. Dies ist hier – wie oben dargelegt – nicht der Fall gewesen.
Ist das Regelungskonzept der Individualbudgets in der Ausprägung, wie es die hier maßgeblichen Honorarverteilungsmaßstäbe der Beklagten vorgesehen haben, in dem Zeitraum vom II. Quartal 2007 bis zum IV. Quartal 2008 gemessen an den Vorgaben des § 85 Absatz 4 Sätze 7 und 8 SGB V in Verbindung mit der Übergangsregelung in Teil III Nr. 2.2. des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 als – noch – rechtmäßig anzusehen, so kann der Kläger aus diesem grundsätzlich auch einen Anspruch auf Neufestsetzung seines Individualbudgets herleiten.
Die Honorarverteilungsmaßstäbe verstoßen – soweit mit ihnen Individualbudgets festgesetzt wurden - auch nicht gegen höherrangiges Recht. Sie sind als Berufsausübungsregelung an Art. 12 Grundgesetz (GG) zu messen und müssen im Hinblick auf das verfolgte Ziel insbesondere verhältnismäßig sein. Danach ist die Einführung von Individualbudgets grundsätzlich nicht zu beanstanden (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003, B 6 KA 54/02 R). Es ist im Hinblick auf das Ziel der Punktwertstabilisierung, der Vermeidung der Punktmengenausweitung (sogenannter "Hamsterradeffekt") und damit der finanziellen Stabilität des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung von dem einzelnen Vertragsarzt hinzunehmen, dass ihm Leistungsmengenausweitungen grundsätzlich verwehrt werden. Individualbudgets und Fallzahlzuwachsbegrenzungen verhindern wirkungsvoll die Ausweitung einer Praxis in einen Bereich, in dem eine sachgerechte und qualitativ hochwertige Versorgung der Patienten allein wegen deren großer Zahl nicht mehr gewährleistet ist. Auch die Honorarverteilungsgerechtigkeit bleibt hierdurch gewahrt (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003, B 6 KA 54/02 R).
Bei diesem Eingriff darf der Vertragsarzt jedoch nicht pauschal auf bestimmte, in der Vergangenheit erzielte oder für die Zukunft zu erwartende Umsätze beschränkt werden. Grundsätzlich rechtfertigt sich die Einführung von Individualbudgets zwar darin, dass der in der Vergangenheit erreichte Praxisumsatz bei typisierender Betrachtung ein maßgebendes Indiz für den Umfang ist, auf den der Vertragsarzt seine vertragsärztliche Tätigkeit ausgerichtet hat. Dennoch muss für besondere Fallkonstellationen die Möglichkeit bestehen, ausnahmsweise eine Neufestsetzung des einmal gewährten Individualbudgets zu erreichen.
Gründe für eine Neufestsetzung können die in § 9 Absatz 12 HVM (in der Fassung vom 8. Juni 2007 bzw. die gleichlautenden Vorschriften der Honorarverteilungsmaßstäbe vom 23. Januar 2008 und vom 10. April 2006) enumerativ genannten Tatbestände sein. Danach kann ein Leistungserbringer in begründeten Fällen beim Vorstand der Beklagten eine Neufestsetzung seines Individualbudgets beantragen, insbesondere
-wegen Praxisschließungen ohne Praxisnachfolge im Umfeld des Antragstellers und entsprechender Patientenübernahme, -wegen Praxisumzügen im Umfeld des Antragstellers und entsprechender Patientenübernahme, -wegen Erlöschen von Ermächtigungen von Krankenhausärzten, -wegen längerer Erkrankung im Bemessungszeitraum oder -wegen veränderter Praxisstruktur.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift liegen hier vor. Es ist ein Fall der Patientenübernahme wegen Praxisumzügen im Umfeld des Antragstellers gegeben (§ 9 Absatz 12, 2. Spiegelstrich HVM in der Fassung vom 8. Juni 2007 bzw. die gleichlautenden Vorschriften der Honorarverteilungsmaßstäbe vom 23. Januar 2008 und vom 10. April 2006, im Folgenden nur: HVM).
Der Kläger betrieb mit Frau Dr. K bis zum Ende des Quartals I/2007 eine Praxisgemeinschaft, das heißt, beide Praxen teilten Räumlichkeiten am selben Ort. Bereits dieser Umstand legt es nahe, dass sich nach dem Wegzug der Praxis Dr. K an einen rund 5 km entfernten Standort eine Vielzahl von Patienten der Praxis Dr. K in die Behandlung des Klägers an dem vertrauten Standort begeben würden. Durch die vorgelegten Patientenlisten in Verbindung mit den dauerhaft gestiegenen Fallzahlen hat der Kläger auch nachgewiesen, dass er Patienten aus der verzogenen Praxis von Frau Dr. K übernommen hat. Der Kläger hat nachvollziehbar vorgetragen, im Quartal II/2007 115 ehemalige Patienten von Frau Dr. K ... in seine Behandlung übernommen zu haben. In den folgenden Quartalen wuchs die Anzahl übernommener Patienten – in chronologischer Reihenfolge für die Quartale III/2007, IV/2007 und I/2008 – nach seinen plausiblen Angaben auf 167, 210 und 215 an. Während sich die durchschnittliche Fallzahl des Klägers im Jahr 2006 noch auf 624 Behandlungsfälle pro Quartal belief und damit in etwa derjenigen des für die Berechnung des Individualbudgets maßgeblichen Jahres 2002 entsprach, stieg diese im Quartal II/2007 sprunghaft auf 730 Behandlungsfälle an, um in den folgenden Quartalen Werte von 725, 805 bzw. 775 Behandlungsfällen zu erreichen. Für den Jahreszeitraum II/2007 bis I/2008 lag somit eine durchschnittliche Behandlungsfallzahl von 759 vor, was gegenüber dem Jahr 2006 einen Anstieg pro Quartal um durchschnittlich 21,6% bedeutet. Die Übernahme der Patienten erfolgte auch dauerhaft. Dies ist durch den über das Jahr 2007 hinaus andauernden Fallzahlanstieg belegt. Ein bloß morbiditätsbedingter Anstieg in den Behandlungsfallzahlen kann bei dieser, einen Zeitraum von mindestens vier Quartalen umfassenden Sichtweise, so gut wie ausgeschlossen werden. Dieses Bild wird eindrucksvoll und überzeugend durch die von dem Kläger am 2. Februar 2010 vorgelegten Erklärungen von 199 Patienten gestützt, die bestätigt haben, bis zum Anfang des Jahres 2007 Patienten von Frau Dr. K gewesen zu sein und sich dann ab dem Folgequartal in die Behandlung des Klägers begeben zu haben. Zu weiteren 16 Patienten trug der Kläger vor, dass diese auf seine Bitte um eine schriftliche Bestätigung nicht reagiert hätten. Weitere 30 namentlich genannte Patienten konnten durch den Kläger aus unterschiedlichen Gründen nicht erreicht werden. Unter dem 25. Februar 2010 reichte der Kläger Erklärungen von drei weiteren Patienten ein, die bestätigten, sich infolge des Wegzugs der Praxis Dr. K aus ihrer Behandlung in seine – des Klägers - Behandlung begeben zu haben. Addiert man diese drei Erklärungen zu den 199 Erklärungen hinzu, ergibt sich eine Anzahl von 202 Patienten, die nach den plausiblen Angaben des Klägers aus der Praxis Dr. K tatsächlich in seine Behandlung übernommen wurden.
Die Beklagte selbst stellt diesen Fallzahlzuwachs nicht grundsätzlich in Abrede, wenn nach ihren eigenen Angaben auch geringfügig niedrigere Behandlungsfallzahlen in den einzelnen, hier streitgegenständlichen Quartalen gegeben waren.
Das gleiche Bild ergibt sich, wenn man die Leistungssteigerung in Punkten betrachtet: Im Bemessungszeitraum des Jahres 2002 forderte der Kläger insgesamt 2.649.325 Punkte an, in den Quartalen II/2007 bis I/2008 hingegen 3.749.720. Auch wenn man die Punktmengen im Jahr 2006 mit den vier auf die Patientenübernahme folgenden Quartalen II/2007 bis I/2008 vergleicht, zeigt sich deutlich ein mit dem Anstieg der Behandlungsfallzahlen korrelierendes Bild:
Punktmengen:
I/2006 II/2006 III/2006 IV/2006 Durchschnitt 789.110 743.300 708.445 787.825 757.170 II/2007 III/2007 IV/2007 I/2008 Durchschnitt 878.050 866.735 950.765 1.054.170 937.430
Die von dem Kläger zur Substantiierung des vorgetragenen Fallzahlanstiegs vorgelegten Unterschriftenlisten lassen ihrem Inhalt nach auch erkennen, dass sich die dort genannten Patienten gerade aufgrund der Verlegung der Praxis von Frau Dr. K ... und in zeitlich engem Zusammenhang hierzu in seine Behandlung begeben haben. Eine Übernahme im Anschluss an die Praxisverlegung der Frau Dr. K und eine Kausalität zwischen der Verlegung des Praxissitzes und einer Übernahme der Patienten durch den Kläger wird hinreichend deutlich. Es erscheint vor diesem Hintergrund ausgeschlossen, dass die Praxis des Klägers etwa nur durch die Qualität und Attraktivität der Behandlung oder auch durch eine bessere Organisation neue Patienten für sich gewonnen hat, so dass vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003, - B 6 KA 54/02 R - BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 5) eine Erhöhung des Individualbudgets nur nach den Grundsätzen des Wachstums für Altpraxen zum Fachgruppendurchschnitt in Betracht kommen würde.
Dass die Fall- und Punktzahlerhöhung mit dem Praxisumzug der Frau Dr. K in engem Zusammenhang steht bzw. ursächlich auf diesen zurückzuführen ist, ergibt sich hinreichend deutlich aus den von dem Kläger vorgelegten Patientenlisten, in denen ehemalige Patienten der Praxis Dr. K durch ihre jeweiligen Unterschriften bestätigen, sich in die Behandlung des Klägers begeben zu haben. Ein weitergehender Nachweis des Praxiswechsels ist nicht notwendig und wäre aus Sicht der Kammer für den Kläger auch kaum bzw. gar nicht zu führen. Die von der Beklagten aufgestellten Anforderungen an den Nachweis der Patientenübernahme sind überhöht. Insbesondere die geforderte Übernahmevereinbarung mit der die Patienten abgebenden Praxis wird kaum zu erbringen sein. Denn wegen der Gefahr der Budget-Kürzung für die abgebende Praxis ist es realitätsfern anzunehmen, dass es je zu einer solchen Vereinbarung kommen würde (vgl. hierzu auch das Urteil der Kammer vom 22. Juni 2009 – Az. S 71 KA 382/07 - sowie dasjenige vom 16. September 2009 – Az. S 71 KA 152/06). Im Übrigen kann jeder Patient seinen Arzt grundsätzlich frei wählen und wäre an eine Patientenübernahme-Vereinbarung nicht gebunden. Auch das Interesse der Beklagten an einer stichhaltigen Tatsachengrundlage, um der abgebenden Praxis das Leistungsvolumen entziehen zu können, kann nicht dazu führen, dass der Nachweis der Übernahme praktisch unmöglich gemacht wird. Für das Vorliegen einer Übernahmevereinbarung besteht insoweit auch kein Bedarf. Denn der Beklagten ist es auf Grundlage einer Patientenliste möglich, anhand der Abrechnungsdaten von abgebender und übernehmender Praxis die Patientenwanderung nachzuvollziehen und einen ausreichenden Nachweis zu erbringen, der gegebenenfalls die Kürzung des Individualbudgets der abgebenden Praxis ermöglicht.
Schließlich spricht - ohne dass es neben den vorgelegten Patientenlisten noch entscheidend darauf ankäme – auch der Umstand deutlich für eine Patientenübernahme, dass der Kläger im Besitz entsprechender Patientenunterlagen war, die ihm von Frau Dr. K überlassen worden waren. Dies bestätigte auch die Zeugin Frau Dr. K bei ihrer Vernehmung in der mündlichen Verhandlung. Sie sagte aus, dass sich ihre Patientenunterlagen noch bis Ende Februar 2008 – und damit fast ein Jahr seit Auflösung der Praxisgemeinschaft - in den Räumlichkeiten der (ehemaligen) Praxisgemeinschaft befanden und dass der Kläger für den Fall der Behandlung ehemaliger Patienten aus ihrer Praxis Zugriff auf diese hatte, den sie auch ausdrücklich billigte. Erst Ende Februar 2008 seien die Behandlungsunterlagen in ihre Privaträume verbracht und seien von dem Beigeladenen dort im Oktober 2008 abgeholt worden. Der Beigeladene muss sich vor diesem Hintergrund fragen lassen, weshalb er – so denn der Großteil der Patienten der ehemaligen Praxis Dr. K ... von ihm weiterbehandelt worden sein sollten – die Behandlungsunterlagen der Patienten über einen Zeitraum von rund anderthalb Jahren hinweg offenbar nicht benötigte. Die Antwort auf diese Frage kann nach Auffassung der Kammer nur sein, dass die Patientenunterlagen für den Beigeladenen entbehrlich waren, da sich der ganz überwiegende Anteil der früheren Patienten der Praxis Dr. K eben gerade nicht bei ihm zum Zwecke der Weiterbehandlung eingefunden hatten.
Der Vortrag der Zeugin Frau Dr. K ..., dass die bei dem Beigeladenen angestellte Ärztin Frau Dr. T etwa 20 bis 30 Hausbesuchspatienten sowie einige weitere Patienten aus ihrer Praxis weiterbehandelt hat, widerspricht dem zuvor Gesagten nicht. Es wird auch durch den Kläger selbst keineswegs behauptet – und wäre vor dem Hintergrund der freien Arztwahl auch lebensfern -, dass er ausnahmslos alle Patienten der Praxis Dr. K weiterbehandelt hat. Dass er jedoch einen ganz maßgeblichen Anteil des früheren Patientenstammes der Praxis Dr. K übernommen hat, lässt sich durch den Umstand einer Weiterbehandlung einzelner Patienten durch Frau Dr. T nicht in Abrede stellen.
Diesen Feststellungen stehen auch die Angaben der bei dem Beigeladenen anstelle von Frau Dr. K angestellten Frau Dr. T nicht entgegen. Diese gab in ihrem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 10. September 2008 an, dass "allen Patienten (der Praxis Dr. K ...) die Möglichkeit gegeben wurde und alle Patienten ausdrücklich hingewiesen wurden, den Praxiswechsel mit zu vollziehen". Übereinstimmend hiermit erklärte Frau Dr. K in ihrem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom gleichen Tage, dass "alle meine Patienten die Möglichkeit (gehabt haben), mir in die neuen Praxisräume zu folgen". Hierauf seien sie durch direkte Ansprache und durch schriftliche Information aufmerksam gemacht worden. Weder durch Frau Dr. T , noch durch Frau Dr. K wird somit behauptet, dass ein Großteil der Patienten – geschweige denn alle Patienten – tatsächlich in die Praxis des Beigeladenen gefolgt wären.
Im Übrigen ist seitens des Beigeladenen keine Reaktion auf die gerichtliche Aufforderung mit Schreiben vom 12. Oktober 2009 erfolgt, substantiiert dazu vorzutragen, ob und ggf. welche Patienten nach dem Ausscheiden von Frau Dr. K aus der Praxisgemeinschaft mit dem Kläger dort weiter behandelt worden sein sollen. Der Beigeladene wurde von Seiten des Gerichts darauf hingewiesen, dass der Kläger mit Nichtwissen bestreitet, er - der Beigeladene – sei im Besitz umfangreicher, nicht digitalisierter Patientenakten von Frau Dr. K. Dem Beigeladenen wurde vor diesem Hintergrund Gelegenheit gegeben, die von dem Kläger vorgelegten Patientenlisten mit den Namen der dort behandelten Patienten abzugleichen und das Ergebnis dieses Abgleichs dem Gericht mitzuteilen. Eine Reaktion des Beigeladenen darauf erfolgte nicht und der Beigeladene erschien auch nicht in der mündlichen Verhandlung. Für die Kammer ergeben sich vor diesem Hintergrund keine Anhaltspunkte dafür, dass der Vortrag des Klägers zur tatsächlichen Übernahme eines Großteils der Patienten von Frau Dr. K unzutreffend sein könnte.
Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es entscheidend auf diese tatsächliche Übernahme der Patienten der Frau Dr. K durch den Kläger an, nicht jedoch darauf, ob ein Wechsel der Patienten in die neue Praxis des Beigeladenen angeregt, gewünscht oder zwischen zwei Vertragsärzten vereinbart worden wäre. Eine rein privatrechtliche Vereinbarung zwischen Vertragsärzten ist grundsätzlich ohne Einfluss auf die öffentlich-rechtlichen Positionen des Vertragsarztrechts. So hat das BSG ausdrücklich für den Fall der Gemeinschaftspraxis entschieden, dass die zulassungsrechtlichen Belange unabhängig von den hinter der Gemeinschaftspraxis stehenden gesellschaftsrechtlichen Gestaltungen sind (BSG, Urteil vom 19. August 1992 – B 6 RKa 36/90). Diese Entscheidung beinhaltet nach Auffassung der Kammer den Grundsatz, dass vertragsarztrechtliche Fragen, zu denen auch die Zuweisung von Individualbudgets zählt, auf der Grundlage des Vertragsarztrechts und nicht des Zivilrechts zu entscheiden sind. Entscheidend sind somit nicht privatrechtliche Vereinbarungen bezüglich einer Übernahme von Patienten, sondern vielmehr die tatsächlichen Umstände.
Dem Kläger kann durch die Beklagte auch keine reine Leistungsmengenausweitung entgegengehalten werden. Gemäß § 95 Absatz 3 Satz 1 SGB V bewirkt die Zulassung, dass der Vertragsarzt zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist. Die Behandlung eines gesetzlich Krankenversicherten kann nach der für den Vertragsarzt verbindlichen Vorschrift des § 13 Absatz 7 BMV-Ä nur in den Fällen abgelehnt werden, in denen ein Versicherter, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, vor der Behandlung seine elektronische Gesundheitskarte nicht vorlegt oder die in den gemäß § 28 Absatz 4 SGB V in Verbindung mit § 18 Absatz 1 BMV-Ä vorgesehenen Fällen notwendige Zuzahlung nicht leistet. Gemäß § 13 Absatz 7 Satz 2 BMV-Ä darf ein Vertragsarzt die Behandlung eines Versicherten im Übrigen nur in begründeten Fällen ablehnen. Das BSG hat hierzu in seinem Urteil vom 14. März 2001 – Az. B 6 KA 36/00 R – ausgeführt, dass sich Gründe für eine solche Ablehnung jedenfalls nicht aus finanziellen Gesichtspunkten ergeben können. Vor diesem Hintergrund ist es unzutreffend, wenn die Beklagte dem Kläger pauschal eine fehlende rechtliche Verpflichtung, die Patienten von Frau Dr. K zu versorgen, entgegenhält.
Soweit die Beklagte darauf verweist, dass es keine Praxisschließung ohne Praxisnachfolge gegeben habe, weil Frau Dr. K ab dem II. Quartal 2007 ihre Praxis an einem anderen Standort eingebracht habe – demjenigen des Beigeladenen – so kann dies allenfalls zur Verneinung der Voraussetzungen der Fallgruppe des § 9 Absatz 12, 1. Spiegelstrich HVM führen. Die Argumentation trifft aber erkennbar nicht auf die hier zur Beurteilung stehende Fallgruppe der Praxisumzüge zu, der immanent ist, dass die Praxis weiterhin betrieben wird, nur eben an einem anderen, von dem bisherigen Praxissitz entfernten Standort – hier im Berliner Stadtteil O. Im Rahmen dieser Fallgruppe kann es auch nicht darauf ankommen, ob und in welchem Maße in der Fachgruppe eine Überversorgung in Berlin oder im betroffenen Verwaltungsbezirk besteht. Anderenfalls wäre für die Fallgruppe der Praxisumzüge von vornherein kaum ein Anwendungsfall denkbar, weil sich zumindest die Versorgungssituation im gesamten Zulassungsbereich Berlin im Falle eines Praxisumzugs nie ändert. Aber auch auf die Versorgungslage im Verwaltungsbezirk bzw. im Umfeld des beantragenden Arztes kann es nicht ankommen. Denn die Regelung stellt eine individuelle Härtefallregelung dar, die es ermöglichen soll, vom Vertragsarzt nicht verursachte bzw. nicht steuerbare Leistungsmengenausweitungen angemessen auszugleichen, wozu Änderungen in der Versorgungsstruktur einer Region (vgl. BSGE 83, 52, 61; BSG, Urteil vom 28. Januar 2009 – B 6 KA 5/08 R -, zitiert nach Juris Randnummern 42 und 43) oder im Umfeld der Praxis (vgl. BSGE 92,10, Randnummer 33) gehören können. Es ist mithin auf die individuelle Versorgungssituation der Praxis und nicht auf die allgemeine Versorgungslage abzustellen.
Die nähere Ausgestaltung der Anhebung des Individualbudgets liegt im Ermessen der Beklagten. Bei der Neuentscheidung kann die Beklagte den Umfang der übernommenen Patienten im Verhältnis zur Fallzahl im Bemessungszeitraum und den mit dieser Übernahme verbundenen Punktzuwachs berücksichtigen. Denkbar ist aber auch, einen auf die gewechselten Patienten entfallenden fiktiven Anteil am Individualbudget der abgebenden Praxis zu berechnen und diesen auf die übernehmende Praxis zu übertragen. Sofern die Beklagte dem Vortrag des Klägers zur Anzahl der übernommenen Patienten anhand der Patientenliste nicht im Wesentlichen folgen will – danach ist eine Übernahme von jedenfalls 202 Patienten durch entsprechende Erklärungen bestätigt – wird sie genauere Zahlen anhand der ihr vorliegenden Abrechnungsdaten ermitteln müssen. Sie kann die dem Kläger bereits gewährte Individualbudget-Anhebung gegebenenfalls angemessen berücksichtigen, darf aber nicht außer Acht lassen, dass dem Kläger über die Patientenübernahme hinaus unter dem Gesichtspunkt des Wachstums von Altpraxen (Zulassung von mehr als 20 Quartalen im Bereich der KV Berlin) gemäß § 9 Absatz 8b HVM ein Anspruch auf Wachstum bis zum Fachgruppendurchschnitt zusteht, und zwar jährlich in Höhe von 10% bezogen auf den Fachgruppendurchschnitt.
Bei der Neufestsetzung des Individualbudgets kommt es nicht auf die in dem Widerspruchsbescheid der Beklagten in Bezug genommenen Bearbeitungsrichtlinien an. Diesen Richtlinien zufolge kann eine Neufestsetzung des Individualbudgets nur dann erfolgen, wenn die vertragsärztliche Praxis den angeforderten Leistungsbedarf in Punkten bzw. die Fallzahl in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Quartalen um mindestens 10% gegenüber dem Bemessungszeitraum gesteigert hat und gleichzeitig mit dieser Leistungssteigerung um 10% oberhalb des Wachstums der Fachgruppe liegt. Nach den eigenen Angaben der Beklagten finden diese Richtlinien jedoch nur dann Anwendung, wenn es um einen Anspruch auf Neufestsetzung des Individualbudgets aufgrund der Übernahme von Patienten aus geschlossenen Arztpraxen ohne Praxisnachfolge geht. Diese Fallgruppe ist jedoch bereits – wie oben ausgeführt – hier nicht einschlägig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 154 Absatz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nach § 197a SGG, § 162 Absatz 3 VwGO nur erstattungsfähig, wenn das Gericht sie aus Billigkeit dem unterliegenden Beteiligten oder der Staatskasse auferlegt. Der Beigeladene hat sich im Verfahren nicht zum Sach- und Streitstand geäußert und mangels Antragstellung auch kein eigenes Kostenrisiko übernommen (vgl. § 154 Absatz 3 VwGO), so dass kein Grund ersichtlich ist, seine Kosten den Hauptbeteiligten aufzuerlegen.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved